Zu Beginn begrüßte Felix Kraft, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung Hessen, die Gäste und eröffnete, dass diese neue Reihe dazu einladen solle, über zentrale gesellschafts- und kulturpolitische Themen nachzudenken.
Mit einem Zitat aus den stoischen Selbstbetrachtungen Marc Aurels –
„Bleibe ein einfacher, guter Mensch, integer, ernsthaft, schlicht, ein Freund der Gerechtigkeit, gottesfürchtig, wohlwollend, liebevoll und standhaft in der Erfüllung deiner Pflicht.“ –
führte er in das Thema des Abends ein. Charakter, Integrität und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen machten also gute Führung aus. Regieren sei nicht nur eine Frage von Macht und Einfluss, sondern vor allem eine der Haltung und der Werte. Gerade heute, in einer Zeit multipler Krisen, sei dies aktueller denn je. Geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche, wirtschaftliche Unsicherheiten und gesellschaftliche Polarisierung stellten Regierungen vor große zeitgleiche Herausforderungen. Was mach(t)e also gutes Regieren damals, heute und in Zukunft aus?
Den ersten inhaltlichen Impuls gab Dr. Marcus Reuter, der den römischen Kaiser Marc Aurel als mögliche Leitfigur guter Herrschaft vorstellte. Zu dessen Zeit habe sich das Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht befunden. Reuter erläuterte, dass Marc Aurel im System des Adoptivkaisertums aufgewachsen und über Jahrzehnte hinweg auf sein Amt vorbereitet sei. Seine Regierungszeit sei geprägt gewesen von enormen Herausforderungen (hier dränge sich ein Vergleich zu heute auf, auch wenn die Strukturen damals selbstverständlich gänzlich andere gewesen seien): Schulden, Kriege, eine schwere Pestepidemie und frühe Völkerwanderungsbewegungen. Marc Aurel habe, so Reuter, mit pragmatischem Krisenmanagement reagiert und sei selbst stets sehr präsent gewesen. Seine privaten Notizen, die Selbstbetrachtungen, seien hingegen erst im 16. Jahrhundert wiederentdeckt worden und hätten zu seinem späteren Bild als „Philosophenkaiser“ geführt – eine Zuschreibung, die in der römischen Antike so nicht existiert habe. Dort sei von einem Herrscher Härte und militärische Stärke erwartet worden. Zwar sei Marc Aurel philosophisch der Lehre der Stoa gefolgt, die den Dienst an der Allgemeinheit und moralische Selbstprüfung betone, doch hätten diese moralischen Prinzipien trotzdem häufig im Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität des Imperiums und den Anforderungen an die Herrschaftsausübung gestanden. Dennoch sei er als ein „Glücksfall in Krisenjahren“ zu bezeichnen.Im zweiten Vortrag richtete Prof. Dr. Claudia Wiesner den Blick auf die Gegenwart und analysierte die Anforderungen an politische Führung in Zeiten der sogenannten Polykrise. Sie definierte diese als gleichzeitige, komplexe, miteinander verflochtene Problemlagen, die miteinander verzahnt seien und sich gegenseitig verstärkten. Demokratie, so Wiesner, müsse als Zusammenspiel von Beteiligung, funktionierenden Prozessen und guten Ergebnissen verstanden werden, doch werde häufig nur auf den Output, also die Ergebnisse, geschaut. Gutes Regieren bemesse sich jedoch auch daran, wie gut das System funktioniere.
Heute stünden Demokratien unter Druck – u.a. durch Dekonsolidierung, Populismus, Democratic Backsliding, das Globalisierungstrilemma und eine gesellschaftlich wachsende Ungleichheit bei politischer Teilhabe. Die zentralen Polykrisen der Gegenwart umfassten unter anderem Gesundheitskrisen, geopolitische Krisen (wie Russlands Krieg gegen die Ukraine) und die Klimakrise. Diese zeigten, dass politische Probleme zunehmend multikausal, grenzüberschreitend und schwer verständlich seien. Dies erzeuge Angst und fordere Regierende wie Gesellschaft gleichermaßen. Wiesner plädierte dafür, nicht auf mehr Bürokratie oder technokratische Lösungen zu setzen, sondern auf adaptive, lernfähige Formen des Regierens, auf lokale Lösungen, Resilienz und auf das Vertrauen in demokratische Prozesse und politische Debatten. Demokratie befinde sich im ständigen Wandel, sei aber erst dann gefährdet, wenn ihre Grundprinzipien infrage gestellt würden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Dr. Marcus Reuter, Prof. Dr. Claudia Wiesner und Dr. Till Kaesbach, Staatssekretär im Hessischen Finanzministerium, moderiert von Felix Kraft, wurden Theorie und Praxis miteinander verknüpft. Dr. Kaesbach betonte als aktiv politisch Handelnder und Vertreter einer Regierung, die Notwendigkeit von Transparenz staatlichen Handelns und die Gefahr einer Verantwortungsdiffusion, bei der sich politische Akteure Verantwortung gegenseitig zuschöben. Demokratie brauche Zeit, was oft im Spannungsverhältnis zur Erwartung schneller Lösungen stehe. Politische Entscheidungen – etwa im Bereich der Rentenpolitik – müssten offen kommuniziert werden, gerade im Hinblick auf ihre langfristigen Konsequenzen. Wiesner hob hervor, dass gutes Regieren komplex und häufig unpopulär sei. Auch Entscheidungen und Kompromisse würden schwieriger, je komplexer die politischen Herausforderungen seien. Reuter verwies auf die Demut, die Marc Aurels Amtsverständnis geprägt habe und die viele heutige Politiker an ihm beeindrucke. Kaesbach erinnerte daran, dass man sich trotz der Beschleunigung politischer Kommunikation bewusst Zeit für gute Debatten nehmen müsse.In den Publikumsfragen ging es unter anderem um Glaubwürdigkeit in der Politik, die Schuldenbremse und praktische Verbesserungsmöglichkeiten. Wiesner erläuterte, dass insbesondere extreme Parteien bei jungen Wählerinnen und Wählern erfolgreich seien, weil sie soziale Medien strategisch und effektiv nutzten. Sie plädierte dafür, politischen Entwicklungen weniger mit Angst zu begegnen und Transformationen positiv zu gestalten.
Die Veranstaltung bot insgesamt einen dichten, vielseitigen und anregenden Austausch, der historische Analysen, demokratietheoretische Perspektiven und politische Praxis produktiv miteinander verband. Die Frage nach gutem Regieren erwies sich dabei als zeitlos und aktueller denn je. Das Wiesbadener Kultur- und Politikforum setzte mit dieser Auftaktveranstaltung einen deutlichen Impuls, die Leitprinzipien und Herausforderungen demokratischen Regierens im 21. Jahrhundert vertieft zu reflektieren.Сэдвүүд
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