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Äthiopiens BRICS-Mitgliedschaft

Zwischen überzogenen Erwartungen und geopolitischen Rivalitäten

Am 1. Januar 2024 trat Äthiopien offiziell der BRICS-Gruppe bei – ein symbolträchtiger Schritt, mit dem sich das Land vom traditionellen Westen ab- und einer vermeintlich multipolareren Weltordnung zuwendet (Council on Foreign Relations, 2024). Addis Abeba stilisierte den Beitritt zu einem historischen Erfolg der eigenen Außenpolitik hoch. Man bewertete diesen Schritt als Zeichen für die Rückkehr zu geopolitischer Relevanz und als wichtigen Türöffner für neue wirtschaftliche und diplomatische Möglichkeiten. Doch hinter dieser Rhetorik verbirgt sich eine zunehmend sichtbare Diskrepanz zwischen den Erwartungen Äthiopiens an BRICS und den strukturellen sowie politischen Realitäten innerhalb der Staatengruppe. Vor allem die bisher ausgebliebenen wirtschaftlichen Erträge sowie das Aufkommen von neuen geopolitischen Spannungen unter den Mitgliedern stellen den Nutzen des Beitritts infrage.

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Äthiopiens Erwartungen an BRICS und die (enttäuschten) Erwartungen

Zentrale Hoffnungen verband Äthiopien mit der New Development Bank (NDB), die als alternative Finanzierungsquelle zu westlichen Institutionen wie dem IWF angesehen wurde. Angesichts eines IWF-Abkommens über 3,4 Milliarden US-Dollar und einer massiven Währungsabwertung um über 130 Prozent (The Onero Institute, 2025) war das Interesse an weniger konditionierter Finanzierung groß. Doch konkrete NDB-Zusagen für äthiopische Projekte blieben bislang aus. Während andere Mitglieder – etwa Indien – bereits Milliardenkredite erhielten (New Development Bank, 2025), wartet Addis Abeba weiterhin auf erste Genehmigungen.  Laut Aussagen chinesischer Finanzexperten wird Äthiopien der NDB auch nur beitreten können, wenn entweder der geopolitische Vorteil die finanziellen Risiken eines Einstiegs Äthiopiens übersteigt oder sich Äthiopien innerhalb der nächsten Jahre eben durch das IWF-Programm selbst rehabilitiert. 

Auch diplomatisch hatte sich Äthiopien durch den Beitritt eine signifikante Aufwertung auf internationaler Bühne erhofft. Die BRICS boten aus Sicht der äthiopischen Führung eine Plattform für globale Anerkennung und eine stärkere Stimme Afrikas in internationalen Institutionen (Kupfernagel, 2023). Doch bereits bei den Außenministertreffen 2024 und 2025 zeigten sich die Grenzen der Gruppe: Meinungsverschiedenheiten darüber, für welche UN-Reformen man sich gemeinsam einsetzen wolle, verhinderten eine gemeinsame Erklärung, dabei ging es insbesondere um Differenzen bezüglich der möglichen Rolle Südafrikas als Kandidat für einen möglichen permanenten afrikanischen Sitz im UN-Sicherheitsrat (Brookings Institution, 2024; Voice of Africa, 2025). Die wirtschaftliche Diversifizierung durch Süd-Süd-Kooperation war ein weiteres Ziel. Zwar bleibt Äthiopien formal die am schnellsten wachsende Volkswirtschaft Ostafrikas – angetrieben aber eher durch demografisches Wachstum und kurzfristige Infrastrukturinvestitionen als durch nachhaltige Industrialisierung. Doch auch hier blieb der tatsächliche Zugewinn an Märkten und Handelspartnern bisher marginal.

 

Äthiopiens Erwartungen an den BRICS-Gipfel 2025 in Rio

Der bevorstehende BRICS-Gipfel 2025 in Rio de Janeiro im Juli wird von der äthiopischen Regierung mit hohen Erwartungen begleitet. Im Zentrum steht der konkrete Wunsch nach einer aktiveren Rolle der NDB, insbesondere mit Blick auf die Finanzierung von Infrastrukturprojekten und makroökonomischer Stabilisierung. Addis Abeba hofft hier auf verstärkte Unterstützung durch Indien und China.

Zudem setzt Äthiopien auf Fortschritte bei der Etablierung eines regionalen Zahlungssystems, das eine stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit vom US-Dollar ermöglichen soll. Dies wird als strategischer Hebel gesehen, um sich von der Dominanz westlicher Finanzarchitektur zu lösen.

Politisch erhofft sich Äthiopien klare Signale zur Reform globaler Institutionen wie WTO, Weltbank und UN-Sicherheitsrat. Besonders kontrovers ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag einiger BRICS-Mitglieder, insbesondere Brasiliens und Indiens, Südafrika als permanente afrikanische Stimme im Sicherheitsrat zu unterstützen. Diese Linie wird von Äthiopien wie auch von Ägypten explizit abgelehnt, da beide Staaten für ein inklusiveres multilaterales System eintreten, das afrikanische Repräsentation breiter abbildet und nicht auf ein einziges Land reduziert. Der Gipfel in Rio wird daher auch zum Prüfstein für die Fähigkeit der BRICS, interne afrikanische Spannungen auszugleichen und eine gemeinsame Stimme des globalen Südens zu formulieren.

 

Fazit

Äthiopiens Beitritt zu BRICS ist Ausdruck einer strategischen Neupositionierung in einer zunehmend multipolaren Welt. Die damit verbundenen Hoffnungen auf finanzielle, diplomatische und wirtschaftliche Fortschritte wurden bisher jedoch kaum erfüllt. Die BRICS-Strukturen sind weder institutionell kohärent noch strategisch einheitlich genug, um verlässliche Ergebnisse zu liefern.

Von daher kann erwartet werden, dass Äthiopiens Hoffnungen enttäuscht werden – und damit auch das Gefühl wachsen wird, erneut lediglich Mitglied eines Clubs zu sein – ohne ein wirkliches Mitspracherecht zu haben.

 


 

Literaturverzeichnis

Council on Foreign Relations. (2024, December 12). What Is the BRICS Group and Why Is It Expanding? https://www.cfr.org/backgrounder/what-brics-group-and-why-it-expanding.

Kupfernagel, L. (2023). BRICS wächst. Länderbericht Äthiopien. Konrad-Adenauer-Stiftung. https://www.kas.de/de/web/aethiopien/laenderberichte/detail/-/content/brics-waechst.

CGTN. (2024, October 21). BRICS New Development Bank can boost Ethiopia’s financial accessibility. https://news.cgtn.com/news/2024-10-21/BRICS-NDB-can-boost-Ethiopia-s-financial-accessibility-1xT4uzIblO8/p.html.

The Onero Institute. (2025, March 7). Ethiopia and BRICS. https://www.oneroinstitute.org/content/ethiopia-brics.

Brookings Institution. (2024, October 22). What can we expect from the 2024 BRICS summit? https://www.brookings.edu/articles/what-can-we-expect-from-the-2024-brics-summit/.

Voice of Africa. (2025, May 20). Tensions in BRICS as Egypt and Ethiopia Oppose South Africa’s UN Endorsement. https://thevoiceofafrica.com/2025/05/20/tensions-in-brics-as-egypt-and-ethiopia-oppose-south-africas-un-endorsement/.

New Development Bank. (2025, April 16). New Development Bank and National Bank for Financing Infrastructure and Development Sign MoU. https://www.ndb.int/news/new-development-bank-and-national-bank-for-financing-infrastructure-and-development-sign-mou-to-accelerate-infrastructure-and-sustainable-development-projects-in-india/.

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Thurid Neumann

Thurid Neumann
Referentin Ostafrika, Flucht und Migration
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Sobre esta série

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