Amt mit weitgehend zeremoniellen Befugnissen
Das Amt des Staatspräsidenten hat in Irland – ähnlich wie in Deutschland – weitgehend zeremoniellen Charakter, gilt jedoch als wichtige moralische Instanz in der Gesellschaft. Das Staatsoberhaupt wird alle sieben Jahre direkt vom Volk gewählt, ist formell Oberbefehlshaber der irischen Streitkräfte (Irish Defence Forces) und ernennt die Regierung auf Grundlage der Ergebnisse von Parlamentswahlen sowie den anschließenden Koalitionsverhandlungen. Zudem vertritt das Staatsoberhaupt die Republik nach außen sodass internationale Verträge durch die zuständigen Ministerien in ihrem/seinem Namen unterzeichnet werden. Innenpolitisch prüft die Präsidentin/der Präsident Gesetze auf ihren Einklang mit der Verfassung und kann diese bei Zweifeln an den obersten Gerichtshof übersenden. Anders als in vielen anderen Staaten, hat das Staatsoberhaupt in Irland formell jedoch keine herausgehobene Stellung, sondern ist neben dem Unterhaus (Dáil Éireann) und dem Senat (Seanad Éireann) eine von drei Säulen des irischen Parlaments (Oireachtas). Diese Stellung unterstreicht das in der Verfassung festgeschriebene parlamentarische System der Republik.
Wahlsystem mit Seltenheitswert
Um sich für das Amt des Staatspräsidenten bewerben zu können, benötigen Kandidatinnen und Kandidaten die irische Staatsbürgerschaft, müssen 35 Jahre oder älter sein und von mindestens 20 Abgeordneten des irischen Parlaments oder vier Verwaltungsbezirken (City oder County Councils) offiziell nominiert werden. Eine Präsidentin/ein Präsident kann maximal zwei Amtszeiten (aufeinanderfolgend oder getrennt) ausführen und sich aus dem Amt heraus selbst für eine zweite Amtszeit nominieren.
Ähnlich wie bei Parlamentswahlen kommt bei der Präsidentschaftswahl in Irland ein aus kontinentaleuropäischer Sicht ungewöhnliches Wahlsystem zur Anwendung. Aufgrund einer sogenannten integrierten Stichwahl (Instant-Runoff-Voting), bei welcher die Wählerinnen und Wähler ihre Präferenzen absteigend angeben können, ist grundsätzlich nur ein Wahlgang vorgesehen. Sobald die Kandidatin/der Kandidat mit den wenigsten Erststimmen aus dem Rennen ausscheidet, werden die Zweitpräferenzen der Wählerinnen und Wähler, die ihr/ihm seine Erststimme gegeben hatten, berücksichtigt und mit den Erststimmen der verbleibenden Kandidaten verrechnet. Steht nur eine Kandidatin/ein Kandidat zur Wahl, gilt sie/er ohne Wahl als gewählt. Da in diesem Jahr effektiv nur zwei Kandidatinnen zur Wahl standen, entfaltete das Wahlsystem jedoch nicht seine volle Wirkung.
Zwei Paukenschläge erschüttern Wahlkampf
Dass sich Catherine Connolly und Heather Humphreys auf dem Wahlzettel gegenüberstanden und die unabhängige Kandidatin einen klaren Wahlerfolg davontragen würde, war alles andere als ausgemacht und hatte vor allem mit zwei politischen Paukenschlägen innerhalb von zwei Monaten zu tun. Bereits vor der politischen Sommerpause hatte Connolly, von der Labour Party und den Sozialdemokraten nominiert, ihre Kandidatur verkündet, schien zunächst jedoch nur Außenseiterchancen gegen die von Fine Gael nominierte Kandidatin Mairead McGuinness zu haben. Als ehemalige EU-Kommissarin und Europaabgeordnete mit hohem Wiedererkennungswert in der Bevölkerung wollten die Liberal-Konservativen, welche trotz ihrer staatstragenden Stellung während der vergangenen Jahrzehnte noch nie das Staatsoberhaupt gestellt hatten, erstmals eine eigene Kandidatin in der Residenz des Staatspräsidenten (Áras an Uachtaráin) platzieren. McGuinness musste sich Mitte August jedoch aus gesundheitlichen Gründen aus dem Rennen zurückziehen. Ihre Partei nominierte daraufhin Heather Humphreys, welche eine eigene Kandidatur zuvor unter Verweis auf familiäre Entbehrungen im Staatsdienst abgelehnt hatte.
Der zweite Paukenschlag ereignete sich Anfang Oktober, als der von Fianna Fáil nominierte Jim Gavin seine Kandidatur zurückzog. Er hatte vor 16 Jahren als Vermieter 3.300 Euro von einem Mieter unrechtmäßig einbehalten und konnte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht entkräften. Da Fianna Fáil und Fine Gael die aktuelle irische Regierung tragen, nutzte Connolly das Ausscheiden ihres Widersachers, um die Wahl zu einer Abstimmung zwischen einer Regierungskandidatin und einer „unabhängigen Kandidatin mit einem unabhängigen Geist“ zu deklarieren. Zwischenzeitlich hatte sie sich auch die offizielle Unterstützung der größten Oppositionspartei Sinn Féin (SF) sowie weiterer linksgerichteter Parteien und Gruppierungen gesichert und damit die sie unterstützende Plattform weiter vergrößert. Zahlreiche politische Beobachter beschrieben sie spätestens ab diesem Zeitpunkt als „Anti-Establishment“-Kandidatin, die es verstand, sich mit einer inklusiven Kampagne als glaubhafte Alternative zu den die Regierung bildenden Parteien zu präsentieren.
Positionierungen und Kampagnenführung im Fokus
Während der letzten Wochen des Wahlkampfes arbeiteten sich die beiden Kandidatinnen in zahlreichen Fernseh- und Radioduellen aneinander ab und wiederholten ihre Standpunkte zu den bestimmenden Wahlkampfthemen. Catherine Connolly unterstrich dabei immer wieder ihre unerschütterliche Unterstützung für die militärische Neutralität Irlands und kritisierte EU und NATO scharf für die zuletzt stark gestiegenen Verteidigungsausgaben. Mit Blick auf Deutschland erklärte sie, dass sie die durch das Sondervermögen angekündigte Aufrüstung der Bundesrepublik sowie die aktuelle Bedeutung des militärisch-industriellen Komplexes an die deutsche Aufrüstung in den 1930er Jahren erinnere. Vor dem Hintergrund des seit mehr als drei Jahren andauernden Kriegs gegen die Ukraine betonte sie die Notwendigkeit von mehr Diplomatie, in Bezug auf den Gaza-Krieg sprach sie – wie die meisten irischen Politiker – von einem Genozid, der nicht ohne Folgen bleiben dürfe. Innenpolitisch prangerte sie vor allem die hohen Lebenshaltungskosten, die Wohnungsnot und explodierende Mietpreise an und machte die letzten Regierungen für diese Misere verantwortlich, stets verbunden mit dem Hinweis, dass ihre Gegenkandidatin Teil dieser Regierungen gewesen sei. Heather Humphreys versuchte hingegen, ihre politische Erfahrung als Ministerin als Vorteil zu präsentieren, wirkte dabei jedoch häufig blass und musste immer wieder eingestehen, dass Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre regierungsseitig nicht konsequent genug begegnet worden sei. Auch die Themen Migration, innere Sicherheit und ein vereinigtes Irland spielten im Wahlkampf eine Rolle, führten jedoch kaum zu parteipolitischen Differenzen.
Mehrere Versuche, Catherine Connolly persönlich zu diskreditieren, scheiterten auf den letzten Metern der Wahlkampagne, da sie es immer wieder verstand, die Angriffe umzukehren und gegen ihre Urheber zu wenden. Als zwei Wochen vor der Wahl die jüngsten Umfragen veröffentlicht wurden, deutete bereits vieles auf einen klaren Wahlerfolg der 68-jährigen hin, die – anders als Heather Humphreys – fließend Irisch spricht und viele ihrer Auftritte zweisprachig durchführte.
Niedrige Wahlbeteiligung und Rekordwert an ungültigen Stimmen
Dass viele Wahlberechtigte mit der Auswahl auf dem Wahlzettel unzufrieden waren, ließ sich vor allem an zwei Zahlen ablesen: Die Wahlbeteiligung lag mit 45,8 Prozent zwar leicht über dem Wert der letzten Wahl 2018, blieb insgesamt jedoch auf niedrigem Niveau. Der Wahlkreis mit der höchsten Wahlbeteiligung war der unmittelbar an der Grenze zu Nordirland gelegene Kreis Cavan-Monaghan, aus dem die unterlegene Heather Humphreys stammt. Es war gleichzeitig auch der einzige Wahlkreis, welchen sie für sich entscheiden konnte, was die Klarheit des Gesamtergebnisses unterstreicht. Die Zahl der ungültigen Stimmen wurde von der Wahlkommission mit 213.738 angegeben und liegt damit bei knapp 13 Prozent, was im Vergleich zu allen vorhergegangenen Wahlen einer Verzehnfachung entspricht. Zahlreiche Politiker äußerten am Wochenende ihre Sorge über die hohe Anzahl ungültiger Stimmen, welche nicht selten mit eindeutig regierungskritischen Parolen verknüpft wurden. Bereits einige Wochen vor der Wahl hatte sich die sogenannte „Spoil your vote“-Kampagne gegründet und die Wahlbevölkerung aufgrund der aus Sicht der Initiatoren mangelhaften Auswahl an Kandidatinnen dazu aufgerufen, ihre Stimmen ungültig zu machen. Entscheidender Auslöser für die Gründung der Kampagne war der Ausschluss der unabhängigen, aber als konservativ geltenden, Kandidatin Maria Steen, welche lediglich von 18 statt der erforderlichen 20 Parlamentsabgeordneten als Präsidentschaftskandidatin unterstützt worden war.
Kontinuität in Amtsführung erwartet
Nach Auszählung aller Stimmen wurde Catherine Connolly am Abend nach dem Wahltag in Dublin Castle offiziell zur Siegerin ausgerufen. In Ihrer Siegesrede betonte sie, eine „inklusive Präsidentin“ sein zu wollen und kündigte den Aufbau einer neuen Republik an, in der sich alle Menschen im Land wertgeschätzt fühlen. Die neue Präsidentin wird am 11. November in ihr Amt eingeführt und folgt damit auf Michael D. Higgins, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr als Kandidat antreten konnte. Der ehemalige Minister der Labour Party hatte sich in den vergangenen Jahren parteiübergreifenden Respekt erworben, sich aber auch immer wieder aktiv zu aktuellen internationalen Entwicklungen zu Wort gemeldet. Es wird erwartet, dass Catherine Connolly diese Art der Amtsführung fortsetzen wird. Am Wahlabend betonte sie bereits, dass sie sich als Präsidentin äußern werde, wann immer dies erforderlich sei.
Fazit
Die Präsidentschaftswahl in Irland endete mit einem klaren Sieg der „Anti-Establishment“-Kandidatin Catherine Connolly. Das Wahlergebnis ist – jenseits des Vorsprungs – jedoch keine große Überraschung, sondern kann vielmehr als Fortsetzung eines bereits seit einigen Jahren zu beobachtenden Trends in der irischen Politik beschrieben werden. Während in Parlamentswahlen oftmals Mitte/Rechts-Parteien eine Mehrheit erhalten, tendieren die Irinnen und Iren dazu, bei Präsidentschaftswahlen Kandidatinnen und Kandidaten zu unterstützen, die links der politischen Mitte verortet werden können. Connollys Amtsvorgänger Higgins ist dafür ein ebenso gutes Beispiel wie das erste weibliche Staatsoberhaupt in der irischen Geschichte, Mary Robinson, welche das Amt von 1990-1997 innehatte. Politische Beobachter sprechen davon, dass Irlands Wähler ihre Wahlentscheidung bei Präsidentschaftswahlen stärker an ihre Werte knüpfen, während bei Parlamentswahlen ihre ökonomischen Interessen im Vordergrund stehen. Von einem Erdrutschsieg des progressiven Lagers zu sprechen, welcher die Mehrheitsverhältnisse im Land grundlegend verändern könnte, wäre daher nicht zutreffend. Erst im vergangenen Jahr hatten die Mitte/Rechts-Parteien Fianna Fáil und Fine Gael die Parlamentswahlen gewonnen und anschließend eine gemeinsame Regierung gebildet. Die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung unterstreicht zudem die in Irlands Gesellschaft vorherrschende Einstufung der Präsidentschaftswahl als weniger relevanter Urnengang.
Die große Anzahl ungültiger Stimmen deutet nichtsdestotrotz darauf hin, dass sich Teile der Bevölkerung nicht von den etablierten Parteien vertreten fühlen und eine glaubhafte Alternative zum linksgerichteten Kurs von Catherine Connolly vermisst haben. Sie ist damit ein weiteres Indiz dafür, dass Irland trotz starker wirtschaftlicher Kennzahlen, einem Haushaltsüberschuss in Milliardenhöhe und der Abwesenheit einer starken populistischen Partei keine Insel der Glückseeligen ist und sich in Teilen der Gesellschaft Unmut gegen die politischen Eliten bahnbricht. Dies geschieht vor allem entlang innenpolitischer Problemstellungen wie Wohnungskrise, hohe Lebenshaltungskosten, Einwanderung und innere Sicherheit.
Catherine Connolly wird sich in den kommenden Monaten und Jahren an ihren Ankündigungen im Wahlkampf sowie am Tag nach der Wahl messen lassen müssen. Da sie als „Anti-Establishment“-Kandidatin angetreten war, ist davon auszugehen, dass sie zu politischen Entwicklungen Stellung nehmen wird, wo immer die Verfassung dem Staatsoberhaupt dieses Recht einräumt. Abzuwarten bleibt, wie sich das Verhältnis zwischen Präsidentin und Regierung entwickeln wird. Da Connolly die Regierungsparteien im Wahlkampf für die größten Missstände in Irland direkt verantwortlich gemacht hat und beide Koalitionspartner ihre Konkurrentin Heather Humphreys unterstützt hatten, deuten die Vorzeichen auf ein zunächst eher distanziertes Verhältnis beider Seiten hin.
Im außenpolitischen Bereich könnten sich der explizit pazifistische Kurs der neuen Präsidentin und der etwas pragmatischere Ansatz der Regierung, zumindest auf EU-Ebene eine aktivere Rolle im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik einzunehmen, in die Quere kommen. Dies ist vor allem mit Blick auf die in der zweiten Jahreshälfte 2026 anstehende EU-Ratspräsidentschaft des Landes von Bedeutung, die man in keinem Fall politisch isoliert antreten möchte. Da der bisherige – äußerst zurückhaltende – Kurs Irlands in Brüssel mittlerweile von mehreren Mitgliedsstaaten kritisch beäugt wird, wäre eine größere Übereinstimmung der Standpunkte aus europäischer Sicht wünschenswert.
Die vergangenen Jahre haben jedoch auch gezeigt, dass das irische politische System mit unterschiedlich ausgerichteten Institutionen umgehen kann. Und die Wählerinnen und Wähler haben in dieser Wahl unmissverständlich deutlich gemacht, dass die politische Balance zwischen den Institutionen auch in den kommenden sieben Jahren fortbestehen soll.
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