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reuters/Yves Herman

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Communio und Corona

Gottesdienste in Zeiten von Corona

Auch Religionsgemeinschaften sind in der Coronakrise vom Versammlungsverbot betroffen. Überall in Deutschland folgen Kirchen, Moscheen und Synagogen den Vorgaben von Politik und Wissenschaft und bleiben geschlossen. Gottesdienste und Seelsorge finden nur noch virtuell, per Videostream oder über das Telefon statt. Für die meisten Gläubigen ist Gottesdienst auch in Zeiten von Social Distancing möglich. Für manche aber ist der Glaube ohne Gemeinschaft keine Option.

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Anfang April hat das Institut päpstlichen Rechtes St. Philipp Neri in Berlin beim zuständigen Verwaltungsgericht Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, nach der Gottesdienste mit bis zu 50 Personen trotz des Kontaktverbots durchgeführt werden können. Auch andere Gerichte beschäftigen sich zurzeit mit der Frage, ob die Schließung von Kirchen rechtmäßig ist. Vor den Verwaltungsgerichten in Kassel und Mannheim sind diesbezügliche Eilanträge eingegangen. Die Antragsteller argumentieren, dass die Teilnahme an einer Live-Stream-Messe nicht mit der persönlichen Teilnahme an einer realen Messe gleichgesetzt werden könne, da die Sakramente nach katholischem Verständnis an die körperliche Präsenz gebunden seien. Ein Verbot der Messe in Gemeinschaft widerspreche daher der im Grundgesetz garantierten ungestörten Religionsausübung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Im Kern geht es bei diesen Anträgen und Klagen um die Vorstellung, dass Glaubensgemeinschaft ohne die physische Anwesenheit von Gläubigen nicht gelebt werden kann. Das im Zuge der Coronakrise notwendig gewordene Verbot auch religiöser Versammlungen stelle nach dieser Vorstellung eine Verletzung des Grundrechts auf Religionsfreiheit nach Art. 4 GG dar. Wie positionieren sich Kirchen und Theologen zu dieser Frage?

Neue Formen der Communio

Nach evangelischem Verständnis wird der Gottesdienst in Gemeinschaft aller gefeiert. Auch in der katholischen Kirche hat der Begriff der „Communio“ (lat. Gemeinschaft) seit dem 2. Vatikanischen Konzil ebenfalls eine weitreichende Bedeutung erlangt. Sowohl aus evangelischer als auch katholischer Sicht wird Kirche also als eine Gemeinschaft der Gläubigen verstanden. Die konkrete Vorstellung von Communio ist allerdings keineswegs festgeschrieben. Zwar gehört für viele Gläubige der wöchentliche Besuch eines Gottesdienstes zum festen Ritual, neue Formen der Communio sind aber möglich und werden vielerorts praktiziert. Auch in Zeiten von Corona sind Kirchen keineswegs auf Tauchstation gegangen.

Zahlreiche Kirchen haben in kürzester Zeit digitale Angebote geschaffen. Diese reichen vom Gottesdienst Live-Stream bis zur virtuellen Teilnahme am ökumenischen Gebet. Durch das Kontaktverbot verfolgen räumlich getrennte Familienmitglieder an verschiedenen Orten denselben Online-Gottesdienst und können so gemeinsam feiern. Wochentags bieten Geistliche in sozialen Netzwerken Abendgebete mit musikalischer Begleitung an. Darüber hinaus wurden auch die liturgischen Angebote und Programme in Fernsehen und Rundfunk ausgeweitet. Viele Kirchen haben außerdem ihre Angebote der Telefonseelsorge und geistlichen Beratungen ausgeweitet.

Für den katholischen Liturgiewissenschaftler Cornelius Roth ist das theologisch kein Problem. Aus seiner Sicht sind auch Online-Communities echte Gemeinschaften – sowohl im Sinne der Communio-Idee als auch vor dem Hintergrund des Prinzips der aktiven Beteiligung („Participatio Actuosa“) des Zweiten Vatikanischen Konzils. Auch wenn die Kommunion nur auf geistliche Weise empfangen wird, so Roth, entstehe durch aktives Mitsingen und Mitbeten religiöse Gemeinschaft.

Der Gedanke der Communio ist aber nicht unbedingt mit der aktiven Teilnahme an einem digitalen Gottesdienst verknüpft. Er kann auch anders gestärkt werden. Vielerorts stellen Menschen am Abend eine Kerze ins Fenster und beten das Vater Unser. Gerade während der aktuellen globalen Krise ist diese Form des weltumspannenden Gebetes und der Solidarität über Konfessionsgrenzen hinweg ein starkes Zeichen von Glaubensgemeinschaft.

Kreative spirituelle Initiativen

Für die Theologen Albert Gerhards, Benedikt Kranemann und Stephan Winkler ist zudem bemerkenswert, in welchem Ausmaß momentan kreative spirituelle Initiativen von Diözesen, Orden, Pfarreien und Einzelpersonen ausgehen. Eingebunden etwa in Nachbarschaftshilfen werden Gebetsvorschläge an das Angelus-Läuten am Abend angebunden. Auch das Gotteslob könne für Einzelne oder Hausgemeinschaften eine Hilfe sein, vor allem die dort zu findenden Formen der Tagzeitenliturgie seien jetzt hilfreich. Die Kirchen haben zur Kar- und Osterzeit außerdem Handreichungen für Hausgottesdienste entwickelt. Ebenso wurde eine Handreichung für das Hausgebet während einer Begräbnisfeier zur Verfügung gestellt.

Auch die Evangelische Kirche hat auf die neue Situation reagiert. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche Heinrich Bedford-Strohm weist in einem aktuellen Interview darauf hin, dass es das oberste Gebot sein müsse, Leben zu retten und zu schützen. Mit neuen Formen von Gottesdiensten täte die Kirche alles, was möglich sei, um die Kraft des Glaubens weiterzugeben, so Bedford-Strohm.

All diese unterschiedlichen Formen des Miteinanders bringen Menschen in Verbindung – sie schaffen Gemeinschaft auch ohne direkten Kontakt. Die neue Vielfalt der Möglichkeiten des Gebets, ob in der stillen Kammer, per Live-Stream, im Bibel-Chat oder über Radio und Fernsehen, zeigt, dass die Glaubensgemeinschaft in Zeiten von Corona weiter aktiv sein kann. Die Communio kennt auch in Zeiten von Social Distancing keine Beschränkungen.

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