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Warum sich die Europawahl in Italien entscheiden könnte

од Dr. Nino Galetti, Michael Feth

Bewegung im italienischen Parteiensystem wirkt bis nach Straßburg und Brüssel

Für Italiens Parteienlandschaft wird 2024 zu einem echten Stresstest. Europawahl, Regionalwahlen, Kommunalwahlen – ein Superwahljahr hat begonnen. Bei manchen Parteichefs geht es dabei ums politische Überleben. Und manche Gruppierung könnte es danach vielleicht nicht mehr geben. Nur Giorgia Meloni und ihre Fratelli d‘Italia können beim Blick auf die demoskopischen Daten einigermaßen ruhig in die Zukunft blicken. Die Wahl zum Europäischen Parlament könnte die italienische Regierungschefin gar zur Schlüsselfigur in Brüssel machen, wenn es um die Neubesetzung der EU-Spitzen geht. Und auch am Tiber sind Überraschungen nicht ausgeschlossen.

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Fast drei Wochen musste sie schweigen, kommunizierte nur über Pressemitteilungen und Soziale Netzwerke. Die in Rom grassierende Grippewelle war auch über Giorgia Meloni hinweggerollt und hatte sie über Weihnachten und Neujahr ans Bett gefesselt. Ihre Stimme war so ruiniert, dass sie zweimal die traditionelle Pressekonferenz zum Jahresschluss verschoben hatte. Dann meldete sie sich mit kraftvoller Stimme zurück. Opposition und auch den eigenen Verbündeten in der Rechts-Regierung dürften die Ohren geklingelt haben. Dreh- und Angelpunkt ihrer Agenda im 1. Halbjahr 2024 ist eindeutig die Europawahl vom 7. bis 9. Juni. Diese könnte zu signifikanten Verschiebungen im italienischen Parteienspektrum führen und nicht nur die Tektonik in der römischen Politik-Arena verändern, sondern auch in Straßburg und Brüssel.

Blickt man auf die demoskopische Ausgangslage zu Beginn dieses Jahres, könnten die Chancen für die Premierministerin und ihre „Fratelli d’Italia“ nicht besser stehen: Bei rund 30 Prozent hat sich die stärkste Formation im römischen Parlament eingependelt – und das quasi konstant seit Übernahme der Regierung im November 2022. Eine Schlüsselposition, denn gegen und ohne die Fratelli könnte in Rom derzeit nicht regiert werden. Meloni selbst erreicht in den Umfragen Zustimmungsraten von rund 45 Prozent – innerhalb der EU ein Spitzenplatz bei der Bewertung des Regierungschefs durch die eigene Bevölkerung. Zum Vergleich: Bundeskanzler Olaf Scholz liegt seit langem deutlich unter 20 Prozent.

Für Melonis Beliebtheit gibt es einen einfachen Grund: Sie ist, in mehrfacher Hinsicht, im politischen Mainstream angekommen. Gröbere Fehler hat sie bislang erfolgreich vermieden. Schnitzer oder Skandale, die sich der ein oder andere Minister oder Abgeordnete ihrer Koalition leisten, prallen an ihr ab. Im Zweifelsfall greift sie hart durch: Einen Fratelli-Parlamentarier, der in der Silvesternacht im Rausch einen anderen Party-Gast mit einer Pistole anschoss, warf sie kurzerhand wegen unethischen Verhaltens aus der Fraktion. Seriosität und Disziplin sind für sie oberstes Gebot. „Manch einer in unseren Reihen versteht offenbar nicht, welche Verantwortung wir tragen“, beklagte sie sich bei ihrer Pressekonferenz über derartiges Störfeuer.

Damit dürfte sie auch ihren Bündnispartner, Lega-Chef Matteo Salvini und dessen Hintersassen gemeint haben. Er nervt derzeit sowohl Meloni als auch Forza Italia-Chef Antonio Tajani mit der Idee, bei der Europawahl gemeinsam anzutreten. Beide lehnen dies kategorisch ab. Weder Christdemokrat Tajani noch Meloni wollen irgendetwas mit antieuropäischen Nationalisten vom Schlage Le Pens, Wilders oder gar der rechtsextremistischen AfD zu tun haben, wie sie mehrfach öffentlich versichert haben. Man darf es nicht nur Tajani, der immerhin schon Präsident des Europäischen Parlaments war, sondern auch Meloni abnehmen; ihre Strategie zielt vermutlich in eine andere Richtung. Zwar ist sie noch Vorsitzende der europäischen Parteienfamilie EKR (Europäische Konservative und Reformer), in der etwa die spanische Vox oder die polnische PiS beheimatet sind. Eine demonstrative Nähe der italienischen Regierungschefin zu den polnischen Parteifreunden war jedoch in ihrem ersten Amtsjahr nicht erkennbar. Im Gegenteil: in Sachen Migration herrschte öffentlich Dissens zwischen Rom und Warschau.

 

Meloni setzt Segel in Richtung EVP

Schon im vergangenen November hat Meloni angekündigt, nach der Europawahl den Vorsitz der Gruppierung abzugeben. Ein geschickter Schachzug, denn für die Verhandlungen über künftige Gestaltungsmehrheiten im Europäischen Parlament sowie die Zusammensetzung der neuen Europäische Kommission in Brüssel gibt ihr das freie Hand. Es ist zu erwarten, dass sie diesen Spielraum nutzen wird. Die künftigen Europa-Parlamentarier ihrer Partei – es dürften nach jetzigem Stand über 25 sein – könnten bei der Abstimmung über die neue Kommission deren amtierende Präsidentin Ursula von der Leyen unterstützen.

Beide Spitzenpolitikerinnen verstehen sich ausnehmend gut, eine zweite Amtszeit von der Leyens käme Meloni politisch gelegen. In Reihen der Europäischen Volkspartei (EVP) wird man – angesichts der zu befürchtenden Verluste für die proeuropäischen demokratischen Parteien – sehr genau erwägen, welche Vorteile es hätte, die Fratelli in den eigenen Reihen zu haben. Dabei hängt sehr viel davon ab, wer für die Fratelli ins neue Europäische Parlament gewählt wird: entscheidet sich Meloni bei der Erstellung der Fratelli-Wahlliste für bürgerlich-konservative Persönlichkeiten, die politisches Standing und Interesse an konstruktiver Zusammenarbeit in Straßburg haben? Oder berücksichtigt sie postfaschistische Parteifreunde aus vergangenen Zeiten, als diese insbesondere mit radikalen Sprüchen auf sich aufmerksam machten?

Es wird auch von dieser Entscheidung Melonis abhängen, wie groß die Bereitschaft der EVP zu einer künftigen Kooperation sein wird. Denn wollen die europäischen Christdemokraten in der nächsten Wahlperiode eine Gestaltungsmehrheit im Straßburger Parlament erreichen, wäre ein gewichtiger Partner aus Italien notwendig. Bei dem zu erwartenden Einbruch der traditionellen EVP-Partnerpartei Forza Italia wäre nurmehr eine Handvoll Abgeordnete aus dem drittgrößten Staat der Europäischen Union in der EVP-Fraktion übrig.

 

Forza Italia vor Schicksalswahl

Und damit zu Forza Italia. Im Juni 2023 ist deren Gründer und Übervater Silvio Berlusconi verstorben. Für eine Weile konnte die Partei auf einer Welle der öffentlichen Empathie im Andenken an den Medien-Milliardär schwimmen. Zwar ist der Übergang zu Antonio Tajani erstaunlich geräuschlos über die Bühne gegangen; doch dessen Hoffnungen, Forza Italia mit internen Strukturreformen wieder attraktiv und zu einer Art erneuerten „Democrazia Cristiana“ als bestimmende Kraft im bürgerlichen Lager zu machen, haben sich bislang nicht erfüllt. Gerade einmal sieben Prozent würden derzeit für die früher bestimmende Partei stimmen; für Forza Italia geht es bei den Europawahlen schlichtweg ums politische Überleben. Dem honorigen Außenminister Tajani ist dies sicher nicht anzulasten. Das Problem sind die Altlasten aus der Berlusconi-Zeit, die wie Mehltau über dem Politclub liegen, der bisher keine eigenständige Debatten- und Programmkultur gewohnt ist und keine demokratisch gewählten Gremien kennt. Das kann auch der neue Vorsitzende nicht von heute auf morgen ändern, zumal er lange selbst Teil dieses Systems gewesen ist. Sollte es im Juni zu einem Desaster für Forza Italia kommen, wird perspektivisch eine Fusion mit den Fratelli nicht ausgeschlossen.

Um alles oder nichts wird es auch bei Lega-Chef Matteo Salvini gehen. Sollten seine Rechtspopulisten gegenüber dem desaströsen Wahlergebnis von acht Prozent bei den Parlamentswahlen im September 2022 nicht zulegen oder gar darunterbleiben (was derzeit wahrscheinlich erscheint), wird ein Aufstand innerhalb der Lega nicht ausgeschlossen. Zumal von den 29 Abgeordneten, die 2019 für die Lega ins Europäische Parlament zogen, wohl nur noch eine Handvoll mit einer Wiederwahl rechnen kann. Salvini gilt als Parteichef auf Bewährung, sein Stuhl wackelt. Sollte es bei der Lega zur internen Abrechnung und inneren Verwerfungen kommen, könnte es für die Premierministerin die willkommene Gelegenheit sein, sich des unbequemen Koalitionspartners zu entledigen und die Regierungsmehrheit zur Mitte hin zu erweitern. Die beiden liberalen Mitte-Parteien von Matteo Renzi und Carlo Calenda stünden im Ernstfall wohl bereit.

 

Partito Democratico droht Zerfall

Doch auch für den sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) steht im Juni alles auf dem Spiel, besonders für dessen Vorsitzende Elly Schlein. Noch immer spaltet die aus dem Aktivisten-Milieu kommende Vorsitzende, die sich vor einem Jahr bei einer offenen Vorwahl überraschend gegen den Favoriten und Regionalpräsidenten der Emilia Romagna, Stefano Bonaccini, durchgesetzt hatte, die Sozialdemokraten. Mit ihrem dezidierten Linkskurs hat sie einen beträchtlichen Teil der Mitte-Links orientierten Anhänger vergrault; aus dem links-katholischen Umfeld stammende Mitglieder, die eine wesentliche Strömung des PD ausmachen, fühlen sich nicht mehr willkommen. Schleins Kursschwenk scheint besonders die Stammwähler zu vergraulen: Bei allen Umfragen liegt der PD kontinuierlich unter der 20 Prozent-Marke; Der linkspopulistisch auftretende Giuseppe Conte von der Fünf-Sterne-Bewegung folgt mit gut 16 Prozent dicht auf den Fersen. Sollte Schlein diese symbolische Hürde bei der Europawahl nicht knacken, droht ihr ein Scherbengericht; eine Niederlage könnte gar das Ende des Partito Democratico in seiner jetzigen Form einläuten. Vielleicht kommt es gar nicht erst dazu: Je näher der Juni rückt, desto nervöser dürften die PD-Granden werden. Ein Sturz Schleins wird nicht ausgeschlossen.

Denn die Europawahl und ihre politischen Folgen sind nicht die einzige politische Herausforderung für Italiens Parteien. So werden allein in 28 Provinzhauptstädten, von Bergamo über Florenz bis Bari, die Kommunalparlamente neu gewählt. In fünf Regionen (Piemont, Umbrien, Abruzzen, Basilikata und Sardinien) geht es um die Gouverneursposten. Ein echter Stresstest für Regierung und Opposition. In beiden politischen Lagern wird um die Spitzenkandidaturen gestritten. Außerdem um die Frage, ob die geltende Amtszeit-Begrenzung von zwei Legislaturperioden für Regionalgouverneure und Oberbürgermeister aufgehoben werden soll. Melonis Partei ist dafür, Salvinis Lega dagegen. Schon hier könnten am Tiber erste Großkonflikte in der Rechtskoalition drohen. Fünf Monate sind in der Politik eine lange Zeit. Niemand kann vorhersagen, wie sich die innenpolitische Lage entwickelt, von äußeren Ereignissen ganz abgesehen. Eines lässt sich jedoch vorhersagen: In Italien dürfte sich im Superwahljahr 2024 politisch so einiges neu zusammenrütteln – mit Auswirkungen bis nach Straßburg und Brüssel.

 

Autoren:

 

Michael Feth ist freier Korrespondent und Vatikan-Experte.

 

Nino Galetti leitet seit 2020 das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rom mit Zuständigkeit für Italien, Malta und den Heiligen Stuhl.

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