Präsentation Forschungsergebnisse und Zeitzeugengespräch „Seelenarbeit im Sozialismus“
Розмова експертів
Деталі

Mit dem Forschungsverbund "Seelenarbeit im Sozialismus" hat der Bund über vier Jahre lang ein umfangreiches Projekt an fünf deutschen Hochschulstandorten gefördert. Ziel der ersten Förderphase war die Aufarbeitung der "Psycho"-Fachdisziplinen innerhalb des Gesundheitswesens der DDR. Dazu wurden umfangreich Unterlagen in nationalen und internationalen Archiven ausgewertet und etliche Zeitzeugen, darunter einst Verantwortliche und Patienten, befragt. Durch die Corona-Pandemie waren die Forschungen teilweise deutlich behindert. Im Mittelpunkt des Teilprojekts von Rainer Erices an der FAU Erlangen-Nürnberg stand die Aufarbeitung von Wechselbeziehungen zwischen SED, Gesundheitsverwaltung, Forschern und Klinikern.
Der Anspruch der DDR, allen Menschen ein leistungsfähiges und zukunftsweisendes Gesundheits-systemkostenlosbereitzustellen, entfernte sich besonders in der Honecker-Ära zunehmend von den realen Möglichkeiten. Sowohl Partei als auch Verwaltung fanden kein probates Mittel gegen den Niedergang und beharrten auch in der Schlussphase der DDR eher auf ideologische Lösungen. Die Forschungslandschaft mit den Fachgesellschaften war staatlich normiert. Konflikte zwischen Politbüro und leitenden Gesundheitspolitikern zeugen in den Akten von Konzeptlosigkeit. Besonders in den psychiatrischen Einrichtungen war die wirtschaftliche Notlage der DDR spürbar.
Daneben offenbaren erstmals ausgewertete Akten eine Vielzahl an Spitzeln unter den einstigen Wissenschaftlern und Klinikern. Manche von ihnen profitierten davon innerhalb ihres Berufsweges nachweislich, teilweise auch über die sog. Wende hinaus. Die Stasiakten zeigten auch, wie Therapeuten sich gegen staatliche Vorgaben auflehnten und Nischen für das eigene Wirken fanden.
Das Erlanger Teilprojekt befasste sich auch mit dem heiklen Thema des Missbrauchs innerhalb der "Psycho"-Fächer. Der nachgewiesene politische Missbrauch der Psychiatrie in der Sowjetunion sorgte in den 1970er-Jahren für Schlagzeilen. Nach dem Fall der Mauer berichteten Medien über ähnliche skandalöse Zustände in der DDR. Untersuchungskommissionen und Forschungen zeigten jedoch, dass es einen systematischen Missbrauch für politische Zwecke nicht gegeben hatte. Trotzdem haben bis heute entsprechende Vorwürfe gegen das Gesundheitswesen der DDR überlebt. Wesentlich erscheint, dass jenseits medialer Skandalisierung der Missbrauchbegriff erweitert werden sollte. So lassen sich ordnungspolitische Eingriffe gegen Patienten in der DDR, massive Schweigepflichtsverletzungen oder eine Kriminalisierung von sogenannten Asozialen im Kontext staatlicher Vorgaben diskutieren.
Der Abend soll den Stand der Forschung aufzeigen, Quellen und offene Fragen erläutern und Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung benennen.
програма
18:00 Uhr: Begrüßung
Maja Eib
Landesbeauftragte der Konrad-Adenauer-Stiftung für Thüringen
Prof. Dr. Nikolaus Knoepffler
Kom. Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in Jena und KAS-Vertrauensdozent18:10-19:45 Uhr: Impulse und Diskussion
Moderation: Michael Merkel
Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung
Impuls aus den aktuellen Forschungsergebnisse „Seelenarbeit im Sozialismus“ mit dem Schwerpunkt Psychiatrie in der DDR - Vorgaben, Nischen und Missbrauch
PD Dr. med. Rainer Erices
Arzt und Journalist
Institut für Geschichte und Ethik der Medizin
Leiter des Teilprojekts „Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie im Gesundheitssystem der DDR“ im Forschungsverbund Seelenarbeit im Sozialismus (SiSaP), Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Impulse
Impuls aus Zeitzeugen- und Therapeutensicht
Dr. Karl Heinz Bomberg
Arzt, Liedermacher und Buchautor "Seelische Narben - Freiheit und Verantwortung in den Biographien politisch Traumatisierter der DDR"
Impuls aus Sicht eines aktuellen Medizinstudenten
Patrick Riegner
Medizinstudent, KAS-Stipdeniat und Landesvorsitzender RCDS-Thüringen
Schlusswort
Olena Nosovska
KAS-Stipendiaten Sprecherin Jena