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Виступи на заходах

Das Kopftuchverbot

Entgegenstehende eigene Rechtsprechung und abweichende Meinung – eine Basis für Rechtsfrieden?

Im ersten Kopftuchurteil aus dem Jahr 2003 entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass auch vorsorgliche Kopftuchverbote an Schulen möglich sind, wenn es eine gesetzliche Grundlage dafür gibt. Daraufhin führten viele Bundesländer entsprechende Regelungen ein, die nunmehr Gegenstand erneuter verfassungsrechtlicher Überprüfung waren. Der Erste Senat judizierte 2015 nunmehr, dass für ein Verbot eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden und die Funktionsfähigkeit der betroffenen Institutionen erforderlich sei.

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„Erfahrungsverdünnte Räume“

Die erneute Entscheidung des BVerfGs ist im Vortrag von Dr. Andreas Heusch auf große Kritik gestoßen. Er warf den Bundesverfassungsrichtern vor, sich in „erfahrungsverdünnten Räumen“ zu bewegen. Die Landesgesetzgeber hätten sich an die Vorgaben des BVerfGs gehalten, dessen Grundlage mit der neuen Entscheidung wieder entzogen wurde. Dies alles ohne veränderte Sachlage oder neuen Erkenntnisgewinn, so Heusch. Einen Einblick in die Rolle des BVerfGs in diesem Streit erlaubte Dr. Ulrich Maidowski, Richter des Bundesverfassungsgerichtes im 2. Senat. Er prognostizierte: „Wir befinden uns in einer Diskussion, deren Dimension wir noch nicht erfasst haben.“ Es müsse ein staatliches Miteinander konstruiert werden, was allen Religionen das Gefühl gebe, teilhaben zu können, so Maidowski. Auch sei er davon überzeugt, dass es weitere Entscheidungen zu diesem Thema geben werde.

„Bloßes Tragen“

Prof. Dr. Matthias Jestaedt unterstich, dass es in der Diskussion nur um das „bloße Tragen“ eines religiös motivierten Kleidungsstücks ginge. Weitergehende Beeinflussung der Schüler oder sogar Missionierungsarbeit sei nicht davon erfasst. Heusch verwies dagegen auf die objektive Wirkung des Kopftuchs und der damit teilweise assoziierten Ungleichbehandlung der Frau. Außerdem trete die Kopftuch-tragende Lehrerin den Schülern lebendig gegenüber, im Unterschied beispielsweise zum stummen Kreuz an der Wand, argumentierte Heusch weiter.

Inwieweit ist die Lehrerin Trägerin von Grundrechten?

In Bezug auf die betroffene Personenkonstellation und die damit verbundene Grundrechtsträgerschaft vertraten die Referenten unterschiedliche Ansichten. Zunächst bestand Einigkeit darüber, dass die Lehrerin dem Schüler als Amtsperson gegenüber stehe. Die Lehrerin, die sich freiwillig in den Staatsdienst begeben hat, vertrete den Staat. Demgegenüber stehe der Schüler, der aufgrund der Schulpflicht unausweichlich der Staatsgewalt ausgeliefert sei. Der Lehrer übe eine hoheitliche Tätigkeit aus, was zu einem Abhängigkeitsverhältnis und einem Machtgefälle führe (Asymmetrie). Die Intensität der grundrechtsrelevanten Maßnahme sei nach Heusch aus Sicht der Schüler zu bemessen. Beide Referenten waren sich zwar einig, dass sich auch Lehrkräfte im Staatsdienst auf Grundrechte berufen können und keinesfalls ihre Grundrechte aufgrund der Staatstätigkeit aufgeben. Sie müssen sich Grundrechtseingriffe gefallen lassen bzw. Grundrechtseingriffe sind leichter zu rechtfertigen, so Jestaedt. Heusch widersprach dahingehend, dass sich die Lehrerin allerdings nur gegenüber dem Staat auf Grundrechte berufen könne. Im vorliegenden Fall würden die Grundrechte gegen die Schüler ins Feld geführt, zu denen die beschriebene Asymmetrie bestehe. In dieser Konstellation müssen aus diesem Grund nach Ansicht von Heusch die Grundrechte der Lehrerin gegenüber Schülern zurücktreten. Jestaedt war hingegen der Ansicht, dass die Grundrechtsausübung der Lehrerin nicht notwendigerweise hinter der der Schüler zurücktreten müsse. Seiner Ansicht nach werden die Grundrechte nicht gegenüber den Schülern entgegengebracht, sondern der Staat gleiche den Grundrechtskonflikt aus. Die Lehrerin wende sich vielmehr gegen einen staatlichen Akt (das Urteil). Heusch hielt dem entgegen, dass es sich gerade nicht um eine beliebige Dreieckskonstellation wie im Polizeirecht handle, da es nicht nur um das Verhältnis zum Staat gehe, da die Lehrerin, ja gerade in den staatlichen Bereich einbezogen sei aufgrund ihrer Tätigkeit.

„Glasklarer Wille aller Landesgesetzgeber“

Doch auch bei Jestaedt blieb die Kritik an den Urteilen nicht aus. Seine Hauptkritik galt der angewendeten verfassungskonformen Auslegung. § 57 IV 1 SchulG (NRW) sah vor, dass Lehrer keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußere Bekundungen abgeben durften, die geeignet sind, die Neutralität des Landes oder den Schulfrieden zu gefährden. Die Norm wurde vom BVerfG dahingehend verfassungsgemäß reduziert, dass nunmehr für ein solches Verbot eine konkrete Gefahrenlage vorliegen muss. § 57 IV 3 SchulG (NRW) wurde hingegen nicht verfassungskonform ausgelegt. Gemäß Satz 3 widerspricht die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach der Landesverfassung und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1 (sog. privilegium christianum). Jestaedt bekennt, dass er das Institut der verfassungskonformen Auslegung an sich bereits für „methodisch zweifelhaft“ hält, da er darin eine „nachträgliche Verbiegung des Gesetzes“ sieht. Im konkreten Fall sei die Kombination der unterschiedlichen Auslegung „bedenklich“. Gerade bei § 57 IV 1 SchulG (NRW) gab es einen „glasklaren Willen aller Landesgesetzgeber“, so Jestaedt weiter. Es sei nicht Sinn der Vorschrift gewesen, auf den Einzelfall zu schauen, da man auf die Lehrerverbände gehört habe, die die Konflikte nicht vor Ort in der Schule haben wollten. Jetzt sei nach Ansicht von Jestaedt aufgrund der verfassungskonformen Auslegung (als Minus) gerade dieser Zustand eingetreten.

„Prämie auf Unfriedlichkeit“

Jestaedt versuchte den Begriff des Schulfriedens greifbarer zu machen, indem er ihn mit „Funktionsfähigkeit von staatlichen Schulehalten“ definierte. Prof.´in Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, ehemalige Bundesverfassungsrichterin, gab zu bedenken, dass die Lösung über den Einzelfall zu einer „Prämie auf Unfriedlichkeit“ führe. Wer sich am unfriedlichsten aufführe, habe beste Chancen mit seiner Position durchzudringen. Ihrer Ansicht nach wird eine abstrakte Lösung den Belangen, um dessen Schutz es gerade gehe, gerechter. Heusch formulierte dies ähnlich: „Wollen Eltern eine Kopftuch-tragende Lehrerin nicht, müssen sie dagegen vorgehen, bis der Schulfrieden gefährdet ist.“ Jestaedt entgegnete, dass eine konkrete Gefahr nicht heiße, „dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.“ Vielmehr sei ein Verbot auch vorbeugend möglich. Nötig seien allein konkrete Anhaltspunkte, so Jestaedt.

Praxis

Prof. Dr. R. Alexander Lorz, Hessischer Kultusminister, gab zum Schluss einen Einblick in die Praxis verbunden mit einer Prognose für die Zukunft. Noch gebe es keine Probleme mit Kopftuch-tragenden Lehrerinnen, dies werde sich seiner Ansicht nach jedoch ändern. Bisher seien nur Lehrerinnen tätig, bei denen der Beruf vor der Religion steht. In Zukunft werde es mehr Bewerberinnen geben, für die dieses Rangverhältnis umgekehrt ist. Seiner Einschätzung nach werden Frauen, die das Kopftuch als religiös so verpflichtend ansehen, dass sie dafür auch den Lehrerberuf aufgeben würden, im Unterricht eine andere Ausstrahlung haben.

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Dr. Katja Gelinsky

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