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Виступи на заходах

Von schmeichelnden Greisen und wirren Witwen

з Ulrike Kardenbach

Ein literarisches Symposium zum demographischen Wandel

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Deutschland im Jahre 2025: Die Bevölkerungspyramide steht Kopf, mehr als die Hälfte der Einwohner ist älter als sechzig Jahre. Es ist eine Republik der Alten, eine infolge von Geburtsausfällen überalterte Rumpfgesellschaft, in der das Rentensystem kollabiert und der Generationenkonflikt zu einem handfesten „Krieg der Generationen“ ausgeartet ist. Der „hässliche unattraktive“ Alte kann sich darin menschliche Zuwendung und soziale Einbindung allenfalls noch erkaufen. Die Legitimation seines Daseins besteht in existenzieller Abhängigkeit von kinderreichem „Humankapital“, das in neokolonialistischer Manier aus Entwicklungsländern abgeworben wurde.

Es ist ein Schreckensszenario, das Meinhard Miegel, Leiter des Instituts Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn und einer der profiliertesten Sozialforscher Deutschlands, da entwirft. Weil die Alten nicht mehr am (Güter-) Wertschöpfungsprozess partizipieren, steht ihr Nutzen für die Gemeinschaft und damit – für Miegel zwangsläufig einhergehend – auch ihre Daseinsberechtigung zur Diskussion. Dem alten Menschen bleibt nichts anderes übrig, als sich den jungen irgendwie nützlich zu verkaufen, um so die Solidarität der Generationen aufrechtzuerhalten und die eigene Grundsicherung zu gewährleisten. Die Alten, so Miegel, müssen sich bei den Jungen „einschmeicheln“, um ihre Existenz in so großer Zahl rechtfertigen zu können. Unter Einschmeicheln seien vornehmlich finanzielle Zuwendungen zu verstehen, die die alten Menschen als Kompensation für ihre verminderte Leistungsfähigkeit einzusetzen genötigt wären.

Soweit eine sozialwissenschaftliche Interpretation demographischer Fakten. Demographie solle kein Anlass für Demagogie sein, sondern ein "Appell zur Verantwortung", so Günther Rüther, Leiter der Hauptabteilung Begabtenförderung und Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung, in seiner Eröffnungsrede anlässlich des IX. Literarisches Symposiums, das die Konrad-Adenauer-Stiftung am 25. November 2005 unter dem Motto „Verantwortung zur Veränderung – Reformprojekt Generation“ in Berlin abhielt. Doch wie soll die Gesellschaft mit den demographischen Fakten verantwortungsvoll umgehen? Kann der demographische Wandel auf ein ökonomisches Problem reduziert werden? Bedarf es neben der empirischen Denkart nicht noch anderer Betrachtungsweisen, um den Zustand unserer Gesellschaft heute und in Zukunft richtig einschätzen und bewerten zu können?

Intention des Symposiums war es, Autoren, Fachwissenschaftlern, Politikern und Journalisten aus verschiedenen Fachrichtungen diese Fragen zu stellen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Alter eben nicht nur mit der Sorge um eine ausreichende Alterssicherung behaftet ist, sondern mit einer Reihe weiterer existenzieller Nöte und Sorgen. Neben dem unbestreitbar wichtigen finanziellen Aspekt werden das Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte, Krankheit, Angst und Tod im zunehmenden Alter zu immer mehr bestimmenden Lebensthemen. Diese schwer quantifizierbaren Aspekte sind jedoch von ebenso großer Relevanz.

Nun ist es auch Aufgabe der Kunst, insbesondere der Literatur, als generationenverbindendes Medium, einen anderen, besonderen Blick auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu richten. Oliver Jahraus, Literaturwissenschaftler an der Universität München, machte dieses Vermögen der Literatur, die Phänomenologie des Alters beschreiben und deuten zu können, eindrucksvoll an Beispielen aus der Literaturgeschichte deutlich. Literatur beschreibt die Phänomene jenseits materieller Güter und stellt den Menschen als Selbstzweck in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Ob Goethes Faust, Manns Gustav von Aschenbach in „Tod in Venedig“, ob Brechts „Unwürdige Greisin“ oder Hemingways Santiago in „Der alte Mann und das Meer“, die Dichtkunst zeigt, dass wir erst alt werden müssen, um uns der Jugend bewusst werden zu können, ihre Werthaftigkeit zu erblicken und ihre Vergänglichkeit zu empfinden. Wenn Alter die notwendige Erfahrungsgrundlage von Jugend ist, kann sich ein Reformprojekt Generation niemals auf Jugend allein stützen. Das Alter wird so zur conditio sine qua non eines Reformprojekts Generation.

Die Autorin und diesjährige Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer, die anlässlich des Symposiums unter anderem ihre Kurzgeschichte „Wirre Witwen – wissende Witwer“ las, verwahrt sich gegen die Tendenz, Menschen in „Lebensalter-Kasten“ einordnen zu wollen. Jeder Mensch sei ein Individuum, das im Laufe seines Lebens zwar alterstypische Phasen durchlaufe, dabei jedoch immer seine Identität und Einzigartigkeit behalte. Die Künste, so Kronauer, könnten helfen, „Alt-Sein“ zu definieren. Die Literatur vermag also Jugend und Alter als kulturelles Phänomen zu beschreiben und zu deuten, Antworten auf konkrete Fragen, etwa die, wie man den Bedürfnissen alter Menschen (Schmerzfreiheit, Fürsorge, Betreuung und würdevolles Sterben) gerecht werden kann, kann sie jedoch nur partiell geben.

Der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Paul Baltes, fordert hinsichtlich dieser Fragestellung ein Umdenken im Umgang mit dem sogenannten „vierten Alter“, also der letzten Altersphase des menschlichen Lebens. Nach Baltes kann nur der biotechnische Fortschritt diesen Lebensabschnitt verbessern. Palliativmedizin sei nur Symptombekämpfung. Das Tabu der Sterbehilfe dürfe nicht länger bestehen bleiben. So sei es angebracht, angesichts der häufig von Elend geprägten Phase, nicht mehr ausschließlich an Lebensverlängerung zu denken, sondern an Lebensoptimierung. In manchen Fällen sei es eben besser zu sterben als menschenunwürdig zu leben. Umfragen hätten gezeigt, dass die meisten Menschen 80-84 Jahre alt werden wollen und keinesfalls 100. Ebenso wollten 70-75% über den Zeitpunkt des eigenen Todes selbst bestimmen. In Anbetracht dessen, müsse neu über Sterbehilfe am Lebensende nachgedacht werden. Wertabsolutismus sei keine adäquate Lösung des Problems.

Zustimmung erfuhr Baltes auch vom Sozialforscher Miegel, der, getreu seines Nützlichkeitsprimats, zu bedenken gab, dass in vielen Fällen lediglich das physische Leben des Menschen verlängert würde, obwohl dieser psychisch am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilhaben könne.

Ausdrücklich gegen diese Sichtweise sprach sich der Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder aus. Bekannt geworden durch den Satz, man müsse an künstlichen Hüftgelenken für Alte sparen, trat er in der Diskussion um die Zulassung von Sterbehilfe, für Lebensschutz und Wahrung der Menschwürde ein.

Die Journalistin und Buchautorin Elisabeth Niejahr forderte diesbezüglich einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs, in dem sich die Generationen über verbindliche Normen einigen sollen. Zuerst müssten heute schon bestehende Fehlentwicklungen – etwa die Tatsache, dass mittellose Menschen früher stürben – Einhalt geboten werden. Die Allokationsproblematik, also Fragen nach einer gerechten Verteilung von Gesundheitsleistungen, müsse intensiver thematisiert werden. Miegel wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nicht die ärmsten Mitglieder unserer Gesellschaft kränker sind, sondern die am wenigsten gebildeten. Nach Miegel könnten wir uns im Alter vieles leisten, wenn wir in der Jugend und im mittleren Alter eine etwas vernünftigere Priorisierung unserer Ausgaben und unseres Umgangs mit der eigenen Gesundheit vornähmen. Diese Forderung nach einer Gesundheitsethik ergänzt die Forderung Paul Noltes, Geschichtswissenschaftler an der FU Berlin, das „Risiko der Festlegung“ wieder einzugehen und sich der Nachhaltigkeit der eigenen Entscheidung wieder stärker bewusst zu werden. Man müsse bereit sein, den "Preis der Chancen" zu erkennen und zu bezahlen. Für Nolte sind die Herausforderungen des demographischen Wandels allein durch eine Mobilisierung von Moral zu bewältigen. Die Entwicklung zu einer alternden Gesellschaft, in der die Mehrheit der Mitglieder keine Leistungsträger sind, sondern der Fürsorge anderer bedürfen, muss einhergehen mit der Entwicklung von einer konsumierenden zu einer "nachhaltigen" Gesellschaft. Anders als Miegel sieht Nolte nicht nur finanzielle Ressourcen als Einschmeichelungsfaktoren, sondern vielmehr Zeit, Moral und Sozialkapital, also alles Werte, die vornehmlich die ältere Generation verwirklichen kann.

Fazit: Die Herausforderungen des demographischen Wandels müssen in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs reflektiert werden, der seinerseits auf festen ethischen Prinzipien ruhen muss. Unser Festhalten an der Unantastbarkeit der Menschenwürde, an den Menschenrechten und der Demokratie, kurz unserem christlich-abendländischen Menschenbild, begrenzt uns, schützt uns aber auch vor einer Beliebigkeit und Verzweckung.

Das Symposium hat deutlich gemacht, wie wichtig der interdisziplinäre Austausch ist. Weder die Kulturschaffenden noch die Statistiker alleine können eine zufriedenstellende Antwort auf die Fragen und Herausforderungen des demographischen Wandels geben. Eine schonungslose Analyse des gegenwärtigen gesellschaftlichen Generationenkonflikts im Sinne Miegels und Niejahrs ist daher ebenso nötig wie eine philosophisch-ethische Reflexion der Gegebenheiten. Nur gemeinsam und unter objektiver Prüfung aller vernünftigen Argumente können Lösungen gefunden werden.

Bemerkenswert war diesbezüglich der Wortbeitrag eines 80jährigen Herrn aus dem Auditorium, der resümierend an die Wissenschaftler appellierte, nicht allzu abstrakt von Moral zu sprechen, sondern sich auf konkrete „alte“ Werte zu besinnen. Kein „schmeichelhafter“ Einwurf, aber ein sicheres Indiz dafür, dass unsere Gesellschaft der Alten ebenso bedarf wie der Jungen, und dass sich niemand erdreisten sollte, den Wert eines Menschen von seiner Nützlichkeit und Funktionalität abhängig zu machen.

Ulrike Kardenbach,

Promotionsstipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung und Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Parl. Staatssekretär Thomas Rachel, MdB

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Dr. Susanna Schmidt

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