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Báo cáo quốc gia

Wie viel hält Brasiliens Demokratie aus?

của Dr. Jan Woischnik, Alexandra Paulus

Die Staatskrise könnte den Boden für Populisten bereiten

Fortwährende Rücktritte und Amtsenthebungen schwächen Brasiliens Exekutive und die Toleranz der Bevölkerung für Korruption in der Politik sinkt. Der Prozess um die Amtsenthebung des Senatspräsidenten provoziert nun eine Krise des ehemaligen Hoffnungsträgers Justiz – und auch das Mandat von Staatspräsident Temer ist nicht mehr sicher.

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Wenn innerhalb von acht Monaten die Staatspräsidentin und ihr gesamtes Kabinett, der Präsident des Abgeordnetenhauses und sechs gerade erst eingesetzte Bundesminister ihre Posten verlieren und zusätzlich ein Streit zwischen Legislative und Judikative sowie innerhalb der Justiz über eine mögliche Amtsenthebung des Senatspräsidenten entbrennt, muss eine massive Staats- und Vertrauenskrise im Land festgestellt werden. Genau dies erlebt das fünftgrößte Land der Welt seit Mai dieses Jahres – und ein Ende ist bisher nicht abzusehen.

Rücktritte und Amtsenthebungen schwächen die Exekutive

Am 31. August 2016 wurde Staatspräsidentin Dilma Rousseff (Partido dos Trabalhadores PT, dt. Arbeiterpartei) ihres Amtes enthoben. Daraufhin übernahm ihr Vize Michel Temer (Partido do Movimento Democrático Brasileiro PMDB, dt. Partei der brasilianischen demokratischen Bewegung) definitiv das Präsidentenamt. Dieser hatte bereits nach der vorübergehenden Suspendierung Rousseffs im Mai ein neues Bundeskabinett aufgestellt. Doch schon anderthalb Wochen danach traten die Minister Romero Jucá (PMDB, Planung) und Fabiano Silveira (parteilos, Transparenz und Korruptionsaufklärung) zurück. Auslöser waren an die Presse gelangte Tonaufnahmen eines ehemaligen Politikers, in denen sich beide für ein Ende der Ermittlungen im „Lava Jato“-Skandal aussprachen, dem grössten Korruptionsnetzwerk in der Geschichte Brasiliens um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras, in dem auch gegen Jucá selbst ermittelt wird. Im Juni trat zudem Tourismusminister Henrique Eduardo Alves (PMDB) zurück, nachdem ihm ein Kronzeuge der „Lava Jato“-Ermittlungen die Annahme von Bestechungsgeldzahlungen vorwarf. Im September entließ Temers Regierung außerdem Generalbundesanwalt Fábio Medina Osório – nach Osórios Aussage, „um die Lava Jato-Ermittlungen zu ersticken“ , hatte sich doch sein Haus aktiv in Ermittlungen gegen Baufirmen eingebracht. Und im November fand eine Auseinandersetzung zwischen dem Kulturminister Marcelo Calero (PMDB) und dem Secretário de Governo Geddel Vieira Lima (PMDB) über ein einen möglichen Baustopp eines Bauprojekts statt, in der Vieira Lima als Eigentümer einer der geplanten Wohnungen seinen Kabinettskollegen unter Druck gesetzt haben soll, woraufhin beide zurücktraten. Darüber hinaus ermittelt der Oberste Bundesgerichtshof gegen weitere Kabinettsmitglieder wegen Korruption.

Schließlich war im Juli der Präsident des Abgeordnetenhauses Eduardo Cunha (PMDB) zurückgetreten. Cunha, auch „Architekt des Impeachments“ gegen Rousseff genannt, hatte das Verfahren eingeleitet – sowohl bürokratisch aufgrund seines Amts als auch politisch als Schlüsselfigur des Koalitionsbruchs, in dem seine PMDB die Regierungskoalition mit Rousseffs Arbeiterpartei verließ. Inzwischen sitzt Cunha, dem Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen wird, in Untersuchungshaft. Korruption ist jedoch nicht nur in der brasilianischen Exekutive endemisch: Zwei von drei brasilianischen Parlamentariern stehen Korruptionsvorwürfen oder laufenden Strafverfahren gegenüber. Das Abgeordnetenhaus hatte zuletzt Ende November für Unmut in der Bevölkerung gesorgt, als es eine von Bürgern eingebrachte Gesetzesinitiative „10 Antikorruptions-Maßnahmen“ deutlich entschärfte.

Korruption wird toleriert – solange die Wirtschaft brummt

Allerdings: Das Ausmaß der Korruption in Brasilien – auch und gerade in politischen Kreisen – ist weder neu noch unbekannt. Bereits 2010 wurde der „custo Brasil“, also durch ausufernde Bürokratie und Korruption entstehende Zusatzkosten, auf jährlich 1,4 bis 2,3% des BIP geschätzt. Doch lange wurde diese Tatsache mit dem geflügelten Wort „Rouba, mas faz“ – etwa „der korrupte Politiker stiehlt zwar, aber dafür liefert er auch Ergebnisse“ – hingenommen. Vor dem Lava Jato-Skandal erlebte Brasilien den „Mensalão“-Skandal, bei dem unter der Präsidentschaft von Rousseffs Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva (PT) systematisch Parlamentarier bestochen wurden, um Parlamentsmehrheiten sicherzustellen. Doch die Aufdeckung dieses systematischen Korruptionsnetzwerks ab 2005 beschädigte weder den damaligen Präsidenten noch seine Partei nachhaltig – erlebte Brasilien doch damals wirtschaftliche Boomjahre. Heute hingegen befindet sich das Land in einer massiven Wirtschaftskrise: Das brasilianische Wirtschaftsministerium korrigierte seine Wachstumsprognose des BIP für 2017 zuletzt auf unter 1%, nachdem die brasilianische Wirtschaft im dritten Quartal 2016 weiter schrumpfte – inzwischen im siebten Quartal in Folge. Damit übertrifft die aktuelle Krise nicht nur Brasiliens durch Hyperinflation gekennzeichnete 90er Jahre, sondern auch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ab 1929 im Land. Vor dem Hintergrund der Staatskrise rückt eine wirtschaftliche Erholung in immer weitere Ferne.

Prozess um Amtsenthebung des Senatspräsidenten provoziert Krise der Justiz

Die Auswirkungen der Krise von Exekutive und Legislative in Brasilien auf die Stabilität der Demokratie im Land wurde lange Zeit durch die dritte Gewalt eingehegt: Durch die „Lava Jato“-Ermittlungen unter Bundesrichter Sergio Moro wurde die Justiz zum Hoffnungsträger Brasiliens – besonders angesichts der an die Öffentlichkeit gelangten Versuche, die Ermittlungen politisch einzudämmen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft von Curitiba nennt in ihren bisherigen Anklageschriften Schmiergeldzahlungen in Höhe von insgesamt 6,4 Mrd. Reais (ca. 1,7 Mrd. Euro), mehr als 1% der gesamten Wirtschaftsleistung des Landes im Jahr 2015. Bisher wurden 118 Personen zu Haftstrafen in Höhe von durchschnittlich mehr als 10 Jahren verurteilt, darunter auch Vertreter der politischen und wirtschaftlichen Elite – und dass sie ihre Haftstrafen tatsächlich antreten, ist neu in Brasilien. Doch zunehmend wurde den „Lava Jato“-Ermittlungen vorgeworfen, die Unabhängigkeit der Justiz gegen eine politische Rolle einzutauschen, indem in zunehmendem Maße Details aus den Ermittlungen der Presse zugespielt wurden.

Zuletzt brachten zudem der Oberste Bundesrichter Marco Aurélio Mello und Senatspräsident Renan Calheiros (PMDB) das Land an den Rand einer Verfassungskrise: Bundesrichter Mello entschied am 5. Dezember, ohne den Fall wegen seiner Tragweite direkt ins Plenum einzubringen, dass Calheiros vorläufig, aber mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben sei. Da die Entscheidung jedoch noch nicht vom Plenum bestätigt worden war, weigerte sich Calheiros (mit Unterstützung des Senats, im offenen Widerspruch gegen das Oberste Bundesgericht), der Anordnung Folge zu leisten. Diese ausweglose Pattsituation – gibt es doch in Brasilien keine übergeordnete Institution zur Lösung von Organstreitigkeiten – wurde am 7. Dezember durch eine weder einstimmige noch unumstrittene Plenumsentscheidung des Obersten Bundesgerichts aufgelöst: Calheiros wurde aus der präsidentiellen Nachfolge ausgeschlossen, nicht aber seines Amts enthoben. Kritiker dieser Entscheidung meinten, eine politische Motivation zu erkennen – hätte doch bei Calheiros‘ Amtsenthebung der Oppositionspolitiker Jorge Viana (PT) die Senatspräsidentschaft übernommen, mit Auswirkungen auf die Abstimmung zwischen Parlament und Regierung. Die verfahrene Situation spitzte sich weiter zu, als sich der Oberste Bundesrichter Gilmar Mendes für eine Amtsenthebung seines Kollegen Mello aussprach. „Die Art und Weise des Verfahrens zeigt aber auch die Risiken auf, die mit der Einschaltung des Obersten Gerichtshofs in hochpolitische Kontroversen für die Unabhängigkeit und Neutralität der Gerichtsbarkeit und damit für die effektive Wahrnehmung ihrer rechtsstaatlichen Kernfunktionen verbunden sind“, so der Experte für vergleichendes Verfassungsrecht Prof. Rainer Grote vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Ein intern zerrüttetes Oberstes Bundesgericht, deren Richter ihr Amt in Teilen zusehends politisieren, offenbart eine Krise der Justiz.

Temers Mandat ist nicht mehr sicher

Noch sorgt Präsident Temer für „Governabilidade“, er stellt also die Handlungsfähigkeit der Regierung durch Mehrheiten im Kongress sicher: So erhielt die Regierung im November in erster Lesung die Zustimmung beider Parlamentskammern zu einer Verfassungsänderung, die eine 20-jährige Obergrenze der Staatsausgaben festlegt. Ein weiterer Gesetzentwurf über die Einführung einer 2%-Hürde für Parlamentswahlen wurde bereits in erster Lesung im Senat verabschiedet. Dies ist ein wichtiger Schritt der politischen Reform, liegen doch in der Wahlgesetzgebung strukturelle Probleme des politischen Systems Brasiliens. Drittens hat die Regierung inzwischen einen Entwurf für eine dringend notwendige Rentenreform vorgelegt.

Allerdings sind zwei Szenarien denkbar, in denen Präsident Temer seine planmäßig 2018 endende Amtszeit nicht vollenden können wird: Erstens könnte Temer auf demselben Weg gehen, auf dem er ins Amt kam – durch ein Amtsenthebungsverfahren. In diesem Fall müsste Temer sein Amt aufgeben und das Parlament innerhalb von 30 Tagen einen Amtsnachfolger wählen. Bis zum Abschluss der Wahlen übernähmen übergangsweise der Präsident des Abgeordnetenhauses, Rodrigo Maia, oder an zweiter Stelle die Präsidentin des Obersten Bundesgerichtshofs Cármen Lucia das Amt des Staatspräsidenten. Anträge auf Eröffnung eines solchen Verfahrens liegen bereits vor, sie berufen sich auf verschiedene in der Verfassung genannte „Verantwortungsdelikte“. Am wahrscheinlichsten erscheint jedoch die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens wegen Korruptionsenthüllungen der „Lava Jato“-Ermittlungen, denn die Staatsanwaltschaft verhandelt aktuell mit angeklagten Mitarbeitern des Baukonzerns Odebrecht über Kronzeugenaussagen, die auch den Präsidenten belasten könnten. In jedem Fall entscheidet das Abgeordnetenhaus über die Eröffnung eines Amtsenthebungsverfahrens. Entscheidend ist daher, ob die öffentliche Meinung so deutlich kippt, dass der Präsident (durch an der öffentlichen Meinung ausgerichtete Parteiwechsel der Parlamentarier) die Mehrheit in dieser Kammer verliert.

Zweitens prüft das Oberste Wahlgericht seit Oktober 2015 auf Antrag der (damaligen Oppositions-, jetzt Regierungs-)Partei PSDB die Annullierung der Präsidentschaftswahlen 2014, aus denen Rousseff und Temer siegreich hervorgingen, wegen des Verdachts der Schmiergeldfinanzierung. Ebenso wie im Fall eines Impeachments übernähmen Maia oder Lúcia übergangsweise, bis indirekte Neuwahlen abgehalten würden.

Fazit: Manege frei für Populisten?

Die Zukunft der Präsidentschaft Temers wird davon abhängen, inwiefern sich die Rücktritte und Korruptionsverwicklungen auf die Handlungsfähigkeit der Regierung auswirken. Der Präsident kann (zumindest vorläufig) weiterhin auf die Unterstützung seines engen Vertrauten Calheiros als Senatspräsident vertrauen. Temers jetziger Koalitionspartner PSDB könnte gegenüber Rousseffs in den Kommunalwahlen untergegangenen Arbeiterpartei und Temers von Korruptionsvorwürfen durchsetzter PMDB zum lachenden Dritten werden - mit guten Chancen auf die Präsidentschaft 2018 (2018 finden auch Gouverneurs- sowie 2019 Parlamentswahlen statt).

Die enormen Korruptionsfälle, die die „Lava Jato“-Ermittlungen ans Tageslicht bringen, und die Krise der Justiz könnten Brasiliens Demokratie allerdings auch an ihre Grenzen bringen und den Weg bereiten für Populisten, die sich gegen die etablierte Politik als „Retter des Volkes“ positionieren. Als am 4. Dezember Zehntausende in weiten Teilen Brasiliens gegen Korruption demonstrierten, wendeten sich viele gegen Senatspräsident Calheiros – aber auch gegen „die Politik“. Zur Überwindung der Staatskrise braucht Brasilien glaubwürdige Kräfte der politischen Mitte, die die politische Polarisierung der Gesellschaft überwinden und so endlich couragiert die umfassenden politischen Reformen in Angriff nehmen könnten, die das Land so dringend braucht. Leider sucht man diese Kräfte bisher vergebens.

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