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Артыкулы да мерапрыемства

„Wir tragen den Schmerz in uns“

Beim deutsch-kolumbianischen Forum diskutierten Experten über die Zukunft des Friedensprozesses in Kolumbien

Kolumbien befindet sich in einer entscheidenden Phase der Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla. Das angestrebte Friedensabkommen soll einen mehr als 50 Jahre andauernden bewaffneten Konflikt beenden, der zehntausende Menschen das Leben gekostet und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen hat. „Wir tragen den Schmerz in uns, aber wir arbeiten für die Versöhnung und den Frieden“, sagte Pastora Mira García auf dem Forum Deutschland-Kolumbien, das die Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der kolumbianischen Botschaft ausrichtete.

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Die Vorsitzende des Zentrums für Annäherung, Wiedergutmachung und Versöhnung CARE hat selbst mehrere Familienmitglieder verloren und arbeitet mit Opfern des bewaffneten Konflikts. Mira sprach sich dafür aus, mit Mitteln der Rechtstaatlichkeit die Aufarbeitungen voran bringen. „Es darf keine Opfer der ersten und zweiten Kategorie geben“, betonte sie. Kolumbien steht erst am Anfang eines langen Prozesses hin zum Frieden. Voraussetzung für einen Dialog zwischen Opfern und Tätern sei die Bereitschaft von beiden Seiten zu einem Gespräch, erklärte Roland Jahn. Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR befasst sich seit Jahren mit der Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen und war bei vielen Treffen zwischen Opfern und Tätern des Unrechtsstaates dabei. „Einer Versöhnung geht immer die Anerkennung von Menschenrechtsverletzungen und eine Entschuldigung voran“, sagte Jahn. Parallel aber müsse Aufklärungsarbeit in Kolumbien geleistet werden ohne sie zu politisieren. In Deutschland sei die Stasiunterlagenbehörde dem Parlament unterstellt und gewähre einen überparteilichen Ansatz. In Kolumbien haben sich Regierung und FARC-Rebellen auf eine spezielle Übergangsjustiz (Jurisdicción Especial para la Paz), die Einrichtung einer Wahrheitskommission und einer Kommission für die Suche nach den Verschwundenen geeinigt, die garantieren sollen, dass sich das Geschehene nicht wiederholen kann.

Denn der Konflikt, der 1964 ausbrach, hat bisher über 200.000 Menschenleben, eine Vielzahl von Entführungen und Millionen von Binnenvertriebenen gefordert. Mit sich brachte er auch einen sprunghaften Anstieg des Drogenanbaus und -handels. Die kolumbianische Sicherheitspolitik steht nun vor großen Herausforderungen. Dr. Ralf Brauksiepe, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, betonte, dass die Bundesregierung ein starkes Interesse einem tragfähigen Friedensprozess habe. Dabei sei es wichtig nicht nur für eine Stabilität im Land, sondern auch in der Region zu sorgen. „Frieden ist auch die Grundlage für wirtschaftliche Entwicklung“, erläuterte Brauksiepe. Beide Effekte verstärkten sich. In den vergangen Jahrzehnten habe es starke wirtschaftliche Verwüstungen gegeben. „Wenn die Regierung es schafft, die kleinen Bürger an dem Wohlstand zu beteiligen, dann ist dies auch eine Basis für dauerhaften Frieden im Land.“

Mit der Unterstützung des Militärs könne der Bevölkerung Sicherheit gegeben sowie damit Wohlstand und neue Arbeitsplätze geschaffen werden, ist auch Generalmajor Juan Guillermo García überzeugt. „Wir müssen den Guerillas die Rückkehr in ein ziviles Leben und in die Gesellschaft gewähren“, forderte der stellvertretende Leiter des Generalstabs der kolumbianischen Streitkräfte. Aufgrund des besonderen Stellenwertes des Militärs und seiner besonderen Aufgabe im Friedensprozess, hält er eine Reduzierung der Streitkräfte zum derzeitigen Punkt für unmöglich. Erst nach etwa 15 Jahren könne man überlegen, ob dies realisierbar wäre. Doch dann bestünde die Gefahr, dass die militärfreien Gegenden wieder von Kriminellen besetzt werden könnten. Viele Experten waren sich einig, dass es eine Entwicklung des ländlichen Raumes und einer Erschließung der riesigen Landflächen bedarf sowie der Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben werden müsse. „Solange Menschen im ländlichen Raum keine Alternative erhalten, solange wird es den Drogenanbau geben“, sagte der Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bogotá, Dr. Hubert Gehring. Wie es aussieht ist das bevorstehende Friedensabkommen weniger das Ende, sondern vielmehr der Beginn einer Entwicklung, die viele Reformschritte notwendig machen wird, um den Frieden nachhaltig zu sichern.

Interview mit Pastora Mira García, Vorsitzende der NGO Centro de Acercamiento para Reparación y Reconciliación

Frage:

Pastora Mira García, vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Sie sind ein Opfer des Konfliktes und heute die Anführerin und Sprecherin vieler Opfer. Erzählen Sie uns bitte etwas über ihre persönliche Geschichte.

Antwort:

Ich möchte mich zunächst für die Gelegenheit bedanken, das ich hier im Namen der Opfer und ihrer Organisationen sprechen darf. Wie bei vielen Kolumbianern war der Konflikt auch in meinem Leben präsent. Es begann, als ich vier Jahre alt war und vor knapp zehn Jahren wurde mein Sohn ermordet. Aber die Erfahrung zu erleben, was es bedeutet, einen Vater, einen Ehemann, eine Mutter zu verlieren, die Kinder, die Geschwister, die Freunde und Arbeitskollegen, bringt einen dazu, darüber nachzudenken. Ist es so schlimm, ums Leben zu kommen? Ich glaube, schlimmer ist es für die, die zurückbleiben. Und so habe ich aufgrund des erlittenen Verlustes, des Schmerzes und Zorns, angefangen über mein Leben nachzudenken und bin zu dem Schluss gekommen, anderen helfen zu wollen.

Frage:

Ich glaube, angesichts ihrer persönlichen Geschichte ist es beeindruckend, welche Kraft Sie haben, um wieder aufzustehen und jetzt anderen zu helfen. Sind Sie der Meinung, dass die Stimme der Opfer in dem bisherigen Prozess des Wiederaufbaus und der Schaffung einer historischen Erinnerung im Land berücksichtigt wurde und was könnte man dabei besser machen?

Antwort:

Die Rechte erlangen wir, indem wir zueinander finden und uns gegenseitig helfen. Dadurch Es ist uns als Erstes gelungen, ein Gesetz in den Kongress zu bringen. Am 24. Juli 2007 war ich dort, habe Vorschläge gemacht und viele Begegnungen geleitet. Wir haben auch durch das Dekret 48-0-0 als Verordnung zum Gesetz 14-48 versucht zu erreichen, dass Möglichkeiten zur Partizipation der von dem Konflikt betroffenen Bevölkerung anerkannt werden. Reicht das aus? Nein, für die vielen Opfer des über fünf Jahrzehnte andauernden Konfliktes in Kolumbien reicht das nicht. Und wir wissen, dass es auch sehr mächtige Stimmen gibt, die Entscheidungen treffen und damit diejenigen zum Schweigen bringen wollen, deren Beweggründe überhaupt nicht ins Konzept passen, weil sie zu gegebener Zeit die Frage der Rechte ins Spiel bringen.

Frage:

Das Thema Arbeit mit Opfern ist sehr kompliziert. In welchem Maße kann es in den Regionen Kolumbiens zu Aussöhnungsprozessen zwischen Opfern und Tätern kommen? Und werden gegenwärtig Maßnahmen gefördert, die das Verzeihen und die Aussöhnung begünstigen?

Antwort:

Das ist nicht einfach. Es ist etwas anderes, wenn man sagt: ‚Ich öffne morgens die Augen und sehe die Sonne.‘ Es geht dabei darum, sich bewusst zu werden, dass die Gegenwart jetzt ist, dass die Vergangenheit nur gestern war, aber dass ich die Vergangenheit brauche, um verantwortungsvoll die Zukunft aufzubauen. Wenn man nach diesen Prinzipien arbeitet, wird einem klar, dass genau so, wie die Felder noch mit Minen verseucht sind, der Konflikt das Vertrauen vollkommen unterminiert hat – und das gilt nicht nur für das Vertrauen der Opfer, sondern auch für die Personen, die auf der anderen Seite gestanden haben und die durch ihre Taten zu Tätern wurden. Es geht darum, ihnen wieder in die Augen zu sehen, in ihnen wieder einen Menschen zu sehen, der unter den damaligen Umständen gestürzt ist und dem heute eine Hand gereicht werden muss, dem geholfen werden muss, damit er seine Bereitschaft zeigen kann, zu einer Veränderung beizutragen, mitzuhelfen, diese Gesellschaft umzugestalten. Letztendlich gehören wir alle – Opfer, Täter – zu dieser Gesellschaft. Einige haben bessere ökonomische oder akademische Voraussetzungen, haben einen besseren Familiennamen als andere, aber jeder, absolut jeder hat eine Mutter und stammt aus einer Familie. Und wenn wir diese jungen Leute unterstützen, weil sie sich im Rahmen dieses Prozesses wieder eingliedern lassen wollen oder weil sie sich von diesen Gruppen losgesagt haben, tragen wir dazu bei, dass auch sie in der Zukunft eine Familie gründen können, dass sie Wurzeln schlagen können und dadurch für Terror unempfindlich werden.

Frage:

Wo sehen Sie die Schwerpunkte beim Aufbau des Friedens in den Gemeinden, in den Regionen und welche Bedürfnisse müssen von den Regierenden vorrangig befriedigt werden?

Antwort:

Unser Land ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass wir ein Problem mit der sozialen Ungleichheit und der Chancengleichheit haben. Was nützt es mir aber, wenn ich glaube, dass ich keine Chancen habe, wenn ich nicht die Ausbildung habe, um voranzukommen. Beginnen wir also mit der Bildung – Bildung nicht nur im akademischen Sinne sondern auch Ausbildung, um ein besserer Mensch zu werden, um die tagtäglichen Konflikte zu lösen. In der Schule wird einem nicht beigebracht, Vater oder Mutter zu sein. In der Schule wird einem kaum beigebracht, ein guter Bürger zu sein. Unser Land hat schon seit geraumer Zeit Themen wie Ethik und Werte von den Lehrplänen gestrichen. Wir müssen diese Grundprinzipien wieder in die Institutionen bringen, damit wir wieder wahre Bürger werden, damit es wieder Vertrauen und – und das ist ein unabdingbares Thema, das leider zu einem Geschäft geworden ist – Liebe gibt. Wir müssen zur Liebe erziehen.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für Sie und alle Kolumbianer.

Ich danke der internationalen Gemeinschaft, der Konrad-Adenauer-Stiftung und vor allem der deutschen Regierung für die entschiedene Unterstützung im Friedensprozess. Mein Sohn, der im Alter von vier Jahren ermordet wurde, sagte einmal, dass er wenn er wenn er erwachsen ist, eine große Torte backen wird, die gemeinsam von Guerilla und Armee gegessen werde. Wir steuern heute die Zutaten bei, damit diese Torte Wahrheit werden kann.

Interview Dr. Gómez - Nationales Zentrum für historische Erinnerung

Frage:

Dr. Gonzalo Sánchez Gómez, Sie sind der Direktor des nationalen Zentrums für historische Erinnerung in Bogotá, herzlich willkommen in der Stiftung und vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Erzählen Sie uns bitte etwas über das nationale Zentrum für historische Erinnerung, wann es mit welcher Zielsetzung gegründet wurde und welche Aufgaben es hat.

Antwort:

Das nationale Zentrum für historische Erinnerung hat eine Vorgeschichte. Es gab eine Gruppe mit einem etwas informelleren Charakter – die Gruppe der nationalen Erinnerung. Diese Gruppe wurde im Rahmen des Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden gegründet. Es ging dabei um die Fragen der Verantwortung der Paramilitärs. 2011 wurde dann auf der Grundlage eines neuen Gesetzes eine neue Institution geschaffen. Dabei ging es nicht nur um die Demobilisierung der Paramilitärs und die Gerichtsverfahren gegen die Paramilitärs, sondern auch um die Auswirkungen des Krieges auf die Opfer. Deswegen heißt dieses Gesetz auch „Gesetz über Opfer und Landrückgabe“.

Im Rahmen dieses Gesetzes wurden drei grundlegende Einrichtungen für die Opfer geschaffen. Damit sollte den Erwartungen der Opfer entsprochen werden. Die erste Einrichtung beschäftigt sich mit der Betreuung der Opfer und Fragen der Wiedergutmachung. Die zweite Einrichtung ist die Einheit zur Rückübertragung von Ländereien und bei der dritten Einrichtung handelt es sich um das „Nationale Zentrum für historische Erinnerung“. Das heißt, das Zentrum ist eine der drei Einheiten, die im Rahmen dieser neu geschaffenen Institution für die Arbeit mit den Opfern geschaffen wurden. Ich möchte dabei unterstreichen, dass diese neue Institution vor Beginn des Verhandlungsprozesses ins Leben gerufen wurde. Normalerweise ist es so, dass es sich bei den Tätigkeitsbereichen der hier angeführten Einrichtungen wie Wiedergutmachung, Aufklärung und Landrückgabe, um Prozesse handelt, die später, das heißt, nachdem die Verhandlungen geführt wurden, stattfinden. In diesem Fall muss man sich vergegenwärtigen, dass wir in Kolumbien eine Institution geschaffen und registriert hatten, bevor wir die Verhandlungen aufgenommen haben.

Das Nationale Zentrum für historische Erinnerung hat mindestens vier Grundaufgaben. Als erstes geht es um die Aufklärung der Geschichte des bewaffneten Konflikts in Kolumbien. Hierfür haben wir circa 60 Berichte erarbeitet, in denen auf verschiedene Regionen, die unterschiedlichen Arten von Betroffenheit – sei es als Opfer von Entführungen, von gewaltsamen Verschwindenlassen, sexueller Gewalt, etc. – eingegangen wird.

Das heißt, unser erster Schwerpunkt ist die Aufklärung. Der zweite wichtige Schwerpunkt ist der Schutz der Menschenrechtsarchive. Das ist eine gigantische Aufgabe, weil wir nicht nur für die Archive des Justizapparats, der öffentlichen Einrichtungen und die im Ergebnis unserer eigenen Arbeit entstandenen Archive, sondern auch für all die Archive verantwortlich sind, die in den jeweiligen Einheiten während des Kampfes entstanden sind. Die Archive werden zu einem wichtigen Instrument des Kampfes der Gemeinden, allerdings befinden sie sich in einem sehr technisch bescheidenen Zustand. Sie sind auch unzureichend organisiert und unser Zentrum berät daher bei Organisationsfragen diese Archive und unterstützt dadurch die Aufklärungsprozesse und auch mögliche spätere Wiedergutmachungsmaßnahmen.

Als drittes haben wir die sehr große Aufgabe, die Zeugenaussagen der demobilisierten Paramilitärs, die sogenannten Wahrheitsbefunde entgegenzunehmen. Die Paramilitärs müssen in das Zentrum für historische Erinnerung gehen und dort eine Erklärung über ihre Verantwortung abgeben, die dann von uns bearbeitet wird. Wenn sich herausstellt, dass die angegebenen Informationen der Wahrheit entsprechen, bekommen sie eine Bescheinigung, mit der sie wiederum Vorteile bei der juristischen Bearbeitung der Vorfälle erhalten.

Die vierte wichtige Aufgabe besteht in der Schaffung und Gestaltung des Nationalen Zentrums für historische Erinnerung – des Nationalen Museums für historische Erinnerung. Hier werden wir dann die verschiedenen Sichtweisen auf den bewaffneten Konflikt in Kolumbien darstellen. Wir verfügen bereits über den entsprechenden Ort, wissen, wie die architektonische Lösung aussehen soll. Wir sind an der Sache dran.

Frage:

Wie garantieren Sie in Ihrer praktischen Arbeit die Einbeziehung der Stimmen der Opfer?

Antwort:

Um den Unterschied zwischen unseren Untersuchungen über den bewaffneten Konflikt und Untersuchungen allgemeiner Natur herauszuarbeiten und auch den Opfern ihre Würde zurückzugeben, besteht eine zentrale Aufgabe seit Beginn unserer Arbeit darin, uns auf ihre Aussagen, auf ihre Stimmen zu stützen. Unsere Strategie sieht dabei so aus, dass wir mit den Opfern arbeiten, unsere eigenen Berichte auf der Grundlage sämtlicher sonst noch verfügbaren Informationen, also zusätzlich zu den Opferaussagen, aus schriftlichen Quellen, Quellen der Justiz erstellen. Die Ersten, denen wir dann diese Berichte zurückgegeben haben, waren symbolisch unsere Partnergemeinden. Wir haben den gesamten Prozess über versucht, konsequent mit ihnen zu arbeiten. Ich würde sogar sagen, dass es jetzt eine neue Phase gibt. Statt selbst Autoren von Berichten über die verschiedenen Formen von Gewalt zu sein, sind wir mehr eine Plattform, damit die Gemeinden selbst ihre eigene Erinnerung aufarbeiten. So machen wir das mit indigen Gemeinschaften, afrokolumbianischen Gemeinschaften und auch mit verschiedenen Kirchengemeinden. Das heißt, im Rahmen der Möglichkeiten versuchen wir die Schaffung einer offiziellen Erinnerung zu vermeiden. Es gibt keine offizielle Erinnerung, wir sind lediglich der Raum, in dem die verschiedenen Gemeinden der Gesellschaft ihre Erinnerung mit unserer technischen Unterstützung aufarbeiten können.

Frage:

Konnte das Zentrum in diesem gesamten Prozess eine gewisse Neutralität beziehungsweise Unabhängigkeit bewahren?

Antwort:

Ja. Ich glaube, dass das auch für die Legitimität der Arbeit des Zentrums sehr wichtig war. Obwohl das Zentrum heute eine staatliche Einrichtung ist, ist es aber ein Prinzip, auf das wir auch sehr geachtet haben und das sogar gesetzlich in einer Klausel verankert ist, nachdem es keine offizielle Erinnerung gibt. Das heißt, weder der Staat noch die kolumbianische Regierung können erwarten, dass wir das Sprachrohr ihrer eigenen Sichtweise auf die Erinnerung und die Wahrheit sind. Es gilt das Prinzip, die Überzeugung aber auch das Gesetz, wonach wir den Raum für die Anerkennung eines konfliktbeladenen Szenarios zu schaffen haben, in dem es unterschiedliche Akteure und auch unterschiedliche Interessen in der Gesellschaft gibt, die unterschiedliche Sichtweisen, unterschiedliche Interpretationen sowohl über die Geschehnisse als auch darüber haben, wie hierfür eine Lösung gefunden werden kann.

Frage:

Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für den kolumbianischen Staat in Bezug auf die historische Erinnerung, wenn es in naher Zukunft – wie wir alle hoffen – ein Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC gibt?

Antwort:

Meiner Meinung nach liegt die größte Herausforderung darin, dass sich sowohl aus der im Land entstandenen sozialen Mobilisierung in Bezug auf Aufklärung und Erinnerung als auch aus der den Verhandlungsprozess notwendigerweise begleitenden Mobilisierung, die ganz sicherlich nach der Unterzeichnung der Vereinbarungen zunehmen wird, sehr große Anforderungen an uns, an unsere Arbeit und an unseren Tätigkeitsbereich ergeben werden. Warum? Eine der größten Herausforderungen ist das Thema Justiz. Aber es wird nicht alles durch die Justiz bearbeitet werden können. Diesem Umstand darf nicht die soziale Forderung nach Wahrheit und Erinnerung zum Opfer fallen. Ich sehe hier also ein Szenario, in dem es einerseits eine beschränkte Justiz, andererseits aber eine fast unbeschränkte Forderung nach Erinnerung und Wahrheit geben wird, die sich aus Szenarien ergeben werden, die nicht auf der Justiz beruhen. Das ist eine der größten Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft stehen wird und damit auch wir.

Die zweitgrößte Herausforderung wird das Vertrauen der Gesellschaft in die positiven Verhandlungsergebnisse sein. Die Gesellschaft erwartet sehnlichst den formellen Abschluss der Vereinbarungen. Ich bin misstrauisch, was diese Vereinbarungen ergeben werden. Wir werden sehen, wie sie sich auswirken. Ich glaube, es wird dann eine Zeit der Anpassungen dieser Erwartungen an die realen Möglichkeiten geben. Der dritte Punkt ist, dass die größte Herausforderung dann entstehen wird, wenn die Vereinbarungen bei der Gesellschaft, bei den örtlichen Gemeinden ankommen werden, denn am Tag danach werden wir örtliche Gemeinden haben, die Gespräche und Verhandlungen führen müssen, die Anpassungs- und Angleichungsprozesse mit den Seiten umzusetzen haben, die sich gegenüber standen. Dazu gehören sowohl Täter unterschiedlichster Natur als auch Opfer unterschiedlicher Täter, die bisher noch nicht miteinander gesprochen haben, die den Frieden nicht nur als Möglichkeit, sondern bereits als eine Realität sehen und die ihn aber noch im Alltagsleben umsetzen müssen.

Dr. Sánchez, vielen Dank für dieses Interview und alles Gute für den Frieden in Kolumbien.

Vielen Dank an die Konrad-Adenauer-Stiftung, die uns diese Reise nach Deutschland und den Austausch mit Gesprächspartnern ermöglicht hat.

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