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Europawahlen 2009

от Dr. Peter R. Weilemann †, Dr. Olaf Wientzek

Die nächsten Schritte

Vom 4.- 7. Juni 2009 findet die siebte Direktwahl zum Europäischen Parlament statt. Über 375 Millionen Wähler in den 27 Mitgliedsstaaten der EU haben die Chance, über die Verteilung der 736 Sitze zu entscheiden. Der Ausgang der Wahl hat großen Einfluss auf die Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse der Europäischen Union der nächsten fünf Jahre, die die Menschen als Bürger wie als Wirtschaftssubjekte, ihren Wohlstand wie ihre Sicherheit in immer stärkerem Maße unmittelbar betreffen.

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Gleichwohl rangiert das Interesse an der Europawahl weit hinter dem an nationalen Wahlen. Bisherige Umfragen zeichnen ein widersprüchliches Bild darüber, ob die niedrige Wahlbeteiligung 2004 von 45,6 Prozent noch einmal unterboten wird. Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielschichtig. Vieles aber lässt sich darauf zurückführen, dass Funktions- und Arbeitsweise des Parlaments meist unbekannt und schwer zu vermitteln sind. Welche Änderungen mit dem Wahlabend zu erwarten sind und welche Entscheidungen in den nächsten Wochen anstehen, soll im Folgenden skizziert werden.

Im bisherigen Parlament waren 785 Abgeordnete vertreten. Entsprechend der großen politischen Hauptströmungen in Europa waren sie in insgesamt sieben Fraktionen organisiert. Stärkste Fraktion war die Europäische Volkspartei (Christliche Demokraten) im Bündnis mit den Europäischen Demokraten (EVP-ED) mit 288 Abgeordneten, gefolgt von den Sozialisten (SPE) mit 217, den Liberalen (ALDE) mit 100 Abgeordneten. Die nationalkonservative UEN hatte 44 Sitze, die Grünen 43, die Europäische Linke 41. 22 Abgeordnete gehörten der euroskeptischen ID-Gruppierung an, während 30 fraktionslos waren. Dem neuen Parlament, das auf der Basis des Nizza-Vertrages gewählt wird, werden nur noch 736 Abgeordnete angehören. Zwölf Länder, darunter Frankreich, Spanien, Italien, Polen und Großbritannien, werden weniger Vertreter nach Straßburg/ Brüssel entsenden können. Deutschland, das unter dem Lissabon-Vertrag nur noch 96 Sitze beanspruchen kann, wird bei dieser Wahl weiterhin über 99 Mandate, und damit das größte nationale Kontingent verfügen.

Legt man die gängigen Prognosen zu Grunde, werden sich die Kräfteverhältnisse im EP nicht grundlegend verschieben. Angesichts der Unsicherheiten über die effektive Wahlbeteilung, der unterschiedlichen Berechnungsmethoden für die Zuteilung der Parlamentssitze und der unsicheren Datenbasis dieser Berechnungen sollte man sie mit einem Vorbehalt besehen. Ende Mai prognostizierte die eigens für die Europawahl eingerichtete Website predict09.eu, dass die EVP mit 249 Sitzen stärkste Kraft bleibt. Vor allem die Zugewinne der Delegationen aus Italien (geschätzt bis zu 30 Mandate), Frankreich (27 Mandate) und Polen (28 Mandate) werden dazu beitragen. Die deutsche Delegation – bisher 49 Mandate - wird nach wie vor die stärkste Gruppe darstellen (36, in anderen Umfragen bis zu 40 Sitze), doch in Zukunft schwächer vertreten sein.

Die Sozialisten können mit rund 207 Sitzen (darunter 32 – bisher 24 – deutsche Sozialdemokraten) rechnen, etwas weniger als bisher. Den Liberalen werden 88 Sitze vorhergesagt, (mit einem prognostizierten Zugewinn von vier deutschen Mandaten auf 11). Die Grünen (42) und Europäische Linke (44) dürften ihre Stärke aufrechterhalten, wobei die deutschen Grünen (11) wohl zwei Mandate verlieren, die „Linke“ (9) sich um zwei Sitze verbessern könnte. Die übrigen 106 Sitze würden auf diverse konservative, nationalkonservative, europakritische und rechtsextreme Parteien entfallen, deren zukünftige Organisationsform noch ungewiss ist.

Auch wenn im nächsten Parlament die Machtverteilung von den bisher vertretenen großen Parteienzusammenschlüssen bzw. Fraktionen geprägt sein wird, so muss man doch damit rechnen, dass sich innerhalb dieser Gruppierungen Veränderungen vollziehen und auch neue Fraktionen gebildet werden können. Es ist deshalb schwer vorauszusagen, was aus den anderen Gruppierungen wird. So ist es fraglich, ob die bislang viert stärkste Fraktion, die UEN, weiter bestehen wird. Die irische Fianna Fail, aus deren Reihen auch der Fraktionsvorsitzende kam, wechselt zur Gruppe der Liberalen; die italienische Alleanza Nazionale ist seit März diesen Jahres zusammen mit der Forza Italia in einer neuen Partei aufgegangen, dem Volk der Freiheit (PdL), deren Abgeordnete sich der EVP anschließen werden.

Auch die EVP-ED Fraktion wird in dieser Form nicht mehr weiterexistieren, nachdem die britischen Konservativen die Ankündigung ihres Vorsitzenden Cameron im März diesen Jahres ungesetzt haben und die Fraktionsgemeinschaft aufkündigten. Mit ihnen wird auch die tschechische ODS das Bündnis verlassen, obwohl darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen scheint. Obgleich der ED-Teil der Fraktion in der zurückliegenden Wahlperiode mit 34 Mandaten zu Buche schlug, scheint die EVP-Mehrheit im künftigen Parlament durch diese Änderung nicht gefährdet. Gleichwohl wird der Schritt der britischen Konservativen bedauert, weil abgesehen von den Meinungsunterschieden bei konstitutionellen Fragen die Zusammenarbeit bei den Sachthemen sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt hatte.

Welchen Gewinn die Konservativen aus der Trennung ziehen, ist ungewiss. Auf nationaler Ebene musste der Vorsitzende sein Versprechen einhalten, um die Reihen geschlossen zu halten. Legt man Meinungsumfragen zu Grunde, wird sich dies aber nicht positiv auf die Europawahl auswirken; nur 27 Prozent wollen bei der Europawahl für die Konservativen stimmen, während bei einer nationalen Wahl sich vierzig Prozent für sie entscheiden würden.

Auf europäischer Ebene werden sie nicht mehr davon profitieren der größten Fraktion anzugehören und damit besseren Zugriff auf Posten (in der 6. Wahlperiode 1 Ausschussvorsitz, 3 Stellvertretende Posten, mehrere interessante Berichterstatter) und Ressourcen zu haben. Die Intention ist, eine eigene Fraktion zu bilden. Dazu bedarf es laut der Geschäftsordnung des europäischen Parlaments mindestens 25 Abgeordneter, die aus sieben Mitgliedstaaten kommen müssen. Entsprechend zeigte sich die britische Gruppe bemüht, Verbündete für eine Gruppe zu gewinnen. Neben der ODS kommen dabei offenbar auch die polnische nationalkonservative Partei PiS sowie eine Reihe rechtspopulistischer Parteien aus dem Baltikum, Dänemark und Bulgarien in Betracht. Unter dieser Voraussetzung geben die Umfragen der von den Tories angeführten Gruppe der Europäischen Konservativen 62 Sitze.

Wo die anderen Europaskeptiker- bzw. Gegner bleiben, ist unklar. Die Presse hat viel Aufmerksamkeit der neu gegründeten Partei Libertas gewidmet. Ihr Vorsitzender Declan Ganley hatte die Kampagne der Lissabon-Gegner in Irland angeführt. Sein Versuch aber, Libertas auch in anderen EU-Ländern zu verankern, ist nur zum Teil geglückt und gerade in den neuen Mitgliedsländern, auf deren Stimmen er besonders gesetzt hatte, ist die Resonanz bislang deutlich unter den Erwartungen geblieben. Sein Ziel, 70 Mandate zu erringen, dürfte er somit weit verfehlen. Wo die Abgeordneten am Ende landen ist unklar; es gibt sogar Stimmen aus dem Lager der ED, dass man doch zusammengehen könnte. Generell deuten die Umfragedaten darauf hin, dass die explizit euroskeptischen Parteien anders als von vielen vermutet, keinen größeren Zulauf als bisher erlangen.

Auch wenn gemessen an nationalen Verhältnissen die Bildung wie Zusammensetzung der Fraktionen noch relativ fluide erscheinen und die Fraktionsdisziplin im Vergleich zu nationalen Parlamenten anarchisch anmutet, so zeigen jüngere Studien doch, dass das Parlament immer weniger eine Summe nationaler Delegationen und immer mehr ein Parlament mit zusammenhängenden politischen Gruppierungen ist. So stimmen in mehr als 80% der Fälle die politischen Gruppierungen geschlossen ab. Gleichwohl sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht nur nationale Unterschiede, sondern auch eine große Bandbreite der politischen Strömungen innerhalb einer Gruppe bestehen. Der Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf ist enorm und stellt hohe Anforderungen an die jeweilige Fraktionsführung.

Auch die Koalitionsnotwendig- und -fähigkeit stellt sich anders dar als auf nationaler Ebene. Zumindest in der Vergangenheit war keine Gruppe groß genug, um die in vielen Fragen erforderliche absolute Mehrheit (im neuen Parlament 369 Stimmen) allein zu stellen. In der Regel haben sich in diesen Fällen die beiden größten Fraktionen EVP und SPE verständigt, so dass häufig von einer großen Koalition gesprochen wurde. Aus nationaler Perspektive war diese Zusammenarbeit nicht immer verständlich, doch spielen nicht nur die zahlenmäßige Stärke, sondern auch Kriterien wie Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit bei der Einhaltung der Absprachen eine wichtige Rolle.

Interessant ist dabei, dass statistisch gesehen in der vergangenen Legislaturperiode zum ersten Mal die liberale Gruppe ALDE häufiger mit der EVPED als mit den Sozialisten gestimmt hat. Gleichzeitig stimmte die EVP häufiger mit den Liberalen (78% der Fälle) als mit den Sozialisten (68% der Abstimmungen). Daraus eine stärkere Rechts-Links-Dynamik im Parlament abzuleiten, wäre allerdings überinterpretiert. Subjektiv dürften die meisten Abgeordneten das ohnehin anders empfinden. Vielmehr ist ein Zusammenrücken der drei klassisch proeuropäischen Fraktionen (Liberale, Sozialisten, EVP) zu bemerken und ein Abdriften der Ränder von der proeuropäischen Mitte weg.

Festzuhalten bleibt, dass die Stärke einer Fraktion wichtig ist, wenn es um die Verteilung von Ämtern und Posten geht. Die Bildung von Mehrheiten in Sachfragen bleibt aber eine immer neue Herausforderung für den zuständigen Berichterstatter und der Fraktionsführung.

Befürchtungen um die Kohäsions- und Handlungsfähigkeit des Parlaments hatte es auch nach der Erweiterung gegeben. Allerdings erwiesen sich diese als weitgehend unbegründet, denn die Delegationen versuchten in der Regel sich schnell in die existierenden Fraktionen zu integrieren. Allerdings waren die 12 neuen Mitgliedsstaaten bei der Besetzung von Schlüsselfunktionen noch unterrepräsentiert (so nahmen sie nur vier Ausschussvorsitze war). Die Aufnahme der neuen Delegationen hatte statistisch auch nicht zu einer verstärkten Personalfluktuation geführt, wenngleich die Tatsache, dass im Laufe der Legislaturperiode fast ein Fünftel der Abgeordneten (17%) ausgeschieden ist, doch bemerkenswert bleibt. Positiv könnte man dabei vermerken, dass bei einigen die Rückkehr in die nationale Politik mit der Übernahme hoher Regierungsämter verbunden war; in einem Falle wechselte der Mandatsträger in das Kollegium der Europäischen Kommission.

Mit der Wahl im Juni werden viele neue Gesichter im Straßburger Parlament erscheinen. Mehr als ein Drittel der heutigen EVP-Abgeordneten wird nicht mehr in das Parlament zurückkehren; ähnlich hoch ist die Zahl bei den Sozialisten. Auch langjährige Fahrensleute verlassen die Bühne in Straßburg bzw. Brüssel. Von den wenigen, die seit der ersten Direktwahl dem Parlament angehörten, wie Klaus Hänsch (SPE), Karl von Wogau, Ingo Friedrich (EVP) oder Francis Wurtz (Vereinigte Linke), steht nur noch der derzeitige Parlamentspräsident und Spitzenkandidat der CDU, Hans-Gert Pöttering zur Wiederwahl.

Pöttering wird auch – aufgrund geänderter Geschäftsordnung, die vermeiden soll, dass Jean- Marie Le Pen als Alterspräsident agiert – die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments am 14. Juli 2009 leiten. Bis zu diesem Zeitpunkt müssen sich die Fraktionen konstituiert haben, ihre Vorsitzenden und Stellvertreter gewählt, die Kandidaten für das Präsidium des Parlaments einschließlich der Quästoren und die Kandidaten für die Ausschussvorsitze nominiert und ihre interne Aufgabenverteilung geregelt haben. Die Stärke der Fraktion ist Bezugsgröße für die Anzahl der Posten in Parlamentsführung wie auch für den ersten Anspruch auf Durchsetzung des Parlamentspräsidenten und, wenn auch rechtlich nicht bindend, die Nominierung des Kommissionspräsidenten.

Zunächst einmal werden die „alten“ Fraktionen noch einmal zusammenkommen; die EVP am 17. Juni um den „Koalitionsvertrag“ mit dem ED-Teil formell aufzukündigen. Am 23. Juni soll dann die Wahl des Fraktionsvorsitzenden erfolgen. Was die Fraktionsvorsitzenden der größten Parteien betrifft, so werden sich die bisherigen Spitzen, der Franzose Josef Daul (EVP) und der deutsche Martin Schulz (SPE) wieder zur Wahl stellen und wohl auch bestätigt werden. Auch Graham Watson sollte als Vorsitzender der Liberalen weiter agieren können. Die Grünen hatten bislang eine Doppelspitze mit dem Cohn Bendit (auf Liste der deutschen Grünen) und der Italienerin Frassoni. Es ist davon auszugehen dass beide - Cohn-Bendit, diesmal über die französische Liste – dieses Amt wieder anstreben und es bei den Grünen erneut eine Doppelspitze geben wird. Nach dem Ausscheiden von Wurtz müssen die Kommunisten einen neuen Führer finden, die Wahl ist noch nicht endgültig getroffen und wird wohl von den Wahlergebnissen abhängen.

Der erste große Test für den Zusammenhalt der Fraktionen und die Bereitschaft zur Kooperation miteinander wird die Wahl des Parlamentspräsidenten sein. Dieses Amt hat nicht nur ein hohes Prestige. Es hat in den letzten Jahren auch zunehmend an politischem Gewicht gewonnen. Insbesondere der scheidende Präsident Pöttering hat nicht nur interne Reformen zur größeren Effizienz und besseren Sichtbarkeit des Parlamentes angestoßen, den internationalen Dialog und damit das internationale Ansehen gefördert. Er hat auch die Beteilung des Präsidenten an den Beratungen der Staats- und Regierungschef bei speziellen Fragen durchgesetzt. Es ist eine lange Tradition, dass sich in der Regel die beiden größten Fraktionen – der Liberale Pat Cox war eine der wenigen Ausnahmen - das Amt des Präsidenten teilen und er in der Mitte der Legislaturperiode wechselt, wie übrigens auch alle anderen Führungsämter dann neu zur Wahl stehen. Während für die Sozialisten Fraktionschef Schulz als Kandidat für die zweite Hälfte gehandelt wird, melden bei der EVP zwei Abgeordnete Anspruch auf das Amt an. Lange schien es so, als sei der frühere polnische Ministerpräsident Jerzy Buzek ohne Konkurrenz, nicht zuletzt weil damit ein Vertreter der neuen Mitgliedsstaaten ins Amt kommt. Der ruhige, integrierend wirkende Buzek hat sich in der zurückliegenden Legislaturperiode einen Namen im Forschungsausschuss gemacht. Doch dann meldete Silvio Berlusconi den italienischen Abgeordneten Antonio Mauro als Anwärter auf das Amt an. Der Literaturwissenschaftler und Philosoph Mauro, seit 1999 im Parlament, hat sich insbesondere im interkulturellen Dialog engagiert. Wie der Wettbewerb ausgehen wird, ist offen, auch wenn eine gewisse Präferenz zugunsten von Buzek festzumachen ist.

Noch schwerer vorauszusagen ist, wen die Fraktionen als Kandidaten für die 14 Vizepräsidenten und sechs Quästoren benennen werden. Gleiches gilt für die Ausschussvorsitzenden und ihre Stellvertreter. Sie werden nach einem komplizierten Punktesystem zwischen den Fraktionen und unter den nationalen Delegationen verteilt.

Nachdem das Europaparlament 2004 die Zahl der ständigen Ausschüsse von 17 auf 20 erhöht hat, soll sie in der 7.Wahlperiode zunächst konstant bleiben. Damit bleiben sowohl die Ausschüsse für Handel, regionale Entwicklung, Verkehr und Fremdenverkehr, als auch die Unterausschüsse des auswärtigen Ausschusses (Sicherheit und Verteidigung sowie Menschrechte) weiterhin bestehen. Auch

die Zuständigkeiten haben sich bis auf eine Modifikation im Vergleich zu 2004 nicht geändert: Die Zusammenarbeit in zivilrechtlichen Fragen untersteht nun nicht mehr dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, sondern obliegt nun dem Rechtsausschuss. All diese Posten gehören zur großen Verhandlungsmasse innerhalb und zwischen den Fraktionen. Zum Ende der vergangenen Legislaturperiode hatte die EVP als mit Abstand stärkste Fraktion 9 der 22 Ausschussvorsitze inne, die PES 7, die Liberalen drei, Grüne, Europäische Linke und die Europa der Nationen-Gruppe einen. Die neue Verteilung kann erst dann festgelegt werden, wenn die Sitzverteilung feststeht.

Nach der Wahl des Parlamentspräsidenten soll das Parlament am 15. Juli über den Kommissionspräsidenten abstimmen. Mit dieser Entscheidung wird die zweite spannende Phase eingeleitet. Dabei geht es einmal um die Person, zum anderen aber auch um das Verfahren.

Nach geltendem Recht bedürfen der Kommissionspräsident wie die Mitglieder der Kommission der Zustimmung des Parlaments. Im Vorgriff auf den Lissabon- Vertrag, der die Wahl der Kommissionspräsidenten durch die Mehrheit des Parlamentes vorsieht, hatte sich bereits 2004 die Forderung durchgesetzt, dass der Kommissionspräsident der politischen Familie angehören soll, die die stärkste Fraktion stellt. Benannt wird der Präsident vom Europäischen Rat.

Die Europäische Volkspartei hat über die ihr zugehörigen Staats- und Regierungschefs schon früh verlauten lassen, dass ihr Kandidat der bisherige Amtsinhaber Jose Manuel Barroso ist, auch wenn es einiges Grummeln in der Fraktion und sporadisch öffentlich geäußerte Zweifel gab. Mittlerweile haben auch einige sozialistische Regierungschefs wie der Brite Gordon Brown, der Spanier Jose Louis Rodriguez Zapatero und der Portugiese Jose Sokrates ihre Zustimmung zu Barroso signalisiert.

Die anderen Parteien sind dadurch in Zugzwang geraten. Es ist ihnen nicht gelungen, einen Kandidaten zu benennen. Insbesondere Sozialisten und Grüne stellen deshalb ihre Zustimmung in Frage. Während der Vorsitzende der SPE den bisherigen Amtsinhaber scharf angreift, verfährt der Fraktionsvorsitzende doppelgleisig, mit dem Ziel, seine Unterstützung so teuer wie möglich zu erkaufen. Die Liberalen sind in der Frage anscheinend noch unentschieden. Einige Parteien, wie die französische MoDem bringen Namen wie die des ehemaligen belgischen Premiers Verhofstadt ins Spiel, der als Spitzenkandidat für das Parlament und wie Buchautor entsprechende Ambitionen keineswegs kaschiert.

Die „Wiederwahl“ des Amtsinhabers, die mit der absoluten Mehrheit der Stimmen erfolgen muss, ist also noch keineswegs in ganz trocknen Tüchern.

Auch der Zeitplan und das Verfahren der Bestellung der neuen Kommission sind noch mit Unsicherheiten behaftet. Eine Planung auf Grundlage des geltenden Nizza-Vertrags sieht vor, dass sich die Staats- und Regierungschef auf ihrem Gipfel vom 18./19. Juni auf einen Kandidaten verständigen und dieser dann am 15. Juli auf der ersten Plenarsitzung in Straßburg die Zustimmung des Parlaments erhält. Danach machen die Mitgliedstaaten dem Präsidenten gegenüber ihre Vorschläge für die weiteren Mitglieder der Kommission. Nach Anhörungsverfahren und Bestätigung durch das Parlament könnte die neue Kommission dann ihr Amt am 1. November 2009 antreten. In eine Kommission nach dem Nizza-Vertrag werden nicht mehr alle Mitgliedsstaaten einen Vertreter entsenden können. Diese schwierige Klippe hoffen die Staats- und Regierungschefs zu umschiffen, in dem sie auf das Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags setzen. Er würde eine Kommission erlauben, in der wieder alle Mitgliedsstaaten vertreten sind. Da der Vertrag noch nicht von allen Staaten vollständig ratifiziert ist und da das erwartete zweite Referendum in Irland frühestens im Oktober stattfinden wird, ist mit der neuen Kommission nicht vor Ende des Jahres zu rechnen. Obwohl politisch viel für dieses Vorgehen zu sprechen scheint, ist es selbst unter der positiven Annahme, dass das Ratifizierungsverfahren rasch abgeschlossen werden kann, nicht unproblematisch. Eine Verlängerung der Amtszeit der aktuellen Kommission wird von den juristischen Diensten der Brüsseler Institutionen sehr kritisch beurteilt, und nur, wenn überhaupt, für eine sehr kurze Zeitspanne als rechtlich vertretbar bewertet. Auch politisch ist es zumindest unschön, dass das Parlament auf der Basis des Nizza Vertrages gewählt, die Kommission aber nach einem anderen Verfahren bestimmt wird. Einige Länder können nach geltendem Recht weit weniger Abgeordnete nach Straßburg entsenden als unter dem Lissabon Vertrag, der die Obergrenze der Mandate auf 750 plus 1 festlegt. Mit Inkrafttreten des Lissabon- Vertrags würde die Zahl der Abgeordneten dann aufgestockt werden. Da die deutsche Delegation aber nicht auf die 96 Vertreter reduziert werden kann, würde das Parlament dann 754 Sitze haben. Zwischenzeitlich sollen deshalb 18 Abgeordnete als Beobachter ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilnehmen können.

Ungeachtet dieser temporären Schönheitsfehler bleibt festzuhalten, dass Europäische Parlament nach dieser Wahl so stark und einflussreich sein wird wie noch nie in seiner Geschichte. Es hat unter der Amtszeit des scheidenden Präsidenten Pöttering eine Reihe von Reformen in die Wege geleitet, die seine Sichtbarkeit durch größere Effizienz und spannendere Plenarsitzungen erhöhen und seine Stellung im Beziehungsgeflecht zwischen Rat und Kommission stärken sollen. Die Rolle der Abgeordneten wird transparenter. Der Dialog mit den nationalen Parlamenten, insbesondere auf Ausschussebene intensiver. Mit Inkrafttreten des Lissabon- Vertrags wird das Parlament zusätzliche Kompetenzen erhalten und in fast allen Bereichen zum gleichberechtigten Gesetzgeber neben dem Rat werden. Darüber hinaus werden seine Mitspracherechte in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Recht wie auch bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

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