Wie sehen Sie ChatGPT aus ökonomischer Perspektive?
Für OpenAI ist das aktuell ein Verlustgeschäft. Bei neuen Technologieunternehmen, die sich über Wagniskapital finanzieren, sehen wir das häufig: Die Profitabilität ist erst einmal nachrangig. Es geht darum, Marktmacht aufzubauen, einen Kundenstamm und Popularität. Man wird sehen, wann OpenAI profitabel wird – aktuell sind die Kosten sehr hoch. Das sehen wir häufig bei Startups, auch Google und Amazon waren in den frühen Jahren nicht profitabel. Es ist ganz üblich, dass man erstmal schnell wächst und einen Service kostenlos oder nahezu kostenlos anbietet. Da muss man immer Wachstum und Profitabilität abwägen. Wenn man von Anfang an hätte profitabel sein wollen, dann wäre das Ding nie so schnell gewachsen, wie es jetzt gewachsen ist. Auf der anderen Seite tun die Unternehmen natürlich ihr Möglichstes, um die Kosten zu senken. So heißt es beispielsweise: Die Qualität von ChatGPT habe nachgelassen, weil im Hintergrund auf kleinere Modelle umgestellt worden sei, die kostengünstiger sind.
Nimmt diese Finanzierung direkt Einfluss auf die Technik?
Microsoft hat natürlich viel in OpenAI investiert und hat nun auch Wünsche. Beispielsweise geht es um die Integration in die Microsoft-Welt, sodass ChatGPT im Hintergrund bei Copilot läuft, und um eine enge Anbindung an die Azure-Cloud.
Welche zukünftigen Entwicklungen erwarten Sie auf dem Markt?
Ich glaube, es wird nicht den einen Gewinner am Ende geben, denn es gibt völlig unterschiedliche Anwendungsfälle. ChatGPT ist ein bisschen wie ein Schweizer Taschenmesser, das man für sehr Vieles verwenden kann. Und es gibt natürlich auch viele kleinere Spezialmodelle, die beispielsweise auf dem Smartphone oder auf irgendeiner Maschine in der Werkshalle laufen. Ich denke, es wird nicht den einen Ansatz geben, der gewinnt, sondern das Ganze diversifiziert sich. OpenAI ist ja nur einer von vielen Anbietern und ChatGPT ist nur eines von vielen KI-Systemen.
Sehen Sie da einen Wettbewerb?
Absolut, es gibt ja auch viele Open-Source-Modelle. Dank einer Vielzahl von Online-Lernangeboten ist das Wissen heute demokratisiert. Es gibt auch viele Unternehmen, die Open-Source-Modelle für sich anpassen, um eine Nische zu bedienen. Denn natürlich ist das Feld der Künstlichen Intelligenz noch viel, viel größer als die großen Sprachmodelle. Wir haben jetzt immer so ein bisschen den Eindruck, man bräuchte immer riesige Rechenkapazitäten für KI, aber das ist nicht bei allen Verfahren so.
Die großen Sprachmodelle sind nur ein kleiner Teil der KI-Welt. Es gibt eine Vielzahl von Verfahren, die auf dem Smartphone oder dem Taschenrechner laufen können. Da brauche ich keine großen Grafikprozessoren. Und die kleineren Sprachmodelle haben auch große Vorteile, etwa beim Datenschutz.
Wo steht hier Deutschland und Europa?
Als KI-Ausschuss des International Finance Forums haben wir einmal einen Wettbewerbsfähigkeitsbericht geschrieben, und vieles ist hier gar nicht so schlecht, wie wir immer sagen. In der Forschung und Entwicklung, aber auch beim Humankapital, haben wir Platz fünf beziehungsweise sechs. Aber es kann natürlich alles besser laufen, keine Frage. Der AI-Act ist in dieser Wettbewerbssituation etwa keine Hilfe.
Eines der größten Probleme, das wir in Europa haben, ist jedoch, dass die Startups in der Europäischen Union keine gute Finanzierung bekommen. Sie erhalten mal ein paar Euro hier und da, für größere Millionenbeträge müssen diese Unternehmen jedoch meist aus Deutschland oder der EU abwandern. Und dabei haben wir eigentlich sehr viel Geld in Deutschland – so sitzen die Versicherer auf großen Summen, die mit einer anderen Regulierung zu einem gewissen Anteil in Startups investiert werden dürften.
Ein weiteres Problem sind die Energiepreise. Das Betreiben eines Rechenzentrums ist hier viel teurer als in den Vereinigten Staaten. Hier muss die Energieinfrastruktur verbessert und die Energiepreise gesenkt werden.
Und wie kann KI die Wirtschaft verändern?
Wir haben diesen riesigen Fachkräftemangel und eine Überalterung der Gesellschaft.
Wenn wir das mit KI richtig anstellen, dann wird uns das helfen, nicht nur den Wohlstand zu erhalten, sondern auch weiter zu steigern.
Überall entscheiden Menschen, und mit KI können sie schneller, besser und kostengünstiger entscheiden.
Dr. Patrick Glauner ist Professor für Künstliche Intelligenz an der TH Deggendorf und Gründer von skyrocket.ai: Er berät internationale Parlamente und Politiker als KI-Experte und ist Sprecher auf globalen Foren wie Davos. Seine akademische Laufbahn umfasst Stationen bei CERN, dem Imperial College London und der Universität Luxemburg.
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