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Zukunft der Christdemokratie

Christdemokratie als maßgebliche politische Strömung der Moderne

Christdemokratische Parteien sehen sich aktuell großen Herausforderungen gegenüber. Über die Zukunftsperspektiven für moderne christdemokratische Parteien diskutierte Dr. Viola Neu am 18. September u.a. mit Prof. Dr. Mario Voigt, Ministerpräsident des Freistaats Thüringen, Staatssekretärin Dr. Petra Bahr und Prof. Dr. Stathis Kalyvas.

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Dr. Mark Speich, Generalsekretär der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), setzte in seinen Begrüßungsworten einen Fokus auf die Frage, welchen Beitrag die Christdemokratie heute, da sich die freiheitliche Ordnung sowohl von außen als auch von innen mit zunehmenden Problemlagen konfrontiert sieht, für die Stabilität derselbigen leisten kann. Laut Dr. Speich litten die Parteien der Christdemokratie in Europa unter Schwindsucht, während geopolitische Fragestellungen sowie die Anzweiflung der „Leistungs- und Anpassungsfähigkeit des Staates“ an Bedeutung gewönnen.

Gerade der Ministerpräsident Thüringens, Prof. Dr. Mario Voigt, für den die aktuellen Gefährdungen der Demokratie im Spezifischen greifbar sind, was z.B. die Mehrheitsfindung als Minderheitsregierung sowie den Umgang mit einer als gesichert rechtsextremen AfD unter Björn Höcke angeht, betonte aber die Bedeutung von Zuversicht und Mut, „wie es sich für einen Christdemokraten gehört“.

Die politische Lage in seinem Bundesland legte Ministerpräsident Voigt allerdings anders dar, als es zu vermuten gewesen war. Es handele sich schließlich nur um eine „de-facto Minderheit“, da für ein Blockieren der politischen Prozesse eine Zusammenarbeit von AfD und Linkspartei erforderlich sei. Dies machte er am just verabschiedeten Doppelhaushalt Thüringens sowie der Kooperation mit Katja Wolf vom BSW deutlich, da „die Fragilität der Mehrheitsfindung zentrale Aufgabe der Christdemokratie ist“.

Es ist ein Kerninteresse, sich für die demokratische Verfasstheit und liberale Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Als grundlegenden Unterschied zwischen der CDU und der AfD identifizierte Voigt „den positiven Grundsound“ in Bezug auf die zukünftige Entwicklung Deutschlands. Dieser lasse sich in seinen „sechs unaufgeregten Prioritäten“ ablesen, wozu u.a. das wirtschaftliche Wachstum, ein funktionierender Staat, aber auch das Lebensgefühl vor Ort zählt.

Dr. Petra Bahr, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, legte eine Emphase auf die „Identitätspolitik“, die sie auch in dem von ihr so bezeichneten, „Kulturkampfministerium“ erlebe, da die Christdemokratie das Einende und Gemeinsame zu suchen bereit ist, statt sich in „immer kleiner werdende granuläre Gruppen“ aufzuteilen. Ein Verlust religiöser Bindung destabilisiere die Demokratie, weshalb es einer Übersetzung der christlichen Werte ins Politische bedürfe. Im Spannungsfeld von Kirche und Staat, der zunehmend entkirchlicht und säkularisiert sei, wurde darauf verwiesen, dass die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wie dem Christentum Resilienz fördere, da die Geschichten der Bibel nun mal nicht von der „Truppe der Glücklichen“ handelten. Für Dr. Bahr müssen Menschen im Sinne der Chancengerechtigkeit von ihren Potenzialen aus gesehen werden, weshalb der Stellenwert von Bildung nicht hoch genug eingeschätzt werden könne.

Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die für Europa und insbesondere Deutschland zentrale Fragen aufwerfen, formulierte Stathis Kalyvas, Gladstone Professor of Government an der Oxford University, die These, dass sich der Politikstil verändern würde. Es sei weniger Raum für technokratische Elemente, da die politischen Kräfte sich zukünftig nicht mit Fragen des Haushalts befassen könnten, sondern „existenzielle Fragen“ beantworten müssten, was „emotionale Intelligenz“ erfordere. Es erfordere Mut, so Ministerpräsident Voigt, die großen Fragen zu beantworten, statt sich in Details zu verlieren, während Menschen wegen der schieren Geschwindigkeit des Wandels verständlicherweise auf der Suche nach „Sicherheit, Heimat und Zugehörigkeit“ seien. Dass das Erbe der CDU ein Zusammenschluss eines breiten Wertekanons von liberal zu sozial sei, wie es Dr. Petra Bahr darstellte, biete die Chance, das Ziel des Ministerpräsidenten unterschiedliche einzelne Aspekte einer Gesellschaft zu einem Geeinten zusammenwachsen zu lassen, zu erreichen.

Die CDU/CSU ist aktuell eine der einzigen christdemokratischen Parteien, die Stand heute, noch keine Zusammenarbeit mit rechtspopulistischen, -nationalistischen oder -extremistischen Parteien eingegangen ist. Den wissenschaftlichen Forschungsstand zur Fragestellung, ob die CDU/CSU mit der AfD kooperieren soll, wie es zwischen Parteien der EVP-Familie mit anderen rechtspopulistischen Parteien Europas schon geschehen ist, legte Prof. Dr. Kalyvas so dar, dass die Wählerschaft stets das Original wähle, wenn andere Parteien versuchen, diese zu imitieren. Diese Sicht stützte der thüringische Ministerpräsident, indem er auf das Ende der Weimarer Republik rekurrierte, die daran scheiterte, dass Demokraten über die Reform der Arbeitslosenversicherung zerstritten waren.

Auch mit Blick auf den „Herbst der Reformen“ brauche es daher eine zunehmende Kooperationsbereitschaft demokratischer Parteien. Geschichtlich sei es, so Voigt weiter, die Stärke der Christdemokratie gewesen, komplexe Sachverhalte so zu reduzieren, und Leitsterne, wie die europäische Integration, in den Fokus zu stellen. Zudem sollte man sich, so der Ministerpräsident, die Frage stellen, für wen man eigentlich Politik macht.

In seiner Schlussbemerkung griff Prof. Dr. Udo Zolleis, Leiter des Referats Strategie der EVP, auf, dass „die Partei mehr ist als ein Karrierezirkel“. Neben den zentralen Pfeilern der Strategiefähigkeit, der Integrationskraft wie dem Bewusstsein für Identität und Innovationsvermögen sollte dies leitend für die Christdemokratie sein. Mit Optimismus verwies er darauf, dass die Christdemokratie in Deutschland entstanden sei, als die Zeiten noch härter und komplexer als heute gewesen seien. Aus diesem Grund ließen sich auch aktuelle Herausforderungen lösen. Schließlich räumten die christlichen Werte und die Tendenz zur Selbstlosigkeit der Christdemokratie auch in der aktuellen Lage eine Sonderstellung ein, so die Aussage von Prof. Dr. Kalyvas.

 

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