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Casa Rosada, Verónica Ruiz y Juan Cruz Corrado/GCBA

Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing Dezember 2021/ Januar 2022

von Olaf Jacob, Inga von der Stein
Einigung Argentiniens mit Internationalem Währungsfonds | Omikron-Variante in Argentinien angekommen | Vorsitz in UN-Menschenrechtsrat und Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten | Ausblick für das Jahr 2022

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Buenos Aires-Briefing Dezember 2021 und Januar 2022

gesprochen von Inga von der Stein

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Argentinien einigt sich mit Internationalem Währungsfonds

Es blieb spannend bis zum letzten Tag. Monatelang verhandelte Wirtschaftsminister Martín Guzmán mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein neues Programm zur Tilgung der Schulden Argentiniens. Konkret ging es um die Rückzahlung des Kredits von 57 Milliarden US-Dollar, welches der IWF 2018 der wirtschaftsliberalen Regierung unter Mauricio Macri gewährte. Von dem historischen Rekordkredit wurden 44 Milliarden US-Dollar ausgezahlt und müssen dementsprechend auch zurückgezahlt werden, inklusive Zinsen. Im ursprünglichen Zeitplan sollte die Rückzahlung bis 2024 abgeschlossen sein. Die liquiden Reserven Argentiniens werden allerdings als niedrig eingeschätzt. Auf dem parallelen Devisenmarkt ist der Peso weniger als die Hälfte des offiziellen Kurses wert (Stand 30.01.2022). Die jährliche Inflation liegt bei über 50 Prozent.

Der 28. Januar 2022 galt als Stichtag, da an diesem die erste Rate der Rückzahlung in diesem Jahr fällig wurde. Am Morgen herrschte noch Ratlosigkeit, gegen Mittag veröffentlichte die Regierung eine aufgenommene Videobotschaft des Präsidenten Alberto Fernández. In dieser kündigte der Präsident an, dass eine Einigung mit dem IWF erzielt worden sei. Diese stelle „keine Bedingungen“ und Argentinien sei „in der Lage, [seine] Souveränität auszuüben“. Das neue Abkommen sieht eine Laufzeit von zweieinhalb Jahren vor. Die argentinische Regierung willigt ein, bis 2024 das Haushaltsdefizit auf 0,9 Prozent zu verringern. 2021 lag das Defizit bei drei Prozent. Im Gegenzug verlängert der IWF die Laufzeit für die Rückzahlung der Schulden auf zehn Jahre bis auf 2032. Auf Auflagen wie etwa die Forderung nach einer Kürzung der Sozialausgaben verzichtete der IWF.

Das Programm ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern: Einerseits muss das Abkommen vom Exekutivkomitee des IWF und andererseits dem argentinischen Kongress gebilligt werden. Bei den Parlamentswahlen im November 2021 verlor die Regierungspartei die absolute Mehrheit im Kongress und ist daher seitdem auf Stimmen aus der Opposition und unabhängigen Abgeordneten angewiesen (wir berichteten). Im Dezember 2021 lehnte die Opposition überraschend den Haushaltsplan für 2022 ab. Oppositionspolitiker der KAS-Partnerpartei Propuesta Republicana (PRO) zeigten sich nach der Bekanntgabe des neuen Programms jedoch verhalten positiv. Die Zahlungsunfähigkeit Argentiniens kann nicht im Interesse der Opposition liegen. Zuletzt hatte der IWF in einem Bericht den ehemaligen Präsidenten Mauricio Macri (PRO) mitverantwortlich dafür gemacht, dass der Rekordkredit seine Ziele nicht erreicht hätte. Kapitalflucht sowie das Vertrauen in Argentinien hatte Mauricio Macri nicht wiederherstellen können.

Gefährlich für die Bewilligung des Plans im Kongress könnte die Spaltung innerhalb der Regierungsallianz werden: Máximo Kirchner trat aus Ablehnung gegen das neue Programm vom Vorsitz der Fraktion „Frente de Todos“ im Parlament zurück. Er gehört dem extrem linken Lager an. Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner äußerte sich bisher nicht. Was für eine Wirkung dieses politische Manöver entfaltet, muss sich noch zeigen. Die Mehrheit der Argentinier ist allerdings nicht gewillt, es auf eine Auseinandersetzung mit dem IWF ankommen zu lassen.

Eine weitere positive wirtschaftliche Nachricht für Argentinien war folgende: Der IWF hat seine Wachstumsprognose für Argentinien auf drei Prozent im Jahr 2022 angehoben. Damit liegt die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas über der Durchschnittsprognose für die Region Lateinamerika und der Karibik. Für die Gesamtregion sagt der IWF ein Wachstum von 2,8 Prozent voraus.

 

Omikron ist in Argentinien angekommen

Die Omikron-Variante des Coronavirus erreichte auch Argentinien. Ende Dezember 2021 ging die Anzahl von Corona-Infektionen sprunghaft nach oben. Seit Anfang Januar überschreiten die Neuinfektionen die 100.000-Fälle Marke pro Tag. Vor den Testzentren bildeten sich teils stundenlang dauernde Warteschlangen. Die hohe Zahl von Neuinfektionen löste bisher allerdings keinen dramatischen Anstieg der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle aus. Dies führt die Regierung auf den hohen Prozentsatz der Geimpften zurück. Mittlerweile erhielten bereits über 76 Prozent der Bevölkerung beide Impfungen, über 27 Prozent wurde bereits aufgefrischt (Stand 30.01.2022). Die Impfdebatte hat aus diesem Grund bisher wenig Fahrt aufgenommen. Mittlerweile sinkt die Zahl der Neuinfektionen wieder.

 

Argentinien erhält Vorsitz in UN-Menschenrechtsrat und Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC)

Im Dezember 2021 wurde Argentinien zum Vorsitzenden des UN-Menschenrechtsrats 2022 gewählt. Damit wird das Land in diesem Jahr eine Schlüsselrolle bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte weltweit spielen. Die Bilanz im Feld der Menschenrechte ist allerdings umstritten: Die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch kritisierte etwa, dass die argentinische Außenpolitik in Menschenrechtsfragen "inkonsistent" sei.  Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Haltung zu den autoritären Regimen in Venezuela und Nicaragua. Innenpolitisch prangerte die Organisation von der Regierung vorgeschlagene Gesetzesreformen für das Justizsystem an, die ein Risiko für die juristische Unabhängigkeit darstellten. Ein weiterer Kritikpunkt ist der Verstoß grundlegender Menschenrechte in der Provinz Formosa im Frühjahr 2020.

Argentinien erhielt ebenfalls den Vorsitz pro tempore der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) bei einem Gipfeltreffen Anfang des Jahres. Der CELAC gehören 33 lateinamerikanische Staaten an. Brasilien hat 2020 seine Mitgliedschaft ausgesetzt. Zu dem Gipfel in Buenos Aires waren auch die Außenminister der nicht-demokratischen Staaten Kuba, Nicaragua und Venezuela eingeladen. Zuletzt war die Entscheidung über den Vorsitz im September 2021 bei dem letzten Gipfeltreffen in Mexiko vertagt worden.

Der Gestaltungsspielraum, den Argentinien durch den Vorsitz der CELAC sowie des UN-Menschenrechtsrats in 2022 erhält, macht das südamerikanische Land international gefragt. Interessant wird der Besuch des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández in Russland und China im Rahmen der Olympischen Winterspiele. Die Besuche finden in einer Zeit statt, in welcher die internationale Lage sehr angespannt ist. Alberto Fernández vertritt nicht nur Argentinien, sondern ist auch Sprachrohr der CELAC. An dem Boykott der Olympischen Spiele wie etwa durch die USA beteiligt sich Argentinien nicht. Die Zusammenarbeit zwischen Argentinien und Russland hat sich während der Präsidentschaft von Alberto Fernández intensiviert. Nach Weißrussland war Argentinien das erste Land, welches die Vakzine Sputnik autorisiert hat. Argentinien hat sich in der Weltgesundheitsorganisation dafür eingesetzt, den russischen Impfstoff zuzulassen. Der Austausch mit dem Staatspräsidenten Chinas Xi Jinping fällt auf das 50. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Argentinien und der Volksrepublik. Im Dezember 2021 hatte der CELAC einen gemeinsamen Aktionsplan mit der Volksrepublik China für 2022-2024 unterzeichnet.  Dieser Plan sieht eine verstärkte Kooperation in sensiblen Bereichen wie Sicherheit und 5G-Mobilkommunikation vor. Repräsentanten der politischen Parteien Argentiniens nahmen außerdem virtuell am „III. China-CELAC-Forum der politischen Parteien“ teil. An dieser Initiative beteiligten sich führende Politiker und Vertreter aus Lateinamerika und der Karibik. Unter ihnen etwa der argentinische Verteidigungsminister Jorge Taiana.

Außenpolitisch hat Argentinien 2022 das Potenzial zu einem interessanten Spieler zu werden und könnte gar eine Führungsrolle in Lateinamerika einnehmen. Ein Spieler, der in der öffentlichen Aufmerksamkeit unter den Tisch fällt, ist die Europäische Union. Der virtuelle Gipfel zwischen der EU und sieben Staats- und Regierungschefs der lateinamerikanischen und karibischen Länder im Dezember 2021 blieb unter dem öffentlichen Radar. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell ließ Argentinien bei einem Lateinamerika Besuch im Oktober 2021 aus. Dass er neben dem spanischen einen argentinischen Pass hat, weiß in Argentinien kaum jemand.

 

Ausblick für 2022

› Regional: Argentinien übernimmt den Vorsitz der CELAC. Der 9. Amerikagipfel wird im Juni 2022 von den USA organisiert. Dieser bringt die Staats- und Regierungschefs der Länder, die in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Mitglied sind, zusammen.

› International: Argentinien übernimmt 2022 zum ersten Mal den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat.

Trivia: Der rechtsliberale Politiker Javier Milei verlost seinen monatlichen Abgeordnetengehalt per eigens organisierter Lotterie. Für den Januar wurde bereits einen Gewinner gefunden. An der Verlosung nahmen über 800.000 Personen teil.

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Olaf Jacob

Olaf Jacob

Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de +56 22 234 20 89
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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

Susanne Käss bild

Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

susanne.kaess@kas.de +54 11 4326-2552