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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing Februar 2021

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land. Die folgende Ausgabe fasst die wichtigsten Ereignisse des Monats Februar zusammen.

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Gesundheitsminister González García tritt infolge eines Impfskandals zurück

Der nationale Gesundheitsminister Ginés González García reichte am 19. Februar 2021, auf Geheiß von Präsident Alberto Fernández, seinen Rücktritt ein. Dies geschah unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass der Minister Politikern und ihm nahestehenden Personen in einem diskreten Büro im Gesundheitsministerium, dem so genannten „Vacunatorio VIP“, vorzeitig Zugang zur Verabreichung des Impfstoffs zur Bekämpfung des Coronavirus‘ verschafft hatte. Der Fall rückte im Rahmen eines Radiointerviews ins Rampenlicht, als einer seiner Freunde, nämlich der Journalist Horacio Verbitsky, in einer Radioausstrahlung erzählte, dass und wie ihm das russische Vakzin Sputnik V verabreicht worden war. Zwei Tage später wurde bekannt, dass auch der umstrittene Gewerkschaftsführer Hugo Moyano sich selbst und seine Familie gegen Covid-19 impfen ließ, obwohl der nationale Impfplan dem Gesundheits- und Sicherheitspersonal Vorrang gewährt. Ebenso ist dem 39-jährigen Wirtschaftsminister Martín Guzmán, seiner Ehefrau und politischen Beratern der Impfstoff bereits verabreicht worden. Aufgrund des öffentlichen Aufschreis veröffentlichte das Gesundheitsministerium inzwischen, auf Anordnung der neuvereidigten Ministerin Carla Vizzotti, eine Liste mit den Namen von 70 Personen, denen das Vakzin vorzeitig verabreicht worden war. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich größer.

Trotz der personellen Konsequenzen versuchte Präsident Fernández die Vorfälle kleinzureden. Er bezeichnete sie in öffentlichen Reden als „albern“ und „hinterlistig“. In seinen Augen handele es sich um kein Delikt. Vertreter der Hochschulgruppe „Franja Morada“ der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Buenos Aires (UBA), an der Präsident Fernández Strafrecht lehrt, widersprachen ihm umgehend in einem offenen Brief, den sie auf der Onlineplattform Instagram veröffentlichten. In ihren Augen seien Macht missbraucht und öffentliche Gelder veruntreut worden. Eine am 26. Februar veröffentlichte Resolution, die das Amtsblatt über die Impfstrategie ergänzt, rechtfertigt nun die Immunisierung des „strategischen Personals der Exekutiven“, unabhängig von ihrem Alter und Gesundheitszustand.

Die Opposition forderte nach dem Bekanntwerden des Skandals eine parlamentarische Stellungnahme des Kabinettchefs Santiago Cafieros und der amtierenden Gesundheitsministerin Carla Vizzotti. Weiterhin beantragte sie einen Rechenschaftsbericht des Gesundheitsministeriums über den aktuellen Verlauf der Impfkampagne. Darüber hinaus arbeiten die Oppositionsvertreter an einem Gesetzesentwurf für mehr Transparenz bei der Beschaffung, Anwendung und dem Zugang zur Covid-19-Immunisierung. Zudem stellten sie einen Eilantrag an die Aufsichtsbehörde AGN, welche die Erfüllung des gegenwärtigen Impfplans überprüfen soll. Zuletzt einigten sich die Vertreter der Opposition und Regierung auf die Schaffung einer parlamentarischen Beobachterkommission der Impfkampagne. Derweil implementierte Ministerin Vizzotti ein Instrument zur Echtzeitüberwachung derselben. Von den insgesamt drei Millionen Impfdosen sind bisher nur knapp eine Million verabreicht worden (Stand: 01.03.2021). Versprochen worden war die Durchführung von 20 Millionen Impfungen bis März.

Verurteilung des Kirchner-nahen Unternehmers Lázaro Báez

Der Unternehmer Lázaro Báez wurde am 24. Februar 2021 wegen Geldwäsche mit seiner Baufirma Austral Construcciones SA zu zwölf Jahren Haft und einer Geldstrafte verurteilt. Zwischen 2010 und 2013, während der Präsidentschaft von Néstor Kirchner (2003-2011) und dessen Frau Cristina Fernández de Kirchner (2011-2015), gewann sein Unternehmen Medienberichten zufolge 86 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen im Straßenbau in der gemeinsamen Heimatprovinz Santa Cruz. Insgesamt soll Báez 55 Millionen US-Dollar der erhaltenen Gelder veruntreut haben. Seine beteiligten Söhne Leandro und Martín erhielten fünf bzw. neun Jahre Gefängnis-, seine Töchter Melina und Luciana dreijährige Bewährungsstrafen. Der Journalist Jorge Lanata hatte das illegale Geschäft im Rahmen journalistischer Ermittlungen 2013 aufgedeckt. Daraufhin war der Unternehmer von der Antikorruptions- (OA) und Finanzkontrollbehörde (UIF) angezeigt worden. Im April 2016, während der Amtszeit von Präsident Mauricio Macri (PRO), nahm die Polizei Baéz aufgrund von Fluchtgefahr fest. Bis September 2020 befand er sich im Gefängnis Ezeiza in Untersuchungshaft, seither aus gesundheitlichen Gründen im Hausarrest. Auch Baéz‘ Buchhalter, Finanzberater, Bankier und Anwalt sowie involvierte Unternehmer und Bevollmächtigte wurden für schuldig befunden. Kirchner-nahe Politiker und Medien bezichtigen die Justiz der politischen Verfolgung und Diskriminierung. Vertreter des politischen Zentrums hingegen interpretieren das Urteil als ein Zeichen der erfolgreichen Korruptionsbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit.

Lázaro Báez ist nicht der erste Kirchner-Vertraute, der sich gegenüber der Justiz wegen Geldwäsche und Korruption verantworten musste. Auch der ehemalige Infrastrukturminister Julio de Vido und die ehemalige Abgeordnete Milagros Sala sitzen momentan Freiheitsstrafen ab. Baéz‘ Verfahren ist Teil der Ermittlungen in einem der größten Korruptionsskandale der argentinischen Geschichte, der den Beinamen „Route des K-Geldes“, in Anlehnung an den Nachnamen des Ehepaars Kirchners, trägt. Letzteren wird vorgeworfen ein komplexes Geldwäschenetzwerk aufgebaut zu haben, in das Unternehmer, Politiker und Vertraute der Familie involviert seien. Vor allem öffentliche Mittel für Bauprojekte sollen veruntreut worden sein. Im Fall von Lázaro Báez spielte das Geständnis des Finanzberaters Leonardo Fariña eine zentrale Rolle bei der Aufklärung. Zugunsten einer Strafminderung arbeitete dieser mit der Justiz zusammen. Im Gegenzug erhielt er Personenschutz, den er bis zum Amtsantritt von Präsident Alberto Fernández und Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kichner (CFK) in Anspruch nahm.

Tod des ehemaligen Präsidenten Carlos Menem

Der nationale Senator (2005-2021), ehemalige argentinische Präsident (1989-1999) und ehemalige Gouverneur der Provinz La Rioja, Carlos Saúl Menem, verstarb am 14. Februar 2021 im Alter von 90 Jahren. Während der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) war Menem politischer Gefangener. 1989, sechs Jahre nach der Wahl des Präsidenten Raúl Alfonsin (UCR) und der eingeleiteten Rückkehr zur Demokratie, übernahm er das Amt des Staatsoberhaupts. Sein Vorgänger Alfonsin trat aufgrund der verheerenden Folgen der Hyperinflation und der soziopolitischen Nachwirkungen der Diktatur vorzeitig von seinem Amt zurück. Die zwei folgenden Amtszeiten von Präsident Menem waren geprägt von der Kopplung des argentinischen Pesos an den US-Dollar, der Liberalisierung, Öffnung der Wirtschaft und Privatisierung eines Großteils der öffentlichen Güter und Dienstleistungen. Ebenfalls war er an der Schaffung des Wirtschaftsblocks MERCOSUR beteiligt.

Auch wenn die Wechselkursstabilität und der Boom der Rohstoffpreise die argentinische Wirtschaft in Menems ersten Amtsjahren zunächst aufblühen ließ, verpasste es der Präsident in seiner zweiten Amtszeit die Wechselkurspolitik an die Konjunktur anzupassen. Stattdessen versuchte er das Wechselkursregime durch eine unverhältnismäßig hohe Staatsverschuldung aufrecht zu erhalten. Die aus internationalen Finanzkrisen und der Verringerung der Wirtschaftsleistung resultierende Überbewertung des argentinischen Pesos führten 1999 zur argentinischen Staatspleite. Ihre wirtschaftlichen und sozialen Folgen waren desaströs.

Die Justiz verurteilte Carlos Menem daher wegen Korruption, und auch wegen Waffenschmuggel nach Ekuador und Kroatien, zu mehreren Jahren Haft. Er saß seine Strafen jedoch aufgrund der parlamentarischen Immunität als Senator nie ab. Auch die Anschläge auf die israelische Botschaft und jüdische Einrichtung AMIA sowie der tragische Tod seines Sohnes bei einem mysteriösen Helikopterunfall in den 1990er Jahren sind bis heute ungeklärt. Menem ist auch für die die Verfassungsänderung von 1994 (die die Wiederwahl der Präsidenten ermöglichte) bekannt. Weiterhin nahm er die diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien wieder auf, die wegen des Falkland-/Malwineninsel-Kriegs 1982 abgebrochen worden waren. Darüber hinaus beschloss der die Amnestie der in die Menschenrechtsverletzungen verwickelten Generäle und Paramilitärs während der Militärdiktatur zur Entspannung der gesellschaftlichen Stimmung.

Carlos Menems wirtschaftsliberaler Kurs, seine schillernde Persönlichkeit, die Begnadigung der Urheber der Menschenrechtsverletzungen während der Militärdiktatur sowie zahlreiche Korruptionsaffären machen ihn – über Parteigrenzen hinweg - zu einem der umstrittensten Präsidenten Argentiniens.

Zweiter Mexikobesuch von Präsident Alberto Fernández

Präsident Alberto Fernández stattete Mexiko anlässlich seiner 200-jährigen Unabhängigkeitsfeier vom 22. bis 24. Februar 2021 den zweiten Besuch seit seiner Wahl zum argentinischen Präsidenten ab. Dabei wurde er unter anderem von Wirtschaftsminister Martín Guzmán begleitet, der für Direktinvestitionen und die Umstrukturierung der argentinischen Staatsschulden warb. Weiterhin erreichte die Delegation die Aufhebung der Exportbeschränkungen auf argentinische Fleischprodukte. Hierbei spielte wohl vor allem die ideologische Nähe und freundschaftliche Beziehung von Präsident Fernández und seinem mexikanischen Kollegen Andrés Manuel López Obrador (AMLO) eine Rolle. Diese wurde auch in der gemeinsamen Absichtserklärung deutlich: dabei bezeichnete Fernández AMLO als denjenigen Präsidenten, dessen moralischen und ethischen Werte dem mexikanischen Volk zum ersten Mal seit mehreren Jahren gerecht werden. AMLO wiederum bedankte sich bei Präsident Fernández für die Kontaktherstellung zur russischen Regierung zum Erwerb des Sputnik V-Impfstoffes. Weiterhin wetterten die beiden Staatsoberhäupter gegen die nationalen und internationalen Medien. Zugleich machten sich die beiden Mitglieder der linken Puebla-Gruppe für eine gerechte Umverteilung der Vakzine gegen den Coronavirus, die Stärkung der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) sowie die Nichteinmischung in innere Angelegenheit durch multilaterale Organisationen stark. Abschließend verständigten sie sich auf eine Vertiefung der Beziehungen in diversen Politikfeldern wie Nachhaltigkeit, Süd-Süd-Kooperation, Geschlechtergleichstellung sowie die Gewährleistung der Menschenrechte.

Die mexikanisch-argentinischen Beziehungen habe eine lange Tradition: von der Abstimmung der Positionen in internationalen Organismen wie der G20 und in den Vereinten Nationen, hin zur Gewährung politischen Asyls, beispielsweise während der Militärdiktatur in Argentinien (1976-83). 2008 trat zudem ein strategisches Assoziierungsabkommen zwischen dem südlichsten und nördlichsten Land Lateinamerikas in Kraft. Gegenwärtig kooperieren Unternehmen beider Länder bei der Herstellung und Abfüllung des AstraZeneca-Oxford-Impfstoffs zur Bekämpfung der Covid-19.

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Olaf Jacob

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Leiter des Auslandsbüros Chile

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Über diese Reihe

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Susanne Käss

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