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Evelyn Hockstein, Reuters

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„Amerika ist wieder im Aufbruch!“

Bilanz und Ausblick nach 100 Tagen Biden-Regierung

Die Gräben zwischen Republikanern und Demokraten sind immer noch tief. US-Präsident Joe Biden lässt sich davon nicht aufhalten. Im Kampf gegen die Pandemie und für neue ­Arbeitsplätze, beim Klimaschutz und in der Außenpolitik will er zeigen, wozu eine schlagkräftige Demokratie mit moralischem Führungs­anspruch in der Lage ist. Eine Herkulesaufgabe.

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Über 220 Millionen verabreichte Impfdosen, 1.400 US-Dollar an finanzieller Unterstützung für jeden der 160 Millionen Anspruchsberechtigten, 800.000 Anmeldungen zur Krankenversicherung in nur drei Monaten, 1,3 Millionen neue Arbeitsplätze und mehr als sechs Prozent prognostiziertes Wirtschaftswachstum in diesem Jahr – die bisherige Bilanz von US-Präsident Joe Biden ist beeindruckend. Selbstbewusst versicherte er im Kapitol: „Amerika ist wieder im Aufbruch!“

Ein gigantisches Hilfs- und Konjunkturpaket (American Rescue Plan) mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Billionen US-Dollar hat der Kongress bereits verabschiedet. Das ist aber nur der Anfang. Nach Ende seiner ersten 100 Tage im Amt warb Biden eindringlich auch für den American Jobs Plan und den American Families Plan um die Zustimmung der Abgeordneten und Senatoren. Gesamtvolumen: weitere 4,1 Billionen US-Dollar. Darin enthalten: milliardenschwere Investitionen in die Infrastruktur, in neue Stromnetze und die erneuerbaren Energien. „Es gibt einfach keinen Grund, warum die Flügel für Windkraftanlagen nicht in Pittsburgh statt in Peking gebaut werden können.“

Eine halbe Million Ladestationen für Elektroautos sollen mit staatlicher Förderung entstehen. Biden will den Mindestlohn auf 15 US-Dollar pro Stunde anheben und ärmeren Familien bei den Kosten für die Kinderbetreuung unter die Arme greifen. Die Prämien für die Krankenversicherung sollen auf ein für alle Bürgerinnen und Bürger erschwingliches Niveau gesenkt werden. Biden will die Gewerkschaften stärken, damit Arbeiter und Angestellte ohne Hochschulabschluss ausreichend verdienen. Den Aufwand für die beispiellosen finanziellen Wohltaten sollen „Corporate America und die reichsten ein Prozent der Amerikaner“ tragen. „Ich werde Leuten, die weniger als 400.000 Dollar verdienen, keine Steuererhöhung auferlegen“, versprach der Präsident Ende April im Kongress. Aber nicht nur die Abgeordneten und Senatoren will er von seinen Positionen überzeugen.

 

„Geschrei beenden“

Kaum vier Wochen im Amt, stand Joe Biden für sein erstes Town Hall Meeting auf der Bühne. CNN hatte dafür rund 50 ausgewählte Gäste ins ehrwürdige Pabst Theater in Milwaukee eingeladen. „Einige der Fragesteller hier haben für ihn gestimmt. Einige haben es nicht getan“, versicherte Moderator Anderson Cooper in seiner Begrüßung. Für „Uncle Joe“ kein Thema: „Hallo, Leute! Wie geht‘s euch?“ Die joviale Begrüßung ist Programm. In der Bürgerversammlung vermeidet Biden abfällige Bemerkungen über seine politischen Gegner. Kein einziger Pauschalangriff gegen die Medien und ihre „Fake News“. „Wenn Sie wollen, bleibe ich noch, wenn das hier vorbei ist, und vielleicht können wir ein paar Minuten reden und sehen, ob ich Ihnen helfen kann“, bietet der Präsident einer Frau aus Oak Creek an, deren Sohn trotz Vorerkrankung noch keine Impfung erhalten hat. Die Frau ist keine Demokratin. Die Town Hall applaudiert.

Biden will der Präsident für alle Bürgerinnen und Bürger sein. „Die nächsten vier Jahre möchte ich sicherstellen, dass alles, was in den Nachrichten steht, das amerikanische Volk ist. Ich bin es leid, über Trump zu reden. Es ist vorbei.“ Mit „ganzer Seele“, hatte der Präsident schon bei seinem Amtsantritt am 20. Januar versprochen, wolle er „Amerika vereinen“. Im Pabst Theater in Milwaukee beteuert er erneut, die „Fransen an beiden Enden“ müssten „zusammengebracht“ werden. „Ohne Konsens kann man in unserem System nicht funktionieren, es sei denn durch Machtmissbrauch auf der Exekutivebene.“ Die politischen Gräben seien aber keineswegs unüberwindbar. Die US-Gesellschaft sei, so Biden, nicht annähernd so gespalten, wie es dargestellt würde. „Gehen Sie raus und schauen Sie sich um und sprechen Sie mit den Leuten.“

Es gibt sie also, immer noch, die gemeinsamen Werte über alle parteipolitischen Differenzen hinweg. Davon ist der Präsident überzeugt. Er „glaubt zu wissen“, was die Ziele sind, „die wir lieben, die uns als Amerikaner definieren“. Beim Amtsantritt benannte er sie: „Chancen und Möglichkeiten (opportunity), Sicherheit, Freiheit, Würde, Respekt, Ehre. Und, ja, die Wahrheit.“ Biden appellierte an alle Amerikaner, sich „nicht als Gegner, sondern als Nachbarn“ zu sehen, und sich „gegenseitig mit Würde und Respekt“ zu behandeln. „Wir können unsere Kräfte bündeln, das Geschrei beenden und die Temperatur senken.“ Biden lud seine politischen Gegner ein, ihm zuzuhören. „Und wenn Sie immer noch anderer Meinung sind, dann soll es so sein. (…) Das Recht, friedlich zu widersprechen, innerhalb der Leitplanken unserer Republik, ist vielleicht die größte Stärke unserer Nation.“ Meinungsverschiedenheiten dürften, so der Präsident, aber nicht zur Spaltung führen.

 

„Keine Trennlinien“ zwischen den politischen Prioritäten

Besondere Eile ist in der aktuellen Notsituation ohnehin zwingend. Im politischen Kalender aber geben die Zwischenwahlen im nächsten Jahr das Tempo vor. Der Präsident muss Ergebnisse erzielen, und zwar schnell. Gegenüber Abgeordneten der Demokratischen Partei im Repräsentantenhaus mahnte er, die Bewältigung aller Herausforderungen der letzten Monate sei „dringlich geworden – dringend, dringend, dringend“. Innen- wie außenpolitisch zählt für ihn, was den Interessen und Zielen aller Bürgerinnen und Bürger dient. Per Durchführungsverordnung hat Biden gleich nach seinem Amtsantritt festgelegt, dass Unternehmen einen größeren Anteil ihrer Komponenten künftig in den USA herstellen müssen (Buy American). Pragmatismus soll ideologische Grabenkämpfe ersetzen. „Es gibt nicht viele republikanische oder demokratische Straßen und Brücken“, witzelte Biden, als er im Februar vor Senatoren beider Parteien um Unterstützung für sein geplantes milliardenschweres Infrastrukturprogramm warb. Die Ziele der Administration müssen nach seinen Worten mit den Werten der Vereinigten Staaten im Einklang stehen. Wenn die USA ihre „eigenen Fundamente festigen“, seien sie weltweit „ein viel glaubwürdigerer Partner“, versicherte der Präsident mit Blick auf den geplanten Demokratiegipfel.

Nach dieser politischen Architektur hat das Weiße Haus sieben Prioritäten für die nächsten vier Jahre formuliert: die Bewältigung der Folgen von COVID-19, den Klimaschutz, die Bekämpfung von Rassismus und der Benachteiligung von Minderheiten, die Ankurbelung der Wirtschaft, die Gesundheitsfürsorge, eine Neuregelung der Einwanderungspolitik sowie die Wiederherstellung der Rolle und Geltung Amerikas weltweit. Außen- und Innenpolitik sind dabei untrennbar miteinander verwoben. „Eine klare Linie“ gebe es dazwischen nicht mehr, erklärte der Präsident im Außenministerium. „Jede Aktion im Ausland müssen wir so vornehmen, dass wir die amerikanischen Arbeiterfamilien im Blick behalten.“ Darüber hinaus treibt die Biden-Administration ihre Prioritäten mit einem whole-of-government-Ansatz voran. Gemeint ist, dass die verschiedenen Ministerien und Regierungsbehörden auf unterschiedlichen Ebenen übergreifend Lösungen entwickeln müssen. Das ist nicht neu: Gerade zur Abwendung von akuten Gesundheitsrisiken für die US-Bevölkerung wurde schon früher interdisziplinär gearbeitet. Biden dehnt den Ansatz aber auch auf andere Prioritäten aus. So müssen sich mit dem Klimaschutz jetzt auch das Verteidigungsministerium und die Sicherheitsbehörden auseinandersetzen.

Die Geschwindigkeit und Entschlossenheit, mit der Biden und seine Regierungsmannschaft seit Januar auf allen Feldern losmarschiert sind, signalisieren deutlich, dass „Einheit“ und „Versöhnung“ nicht unbedingt mit größerer Kompromissbereitschaft einhergehen. Zwar hat sich der Tonfall seit dem Regierungswechsel deutlich verbessert. Politische Gegner im Inland und Verbündete im Ausland finden auch bei unterschiedlichen Meinungen den nötigen Respekt. Das heißt aber keineswegs, dass die US-Regierung in vielen strittigen Fragen der letzten Jahre automatisch größeres Entgegenkommen an den Tag legen wird. Zwar mögen die Bürgerinnen und Bürger deutlich mehr gemeinsame Werte teilen als oft dargestellt; in Sachfragen bleibt die Bevölkerung aber gespalten. Noch tiefere Gräben trennen die beiden politischen Lager im Kongress.

 

Die Zeit, „etwas Großes zu tun“

Bereits im November nächsten Jahres müssen die Demokraten bei den Zwischenwahlen ihre knappen Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus verteidigen. Im Senat kommt die Partei nur mit der Stimme der Vizepräsidentin auf eine absolute Mehrheit; im Repräsentantenhaus liegen die Demokraten derzeit nur noch mit sechs Sitzen vorne. Sollte es den Republikanern gelingen, die Sitzverteilung in einer oder sogar in beiden Kammern des Kongresses für sich zu entscheiden, dürfte der US-Administration für die Verabschiedung dringender Gesetze und die Ratifizierung internationaler Abkommen, bei wichtigen Personalentscheidungen und der Bewilligung finanzieller Mittel die erforderliche Zustimmung fehlen. Für Biden wäre eine Niederlage bei den Midterms insofern ein herber Schlag. Ohne Mehrheit im Kongress wäre er darauf angewiesen, seine politischen Ziele mit präsidialen Durchführungsverordnungen voranzutreiben. Diese Executive Orders können von jedem Nachfolger im Weißen Haus aber problemlos rückgängig gemacht werden.

Natürlich bedeuten eine Niederlage bei den Zwischenwahlen und ein Divided Government nicht, dass nach der darauffolgenden Präsidentschaftswahl zwangsläufig auch die Regierung wechselt. Schon unter Franklin D. Roosevelt, Bill Clinton und Barack Obama hatten die Demokraten bei den ersten Zwischenwahlen herbe Niederlagen einstecken müssen, und trotzdem wurden die Präsidenten nach zwei Jahren wiedergewählt. Dennoch zahlten sie mit dem Verlust der Kongressmehrheit einen hohen Preis: Roosevelts New Deal-Politik geriet nach den Midterms 1938 ins Stocken. Die Clinton-Administration und die republikanische Mehrheit im Kongress standen sich nach den Zwischenwahlen 1994 in Haushaltsfragen unversöhnlich gegenüber. Mindestens ebenso hart traf es Barack Obama. Dessen Wahl fiel in die Zeit der globalen Finanzkrise. Noch 2009 schrumpfte die Wirtschaftsleistung der USA im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag im August 2009 bei 9,7 Prozent, der höchste Wert seit 1983. Seit Beginn der Rezession Ende 2007 hatten die USA fast sieben Millionen Arbeitsplätze verloren, mehr als in allen anderen Krisenzeiten seit dem Zweiten Weltkrieg. Schlimmer konnte es eigentlich nicht kommen – bis Corona ausbrach.

Aus der Krise vor gut zehn Jahren haben die Demokraten gelernt. Zur Ankurbelung der Wirtschaft hatte sich die Obama-Administration damals mit dem Kongress auf ein finanzielles Hilfs- und Konjunkturpaket ARRA (American Recovery and Reinvestment Act) in Höhe von 787 Milliarden US-Dollar verständigt. Für die erforderliche Mehrheit waren die Demokraten im Senat auf die Stimmen von mindestens drei Republikanern angewiesen. Diese unterstützten das Vorhaben erst nach zähen Verhandlungen und einer deutlichen Reduzierung des Gesamtvolumens.

Die Demokraten bewerten den mühsamen Abstimmungskompromiss über ARRA als den wichtigsten Grund für ihre krachende Niederlage bei den Zwischenwahlen 2010. Das Hilfspaket habe bei der Bewältigung der globalen Finanzkrise sicherlich geholfen, aber eben nicht schnell und auch nicht umfangreich genug, um vom Wähler goutiert zu werden. Als Präsident Obama das Gesetz Mitte Februar 2009 in Denver unterzeichnete, stand sein damaliger Vizepräsident Joe Biden hinter ihm. Fast auf den Tag genau zwölf Jahre später in Milwaukee, bei seinem ersten Town Hall Meeting als Präsident, ist Biden davon überzeugt, dass die Kompromisse bei ARRA die Ankurbelung der Konjunktur „zwischen sechs Monate und eineinhalb Jahre verlangsamt“ hätten. Heute, gut ein Jahr nach Ausbruch der Coronapandemie und angesichts von Herausforderungen, die noch weitreichender sind als nach der Krise vor einem Jahrzehnt, „können wir nicht zu viel ausgeben“, um die Wirtschaft „in ein oder zwei, drei oder vier Jahren wachsen zu lassen.“ Jetzt sei es an der Zeit, „etwas Großes zu tun“, fordert Biden. Und nichts spricht nach seinen ersten 100 Tagen im Amt dafür, dass sich der Präsident bei diesem Ansatz vom Widerstand der Republikanischen Partei und ihrer Anhänger aufhalten lässt. Zu groß ist das Risiko, bei den Midterms 2022 erneut die Quittung zu bekommen für zu viel Kompromissbereitschaft und Halbherzigkeit.

 

Werte und „moralische Führung“

Für Bidens Außenpolitik wäre ein Divided Government im Falle einer Niederlage der Demokraten bei den Zwischenwahlen weniger problematisch als auf der innenpolitischen Bühne. Denn über den Abzug aus Afghanistan, die Kritik am wachsenden Einfluss Chinas oder an North Stream 2 besteht im Kongress parteiübergreifend breiter Konsens. In sicherheitspolitischen Krisen und bei unmittelbarer Bedrohung der US-amerikanischen Interessen belässt der Kongress dem Präsidenten traditionell ohnehin weitreichende Handlungsspielräume und jeder Abgeordnete, der sich in solchen Fällen gegen die öffentliche Meinung auf seine verbrieften Mitspracherechte (z. B. War Powers Resolution, 1973) beruft, würde wohl seine Wiederwahl riskieren. Biden will aber nicht nur im Krisenfall Stärke zeigen.

Die USA machen jetzt wieder Verhandlungsangebote und sitzen mit am Tisch. Die Rückkehr zum Pariser Klimaschutzabkommen, die Unterstützung der Weltgesundheitsorganisation und anderer multilateraler Foren, die Verlängerung des New Start-Abkommens, die Beibehaltung ihrer Truppenpräsenz in Deutschland und das klare Bekenntnis zur NATO sind dafür bedeutsame Wegmarken. Der eigentliche Unterschied zur Vorgängerregierung besteht aber darin, weltweit künftig wieder die „moralische Führung“ übernehmen zu wollen. „Ein amerikanischer Präsident, der nicht die Werte der Vereinigten Staaten widerspiegelt, ist untragbar.“ Bereits Anfang Februar versprach Biden, „unser Land ist sicherer und stärker, wenn wir nicht nur mit dem Beispiel unserer Macht, sondern mit der Macht unseres Beispiels führen“.

Kaum gesagt, teilte Joe Biden in einem Interview die Einschätzung, dass Präsident Putin „ein Killer“ sei, und verhängte weitere Sanktionen gegen Russland. „Die Zeiten, in denen sich die Vereinigten Staaten angesichts der aggressiven Handlungen Russlands – Einmischung in unsere Wahlen, Cyberangriffe, Vergiftung seiner Bürger – zurücklehnen, sind vorbei.“ Im Falle Chinas will Washington keineswegs akzeptieren, dass „Xinjiang, Hongkong, Taiwan, Cyberangriffe auf die Vereinigten Staaten und wirtschaftliche Nötigung gegenüber unseren Verbündeten“ eine „interne Angelegenheit“ der Volksrepublik seien. Daraufhin entgegnete Yang Jiechi, Direktor des Büros der Zentralen Kommission für auswärtige Angelegenheiten, bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken in Anchorage: „Die Vereinigten Staaten selbst repräsentieren nicht die internationale öffentliche Meinung, und die westliche Welt auch nicht.“ Überdies hätten die USA „nicht die Qualifikation zu sagen, dass sie mit China aus einer Position der Stärke sprechen wollen“.

Die Beziehungen zu ihren Verbündeten bezeichnet Biden als das „größte Kapital“ der USA, „und mit Diplomatie zu führen bedeutet, wieder Schulter an Schulter mit unseren Verbündeten und wichtigen Partnern zu stehen“. Schon in seiner Antrittsrede hatte der Präsident angekündigt, „unsere Allianzen (zu) reparieren“. Auch von ihren engsten Partnern werden die Vereinigten Staaten aber klare Signale nicht nur beim Klimaschutz fordern. So erkennt Biden zwar an, dass North Stream 2 für die europäischen Verbündeten „ein kompliziertes Thema“ sei. Er selbst ist seit langem gegen die Pipeline aus Russland. „Aber das ist immer noch ein Thema, das im Spiel ist.“ Es war auch kein Zufall, dass mit Premierminister Yoshihide Suga der erste Staatsgast im Weißen Haus Ende April aus Japan kam. Die enge Zusammenarbeit zwischen Washington und Tokio sei entscheidend, „um die Zukunft der (Indopazifik-)Region zu sichern, damit sie frei und offen und wohlhabend bleibt“. Insbesondere was China und Nordkorea angeht, lieferten Biden und Suga ein sehr einmütiges Bild.

 

Jünger, weiblicher, gebildeter, diverser – aber weiterhin gespalten

Unter Berücksichtigung einer ganzen Reihe an Umfragen findet Joe Biden nach den ersten 100 Tagen im Amt in der US-Bevölkerung durchschnittlich etwa 54 Prozent Zustimmung. Seit seiner Amtseinführung am 20. Januar hat sich dieser Wert praktisch nicht verändert. Donald Trump fand bei seinem Amtsantritt 2017 44 Prozent Zustimmung und rutschte innerhalb seiner ersten 100 Tage leicht auf 42 Prozent ab. Mehr Zuspruch als Biden und Trump fand anfänglich Barack Obama. Dessen Popularität hatte danach aber stark gelitten.

Biden ist im Vergleich zu anderen Ex-Präsidenten weder besonders beliebt noch überaus unbeliebt. Bemerkenswert ist stattdessen, dass seine Zustimmungswerte innerhalb der ersten 100 Tage im Amt sehr konstant geblieben sind. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keinen US-Präsidenten mit stabileren Umfragewerten. Schon im Wahlkampf fiel auf, dass sich Biden weder deutlich verbessern konnte noch verschlechtert hatte.

Noch auffälliger aber sind die Unterschiede zwischen den Zustimmungswerten unter den Anhängern der Demokraten und der Republikaner. Nach den Ergebnissen einer Mitte April von Gallup veröffentlichten Umfrage wird Joe Biden von 96 Prozent der Demokraten positiv bewertet, aber nur von zehn Prozent der Republikaner. Die Differenz nach parteipolitischer Anhängerschaft ist mit 86 Prozentpunkten bei Biden noch deutlich größer als bei Trump. Bei den Umfrageteilnehmern, die sich weder zu den Demokraten noch zu den Republikanern zählen (Unabhängige), findet Biden 55 Prozent Zustimmung, 17 Prozent mehr als Donald Trump, aber etwas weniger als Barack Obama.

Vergrößert hat sich auch die Differenz nach Ausbildungsniveau. Für die Zustimmungswerte von Clinton, Bush und Obama spielte nach den ersten 100 Tagen im Amt fast keine Rolle, ob die Umfrageteilnehmer ein Hochschulstudium abgeschlossen hatten oder geringer qualifiziert waren. Trump wurde hingegen von 45 Prozent der Befragten ohne akademischen Abschluss, aber nur von 36 Prozent der Collegeabsolventen befürwortet, also neun Prozentpunkte Unterschied. Für Biden ist diese Differenz auf jetzt 13 Prozentpunkte gestiegen, mit großem Vorsprung bei den Akademikern. Der US-Präsident findet unter weiblichen Befragten (62 Prozent) überdies deutlich mehr Zuspruch als unter männlichen (49 Prozent). Bei Trump war es umgekehrt. Weitaus besser als sein Vorgänger schneidet Biden auch unter der schwarzen (89 bzw. 13 Prozent) und der hispanischen (73 bzw. 22 Prozent) Bevölkerungsminderheit ab. Unter den weißen US-Amerikanern fand Trump hingegen höhere Zustimmungswerte als sein Nachfolger (53 bzw. 45 Prozent). Das Alter der Befragten spielt ebenfalls eine Rolle: Für Biden gilt, je jünger die Umfrageteilnehmer, desto höher die Zustimmungswerte. Bei Trump war auch das genau umgekehrt. Aber wie bewerten die US-Amerikaner die Politik der neuen Regierung drei Monate nach Amtsantritt?

Dazu hat Mitte April das Pew Research Center seine Umfrageergebnisse präsentiert: Bidens Wunsch, das „Geschrei zu beenden“, kommt in den eigenen Reihen demnach gut an. Über 70 Prozent der Demokraten meinen, der Ton und die Art des Präsidenten hätten die politische Debatte in den USA positiv beeinflusst. Nur drei Prozent sind gegenteiliger Meinung. Unter den Anhängern der Republikaner wird der Politikstil der neuen Regierung hingegen von über 60 Prozent der Befragten negativ bewertet. Mit 72 Prozent ist die Missbilligung unter konservativen Republikanern sogar noch höher. Demgegenüber teilen 21 Prozent der gemäßigten Republikaner die positive Einschätzung der meisten Demokraten.

Umfrageteilnehmer, die entweder republikanisch wählen oder (als Unabhängige) in diese Richtung tendieren, gehen aber auch mit der eigenen Partei hart ins Gericht. Nur 55 Prozent bewerten die Arbeit führender Vertreter der Republikaner im Kongress positiv. Die befragten Demokraten sind mit ihren eigenen Parteiführern in beiden Kammern des Parlaments deutlich zufriedener (84 Prozent).

 

Zuspruch bei Corona und einer Außenpolitik „für mehr Jobs“

Am besten schneidet die Biden-Administration bei der Pandemiebekämpfung ab. Rund zwei Drittel aller Amerikaner schätzen sie als erfolgreich ein. Fast neun von zehn Demokraten haben ihr Häkchen hinter „gut“ oder „ausgezeichnet“ gemacht. Auch unter den Republikanern ist eine knappe Mehrheit (55 Prozent) mit dem Impfprogramm und den Maßnahmen zur Eindämmung der Neuinfektionen einverstanden. 67 Prozent aller Befragten unterstützen auch den im März vom Kongress verabschiedeten American Rescue Plan. Das Hilfs- und Konjunkturpaket findet unter den Demokraten 93 Prozent Zustimmung. Von den Republikanern stehen immerhin 35 Prozent, allen voran Anhänger der Partei mit niedrigerem Einkommen (55 Prozent), hinter dem historisch beispiellosen Programm, obwohl im Kongress nicht ein einziger Vertreter der Grand Old Party dafür gestimmt hatte.

Müsste die US-Bevölkerung darüber entscheiden, welche der vom Weißen Haus formulierten politischen Schwerpunkte in welcher Reihenfolge zu gewichten sind, stünde eine für alle Menschen „bezahlbare Gesundheitsfürsorge“ nach der Pew-Umfrage ganz oben auf der Liste, auch wenn die Anhänger der Republikaner (40 Prozent) dem Thema deutlich weniger Bedeutung beimessen als die Demokraten (69 Prozent). Gleich an zweiter Stelle taucht dann ein Thema auf, das für Präsident Biden („wir können nicht zu viel ausgeben“) derzeit keine Priorität hat: das „staatliche Haushaltsdefizit“. Zwar sind die horrenden Staatsschulden nur für 31 Prozent der Demokraten ein Problem, aber immerhin für 71 Prozent der Republikaner. Auch beim Thema „Rassismus“ gehen die Meinungen weit auseinander: Unter den befragten Demokraten sehen 67 Prozent darin ein „sehr großes Problem“, während von den Anhängern der Republikaner nur 19 Prozent diese Einschätzung teilen. Noch unterschiedlicher ist das Meinungsbild bei der Gewichtung von „Waffengewalt“. 73 Prozent der Demokraten, aber nur 18 Prozent der Republikaner sehen darin ein besonderes Problem. „Gewaltverbrechen“ im Allgemeinen, auf der Prioritätenliste der Pew-Umfrage insgesamt immerhin an dritter Stelle, werden hingegen von den Republikanern (52 Prozent) als ein größeres Problem betrachtet als von den Demokraten (44 Prozent). Das Gleiche gilt für die „illegale Einwanderung“, Platz 4 auf der Prioritätenliste der Pew-Umfrage. Sie wird von den Republikanern (72 Prozent) deutlich kritischer eingeschätzt als von den Demokraten (29 Prozent).

Die Frage, wie die US-Bevölkerung zur Wiederherstellung der Rolle und Geltung Amerikas weltweit steht, wurde in der Umfrage vom April nicht gestellt. Dafür liegt von Pew aber eine Ausgangsposition vor, die nur wenige Tage nach dem Amtsantritt veröffentlicht wurde. Demnach hatten 60 Prozent der Amerikaner nach dem Regierungswechsel Vertrauen in die Außenpolitik von Präsident Biden. Das war deutlich mehr als die Vorschusslorbeeren, mit denen Donald Trump anfänglich bedacht wurde (46 Prozent).

Darüber hinaus ähnelt das Bild dem über die Einschätzung zum Politikstil der neuen Regierung. Während fast 90 Prozent der Demokraten positive Erwartungen damit verbanden, wie sich Biden auf der weltpolitischen Bühne positionieren würde, hatten im Januar unter den Republikanern nur 27 Prozent Vertrauen in die außenpolitischen Fähigkeiten des neuen Präsidenten. Die Haltung der konservativen Republikaner war mit 17 Prozent noch viel kritischer. Demgegenüber brachten die gemäßigten Anhänger der Partei Joe Biden deutlich mehr Wohlwollen entgegen (42 Prozent).

Abgesehen von den großen Unterschieden bei der Beurteilung des Präsidenten und seiner außenpolitischen Fähigkeiten, liegen die Meinungen der Republikaner und der Demokraten über die Sachthemen der internationalen Zusammenarbeit viel näher beieinander als bei den innenpolitischen Herausforderungen. Eine Ausnahme ist die „globale Bewältigung des Klimawandels“. 70 Prozent der befragten Demokraten bewerten das Thema als langfristige „Top-Priorität“, aber nur 14 Prozent der Republikaner. Besonders wichtig ist den Umfrageteilnehmern parteiübergreifend, dass die Außenpolitik der Biden-Regierung die „Jobs der amerikanischen Arbeiter schützen“ müsse. Ganz unten auf der Prioritätenliste steht – ebenfalls parteiübergreifend – die „Förderung der Demokratie in anderen Ländern“.

Insgesamt findet eine enge Zusammenarbeit mit den Verbündeten breite öffentliche Unterstützung. Mehrheitlich (64 Prozent) vertritt die Bevölkerung die Auffassung, dass die USA dafür auch zu Kompromissen bereit sein müssen. Ein Aspekt, der mit Blick auf die wichtige Wählergruppe der Millennials und der Gen Z noch Überzeugungsarbeit kosten dürfte, besteht darin, dass jüngere Amerikaner der Frage, ob die USA von anderen Ländern respektiert werden, nach den Umfrageergebnissen weniger Bedeutung beimessen als ältere Generationen. Insgesamt sind 34 Prozent der Befragten der Meinung, dass die eigenen Interessen des Landes im Verhältnis zu anderen Staaten ausschlaggebend sind.

 

Bloß nicht „zu bescheiden“

Während seiner ersten 100 Regierungstage hat Biden nichts falsch gemacht. Die stabilen Zustimmungswerte in den Umfragen bestätigen das. Vor allem profitiert er derzeit natürlich vom Erfolg des Impfprogramms und vom American Rescue Plan. Aus seiner Zeit als Vizepräsident während der globalen Finanzkrise vor gut zehn Jahren hat er aber nicht nur für das jetzige Hilfsprogramm seine Lehren gezogen. Damals, erzählte Biden kürzlich den demokratischen Abgeordneten im Kongress, habe er Barack Obama wiederholt dazu aufgefordert: „Sag den Leuten, was wir getan haben.“ Obama sei aber „zu bescheiden“ gewesen, seine Leistungen für die Bewältigung der Finanzkrise stärker hervorzuheben. „Wir haben keine Zeit. Ich werde keine Siegesrunde drehen“, habe ihm der Ex-Präsident damals entgegnet. Diese Auffassung teilt Biden, nunmehr selbst in der Pennsylvania Avenue 1600 angekommen, in keinem Bereich seiner innen- und außenpolitischen Agenda. Er wird nicht müde, seine Kernbotschaften auf allen Plattformen so oft wie möglich zu wiederholen.

Zu den sieben Schwerpunkten seiner Präsidentschaft sind auf der Internetseite des Weißen Hauses nach nur drei Monaten bereits über 170 Stellungnahmen, Durchführungsverordnungen, Gesprächsprotokolle, Fact Sheets und Reden veröffentlicht. Die Regierung produziert unter Hochdruck immer neue Mitteilungen, obwohl das Führungspersonal für die Ministerien und Behörden noch immer nicht komplett ist. Erst Ende April hat das Weiße Haus erneut eine lange Liste an Kandidaten zur Bestätigung an den Senat weitergeleitet.

Die größte Herausforderung dürfte für den Präsidenten in den kommenden Wochen und Monaten darin bestehen, angesichts der knappen Mehrheiten seiner Partei im Kongress die eigenen Reihen geschlossen zu halten. Hier verlangt aktuell vor allem die Einwanderungspolitik viel Verhandlungsgespür. Im Senat ist Biden für die Verabschiedung der meisten Gesetze überdies auf die Unterstützung einiger Republikaner angewiesen. Als größte Herausforderung für das Ausland zeichnet sich in der Zusammenarbeit mit den USA das Tempo ab, mit dem Washington seine Agenda vorantreibt und von seinen Partnern passende Lösungsvorschläge erwartet.

 


 

Paul Linnarz ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für die USA in Washington, D.C.

 


 

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