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Kai Pfaffenbach, Reuters

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Digitale Zusammenarbeit – Eine Chance für nachhaltige Entwicklung

von Fabrizio Hochschild
In der heutigen komplexen digitalen Welt sehen wir enorme Vorteile der digitalen Technologien, die in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle für nachhaltige Entwicklung spielen werden. Natürlich erleben wir auch Risiken und Herausforderungen bei dem schnellen Ausbau dieser Technologien. Diese Herausforderungen können nicht länger von einzelnen Organisationen oder Ländern bewältigt werden. Vielmehr hängt die Antwort auf diese Herausforderungen von der Kooperation zwischen verschiedenen Gruppen, Bereichen, Interessenvertretern und Ländern ab.

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Das digitale Zeitalter, in dem wir leben

Auf den Tag genau fünfzig Jahre nach der ersten Internetübertragung erlebt die Welt durch die Evolution der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in allen Lebensbereichen eine exponentielle Transformation. IKT haben die Wirtschaft und Gesellschaft bereits grundlegend verändert und auch in naher Zukunft werden disruptive Innovationen und Veränderungen erwartet. Ein höherer Grad der Digitalisierung wird neue Möglichkeiten für die globale Entwicklung schaffen und Auswirkungen auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen haben.

Technologische Entwicklungen ergeben sich mit einer nie zuvor dagewesenen Geschwindigkeit. Das steigende Tempo der Veränderung lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Es dauerte 50 Jahre, bis die ersten 50 Millionen Telefonanschlüsse gelegt wurden, sieben Jahre, um die gleiche Anzahl an Internetanschlüssen zu erreichen, und nur drei Jahre, bis 50 Millionen Nutzer bei einer Social-Media-Plattform angemeldet waren. Heute gibt es weltweit mehr Mobilfunkverträge als Menschen und insgesamt etwa 4,1 Milliarden Internetnutzer.

Das Potenzial des Internets wird dann vollends ausgeschöpft sein, wenn wir in der Lage sind, es als globale Ressource und öffentliches Gut zu kultivieren, das offen, inklusiv, zuverlässig, robust, sicher und vertrauenswürdig ist. Durch seine Evolution ist das Internet zu einem entscheidenden Teil unseres Lebens geworden und hat eine wichtige Rolle beim sozialen, wirtschaftlichen und ökologisch nachhaltigen Fortschritt übernommen. In einer Welt, in der wir erwarten, überall und jederzeit vernetzt zu sein, und über künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Materialforschung und Robotik sprechen, ist es bemerkenswert, wie viel Fortschritt bereits erreicht wurde und wie viel mehr zum menschlichen Wohlergehen beigetragen werden kann.

IKT prägen unsere Geschichte und entwickeln sich mit uns, stellen uns gleichzeitig aber auch vor neue Bedrohungen, Risiken und politische Herausforderungen. Die Cyberkriminalität entwickelt sich weiter, wird zielorientierter, hat mehr Einfluss auf physische Systeme und untergräbt zunehmend das gesellschaftliche Vertrauen. Zudem besteht das Risiko, dass der Missbrauch digitaler Technologien zu wachsender Diskriminierung und Verletzung zahlreicher Menschenrechte führen wird. Auch Befürchtungen zu ethischen und sozialen Folgen der entstehenden Technologien werden lauter und der Druck steigt, effektive und innovative Modelle zur Kontrolle der neuen Wissenschaften und Technologien zu entwickeln.

All diese Herausforderungen sind länder- und auch institutionsübergreifend, sodass keine einzelne Regierung oder Institution sie bewältigen kann. Dies ist nur durch internationale Zusammenarbeit angehbar. Erfolgreiche internationale Zusammenarbeit setzt einen soliden Prozess der digitalen Kooperation zwischen Regierungen, Privatsektor, insbesondere Technologieunternehmen, Forschungseinrichtungen, der akademischen Welt, der Zivilgesellschaft und internationalen Organisationen voraus.

Um diesen Themenkomplex zu verdeutlichen, wird der vorliegende Beitrag in zwei Teile unterteilt: Der erste Teil „Die digitale Gesellschaft, die wir schaffen“ behandelt digitale Inklusion, digitale Kapazitäten und Digital Governance. Der zweite Teil „Die digitale Zusammenarbeit, die wir respektieren“ stellt die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe zur digitalen Zusammenarbeit und die anhaltenden Bemühungen der VN vor, diesen nachzukommen. Eine Zusammenfassung erfolgt sodann im Abschnitt „Eine bessere digitale Kooperation für eine bessere nachhaltige Entwicklung“.

 

Die digitale Gesellschaft, die wir schaffen

Digitale Inklusion

Aktuelle Daten aus dem Jahr 2019 zeigen, dass die Internetnutzung weltweit immer weiter zunimmt. Zwischen 2005 und 2009 lag das Wachstum im Durchschnitt bei ca. zehn Prozent jährlich, sodass heute 4,1 Milliarden Menschen, also etwa 53,6 Prozent der Weltbevölkerung, das Internet nutzen. Doch ungefähr 3,6 Milliarden Menschen sind immer noch offline und haben keinen Zugang zum Wissensschatz des Internets. In Entwicklungsländern ist die Situation noch extremer – hier sind über 80 Prozent der Bevölkerung noch nicht vernetzt. Auch innerhalb der Länder herrscht eine digitale Kluft: Männer, Stadtbewohner und junge Menschen sind häufiger vernetzt als Frauen, Landbewohner und ältere Menschen, was die Ungleichheit in der Gesellschaft verstärkt.

Da das Internet zu einem unverzichtbaren Werk-zeug in unserem Alltag geworden ist, ist es umso wichtiger, unsere Bemühungen zu verstärken, die ganze Welt zu vernetzen und ein Umfeld zu schaffen, das die nötigen Investitionen in die Infrastruktur, die Anwendungen und die Dienstleistungen ermöglicht. Für den Aufbau einer integrativen digitalen Gesellschaft sind technologische Lösungen unerlässlich, aber nicht ausreichend. Auch anhaltende und einheitliche Bemühungen der Interessenvertreter aus allen Bereichen sind nötig. Eine Erweiterung des Zugriffs auf die digitale Infra-struktur in Zusammenhang mit unterstützenden Regulierungsrahmen aus der Politik beispielsweise würde Unternehmen und Interessenvertreter dazu befähigen, an der digitalen Wirtschaft teilzunehmen, sowie Ländern die Möglichkeit bieten, ihren wirtschaftlichen Wohlstand zu vergrößern und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Um alle Menschen weltweit nachhaltig zu vernetzen, sind sowohl technische als auch regulatorische Maßnahmen gefragt.

Zahlreiche Initiativen unterstützen die laufenden Bemühungen, die „Unvernetzten“ zu vernetzen. Ein einleuchtendes Beispiel ist die Nutzung neuer Technologien – High-Throughput-Satelliten (HTS), massive nicht-geostatische Satellitenkonstellationen (NGSO) und Höhenplattformen (HAPS) zur Kommunikation im Weltall und in der Hochatmosphäre. Alle Menschen miteinander zu vernetzen erfordert sowohl technologische als auch regulatorische Lösungen. Die Omnipräsenz, Zuverlässigkeit und verbesserte Leistungsfähigkeit dieser Technologien wird den Anschluss ländlicher und abgelegener Regionen erweitern. Die unterstützenden regulatorischen Neuerungen, Änderungen und Lösungen, wie die auf der Welt-Radiokommunikations-Konferenz (WRC-19) genehmigten zusätzlichen Radio-Frequenzbänder für HAPS, sollen nun konsequent mit der technologischen Entwicklung Schritt halten, um die Welt weiter zu vernetzen.

 

Digitale Kapazitäten

Wir leben bereits in einem digitalen Zeitalter, in dem sich täglich neue Möglichkeiten ergeben und Herausforderungen entstehen. Die IKT stellen vor allem Menschen benachteiligter Gruppen Informationen sowie Wissen zur Verfügung und unterstützen sie bei der Wahrung ihrer Rechte im digitalen Raum. In einer immer stärker vernetzten Welt sind wir nicht nur die Nutznießer, sondern auch die treibende Kraft hinter den neuesten Innovationen und Methoden. Dieser Wunsch nach neuem Wissen, neuem Know-how und neuen Fähigkeiten gibt denjenigen, die lernen und sich schnell anpassen können, die Möglichkeit, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen zu verschaffen.

Mit dem digitalen Banking wurde der technologische Enthusiasmus auf dem afrikanischen Kontinent entfacht.

Digitale Kapazitäten sind auch auf organisatorischer, nationaler und regionaler Ebene wichtig, da IKT bereichsübergreifend ein wichtiger Wegbereiter für Wachstum und Entwicklung sind. Der Einstieg einkommensschwacher Länder in die digitale Wirtschaft wird auch lokale Innovationen und Forschungen vorantreiben. Neue Technologien wie KI, das sogenannte Internet der Dinge (IoT), 5G und ausgereifte mobile Techniken können Erwerbstätigkeit und Geschäftsmöglichkeiten verbessern sowie den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, von der Bildung über Krankenhäuser bis hin zur Abfallwirtschaft, bereichern. Afrika nutzt den technologischen Wandel und überspringt die IKT-Entwicklung, indem es ein mobiles Breitbandnetz sowie den Zugriff auf wichtige Informationen und Dienstleistungen bereitstellt. Ein Großteil des Fortschritts wird durch Digitalisierung und E-Commerce angetrieben. Die Digitalisierung der Finanzen, z. B. durch M-PESA, bietet Niedrigverdienern und Bewohnern ländlicher Regionen einen Zugang zu Dienstleistungen, den es vorher so nicht gab. Zudem hat dies den technologischen Enthusiasmus auf dem afrikanischen Kontinent entfacht: Die Menschen denken darüber nach, was Afrika in anderen Bereichen wie Bildung, Gesundheitswesen, Verkehr und Landwirtschaft erreichen könnte.

Doch die mangelnden digitalen Kapazitäten sind ein großes Hindernis auf dem Weg zur Vernetzung und die vorhandenen Lücken werden durch eine ungleichmäßige Verteilung von Wissen und Expertise vergrößert. Sogar dort, wo der Internetzugang möglich und erschwinglich ist, wird zusätzliche Unterstützung benötigt, um Menschen zu stärken, die gegebenenfalls unter Ausschluss und Diskriminierung leiden. Um dieses entscheidende Ziel zu erreichen, müssen digitale Strategien auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene die besonderen Anforderungen der Menschen beachten und deren Einbindung in die digitale Gesellschaft gewährleisten. Investitionen in eine Infrastruktur für erschwinglichen Internetzugang und die Bereitstellung von digitaler Bildung könnten etwa einen zweigleisigen Ansatz zur Vernetzung darstellen.

Innerhalb des VN-Systems wurde ein potenziell wegweisendes Projekt mit dem Namen „Gavi for Gigabytes“, kurz GIGA, ins Leben gerufen, das von UNICEF und der International Telecommunication Union (ITU) angeführt wird. Ziel dieses Projekts ist es, alle Schulen an das Internet anzuschließen und vor allem junge Menschen mit den Informationen, Chancen und Auswahlmöglichkeiten der digitalen Technologien zu versorgen. GIGA wird auf dem Ausschreibungsmodell für den Privatsektor der Impfallianz GAVI aufbauen, um einen Plan aller Schulen weltweit zu entwerfen und diese dann bis 2030 an das Internet anzuschließen. Das Projekt soll junge Menschen vernetzen, die durch Armut, geografische Lage, Mangel an Fähigkeiten oder andere Umstände von der digitalen Gesellschaft ausgeschlossen sind. Es ist dies ein ambitioniertes Vorhaben, das anhaltende und einheitliche Mühen vieler Interessenvertreter erfordern.

 

Digital Governance

Digitale Technologien haben die demokratische Teilhabe am Alltagsleben verstärkt, globale Kommunikationsnetze ermöglicht und dazu beigetragen, Informationen zu Entwicklungszwecken zugänglicher zu machen. Mithilfe des E-Governments können staatliche Behörden weltweit effizienter arbeiten, bessere Dienstleistungen anbieten, den Forderungen nach mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht besser nachkommen sowie inklusiver handeln. Die neue Generation digitaler Technologien wie IoT, KI und hochentwickelte Mobiltechnologien werden noch weitere Möglichkeiten bieten, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern sowie transformative Änderungen in die Funktionsweise unserer Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringen.

Doch diese Technologien wurden bisher größtenteils in einem Umfeld minimaler oder fehlender Kontrolle entwickelt. Dies liegt unter anderem daran, dass in einem Bereich, der der industriellen Entwicklung durchaus ähnelt, Kontrollen und Regulierungen oft als Bedrohung für Innovation gesehen werden. In einer zunehmend digitalen Welt, die neue Gefahren und Schwachstellen für die IKT-Infrastruktur, verschiedene Systeme, Software und Daten mit sich bringt, beschäftigen wir uns immer stärker mit der Cybersicherheit. Doch neben dieser müssen auch die Standards der Menschenrechte und globale Absicherungsmaßnahmen in aufstrebenden Technologien wie der KI, autonomen Waffen und biometrischen Sensoren thematisiert werden. Vor allem die ethischen und juristischen Konsequenzen in Bereichen der Privatsphäre, der Rechenschaftspflicht und des Datenschutzes sind immer häufiger Diskussionsgegenstand.

In einigen Bereichen ist zu beobachten, dass dort, wo internationale Normen und Regulierungen fehlen, Teile des Privatsektors eigene Richtlinien einführen, die auf deren Expertise in digitalen Technologien basieren. Bei diesem Modell gibt es jedoch weniger Rechenschaftspflicht als bei Regulierungen, die von staatlichen Behörden oder öffentlichen Funktionsträgern auferlegt werden. Insofern scheint der Privatsektor seine Meinung schrittweise zu ändern: Statt der Aussage „Regulierungen schränken Innovation ein“ kommt nun der Wunsch nach schnellen, anwendbaren und intelligenten Regulierungen auf, sodass einige Länder angefangen haben, digitale Regulierungsrahmen für aufstrebende Technologien aufzustellen. Der Staat sollte zusammen mit dem Privatsektor daran arbeiten, die Zeit ohne Regulierungen zu überbrücken und effektive sowie innovative Regulierungsmodelle zu entwickeln.

Aus den Erfahrungen vom Weltgipfel zur Informationsgesellschaft haben wir gelernt, dass bei der Kontrolle neuer Technologien auch Themen des öffentlichen Interesses wie umfassende juristische, wirtschaftliche, entwicklungsbezogene und soziokulturelle Aspekte bedacht werden müssen. Um etwa die öffentliche Sicherheit besser zu schützen, bedarf es zudem ergänzender nationaler, regionaler und internationaler Prinzipien und Richtlinien. Im VN-System werden aus diesem Grund viele wichtige Initiativen, Foren und Diskussionen in die Wege geleitet: die Expertengruppe der Regierung (GGE), die offene Arbeitsgruppe (OEWG), die VN-Generalversammlung, das Multi-Stakeholder-Forum für Wissenschaft, Technologie und Innovation (STI Forum), die Kommission für Wissenschaft und Technologie im Dienste der Entwicklung (CSTD) und der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS).

Zusätzlich wurde 2018 eine besondere Initiative durch den VN-Generalsekretär einberufen: die Hochrangige Gruppe für digitale Zusammenarbeit. Sie soll den weltweiten Dialog darüber vorantreiben, wie die Zusammenarbeit mit dem Ziel, das Potenzial der digitalen Technologien umzusetzen, um den Wohlstand der Menschen weltweit zu verbessern und die digitalen Risiken einzudämmen, aussehen könnte. Die Gruppe ist die erste des VN-Generalsekretärs, in der ausschließlich Mitglieder des Privatsektors sitzen. Sie kam durch die Empfehlung von Experten zustande, die gemeinsamen Bemühungen zum Aufbau einer digitalen Zusammenarbeit für eine nachhaltige Entwicklung zu verstärken. Weitere Einzelheiten zu den Aktivitäten der Hochrangigen Gruppe für digitale Zusammenarbeit folgen im nächsten Teil des Beitrags.

 

Die digitale Zusammenarbeit, die wir respektieren

Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe

Im Juni 2019 versuchte die Hochrangige Gruppe für digitale Zusammenarbeit des VN-Generalsekretärs, einige der wichtigsten Fragen zur digitalen Transformation in ihrem Bericht mit dem Titel „The Age of Digital Interdependence“ zu beantworten. Der Bericht spricht die folgenden fünf thematischen Empfehlungen aus, die die Notwendigkeit zur Schließung der digitalen Lücke, zur Erhöhung der menschlichen und institutionellen Kapazitäten, zur Anerkennung der Menschenrechte im digitalen Kontext, zur Schaffung von Cybervertrauen, Sicherheit und Stabilität sowie zur Entwicklung einer neuen globalen Architektur für digitale Zusammenarbeit betonen.

 

1. Eine inklusive digitale Wirtschaft und Gesellschaft aufbauen

„[1A] Wir empfehlen, dass bis 2030 jeder Erwachsene bezahlbaren Zugang zu digitalen Netzwerken und digitalen Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen hat, wodurch ein erheblicher Beitrag zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) geleistet würde.“

Das Ziel ist somit, dass jeder, auch derjenige mit Beeinträchtigungen, bis 2030 Zugang zum Internet hat. Dieses muss stabil, bezahlbar, schnell und in allen Sprachen verfügbar sein, da das Netz zum Einstiegspunkt für E-Commerce, Unternehmertum sowie für Bildungs- und Trainingsprogramme geworden ist. Der Zugang zum Internet kann digitale Kompetenzen ermöglichen und Menschen dabei helfen, sich im Laufe ihres Lebens umzuschulen und weiterzubilden. Vor allem in diesem Bereich kommt der digitalen Inklusion benachteiligter Gruppen eine Schlüsselfunktion zu, da sie Zugang zu bisher nicht ausgeschöpften Ressourcen für wirtschaftliches Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit bietet. Dazu gehört auch eine digitale Plattform für öffentliche Güter, auf der Datensätze gebündelt werden können – Daten, die Regierungen, Organisationen und der Zivilgesellschaft helfen können, sich besser auf Klimakatastrophen und ihre Folgen vorzubereiten, Städte beim Aufbau eines besseren Verkehrsnetzes unterstützen oder Behörden zeigen können, wie eine allgemeine und bezahlbare Gesundheitsversorgung zur Verfügung gestellt und anhaltende Ungerechtigkeit bekämpft werden kann.

 

2. Menschliche und institutionelle Kapazitäten entwickeln

„[2] Wir empfehlen die Einrichtung regionaler und digitaler Beratungsstellen, die Regierungen, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor dabei helfen, digitale Themen zu verstehen sowie Kapazitäten für die Zusammenarbeit im Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der digitalen Technologien zu entwickeln.“

Wie im Bericht der Hochrangigen Gruppe dargestellt, sollte die digitale Kooperation auf gemeinsamen Werten beruhen. Hierzu zählen Inklusion, Respekt, Menschenrechte, Völkerrecht, Transparenz und Nachhaltigkeit. Einige der großen Herausforderungen, mit denen Regulatoren, Konsumenten und Privatsektor gleichermaßen zu kämpfen haben, basieren auf fehlenden Ansatzpunkten für eine digitale Kooperation und den Austausch von Wissen. Erschwerend hinzu kommt das nur rudimentäre Verständnis der digitalen Technologien und ihrer Auswirkungen. In dieser Sache werden digitale Beratungsstellen die Regierungen, die Zivilgesellschaft und den Privatsektor in zweierlei Hinsicht unterstützen – digitale Themen zu verstehen und die Kapazitäten zu entwickeln, die sozialen sowie wirtschaftlichen Folgen der digitalen Technologien zu steuern. Die Stellen werden vor allem beim Abbau der digitalen Kluft, bei den Herausforderungen in der Frage der Kontrolle, beim Aufbau von Möglichkeiten sowie beim Einbezug von Talenten und Investitionen in die Infrastruktur helfen.

Die digitalen Beratungsstellen könnten zudem dabei helfen, Daten zu sammeln, bewährte Methoden zu teilen, Trends zu überwachen und Daten zu digitalen Richtlinien zur Verfügung zu stellen. Einige Regierungen und regionale Organisationen fordern diese Beratungsstellen bereits, da sie sehen, welche Vorteile diese bei der Entwicklung digitaler Richtlinien zur Kapazitätsentwicklung und bei der Erarbeitung tragfähiger Ansätze zu Investitionen in die IKT-Infrastruktur bieten. Eine Möglichkeit, diese Empfehlungen umzusetzen ist es, auf den vielen bereits bestehenden Initiativen zur digitalen Beratung auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene aufzubauen und somit den Kapazitätsaufbau sowie die gegenseitige Unterstützung im Bereich der Digitalpolitik nachhaltig auszubauen.

 

3. Menschenrechte und menschliches Handeln schützen

„[3A] Angesichts der Tatsache, dass die Menschenrechte auch in der digitalen Welt gelten, fordern wir den VN-Generalsekretär dazu auf, in allen Bereichen zu überprüfen, inwieweit bestehende Menschenrechtsvereinbarungen und -standards auf neu entstehende digitale Technologien übertragen werden können.“

Zum einen fordert die Hochrangige Gruppe dazu auf, angesichts der Tatsache, dass die Menschenrechte auch in der digitalen Welt gelten, in allen Bereichen zu überprüfen, inwieweit bestehende Menschenrechtsvereinbarungen und -standards auf neu entstehende digitale Technologien übertragbar sind. Zum anderen fordern sie Social-Media-Unternehmen dazu auf, mit Regierungen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsexperten auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, um die Sorgen über bestehende und potenzielle Menschenrechtsverletzungen zu verstehen und auf sie reagieren zu können. Außerdem schlagen sie vor, autonome, intelligente Systeme so zu entwerfen, dass sie etablierte Voreingenommenheiten nicht fortführen und die menschliche Verantwortung bewahren. Vor allem Entscheidungen über Leben und Tod sollten nicht an Maschinen delegiert werden. Der VN-Generalsekretär selbst hat zu einem Verbot tödlicher autonomer Waffensysteme aufgerufen.

Beispiele: Es sollten Standards und Prinzipien der Transparenz und Anti-Diskriminierung zu entstehenden Technologien vereinbart werden. Bedenken sind hier unter anderem, dass KI-Entscheidungssysteme diskriminierende Voreingenommenheiten pflegen könnten, wie etwa jene, dass Algorithmen zur Hautkrebserkennung bei Menschen mit dunkler Haut weniger effektiv sind oder ein Ausschluss von Akzenten und Sprachen durch Spracherkennungstools stattfindet.

Digitale Sicherheit und Stabilität sind essenziell, um menschliches Wohlergehen sicherzustellen und die Steigerung nachhaltiger Entwicklung zu gewährleisten.

 

4. Digitale Sicherheit, Stabilität und Vertrauen fördern

„[4] Wir empfehlen den Entwurf einer weltweiten Verpflichtungserklärung zu digitaler Sicherheit und digitalem Vertrauen, um eine gemeinsame Vision zu gestalten, die Eigenschaften digitaler Stabilität zu bestimmen, über die Einführung von Normen für eine verantwortungsvolle Technologienutzung aufzuklären und diese zu stärken sowie Handlungsprioritäten vorzuschlagen.“

Dies ist vor allem deshalb wichtig, da die digitale und die physische Welt immer mehr miteinander verschmelzen. Wie bewahren wir unsere gemeinsamen Werte, Prinzipien und Übereinkünfte in einer Zeit wie dieser? Wie können wir verhindern, dass Vertrauen und Stabilität durch verantwortungslosen Gebrauch von Cyberressourcen abgeschwächt werden? Digitale Sicherheit und Stabilität sind essenziell, um menschliches Wohlergehen sicherzustellen und die Steigerung nachhaltiger Entwicklung zu gewährleisten. Der Appell für einen universalen Zusammenschluss zur Förderung von digitalem Vertrauen auf globaler Ebene ist daher hochaktuell. Hierbei kann auf zahlreiche bereits bestehende, aber untereinander unvernetzte Initiativen in diesem Feld zurückgegriffen werden. Hinzu kommt, dass die Einbeziehung aller relevanten Stakeholder notwendig ist, um effektive und wirksame Ergebnisse zu erzielen. Neben Regierungen müssen also auch weitere Hauptakteure aus der Technologiebranche und der Zivilgesellschaft hinzugezogen werden. Die Hochrangige Gruppe sieht in diesen kollektiven Bestrebungen die Möglichkeit, mittels vereinbarter Normen gesellschaftliche Kapazitäten zur Cybersicherheit und Widerstandsfähigkeit gegen Fehlinformationen aufzubauen und Unternehmen zu ermutigen, die Authentifikationspraktiken zu verstärken und transparenter zu machen.

 

5. Weltweite digitale Zusammenarbeit

„[5A] Wir empfehlen, dass der VN-Generalsekretär einen agilen und offenen Gesprächsprozess zur Entwicklung aktualisierter Mechanismen für die weltweite digitale Zusammenarbeit ermöglicht und das 75-jährige Jubiläum der VN 2020 mit einer ‚Weltweiten Vereinbarungserklärung zur digitalen Zusammenarbeit‘ zur Wahrung gemeinsamer Werte, Prinzipien, Verständnisse und Ziele für eine bessere digitale Kooperationsarchitektur markiert.“

Die internationale Zusammenarbeit zu digitalen Themen steckt noch in den Kinderschuhen.

In der Nachbereitung des Berichts hat der Generalsekretär den Wunsch geäußert, die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe mit Mitgliedstaaten und interessierten Akteuren zu besprechen. In diesem Zusammenhang werden Multistakeholder überregionale Round-Table-Gespräche mit Mitgliedstaaten, VN-Behörden, der Zivilgesellschaft, Experten und anderen relevanten Akteuren zur Umsetzung der Empfehlungen zu führen haben. Die in diesen Gesprächen präsentierten Beiträge sowie die in den Expertenrunden erarbeiteten Vorschläge werden in einen Aktionsplan einfließen, den der Generalsekretär im Frühjahr 2020 vorstellen wird.

 

Digitale Zusammenarbeit im 75. Jahr der Vereinten Nationen

2020 feiert die Welt das 75-jährige Jubiläum der Vereinten Nationen. Die Geschichte der VN ist eine Geschichte der internationalen Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Privat-sektor, NGOs und internationalen Organisationen. Als globale Gemeinschaft stehen wir heute – bedingt durch digitale Technologien – vor Fragen und Herausforderungen zu Sicherheit, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Doch leider befindet sich die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen. Durch das Wiederaufleben der Geopolitik und der Rivalitäten zwischen Großmächten ist zudem der Multilateralismus unter Beschuss, obwohl wir ihn gerade jetzt besonders brauchen. Die VN möchten ihr 75-Jähriges Jubiläum dazu nutzen, im bisher größten globalen Gespräch („The Future We Want“) zu den aktuellen turbulenten Zeiten aufeinander zuzugehen, einander zuzuhören und voneinander zu lernen. Es liegt an uns, die Technologie und die digitale Zusammenarbeit als einen kritischen Teil dieses Gesprächs anzusprechen.

Aus den Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe entwickelte der Generalsekretär drei Vorschläge die er beim Internet Governance Forum (IGF) 2019, das vom 25. bis 29. November in Berlin stattfand, vorstellte:

Erstens regte er an, das IGF zu einer Institution auszubauen. Entstanden ist es aus dem Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (World Summit on the Information Society), der umfassendsten, ausführlichsten und integrativsten Debatte zur Zukunft der Informationsgesellschaft. Im November 2005, während der zweiten Phase des WSIS, wurde das IGF ins Leben gerufen und sollte den Weg für internationale Diskussionen zu Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit, Sicherheit, Stabilität und Entwicklung des Internets ebnen. 2020 braucht das IGF umsetzbare Ergebnisse und eine stärkere Einbeziehung junger Menschen, Frauen, Parlamentarier, Unternehmer und unterrepräsentierter Länder.

Zweitens schlug er vor, die Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe zur digitalen Zusammenarbeit, vor allem zu der Möglichkeit einer weltweiten Verpflichtungserklärung zur digitalen Sicherheit und zum digitalen Vertrauen, allen Regierungen, Branchen und weltweiten Institutionen vorzustellen und diese zur aktiven Mitarbeit einzuladen. Dieses Engagement sollte zudem auf der genannten Verpflichtungserklärung, basierend auf den gemeinsamen globalen Normen für den Cyberspace sowie der Pionierarbeit der Übereinkommen von Paris und Christchurch, aufbauen. Ihr Ziel soll sein, die Welt zusammenzubringen, um sich auf eine Vision für das 21. Jahrhundert zu einigen, die eine gerechtere, zugänglichere und gemeinsame digitale Zukunft zum Ziel hat.

Drittens und letztens wollte er sich als Generalsekretär persönlich zum Erfolg dieser Initiativen sowie zur Ernennung eines Technologiegesandten verpflichten, der mit Regierungen, Branchen und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten und dabei helfen soll, die gemeinsamen Bemühungen weiterzuentwickeln und eine gemeinsame digitale Zukunft zu fördern, die den Menschen an oberste Stelle setzt. Dies ist wichtig für die VN, wenn sie der Welt dabei helfen will, Kooperationsinitiativen für die digitale Zusammenarbeit aufzubauen, um die Nutzung digitaler Technologien zu optimieren und Risiken sowie Schäden zu minimieren. Wenn alle miteinander vernetzt sind, wird ein bemerkenswerter Fortschritt zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung durch digitale Technologien zu registrieren sein.

 

Eine bessere digitale Kooperation für eine bessere nachhaltige Entwicklung

In der heutigen komplexen digitalen Welt sehen wir enorme Vorteile der digitalen Technologien, die in den nächsten Jahren eine immer größere Rolle in der nachhaltigen Entwicklung spielen werden: vor allem in Bereichen wie Bildung und Gesundheitswesen, aber auch beim Handel, bei der Lebensmittelsicherheit, Energieeffizienz und beim E-Government. Natürlich erleben wir auch Risiken und Herausforderungen bei der schnellen Entwicklung dieser Technologien, vor allem bei den Themen Sicherheit, Vertrauen, Privatsphäre, Menschenrechte, Elektromüll und CO2-Emissionen – etwa durch technische Aspekte wie die Interoperabilität.

Diese Herausforderungen können nicht länger von einzelnen Organisationen oder Ländern bewältigt werden. Stattdessen hängt die Antwort auf diese von der Kooperation zwischen verschiedenen Gruppen, Bereichen, Interessenvertretern und Ländern ab.

2020 und im Rahmen des 75-jährigen Jubiläums der VN gelangten dieser Prozess und die Geschichte der Menschheit an einen kritischen Punk. Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Wenn du schnell vorankommen willst, geh allein. Wenn du weit kommen möchtest, geh mit anderen.“ Mit Blick auf unsere digitale Zukunft nehmen die VN diese Herausforderung sehr ernst und entwerfen eine Vision, die die digitale Zusammenarbeit verstärkt und die Welt dabei unterstützt, die Vorteile der digitalen Technologien hervorzuheben und gleichzeitig die Risiken zu minimieren. Dies kann nur durch eine weltweite Zusammenarbeit aller Akteure im IKT-Ökosystem – Regierungen, Privatsektor, Unternehmen, akademische Welt, NGOs und internationale Organisationen – realisiert werden. Wenn wir wirklich eine Zukunft aufbauen wollen, die unseren Wünschen entspricht, müssen wir uns zusammenfinden, um sicherzustellen, dass die Technologie als eine Kraft für das Gute und für alle eingesetzt wird.

 

– übersetzt aus dem Englischen –

 


 

Fabrizio Hochschild ist Untergeneralsekretär und Sonderberater des Generalsekretärs bei den Vereinten Nationen. Er befasst sich mit digitaler Zusammenarbeit und der Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der VN.

 


 

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