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Elizabeth Frantz, Reuters.

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Den traditionellen Internationalisten gehen in den ­USA die Unterstützer aus

Der Appetit auf „Nation Building“ und eine Rolle als ­„Welt­polizist“ ist den US-Amerikanern vergangen – die ­Probleme im eigenen Land wachsen ihnen über den Kopf. Ihren weltweiten Führungsanspruch verteidigen die ­USA trotzdem, entweder mit „aufgeklärtem Nationalismus“ oder „America First“. Europa sollte sich zur Vorbereitung auf die Zeit nach der nächsten Präsidentschaftswahl nicht nur mit Donald Trump beschäftigen.

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Donald Trump, einer der wohl umstrittensten US-Präsidenten aller Zeiten, geht erneut ins Rennen. Nach den Kongresswahlen am 8. November hat der 76-jährige angekündigt, bei den Präsidentschaftswahlen 2024 erneut als Kandidat antreten zu wollen. Die eigenen Anhänger jubeln, die politischen Gegner sind entsetzt. In Europa werden Befürchtungen einer neuerlichen „Eiszeit“ laut.

Während seiner vier Jahre im Weißen Haus hat Präsident Donald Trump die transatlantischen Beziehungen auf einen Tiefpunkt manövriert – die Schäden wären damals bei einer Fortsetzung seiner Präsidentschaft nach Ansicht vieler Beobachter irreparabel gewesen. Die Trump-Administration hatte sich einseitig aus internationalen Abkommen und der Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen verabschiedet. Handelsstreitigkeiten wurden von den USA mit Importzöllen beantwortet, verbündete Staaten per Twitter brüskiert und autokratische Machthaber umgarnt. Das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Vereinigten Staaten lagen in vielen Ländern der Welt in Trümmern. Die Deutschen waren nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov Ende 2019 sogar der Meinung, Donald Trump sei ein größeres Risiko für den Weltfrieden als Russlands Präsident Wladimir Putin oder der chinesische Staatschef Xi Jinping. Während 41 Prozent der Befragten den damaligen US-Präsidenten als besonders gefährlich ansahen, waren nur acht beziehungsweise sieben Prozent der Meinung, Putin oder Xi würden den Frieden am stärksten bedrohen.

Nachdem Präsident Biden den Amtseid abgelegt hatte, stieg das Ansehen der USA auch in Deutschland erheblich. Längst verfestigt sich aber die Befürchtung, dass Donald Trump mehr sein könnte als eine schmerzhafte Episode im Verhältnis zu den USA. Bereits seit Monaten vergeht in Washington kein Gespräch über die transatlantischen Beziehungen, ohne dass die politischen Gäste aus Deutschland ihren US-amerikanischen Ansprechpartnern wenigstens am Schluss mit sorgenvoller Miene noch schnell die Frage stellen: „Kommt Trump wieder ins Weiße Haus?“

Obwohl sein Twitter-Konto @realDonaldTrump Anfang Januar 2021 nach dem Sturm auf das Kapitol „dauerhaft suspendiert“ wurde, steht der Ex-Präsident spätestens seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine wieder im Rampenlicht. Dabei war über Monate hinweg nicht einmal klar, ob Trump bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut kandidieren würde. Auf zahllosen Kundgebungen hatte er seinen begeisterten Anhängern nur andeuten müssen, für die Republikaner „vielleicht“ wieder ins Rennen zu gehen schon brach der Jubel los! Die Süddeutsche Zeitung verwies im Sommer darauf, dass der Ex-Präsident, „so unglaublich das klingen mag“, an jedem Tag durchschnittlich eine Viertelmillion US-Dollar an Spenden einsammle. „Sollte Trump in absehbarer Zeit seine Präsidentschaftskandidatur für 2024 erklären, wäre sie ihm wohl nicht mehr zu nehmen“, konstatierte das Blatt Ende August.

Dass Trump seit Monaten wieder in aller Munde ist, zeigt, wie unsicher, ablehnend und verständnislos nicht nur die politischen Gegner im eigenen Land, sondern auch der überwiegende Teil der ausländischen Verbündeten der USA einem möglichen Comeback des Ex-Präsidenten bereits entgegenblicken. Gleichzeitig verstellt der Fokus auf die Person und den Politikstil des Ex-Präsidenten den Blick auf eine ganze Reihe anderer Probleme: So ist es, trotz der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den westlichen Verbündeten auf einer ganzen Reihe an Politikfeldern, naiv anzunehmen, dass unter einer von den Demokraten gestellten US-Regierung neue Auseinandersetzungen im transatlantischen Verhältnis gänzlich ausgeschlossen sind. Jedenfalls haben sich viele außenpolitische Prioritäten der USA von Trump zu Biden in der Sache grundsätzlich deutlich weniger verändert, als es den Anschein haben mag. Die Auseinandersetzung mit China ist dafür ein Beispiel. Auch die jetzige Administration knüpft ihr Wohlwollen und ihre Kooperationsbereitschaft überdies an ganz bestimmte Erwartungen und Leistungen. Der Wunsch nach „Verlässlichkeit“ bei der Bewältigung internationaler Herausforderungen ist und bleibt keine Einbahnstraße.

Die Biden-Administration konnte es sich nicht leisten, alle Festlegungen der Vorgängerregierung über Bord zu werfen.

Schon der Begriff „Trumpism“ greift als Etikett für alle Konflikte im transatlantischen Verhältnis außerdem zu kurz. Er suggeriert durch seine Fixierung auf ein Individuum, dass die US-Politik mit dem republikanischen Präsidenten auf allen Feldern eine Kehrtwende vollzogen habe und zuvor keine Probleme bestanden hätten. Natürlich markierte dessen Amtszeit schon deshalb eine Zäsur, weil Trump Forderungen nach „America First“ oder einem „Austrocknen des (politischen) Sumpfes“ („drain the swamp“) in einem Maße und einer unsäglichen Art und Weise Gehör verschafft hat wie keiner seiner Vorgänger. Aber erstens waren das keine neuen Parolen und zweitens wird „Trumpism“, um bei dem Begriff zu bleiben, die politische Auseinandersetzung in den USA auch dann prägen, wenn dessen Namensgeber nicht wiedergewählt werden sollte. Es macht – bei allen Unwägbarkeiten – also Sinn, sich nicht nur mit dem Ex-Präsidenten zu beschäftigen, sondern mit Positionen und Trends in der Bevölkerung insgesamt und insbesondere innerhalb der Republikanischen Partei. Der Politologe Torben Lütjen, bis 2020 Visiting Associate Professor an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, bemerkte mit Blick auf Trump zu Recht, „indem wir uns so ungeheuer auf ihn fokussiert haben, haben wir bisweilen übersehen, dass er nur das Symptom, nicht die Ursache vieler Probleme ist“. Sollte statt Donald Trump ein anderer republikanischer Präsidentschaftskandidat ins Weiße Haus einziehen, müsste sich das Ausland insofern wohl auf sehr ähnliche Prioritäten einstellen. Trotz ihrer von allen Seiten mit Aufatmen aufgenommenen Rückbesinnung auf eine professionelle und respektvolle Zusammenarbeit mit den Verbündeten konnte es sich auch die Biden-Administration angesichts der innenpolitischen Anforderungen und der Kräfteverhältnisse im Kongress nicht leisten, alle Festlegungen der Vorgängerregierung über Bord zu werfen.

 

Biden-Administration: Keine Garantin für endlose Flitterwochen

Obwohl viele Kandidatinnen und Kandidaten für wichtige Regierungs- und Botschafterposten erst nach Monaten vom Senat bestätigt wurden und daraufhin endlich ihre Arbeit aufnehmen konnten, hat die Biden-Administration gleich nach dem Amtsantritt damit begonnen, die Risse im transatlantischen Verhältnis zu kitten. Strittige Themen, darunter im Verhältnis zu Deutschland der Weiterbau und Betrieb der Gaspipeline Nord Stream 2, wurden ausgespart, andere Konflikte am Verhandlungstisch zumindest vorläufig beigelegt. Die US-Regierung lässt auch keinen Zweifel daran, dass sie mit ihren Sanktionen gegen Russland und ihrer milliardenschweren Unterstützung für die Ukraine seit Ausbruch des Krieges in engster Abstimmung und im völligen Einvernehmen mit den europäischen Verbündeten agiert.

Doch auch die Biden-Regierung berücksichtigt die Handlungszwänge ihrer Verbündeten nur unter der Voraussetzung, dass sich die Partner nach Kräften einbringen. „Wenn unsere Verbündeten ihren gerechten Anteil an der Last tragen, werden sie vernünftigerweise erwarten, dass sie bei Entscheidungen ein Mitspracherecht haben. Wir werden das honorieren“, versprach US-Außenminister Antony Blinken zwei Monate nach dem Amtsantritt. Wer umgekehrt keinen „gerechten Anteil“ erbringt, kann also nicht erwarten, überall mitreden zu dürfen.

Eine kaum zu überschätzende Verbesserung ist natürlich, dass die Biden-Administration jetzt mit den Verbündeten auch für ergebnisoffene Abstimmungsprozesse wieder vertrauensvoll an einem Tisch sitzt, wenn daraus Vorteile erwachsen (könnten), die mit einseitig verhängten Maßnahmen nicht zu erzielen wären. Dafür ist der US-EU Trade and Technology Council (TTC) ein gutes Beispiel. Wenn jedoch eine umfängliche Einbindung aller Beteiligten entweder hinsichtlich des damit verbundenen Zeitaufwands oder der angestrebten Ergebnisse den eigenen Interessen zuwiderläuft, agiert auch die Biden-Regierung notfalls im „Alleingang“.

So erzeugen die auch nach mehr als einem Jahr nur teilweise bekannten Details über den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan keineswegs den Eindruck, dass Washington dabei in engster Abstimmung mit den Partnerländern stand. Und als im September 2021 zwischen den USA, Australien und Großbritannien die neue trilaterale Sicherheitspartnerschaft AUKUS für den Indopazifik verkündet wurde, fiel die französische Regierung aus allen Wolken. Im Rahmen des Bündnisses soll Australien atomar angetriebene U-Boote von den USA erhalten – Frankreich war damit als Lieferant vom Tisch. Der mit Paris schon 2016 unterzeichnete milliardenschwere Vertrag zur Lieferung von zwölf französischen U-Booten wurde von der australischen Regierung nur Stunden nach Bekanntgabe des AUKUS-Bündnisses aufgekündigt. Präsident Biden räumte zur Schadensbegrenzung ein: „Was wir getan haben, war ungeschickt und nicht sehr elegant.“

Außenpolitisch traf Trump mit seiner brachialen Haltung fast durchgängig den Geschmack seiner Anhängerinnen und Anhänger.

Beim diesjährigen Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sollte es unter anderem um Lösungen für Flüchtlingsbewegungen gehen; einige der davon in Zentral- und Südamerika betroffenen Länder saßen aber nicht mit am Tisch. Die USA – erstmals seit dem Auftakttreffen 1994 wieder Gastgeber der Zusammenkunft – hatten Kuba, Nicaragua und Venezuela die Teilnahme verwehrt. Kolumbiens damaliger Präsident Iván Duque unterstützte die Entscheidung: „Ich denke, dass keine Diktatur am Gipfel der Amerikas teilnehmen sollte.“ Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador blieb dem Spitzentreffen aus Protest hingegen fern. Auch Honduras, El Salvador, Guatemala, Bolivien und Uruguay fehlten in Los Angeles. Im Ergebnis habe die US-Administration den „improvisierten“ Gipfel streng nach innen- und parteipolitischen Zwängen ausrichten müssen, argumentierte William Neuman in The Atlantic: „Hätte Biden Kuba, Nicaragua und Venezuela eingeladen, wäre in Florida und im Kongress die Hölle los gewesen.“

 

US-Bevölkerung: Kriegsmüde und zur Hälfte „Jeffersonian“

Auch Trump hat als Präsident nicht im luftleeren Raum agiert. Innenpolitisch hat er die Coronapandemie und deren beispiellose Auswirkungen zu lange unterschätzt. Außenpolitisch traf der Republikaner mit seiner brachialen Haltung selbst gegenüber verbündeten Staaten aber fast durchgängig den Geschmack seiner Anhängerinnen und Anhänger. Die Hoffnung des Auslands, dass Trump an seinem Amt wachsen würde, hatte sich nach dessen Regierungsantritt rasch als Trugschluss erwiesen. Stattdessen blieb der Republikaner während seiner gesamten Amtszeit (und darüber hinaus bis heute) kontinuierlich im Wahlkampfmodus und hat genau das gesagt und gemacht, was die eigene Klientel von ihrem Präsidenten erwartete.

Die Erwartung an ein größeres Engagement der Europäer zur Verteidigungsbereitschaft war auch unter den Demokraten verbreitet.

Allenfalls hinter vorgehaltener Hand räumen politische Gegner ein, dass Trump mit so mancher außenpolitischen Forderung in der Sache grundsätzlich einen Punkt getroffen habe. „Deutschland“, so der damalige Präsident 2018 in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung, „wird vollständig von russischer Energie abhängig werden, wenn es nicht sofort seinen Kurs ändert. Hier in der westlichen Hemisphäre sind wir verpflichtet, unsere Unabhängigkeit vor den Übergriffen expansionistischer ausländischer Mächte zu bewahren.“ Die Reaktionen des internationalen Publikums bei der UN-Vollversammlung sind unter den Anhängern Trumps nicht vergessen. Dean Karayanis erinnerte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: „Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben (damals) gelacht. Heute erfahren sie, wie recht er (Trump) hatte, denn sie zahlen einen hohen Preis dafür, dass sie die Warnung nicht beachtet haben.“ Längst vergessen ist natürlich, dass Trump sich noch 2015 im Wahlkampf zu der Behauptung verstieg, Wladimir Putin „wird nicht in die Ukraine gehen, OK, nur damit Sie es verstehen. Er wird nicht in die Ukraine gehen, in Ordnung? Sie können es aufschreiben. Sie können es abhaken.“ Dass der Republikaner seine Bestrebungen des „Great again“, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2020 bei der Münchner Sicherheitskonferenz ausdrückte, „notfalls auch auf Kosten der Nachbarn und Partner“ betreibe, hat die loyalen Trumpisten ohnehin nie bekümmert.

Aber auch Biden war immer gegen Nord Stream 2 und eine zu große Abhängigkeit Europas von Energieimporten aus Russland. 2014 war er US-Vizepräsident, als die NATO-Mitgliedstaaten bei ihrem Gipfel in Wales überdies das Verteidigungsausgabenziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts beschlossen. Im selben Jahr hatten russische Spezialtruppen ohne Rang- und Hoheitsabzeichen strategisch wichtige Punkte auf der Krim besetzt. Eine kritische Haltung gegenüber Russland und die Einforderung eines größeren finanziellen Engagements der Europäer zur Verteidigungsbereitschaft waren mithin auch unter den Demokraten verbreitet. Im Wahlkampf fragte Trump 2016: „Warum handeln andere Länder, die sich in der Nähe der Ukraine befinden, nicht? Warum sind wir immer derjenige, der den potenziellen Dritten Weltkrieg mit Russland anführt?“ Zumindest die zweite Frage stellten sich schon damals auch viele Progressive, nicht nur mit Blick auf Russland, sondern hinsichtlich des weltweiten militärischen Engagements der USA. Dieser Trend hat sich seit 2016 fortgesetzt.

Kurz nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan im Sommer 2021 veröffentlichte die Eurasia Group Foundation (EGF) die Ergebnisse einer Umfrage, nach der Militärinterventionen unter Führung der USA zur Beendigung von Menschenrechtsverletzungen unter den Anhängern der Demokratischen Partei zunehmend skeptisch gesehen werden. Stattdessen stieg die Unterstützung dafür, dass internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen die Führung übernehmen, allein zwischen 2020 und 2021 um fast 30 Prozent. Unter den Republikanern fiel die Zustimmung für humanitäre Interventionen des US-Militärs im gleichen Zeitraum sogar um 32 Prozent.

Knapp ein Drittel der Befragten sprach sich bei der Umfrage dafür aus, die Zahl der in Europa, Asien und im Nahen Osten stationierten US-Truppen beizubehalten oder zu erhöhen und dort auch in Zukunft eine erhebliche Verantwortung für die regionale Sicherheit zu übernehmen. Deutlich größer (42,3 Prozent) war jedoch die Zahl derer, die eine Verringerung der im Ausland stationierten Truppen und eine sukzessive Übertragung der regionalen Sicherheitsverantwortung auf die Verbündeten befürwortete. Etwa ein Viertel der Befragten hatte keine Meinung dazu.

Für junge US-Amerikaner im Alter zwischen 18 und 29 Jahren ist die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels (33,2 Prozent) ohnehin deutlich wichtiger als militärische Unterstützung (7,2 Prozent). Aus dieser Bevölkerungsgruppe vertraten immerhin 45 Prozent der Befragten die Ansicht, „Frieden lässt sich am besten dadurch erreichen, dass der Fokus auf die Bedürfnisse im Inland und die Gesundheit der amerikanischen Demokratie“ gerichtet wird.

In ihren Erläuterungen zu den Umfrageergebnissen unterteilt die EGF die Befragten in vier Gruppen: „Traditionelle Internationalisten“, die sich zur militärischen wie diplomatischen Lösung globaler Probleme für ein starkes Engagement und eine enge Zusammenarbeit mit anderen Ländern aussprechen; „Globale Botschafter“, die zwar eine enge diplomatische Zusammenarbeit mit dem Ausland befürworten, ein militärisches Primat hingegen ablehnen und die US-Truppenpräsenz im Ausland reduzieren wollen; „Hard Power Primacists“, nach denen die Vereinigten Staaten ihre weltweite Militärpräsenz und ihre Sicherheitsverpflichtungen beibehalten, dafür jedoch die diplomatische Zusammenarbeit in multilateralen Organisationen und die Einbindung in internationale Abkommen reduzieren sollten; sowie als vierte Gruppe die „Echten Isolationisten“. Letztgenannte lehnen sowohl ein militärisches als auch diplomatisches Engagement ab. Sie sprechen sich dafür aus, dass sich die USA auf der Weltbühne insgesamt weniger einbringen sollten.

Während „Wilsonians“ sich für die weltweite Förderung von Demokratie einsetzen, wollen „Jeffersonians“ sie primär im eigenen Land festigen.

Die größte Gruppe innerhalb der US-Bevölkerung sind nach der Umfrage die „Globalen Botschafter“ (39,3 Prozent), gefolgt von den „Traditionellen Internationalisten“ (32,7 Prozent). 17,5 Prozent dürfen sich zu den „Echten Isolationisten“ zählen, und gut ein Zehntel darf als „Hard Power Primacists“ gelten. Anders sieht das Bild aus, wenn man die vier Gruppen danach gewichtet, welche Partei von den Befragten gewählt wird. Demnach darf sich die Hälfte der Demokraten zu den „Globalen Botschaftern“ zählen. Unter den Republikanern vertreten hingegen nur 18 Prozent diese außenpolitische Linie. Stattdessen können fast 26 Prozent der Konservativen als „Echte Isolationisten“ gelten. Isolationistische Positionen werden bei den Demokraten wiederum nur von 7,6 Prozent vertreten. Gleichzeitig ist der Anteil der „Hard Power Primacists“ bei den Wählerinnen und Wählern der Demokratischen Partei verschwindend gering (2,8 Prozent). In den Reihen der Republikaner finden sich – neben der vergleichsweise hohen Zahl an Isolationisten – immerhin 26,1 Prozent, für die außenpolitisch das US-Militär den Ton angeben sollte.

 

Abb. 1: Haltung der US-amerikanischen Bevölkerung zum internationalen Engagement ihres Landes

Haltung der US-amerikanischen Bevölkerung zum internationalen Engagement ihres Landes

Quelle: Hannah, Mark / Gray, Caroline / Robinson, Lucas 2021: Inflection Point: Americans’ Foreign Policy Views After Afghanistan, Eurasia Group Foundation, 09/2021, S. 14, in: https://bit.ly/3TsEpQz [29.08.2022].

 

Nach einer etwas anderen Klassifikation dürfen die traditionellen Internationalisten der vergangenen drei Jahrzehnte auch als „Wilsonians“ bezeichnet werden, weil sie sich ganz im Geiste des ehemaligen Präsidenten Woodrow Wilson für die weltweite Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie für die Verbreitung amerikanischer Werte einsetzen. „Jeffersonians“ (benannt nach Ex-Präsident Thomas Jefferson) wollen die Demokratie statt auf der Weltbühne vor allem im eigenen Land festigen und verteidigen. Donald Trump passt in keine der beiden Kategorien; Joe Biden ist zumindest insofern kein „Wilsonian“, als „Nation Building“ auf der Grundlage amerikanischer Werte für den US-Präsidenten nach eigener Aussage „nie einen Sinn ergeben“ hat. Bereits 2003 sprach er von einem „aufgeklärten Nationalismus“ der sich in der US-Außenpolitik widerspiegeln müsse, und von einem „nachhaltigen Engagement für die Ausbreitung der liberalen Demokratie – nicht, indem sie von außen aufgezwungen wird, sondern indem sie von innen aufgebaut wird“ Die US-Bevölkerung scheint nach der Umfrage der EGF inzwischen jedenfalls fast zur Hälfte aus „Jeffersonians“ zu bestehen, für die es jetzt erstmal um die eigene Demokratie geht.

 

Konservative Wähler: Traditionelle Prägung verblasst

Die Wahlkampfstrategie der Konservativen wird vom Republican National Committee koordiniert. Ein Mitglied des Gremiums sagte kürzlich im Gespräch, drei Gruppen seien für einen Wahlsieg ausschlaggebend: die Unternehmer, die Evangelikalen und die Trump-Anhänger. Republikanische Kandidatinnen und Kandidaten, die 2024 bei der Präsidentschaftswahl eine Chance haben wollen, müssten wenigstens zwei dieser Gruppen mehrheitlich hinter sich versammeln. Natürlich gibt es viele republikanische Wählerinnen und Wähler, die sich in zwei oder alle drei Schubladen einsortieren lassen. Hilfreicher zum Verständnis der parteiinternen Lager kann deshalb die Typologie des Pew Research Center in Washington von 2021 sein, die hier stark vereinfacht dargestellt wird.

 

Abb. 2: Politische Typologie der Anhänger der Republikanischen Partei

Politische Typologie der Anhänger der Republikanischen Partei

Quelle: Pew Research Center 2021: Beyond Red vs. Blue: The Political Typology, 09.11.2021, in: https://pewrsr.ch/3e9HVzr[29.08.2022].

 

Die für Trump wohl wichtigste Gruppe sind die „Glaubens- und Flaggenkonservativen“. Sie markieren 23 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner, 14 Prozent aller Wählerinnen und Wähler (2020) und zehn Prozent der US-Bevölkerung. Sie sind sehr bis extrem konservativ, überwiegend religiös (mehr als 40 Prozent Evangelikale) und älter (ein Drittel älter als 65 Jahre; nur acht Prozent jünger als 30 Jahre). 85 Prozent sind Weiße („non-Hispanic White“), fast 60 Prozent Männer. 39 Prozent leben auf dem Land. Aus dieser Gruppe sagen drei Viertel – und damit mehr als in jeder anderen politischen Gruppe –, ein starkes US-Militär sei in den internationalen Beziehungen wichtiger als Diplomatie. Fast 70 Prozent sind überzeugt, die USA stünden „über allen anderen Ländern in der Welt“. Auch dieser Wert ist höher als in den sonstigen Milieus. „Kompromisse“ seien „eigentlich nur ein Ausverkauf dessen (…), woran man glaubt“, meinen 53 Prozent. In keiner anderen Gruppe hat Donald Trump größere Unterstützung gefunden. Die Hälfte dieser Gruppe meint, er sei der beste Präsident der vergangenen 40 Jahre gewesen. 55 Prozent möchten, dass der Republikaner 2024 erneut antritt. 86 Prozent sind davon überzeugt, Trump sei 2020 „wahrscheinlich“ oder „mit Sicherheit“ der tatsächliche Wahlsieger gewesen. Neben der „Progressiven Linken“, dem äußeren Spektrum auf der demokratischen Seite, sind die „Glaubens- und Flaggenkonservativen“ von allen Gruppen politisch am stärksten engagiert. Ihre Wahlbeteiligung lag 2020 bei 85 Prozent und damit deutlich über dem landesweiten Durchschnitt. Die Spendenbereitschaft ist in dieser Gruppe höher als in allen anderen republikanischen Milieus. Politische Themen werden regelmäßig in den Medien verfolgt. Die ausschließliche oder hauptsächliche Quelle ist für fast 75 Prozent Fox News. Fast 80 Prozent meinen, die politische und juristische Aufarbeitung des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 finde zu viel Aufmerksamkeit. Einzig die „Glaubens- und Flaggenkonservativen“ sind mehrheitlich der Auffassung, dass die Täter zu hart bestraft würden.

Die „Engagierten Konservativen“ sind, wenn man so will, die „traditionellen“ Republikaner alter Prägung. Sie stellen 15 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner, neun Prozent aller Wählerinnen und Wähler (2020) und sieben Prozent der US-Bevölkerung. Die Gruppe teilt die politischen Kernpositionen der Grand Old Party (GOP) seit der Zeit von Präsident Ronald Reagan: unternehmerfreundlich, für freien Handel und niedrige Steuern, gegen zu weitreichende staatliche Befugnisse. In der Außenpolitik befürwortet die Gruppe eine enge diplomatische Zusammenarbeit mit den Verbündeten und gleichzeitig einen ausreichenden militärischen Einfluss. 68 Prozent sind der Meinung, dass die USA in der Außenpolitik die Interessen ihrer Partnerländer berücksichtigen sollten. Dem Thema Einwanderung stehen die „Engagierten Konservativen“ etwas weniger kritisch gegenüber. 49 Prozent halten Reagan für den besten Präsidenten der vergangenen 40 Jahre, Trump kommt „nur“ auf 35 Prozent. Vier von zehn wollen, dass der Immobilienmilliardär 2024 erneut zur Wahl antritt. Auch diese Gruppe ist politisch sehr engagiert: Die Wahlbeteiligung war 2020 überdurchschnittlich hoch. 42 Prozent informieren sich regelmäßig über politische Themen (im Vergleich zu 34 Prozent aller US-Erwachsenen). 80 Prozent in dieser Gruppe sind Weiße, zehn Prozent sind Hispanics. Der Anteil der Asiaten (drei Prozent) und der Schwarzen (ein Prozent) ist verschwindend gering. Knapp 60 Prozent sind Männer und rund ein Drittel ist über 65 Jahre alt. Unter den verschiedenen Gruppen der Republikaner haben die „Engagierten Konservativen“ das höchste Bildungsniveau und das höchste durchschnittliche Einkommen. Anders als in allen anderen republikanisch orientierten Gruppen sagen zwei Drittel, Impfungen seien das beste Mittel zum Schutz gegen COVID-19.

Fast ebenso wichtig wie die eingangs erwähnte konservativste Gruppe ist für Donald Trump die „Populistische Rechte“. Dieses Milieu markiert 23 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner, zwölf Prozent aller Wählerinnen und Wähler (2020) und elf Prozent der US-Bevölkerung. Die Hälfte der „Populistischen Rechten“ fordert nicht nur ein Ende der illegalen, sondern auch der legalen Einwanderung. Eine Besonderheit in dieser Gruppe ist die lautstarke Kritik am US-amerikanischen Wirtschaftssystem: 82 Prozent sagen, große Konzerne hätten einen negativen Einfluss auf das Land, etwa die Hälfte befürwortet höhere Steuern für Wohlhabende und Unternehmen. Fast 90 Prozent finden überdies, die Regierung sei „fast immer verschwenderisch und ineffizient“. In dieser Gruppe sind 85 Prozent Weiße. Nur circa 20 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Im Unterschied zu den anderen Gruppen stellen hier mit 54 Prozent jedoch die Frauen die Mehrheit. Die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe entsprach 2020 dem landesweiten Durchschnitt. 70 bis 80 Prozent glauben, dass Trump die Wahl „mit Sicherheit“ oder „wahrscheinlich“ gewonnen habe. Fast 60 Prozent wollen, dass der Republikaner erneut antritt. Das Einkommensniveau entspricht dem Durchschnitt der US-Bevölkerung insgesamt. Das Gleiche gilt für das Interesse an Medieninformationen über politische Themen. Fox News ist für 64 Prozent der „Populistischen Rechten“ die hauptsächliche oder einzige Informationsquelle unter insgesamt 26 abgefragten Medienangeboten. 53 Prozent dieser Gruppe sind Protestanten, weitere 27 Prozent evangelikale Protestanten. Der Anteil der voll gegen COVID-19 Geimpften ist in dieser Gruppe (analog zu den „Glaubens- und Flaggenkonservativen“) deutlich geringer als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. 60 Prozent der „Populistischen Rechten“ befürworten Kandidatinnen und Kandidaten, die öffentlich die Meinung vertreten, Trump habe die Wahl 2020 gewonnen.

Die Gruppe der „Gestressten Zaungäste“ ist bei sozialen Themen eher konservativ, in ökonomischen Fragen aber links eingestellt.

Zur „Ambivalenten Rechten“ gehören immerhin 18 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger der Republikaner, neun Prozent aller Wählerinnen und Wähler (2020) und zwölf Prozent der US-Bevölkerung. Diese Gruppe ist vor allem in sozialen Fragen (legale Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehen, legale Einwanderung) moderater als die zuvor genannten Gruppen. Ein Viertel hat 2020 für Joe Biden gestimmt. Die Gruppe ist jünger – 63 Prozent sind unter 50 Jahre – und auch weniger weiß als die anderen: 17 Prozent sind Hispanics, acht Prozent Schwarze und fünf Prozent Asiaten. Überdies ist sie weniger religiös. Das Einkommen und das Ausbildungsniveau entsprechen dem landesweiten Durchschnitt. Bei den „Ambivalenten Rechten“ sind 63 Prozent nicht damit einverstanden, dass Donald Trump „noch viele Jahre lang eine wichtige nationale politische Persönlichkeit“ bleibt. Fast ebenso viele – und damit mehr als in allen anderen republikanischen Milieus – sind davon überzeugt, Präsident Biden habe die Wahl 2020 rechtmäßig gewonnen. Die Gruppe ist politisch aber deutlich weniger engagiert als die anderen: Nur 55 Prozent gingen 2020 zur Wahl. Die „Ambivalente Rechte“ ist auch weniger als andere an der Medienberichterstattung über politische Themen interessiert. Zwar ist für diese Gruppe ebenfalls Fox News die hauptsächliche Nachrichtenquelle; daneben werden aber stärker als in allen anderen Gruppen auch sonstige Medienangebote konsumiert.

Zuletzt die „Gestressten Zaungäste“ (Stressed Sideliners): Anders als die „Ambivalente Rechte“, die viele traditionelle republikanische Positionen vertritt, ist diese Gruppe bei sozialen Themen zwar eher konservativ, in ökonomischen Fragen aber progressiv – in Deutschland würde man sagen: links – eingestellt. Drei Viertel sind beispielsweise für eine Erhöhung des Mindestlohns; 83 Prozent meinen, das Wirtschaftssystem würde „die Mächtigen unfair bevorzugen“. Sowohl das Ausbildungsniveau als auch das Einkommen ist in dieser Gruppe niedriger als im landesweiten Durchschnitt. 56 Prozent sind Frauen; der Anteil der Weißen liegt unter 60 Prozent, dafür sind die Hispanics mit 21 Prozent, Schwarze mit zehn Prozent und Asiaten mit fünf Prozent stärker vertreten. Die Republikaner und die Demokraten „teilen“ sich diese Gruppe. 2020 hat von den „Gestressten Zaungästen“ knapp die Hälfte für Biden, die andere für Trump gestimmt. Die Bezeichnung der Gruppe hängt mit dem vergleichsweise niedrigen Durchschnittseinkommen zusammen. Gleichzeitig handelt es sich um die Gruppierung mit der niedrigsten Wahlbeteiligung (2020: 45 Prozent). Aus dieser Gruppe verfolgen überdies weniger als 20 Prozent regelmäßig die politische Berichterstattung in den Medien. 15 Prozent der US-Bevölkerung zählen zu den „Gestressten Zaungästen“. 2020 kamen immerhin zehn Prozent aller Wählerinnen und Wähler aus dieser Gruppe. Die Republikaner rechnen 15 Prozent ihrer Anhängerinnen und Anhänger dazu, die Demokraten 13 Prozent. Weitere sechs Prozent der republikanischen Anhänger verteilen sich nach der Typologie des Pew Research Centers hinsichtlich ihrer Werte und Einstellungen auf Gruppen, deren Mitglieder hauptsächlich der Demokratischen Partei angehören.

Republikaner „alter Schule“ werden sich im parteiinternen Wettbewerb gegenüber der „Populistischen Rechten“ reichlich verbiegen müssen.

Der prozentuale Anteil der jeweiligen Gruppen an der Gesamtanhängerschaft der Grand Old Party mag sich innerhalb der vergangenen Monate verschoben haben; im Kern bilden die verschiedenen Gruppierungen aber die Kräfteverhältnisse unter den Parteimitgliedern und Anhängern ab. Diese Strömungen entscheiden, welcher Kandidat und welche Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2024 die besten Chancen auf eine Nominierung hat.

 

Republikanische Partei: Treueschwüre und Truppenaufbau

Klar ist, dass überzeugte „Wilsonians“ und traditionelle „Reagan-Republikaner“ bei den Vorwahlen keine Aussicht auf Erfolg haben dürften: Ihre wichtigste Klientel, die „Engagierten Konservativen“, stellt nur noch 15 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger. Wer in der „Populistischen Rechten“ (23 Prozent) Zustimmung finden will, muss sich bei der Einwanderungspolitik von der traditionell moderateren Ausrichtung der Partei verabschieden. Mehr noch: In wirtschaftlichen Fragen, beim Freihandel und bei der Unternehmensbesteuerung erwartet diese Gruppe politische Positionen, die bis zum Amtsantritt von Donald Trump eigentlich nur vom politischen Gegner im „progressiven“ (linken) Lager besetzt wurden. Republikaner „alter Schule“, die sich im parteiinternen Wettbewerb mit dem Ex-Präsidenten um eine Nominierung für 2024 bewerben, müssten sich gegenüber der „Populistischen Rechten“ also reichlich verbiegen. Die politisch ebenfalls stark engagierten und spendenfreudigen „Glaubens- und Flaggenkonservativen“ (23 Prozent) haben 2020 praktisch ausnahmslos für Trump gestimmt. Die Hälfte dieser sehr bis extrem Konservativen hält Trump aber weiterhin nicht für den besten Präsidenten der vergangenen vier Jahrzehnte. Der Anteil derer, die sich ein Comeback des Ex-Präsidenten wünschen, ist in dieser Gruppe geringer als bei der „Populistischen Rechten“. Klar ist darüber hinaus, dass die Republikaner für einen Sieg bei der Präsidentschaftswahl in zwei Jahren vor allem in den entscheidenden Swing States auch auf die Stimmen der schwarzen und hispanischen Bevölkerungsminderheit angewiesen sind. Hier gilt es, bei den Vorwahlen zur Nominierung allen voran die „Ambivalenten Rechten“ (18 Prozent) zu überzeugen und zur Stimmabgabe zu motivieren. Im Unterschied zu den „Glaubens- und Flaggenkonservativen“ ist diese Gruppe nicht der Auffassung, dass die USA kompromisslos über allen anderen Ländern der Welt stehen sollten.

Angesichts dieser zwar zunehmend von stark konservativen und populistischen Strömungen dominierten, aber keineswegs homogenen republikanischen Landschaft muss man sich fragen, warum Donald Trump in den eigenen Reihen über lange Zeit gar nicht oder nur von ganz wenigen Abweichlern offen kritisiert worden ist. Der Grund ist, dass nicht nur die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft und die zwischen Republikanern und Demokraten bereits seit vielen Jahren zunimmt, sondern der Machtkampf zwischen den moderaten und sehr konservativen Lagern auch innerhalb der Republikanischen Partei lange vor dem Wahlsieg des Ex-Präsidenten begonnen hat. Strömungen im Sinne von: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!“, finden unter den Anhängerinnen und Anhängern der Republikaner spätestens seit dem Aufkommen der Tea-Party-Bewegung 2009 starke Verbreitung. Trump hat sich das zunutze gemacht; „Trumpism“ gibt dieser Linie einen Namen.

So skandierten radikale Trump-Anhänger „Stop the Steal!“ („Stoppt den Diebstahl!“) ja nicht erst, als sie im Januar 2021 das Kapitol stürmten. Ursprünglich richtete sich der mit dem Slogan erhobene Vorwurf des Wahlbetrugs auch nicht gegen Joe Biden oder die Demokraten. Stattdessen zogen die loyalen Fans Trumps damit zu Beginn gegen die eigenen Reihen zu Felde. „Stop the Steal!“ war bereits im Wahlkampf 2016 eingeführt worden. Die Zielscheibe war Trumps gefährlichster parteiinterner Konkurrent Ted Cruz. Mit wilden Behauptungen, dieser habe die Vorwahlen in Colorado gestohlen, sollte damals eine mögliche Nominierung des texanischen Senators verhindert werden.

Als Donald Trump 2016 die Wahl gewonnen hatte, kam er ohne eigene „Truppen“ nach Washington. Das soll nicht noch einmal passieren.

Zuletzt waren selbst unter den „klassischen“ Republikanern („Engagierte Konservative“) gut 60 Prozent der Auffassung, Donald Trump dürfe von gewählten Amtsträgern öffentlich nicht kritisiert werden. Unter den „Glaubens- und Flaggenkonservativen“ und den „Populistischen Rechten“ war 2021 diese Auffassung mit 75 bis 80 Prozent sogar noch deutlich stärker verbreitet. Selbst in der Gruppe der „Gestressten Zaungäste“ äußerte nur knapp die Hälfte Verständnis für offene Kritik am Ex-Präsidenten. Die einzige republikanische Gruppe, in der eine Mehrheit kein Problem damit hatte, dass Trump von einem Parteifreund oder einer Parteifreundin verbal angegriffen wird, war die „Ambivalente Rechte“. Nicht nur Donald Trump verlangt unbedingte Loyalität; auch die Wählerinnen und Wähler lehnten Abweichler in den eigenen Reihen mithin ab. Offene Kritik oder gar erklärte (parteiinterne) Gegnerschaft bedeutete bisher mit großer Sicherheit das Ende der politischen Karriere. Da half es auch nicht, im Kongress ansonsten verlässlich fast alle politischen Positionen der Republikanischen Partei mitgetragen zu haben. Liz Cheney, die wohl prominenteste Trump-Kritikerin, ist dafür das beste Beispiel. In Wyoming wurde die Kongressabgeordnete bei den Vorwahlen in diesem Jahr geradezu abgestraft. Sie unterlag der von Donald Trump unterstützten, bis jetzt eher unbekannten Harriet Hageman deutlich. Es dürfte wenig überraschen, dass eine kontroverse programmatische Diskussion über die verschiedenen parteiinternen Lager hinweg in diesem Klima bisher nicht geführt werden konnte.

Stattdessen wird im Hintergrund bereits seit Monaten intensiv daran gearbeitet, die aus Sicht Donald Trumps und seiner engsten Weggefährten wohl größte Schwachstelle des Ex-Präsidenten auszubügeln: Als er zur Überraschung fast aller Beobachter 2016 die Wahl gewonnen hatte, kam der politische Außenseiter ohne eigene „Truppen“ nach Washington. Das soll nicht noch einmal passieren, weshalb schon jetzt treue Anhänger wie Mark Meadows, Jeffrey Clark und Russ Vought eifrig passende Namen für eine mögliche neue Trump-Administration sondieren. Neue Akteure wie die Organisation American Moment stehen im Kontakt mit Universitäten und den Büros republikanischer Senatoren und Abgeordneter, um Studenten und jüngere Kongressmitarbeiter für die Zeit nach der Präsidentschaftswahl 2024 als Nachwuchskräfte einer neuen Regierung aufzubauen. Wer „lockere Grenzen, Freihandelsabsolutismus“ und „außenpolitisches Abenteurertum“ befürwortet, passt eher nicht ins Anforderungsprofil. „Jahrzehntelang stagnierte die amerikanische Rechte unter einem alten Konsens“, meint American Moment. Dahin würden die Konservativen „nicht zurückgehen“.

Wie beispielsweise, fragte im Juni Danielle Pletka vom American Enterprise Institute in diesem Kontext, werde sich die Republikanische Partei im Falle eines „chinesischen Angriffs zur Verteidigung Taiwans“ verhalten? „Werden die Isolationisten auf der linken und rechten Seite tatsächlich die Macht haben, den Kurs zu steuern?“ Pletka verneint die Frage, aber der Teufel stecke sprichwörtlich im Detail: „Sanktionen gegen China würden die republikanische Basis hart treffen und die Kosten für grundlegende Güter noch weiter in die Höhe treiben.“ Im Hudson Institute verwies Mike Pompeo darauf, dass er in seiner Heimatgemeinde oft gefragt werde, ob die USA in den Krieg in der Ukraine einbezogen sein sollten? Er antworte dann: „Wir sind nicht die Weltpolizei.“ Im gleichen Atemzug erläuterte der frühere US-Außenminister, der noch immer „stolz“ ist, unter Donald Trump „in einer einzigartigen Administration gedient“ zu haben: Mit seiner Unterstützung für die Ukraine „stärkt Amerika seine eigene Sicherheit, ohne eigene Soldaten in den Kampf zu schicken“. Wenn Menschen für ihre eigene Freiheit kämpften, müssten die USA zur Unterstützung bereit sein. Jedoch sollten sie „nie wieder den Krieg eines anderen Landes führen“, bekräftigte Pompeo. International dürften die USA die Freiheit im eigenen Interesse also auch künftig verteidigen. Aber die Verbündeten müssen sich auch selbst schützen können. Karin von Hippel, Generaldirektorin des sicherheitspolitischen Royal United Services Institute in Großbritannien, riet den Europäern, „weniger selbstgefällig“ zu sein. Denn schon bald könne „Trump oder ein Politiker wie er“ wieder die Präsidentschaft übernehmen. Die NATO-Verbündeten müssten sich deshalb „eine Welt vorstellen, in der die USA nicht die ganze Zeit präsent sind“.

 


 

Paul Linnarz ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für die USA in Washington, D.C.

 


 

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