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Ein Urteil ist wichtig – die Durchsetzung noch viel wichtiger!

von Dr. Franziska Rinke, Pierre Szczepanik

Die regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe im Vergleich

Der internationale Menschenrechtsschutz hat in den letzten 60 Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt vor allem die Unterwerfung von Staaten unter die Rechtsprechung internationaler Menschenrechtsgerichtshöfe. Das Bestehen von Gerichtshöfen alleine reicht für den Erfolg jedoch nicht aus. Menschen kommen nur zu ihrem Recht, wenn Urteile auch ordnungsgemäß und vollständig umgesetzt werden. Der folgende Beitrag beleuchtet die unterschiedlichen Mechanismen zur Umsetzung und Implementierung der Urteile der drei existierenden internationalen Menschenrechtsgerichtshöfe.

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Blickt man allein auf die Entwicklungen in den letzten 100 Jahren hat sich im Bereich Menschenrechtsschutz viel getan. Mit den Schrecken der Gräueltaten aus zwei Weltkriegen im Hinterkopf erlangten die Menschenrechte internationale Bedeutung. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR), erster regionaler Gerichtshof dieser Art, wurde im Jahr 1959 zur Verteidigung und Durchsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) aus der Feder des Europarats von 1950 gegründet. Erst 20 Jahre später, also im Jahr 1979, wurde der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) mit dem Ziel gegründet, die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) von 1969 zu flankieren. Weitere 27 Jahre vergingen, bis der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker (AGMR) 2006 seine Arbeit zur Verwirklichung der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, der sogenannten Banjul-Charta von 1981, aufnahm. Initiativen zur Umsetzung eines asiatischen Pendants sind bisher gescheitert. All diese regionalen Gerichtshöfe verfolgen das Ziel der grenzübergreifenden Etablierung fundamentaler Menschenrechte durch die Konzentrierung von Kompetenzen und die Standardisierung von Prinzipien und Normen. Versagt der Menschenrechtsschutz im eigenen Land, bleibt für Menschen in Europa, Lateinamerika und Afrika als letzter Hoffnungsanker der Gang zum jeweiligen Menschenrechtsgerichtshof.

Allein der Blick auf die Entstehungsgeschichten zeigt die ganz unterschiedlichen Entwicklungsstände der Gerichtshöfe. Sichtbar wird dies auch beim Vergleich der anhängigen Verfahren und der gefällten Urteile. Der EGMR hat mit dem mit Abstand größten Arbeitspensum zu kämpfen. 17.000 Fälle erreichen den Gerichtshof pro Jahr.

Für Urteile der Menschenrechtsgerichtshöfe gilt ebenso wie für nationale Urteile, dass Rechtsfrieden nur entstehen kann, wenn die Durchsetzung der Urteile überwacht und sichergestellt wird. Dazu haben die Gerichtshöfe ganz unterschiedliche Mechanismen entwickelt. Es lohnt sich einen Blick darauf zu werfen, wie die Gerichte mit diesem komplexen Feld umgehen.

 

Tabelle 1: Anzahl der Verfahren und Urteile an Menschenrechtsgerichtshöfen 2018

https://www.kas.de/documents/259121/8115469/rinke_tabelle_01_DE.svg/eacf724c-2de9-a0c4-3bfc-9a9ffd5ec1d2?t=1579787694013

Quellen: Ministerkomitee 2018: Jahresbericht 2018, S. 52, 167; EGMR 2018: Jahresbericht 2018, S. 63; IAGMR 2018: Jahresbericht 2018, S. 46, 62, 63, 65, 66, 90 – 92; AGMR 2018: Jahresbericht 2018, S. 5 – 55

 

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Der EGMR mit Sitz in Straßburg sprach 1961 sein erstes Urteil. Die 47 Vertragsstaaten verpflichten sich, endgültige Urteile des EGMR zu befolgen, in denen sie beteiligt sind. Stellt der EGMR eine Verletzung der Konvention fest, kann er eine konkrete Entschädigungszahlung festlegen. Daneben ist der betreffende Staat zur Beseitigung der Folgen und zur Wiedergutmachung verpflichtet. Gleichzeitig muss der Staat dafür sorgen, dass vergleichbare Konventionsverletzungen in Zukunft unterbleiben. Wie dies allerdings konkret geschieht, liegt in der Kompetenz des jeweiligen Staates. Der Staat hat also eine Wahl bei der Art und Weise der Urteilsumsetzung. Die Überwachung obliegt dem Ministerkomitee. Im Ministerkomitee sitzt jeweils ein Vertreter aller Mitgliedstaaten des Europarates. Viermal im Jahr steht die Überwachung der Umsetzung von Urteilen auf der Tagesordnung des Ministerkomitees. Wirksamkeit und politischer Druck können vor allem dann erhöht werden, wenn Urteile wiederholt auf der Tagesordnung stehen und erörtert werden. Das oberste Prinzip des Überwachungsverfahrens ist der ständige Austausch und Dialog, was sich auch aus der Natur der Urteile ergibt. Die Hauptaufgabe des Durchsetzungsverfahrens ist es, die betroffenen Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, die Ursachen der im Urteil festgestellten Verstöße und mögliche Maßnahmen zu deren Beseitigung zu identifizieren. Zwang im Sinne einer echten „Vollstreckung“ kann nicht angewendet werden. Die Mitgliedstaaten sind dazu aufgerufen, innerhalb von sechs Monaten nachdem das Urteil gefällt wurde, einen Aktionsplan und, sobald dieser Plan vollständig umgesetzt wurde, einen Aktionsreport vorzulegen. Nach Ablauf der sechsmonatigen Frist werden in der Regel Erinnerungsnachrichten an die Verantwortlichen geschickt. Erfolgt anschließend weiterhin keine Reaktion, kann das Ministerkomitee in Erwägung ziehen, erneut den EGMR mit der Frage zu befassen, ob die Parteien ihren Verpflichtungen zur Umsetzung der Urteile nachgekommen sind. Nach einer etwaigen Anhörung vor dem Gerichtshof kann dieser seine Urteile auslegen und zusätzliche Maßnahmen anordnen. Erst wenn das Ministerkomitee davon überzeugt ist, dass das Urteil vollständig umgesetzt ist, wird das Überwachungsverfahren durch eine Zweidrittelmehrheit mit einer final resolution beendet.

Trotz der hohen Zahl abgeschlossener Fälle erschweren diverse Probleme die Durchsetzung der EGMR-Urteile. Verschiedene Interessen der im Ministerkomitee vertretenen Delegierten führen innerhalb der Arbeitsgruppen zu praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der geeigneten Maßnahmen. Durch die hohe Fluktuation bei den Delegierten entstehen ungleiche Diskussionsebenen, deren Ergebnisse oft unvorhersehbar sind. Darüber hinaus ist das europäische Rechtssystem mit seinem abstrakten Ansatz offen für Interpretationen, wodurch die tatsächliche Bedeutung der Urteile nicht selten unklar bleibt. Aus diesem Grund wurde durch das 2010 in Kraft getretene 14. Zusatzprotokoll zur EMRK eine neue Kompetenz des Gerichtshofs eingeführt. Auf Antrag des Ministerkomitees ist er nunmehr berechtigt, seine eigenen Urteile auszulegen. Dies ist mit Blick auf nationale Verfahrensordnungen äußerst ungewöhnlich, denn üblicherweise kann sich ein Gericht nach Rechtskraft eines Urteils nicht noch einmal mit dem gleichen Fall befassen. Weitere grundlegende Schwierigkeiten bereiten offen formulierte Normen, fortlaufende Veränderungen von Richtlinien und praktischer Handhabung sowie die Komplexität der vorherrschenden Gemengelage. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung ging der EGMR im Jahr 2004 dazu über, seine Schlussfolgerungen in sogenannten pilot judgments deutlich präziser zu fassen und dabei das Ermessen des Staates in der Umsetzung der Urteile deutlich zu reduzieren. Dabei sucht sich der Gerichtshof, soweit er eine größere Zahl an strukturell ähnlich gelagerten Fällen mit denselben Problemen ausmacht, einen oder mehrere sogenannte Pilotfälle heraus, welche stellvertretend für alle bearbeitet werden. Die so erarbeiteten Lösungen dienen der Orientierung für gleichgelagerte Sachverhalte und damit auch der Prävention. Die betroffenen Staaten sollen ihr zukünftiges Verhalten danach ausrichten. Dadurch verringert sich einerseits das Arbeitspensum des Gerichtshofs, indem die Fälle vorab gelöst werden und somit den Gerichtshof gar nicht erst erreichen; andererseits kann er den Fokus auf andere Pilotfälle richten, insofern weitere Verfahren beschleunigen und schneller Rechtsfrieden herstellen.

 

Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte

Gegenwärtig haben sich 20 Staaten den Entscheidungen des IAGMR mit Sitz in San Jose (Costa Rica) unterworfen. Im Gegensatz zum EGMR üben die gewählten Richter eine Teilzeittätigkeit gegen eine Aufwandsentschädigung aus. Der Gerichtshof prüft Verstöße, sowohl gegen die Amerikanische Menschenrechtskonvention (IAKMR) als auch gegen andere Menschenrechtskonventionen, soweit sie sich mit dem interamerikanischen Rechtssystem vereinbaren lassen. Im Unterschied zum europäischen System können Einzelpersonen den IAGMR nicht direkt anrufen. Einzelpetitionen können nur gegenüber der Kommission der Organisation der Amerikanischen Staaten eingereicht werden, die dann an den IAGMR verweisen oder den Fall selbst erledigen kann. Befugt den IAGMR direkt anzurufen, sind lediglich die Kommission und die Vertragsstaaten.

Im Gegensatz zum europäischen System überwacht kein unabhängiges Organ, sondern der interamerikanische Gerichtshof selbst die Umsetzung der Urteile. Dabei wird immer wieder ein Umsetzungsdefizit beklagt. Mit Blick auf die weitreichenden Anordnungsmöglichkeiten in Urteilen sind die reinen Zahlen der abgeschlossenen Verfahren jedoch wenig aussagekräftig. Mag ein Urteil des IAGMR erst zu 60 Prozent umgesetzt sein, kann es doch viel weitreichender sein als ein abgeschlossenes und voll umgesetztes Verfahren im europäischen System. Es ist vielmehr ratsam, die Nichtumsetzung von Urteilen nicht an ihrer Quantität, sondern an ihrer Qualität zu messen.

Anders als der EGMR ist der IAGMR dazu befugt, eine Vielzahl von verschiedenen Reparationsmaßnahmen selbst anzuordnen, unter anderem materielle und immaterielle Entschädigung und Rehabilitierung. Nicht selten umfasst ein Urteil mehrere Anordnungen. Dies wirkt sich zwangsläufig negativ auf die Umsetzung der Urteile aus, weil durch ein einziges Urteil der komplette Staatsapparat in Bewegung gebracht werden kann. Die Verantwortung für die Umsetzung der Urteile hat zunächst der verurteilte Staat selbst. Innerhalb eines bestimmten Zeitraums legt dieser dem Gerichtshof einen Bericht über die fallbezogenen Aktivitäten zur Urteilsumsetzung vor. Ergibt dieser Bericht ein Defizit in der Umsetzung, kann der Gerichtshof gegenüber dem Staat weitere Anordnungen erlassen und Anhörungen an seinem Sitz oder im betroffenen Staat organisieren. Das Instrument der Anhörung der Staaten „vor Ort“ gibt es seit 2009 und wird seitdem vermehrt genutzt. Im Jahr 2018 hat der Gerichtshof sechs solcher auswärtigen persönlichen Anhörungen durchgeführt. Dabei diskutieren die Delegierten des Staates mit den Richtern in persönlichen, nicht öffentlichen Runden den Fortschritt ihrer Umsetzungsbemühungen. Letztere wiederum erläutern ihre Entscheidungen und unterbreiten Hilfestellungen, wie der Staat die getroffenen Anordnungen umsetzen kann. Eine 2015, speziell für die Überwachung der Durchsetzung von Urteilen, ins Leben gerufene Abteilung innerhalb des Gerichtshofs begleitet jedes Verfahren individuell bis zu seiner vollständigen Umsetzung; in vergleichbaren, denselben Staat betreffenden, Verfahren auch fallübergreifend. Hier wird am Ende auch entschieden, zu welchem Zeitpunkt ein Urteil als voll umgesetzt gilt. Dabei wird die Öffentlichkeit regelmäßig über die Geschehnisse informiert. Die Überwachung ist auf eine engmaschige Prüfung durch kontinuierlichen Austausch angelegt. Aus der Sicht des Gerichtshofs wird dadurch die Kontrolle über den Prozess erhöht, wodurch er in die Lage versetzt wird, schneller und effektiver auf Schwierigkeiten zu reagieren und die Verfahren voranzutreiben.

 

Afrikanischer Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker

Der jüngste der regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe ist in Arusha (Tansania) ansässig. Im Vergleich zu den anderen Gerichtshöfen befindet er sich auch 13 Jahre nach seinem Start noch am Anfang seiner Entwicklung. Von den 55 Staaten der Afrikanischen Union haben 30 das verbindliche Gründungsprotokoll unterzeichnet. Lediglich acht Staaten haben die, unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit wichtige, Zusatzerklärung über den Zugang von Einzelpersonen und NGOs ratifiziert. Der Mangel an Akzeptanz für den Gerichtshof spiegelt sich auch in der Umsetzung der bisher gesprochenen Urteile wider. Von den insgesamt 28 bis Ende 2018 verfassten Urteilen hat bisher nur Burkina Faso, also ein einziges Land, die Anordnungen des Gerichtshofs voll umgesetzt. Immerhin sieben Staaten haben die Umsetzung der Urteile zum Teil abgeschlossen.

Ein Grund für diese Diskrepanz ist die nicht eindeutig definierte Rolle des „Durchsetzers“. Artikel 29 Abs. 2 des Gründungsprotokolls des Gerichtshofs legt nahe, dass die Kommission der Afrikanischen Union die Durchsetzung der Urteile zu überwachen hat und sofern nötig den Gerichtshof um Unterstützung bittet. Strukturell ist damit eine Anlehnung an das europäische System vorgesehen. Es fehlt jedoch bis heute an gesetzlich fixierten Regeln, mit welchen Mitteln die Kommission das Verfahren begleiten könnte. Die Kommission hat bis dato kaum Anstrengungen unternommen. Dagegen hat der Gerichtshof selbst festgestellt, dass er viel eher in der Lage ist, den naturgemäß gegebenen Informationsvorsprung gegenüber der Kommission zu nutzen. Insofern hat er zunehmend die Initiative übernommen. Er fordert zunächst, wie auch der IAGMR, Berichte über den Stand der Umsetzung von den betroffenen Staaten ein. Zusätzlich kann er nicht-staatliche Institutionen um eine neutrale Beurteilung bitten. Ergeben sich daraus Probleme bei der Umsetzung, führt er in Anlehnung an die Praxis des IAGMR Anhörungen unter Beteiligung der betroffenen Staaten durch. Dabei kommentiert und interpretiert er für ein besseres Verständnis fortlaufend seine Entscheidungen. Vor dem Hintergrund der noch jungen Entscheidungspraxis des Gerichtshofs ist dieser Vorgang von besonderer Bedeutung, wohingegen der EGMR und der IAGMR auf eine jahrzehntelange Rechtsprechung zurückgreifen können. Bis zur vollständigen Umsetzung der Urteile haben die Staaten in regelmäßigen Abständen Statusberichte abzugeben, wobei fristgerechte Eingänge die Ausnahme sind. Die Fortschritte werden in einem öffentlich einsehbaren Aktivitätsreport festgehalten, der öffentlichen Druck erzeugen soll. Praktisch orientiert sich der afrikanische Menschenrechtsgerichtshof am interamerikanischen System, obwohl dies durch den vorliegenden Rechtsrahmen eigentlich nicht vorgesehen ist.

Mit Blick auf die zunehmenden Fallzahlen regte der Gerichtshof in seinem letzten Aktivitätsreport an, angelehnt an das europäische System, eine spezielle unabhängige Abteilung zur Überwachung innerhalb der Afrikanischen Union zu schaffen. Eine richtungsweisende Reaktion seitens der Kommission steht noch aus. Der afrikanische Gerichtshof kann sich jedoch nicht allein auf neue politische und gesetzgeberische Impulse verlassen. Er muss – so wie er es bereits im Rahmen seiner Möglichkeiten tut – den Dialog mit den Staaten suchen und für Akzeptanz und Umsetzung seiner Urteile werben.

 

Ausblick

Seit dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich die Verschriftlichung von Menschen- und Grundrechten wie ein Lauffeuer über den gesamten Globus. Nicht nur unter Juristen, sondern auch in Politik und Zivilgesellschaft war man sich einig, dass dies ein notwendiger Schritt zum Schutz vor menschenverachtenden Handlungen sein würde. Nach dieser Phase der Steigerung der Bedeutung des Menschenrechtschutzes hat sich das politische Klima jedoch geändert. Menschenrechtsschutz wird in vielen Staaten weltweit als Hindernis der politischen und wirtschaftlichen Interessen angesehen. Und auch Staaten, die bisher den internationalen Menschenrechtsschutz unterstützten, ziehen sich zurück. Einige Staaten sind dazu übergegangen, sich nach außen als „Verfechter der Menschenrechte“ zu inszenieren und die Gerichtshöfe und Urteile auf dem Papier anzuerkennen. Der weit weniger öffentlich beachteten Umsetzung der Urteile begegnen die Staaten dagegen nur halbherzig oder ignorieren sie vollständig. Sie torpedieren so die Funktionsfähigkeit der regionalen Menschenrechtssysteme insgesamt. Leider folgt dies einem Trend, der in allen multinationalen Organisationen zu verzeichnen ist.

Die regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe haben der mangelnden Umsetzung ihrer Urteile den Kampf angesagt. Neben der Etablierung geschriebener Regelungen und ihrer Verwirklichung ist ihr Erfolg jedoch entscheidend abhängig vom politischen Willen der betroffenen Staaten. Da politischer Wille nicht erzwungen werden kann, müssen die Gerichtshöfe ein besonderes Augenmerk auf die Wahl der richtigen Maßnahmen und Instrumente werfen. Die Rechtsordnungen greifen dabei unterschiedliche Ansätze auf. Dies lässt sich teils historisch, teils mit einem variierendem Level an Akzeptanz erklären. Ob der eine oder andere Ansatz der Effektivere ist, wird sich kaum feststellen lassen. Die Zahlen bestätigen die Wirksamkeit verschiedener Methoden. Über allem schwebt die Vermittlung von Vertrauen in ein System der Menschenrechte. Ohne ausreichende Akzeptanz gegenüber den Entscheidungen der Menschenrechtsgerichtshöfe kommen selbst die effektivsten Ansätze zur Bewältigung der Urteilsumsetzung wie ein zahnloser Tiger daher.

Der Vergleich der Arbeit der regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe bei der Durchsetzung von Urteilen zeigt einige Parallelen auf. Grundlegend ist die individuelle Betrachtung eines Falles. Gleiches gilt für die regelmäßige Evaluierung der erzielten Fortschritte. Dabei forcieren die Gerichtshöfe den persönlichen Austausch mit den verurteilten Staaten. Daraus ergeben sich vielfältige Berührungspunkte, die den Aufbau von Vertrauen und Akzeptanz befördern. Beeinträchtigt wird die Arbeit durch hohen Zeitdruck und die Kürzung finanzieller Mittel. Die Gerichtshöfe werden dadurch ihren eigenen Ansprüchen oftmals nicht gerecht. Dies bremst die Entwicklung von Akzeptanz nicht nur aus; es dürfte ihr auf Dauer sogar schaden.

Neben dem Dialog mit den Mitgliedstaaten ist darüber hinaus ein intensiverer Austausch der regionalen Menschenrechtsgerichtshöfe untereinander von enormer Wichtigkeit. Zwar muss die Wirksamkeit von Verfahren auch im regionalen Kontext betrachtet werden, doch muss das Rad nicht immer neu erfunden werden. Durch das Teilen von Best Practices und dem Erfahrungsaustausch hinsichtlich neuer Tools – sei es beispielsweise die Anhörungen vor Ort im lateinamerikanischen System oder die pilot judgements im europäischen System – kann eine schnellere Weiterentwicklung der Menschenrechtsschutzsysteme erreicht werden. Absichtserklärungen zur verstärkten Zusammenarbeit wie die im Oktober 2019 von den drei regionalen Menschenrechtsgerichtshöfen unterzeichnete Vereinbarung von Kampala sind daher zu begrüßen und ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nur durch einen zwischen den internationalen Gerichtshöfen abgestimmten „Multi-Ebenen-Schutz“ der Grund- und Menschenrechte wird es möglich sein, den wachsenden Herausforderungen für die Wahrung der Menschenrechte weltweit entgegenzutreten.

 


 

Dr. Franziska Rinke ist in der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Themen Rechtsstaatsdialog und Völkerrecht zuständig.

 

Pierre Szczepanik war von September bis November 2019 Rechtsreferendar in der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 


 

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