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Länderberichte

Spanien auf dem Rückweg in die Krise

von Dr. Wilhelm Hofmeister
Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez vereinbart mit den Linkspopulisten einen Haushaltsentwurf, der ihm den Verbleib im Amt zumindest bis 2020 sichert, aber das Land zurück in die Krise treibt.

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Schon gleich nach seiner Wahl im Rahmen eines konstruktiven Misstrauensvotums am 1. Juni hatte der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez deutlich gemacht, dass er so lange wie möglich im Amt bleiben will. Vor der Abstimmung hatte er zwar vorgezogene Wahlen in Aussicht gestellt. Doch zur Überraschung der Öffentlichkeit verkündete er nach seiner Wahl, möglichst bis zum formalen Ende der laufenden Legislaturperiode im Jahr 2020 im Amt bleiben zu wollen, obwohl seine eigene sozialistische Partei PSOE nur 84 von 350 Mandaten in der Abgeordnetenkammer hat und ihm die populistischen und nationalistischen Parteien, die ihn beim Misstrauensvotum wählten, keine dauerhafte Unterstützung versprachen. Doch nun hat sich Sánchez mit Pablo Iglesias, dem Vorsitzenden der populistischen Partei „Podemos“, auf den Entwurf eines Staatshaushalts für 2019 verständigt, zu dem beide auch die Zustimmung der Nationalisten aus Katalonien und dem Baskenland gewinnen wollen. Die Europäische Kommission muss dem Haushalt zwar auch noch “grünes Licht“ geben, doch nachdem sie in Vorgesprächen bereits eine Aufweichung der Sparziele zum weiteren Abbau des Defizits zugestand, wird sie den Entwurf jetzt kaum ablehnen können. Die Luftnummern, mit denen Sánchez und Iglesias die Finanzierung des sozialpolitischen Füllhorns schönrechnen, das sie in den nächsten Jahren über die Spanier ausschütten wollen, werden erst nach den Wahlen spürbare Konsequenzen zeigen. Bis dahin setzen beide darauf, dass ihre zahlreichen sozialen Leistungen die Zustimmungswerte für ihre Parteien deutlich verbessern werden. Diese Rechnung kann aufgehen. Doch es steht zu befürchten, dass diejenigen, die jetzt einige finanzielle und soziale Verbesserungen erhalten, schon in wenigen Jahren die Zeche wieder durch höhere Arbeitslosigkeit und beträchtliche Einschnitte teuer bezahlen müssen. Und auch von Europa wird dann möglicherweise ein Beitrag erwartet, um die Folgen des spanischen Sozial- und Finanzpopulismus abzufedern.

Ein turbulenter Beginn der Regierung Sánchez

Die ersten vier Monate der Regierung von Pedro Sánchez verliefen turbulent. Zwar machte der neue Ministerpräsident von Anfang an klar, dass er so lange als möglich im Amt bleiben will. Doch die fehlende Mehrheit in der Abgeordnetenkammer, ein Mangel an Konzepten und Projekten sowie auch einige Skandale, in die Regierungsmitglieder verwickelt sind, weckten die Erwartungen der Opposition und regierungskritischer Medien, dass er doch zur Ausrufung vorgezogener Neuwahlen gezwungen würde.

Nachdem Sánchez schon gleich im Anschluss an seine Wahl die bis dahin von ihm als dringend bezeichnete Reform der Finanzierung der Autonomen Gemeinschaften absagte, konzentrierte sich seine Regierung auf eher symbolische Maßnahmen und Ankündigungen, die zwar vorübergehend öffentlichkeits- und medienwirksam sind, aber praktisch wenig bewirken. Dazu gehört beispielsweise auch die angekündigte Umbettung des Leichnams des Diktators Francisco Franco aus dem „Valle de los Caídos“. Die Umsetzung dieses Vorhabens scheiterte bisher nicht nur an dem Widerstand dessen Familie, sondern auch an dem Mangel eines Konzeptes für den Umgang mit der Vergangenheitsbewältigung insgesamt. Die Franco-Familie will nun den Leichnam in ihre Privatkapelle der Krypta unter der Almudena-Kathedrale in Madrid umbetten. Franco würde dadurch wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhalten als im Valle de los Caídos. Die Grabstelle könnte sich für Anhänger und Gegner des Diktators zu einem Ort ständiger Auseinandersetzung entwickeln, was die Aufarbeitung der Vergangenheit – die in Spanien bisher ohnehin weitgehend ausgeklammert wurde - zusätzlich belastet. Offensichtlich fürchtet auch die Regierung eine solche Entwicklung und versucht nun die Verlegung des Leichnams in die Kathedrale noch zu verhindern.

Einige soziale Verbesserungen wie neue Regelungen bei der Gleichstellung der Frauen oder die Wiedereinführung des kostenlosen Gesundheitsdienstes für Flüchtlinge haben wenig konkrete Folgen und daher nicht für den Eindruck einer starken, handlungsfähigen Regierung gesorgt. Deren öffentliches Bild wurde dadurch noch getrübt, dass in den ersten 100 Tagen bereits der Kulturminister wegen einer Steuer- und die Gesundheitsministerin wegen einer Plagiatsaffäre ausgewechselt werden mussten. Auch die Justizministerin ist in einen alten Skandal verwickelt, der sie vielleicht ebenfalls zum Rücktritt zwingt. Zudem verwendet Ministerpräsident Sánchez seit Wochen große Anstrengungen darauf, die evidenten Vorwürfe abzuschmettern, er habe große Teile seiner Doktorarbeit ohne Verweis auf die Quellen abgeschrieben.

Mit den katalanischen Separatisten hat Sánchez zwar einen Dialogprozess begonnen, die Auszahlung eines Milliardenbetrags an diese Autonome Gemeinschaft veranlasst und neue Investitionen in Aussicht gestellt. Doch die nationalistischen Parteien wollen ihre Maximalforderung der staatlichen Unabhängigkeit nicht aufgeben, sodass Sánchez auch bei diesem Thema nicht weiterkommt und zunehmend von der Opposition wegen zu großer Nachgiebigkeit gegenüber den Separatisten kritisiert wird. Mehrere Auslandsreisen, die keine konkreten Ergebnisse oder Vereinbarungen, sondern schöne Bilder des Ministerpräsidenten bei gesellschaftlichen Ereignissen vermitteln, sollten von den misslichen Umständen seiner Regierung ablenken. Doch erst jetzt, mit der Vorlage und eventuellen Verabschiedung des Staatshaushalts kann Sánchez den politischen Spielraum gewinnen, den er bisher noch nicht hatte und der ihm den Verbleib im Regierungspalast bis 2020 sichern soll.

Ein Haushaltsentwurf des Sozial- und Finanzpopulismus

Am 11. Oktober, dem Vorabend des spanischen Nationalfeiertags, unterzeichneten Ministerpräsident Pedro Sánchez und der Vorsitzende von Podemos, Pablo Iglesias, eine Vereinbarung, die einerseits ein Abkommen über den Staatshaushalt für 2019, andererseits aber auch ein Pakt für eine längerfristige enge Zusammenarbeit zwischen den Sozialisten und den Linkspopulisten ist, die spätestens nach den Wahlen von 2020 in eine Koalition münden soll. Der Haushaltsentwurf sieht Mehrausgaben von 5,138 Mrd. € gegenüber dem im Mai verabschiedeten Haushalt der damaligen Regierung in Höhe von insgesamt 327,955 Mrd. Euro vor. Diese sollen im Wesentlichen durch die Anhebung verschiedener Steuern finanziert werden. Daraus werden Mehreinnahmen zwischen 5,678 Mrd. € (so die Schätzung der Regierung) und 7,240 Mrd. € (so die Schätzung von Podemos) erwartet. Dieser Haushaltsentwurf wurde nun der Europäischen Kommission zur Prüfung vorgelegt und soll dann – sofern Brüssel keine gravierenden Einwände hat – in den nächsten Wochen im Parlament verabschiedet werden.

Die wichtigsten Vereinbarungen des Haushaltsentwurfs sind auf der Seite der Ausgaben:

  • eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um 22% von derzeit 735,90 Euro auf 900 Euro im Monat, wofür im staatlichen Bereich Mehrkosten von über 340 Mio. € angesetzt sind;
  • eine Anhebung der Renten, einerseits durch die Anpassung an den Anstieg der Verbraucherpreise (IPC), was bereits im Haushaltsentwurf der Regierung Rajoy vorgesehen war (zusätzliche Staatsausgaben dafür: 704 Mio. €) und andererseits durch eine Anhebung der Mindestrenten um 3% (zusätzliche Staatsausgaben dafür: 384 Mrd. €); Kosten der Rentenanpassung insgesamt mehr als 1 Milliarde Euro;
  • eine Anhebung der Ausgaben für Stipendien in Höhe von 536 Mio. €;
  • die Einführung einer allgemeinen Gebührenfreiheit für die ersten drei Jahre der Grundschule einschließlich einer Lehrmittelfreiheit, wofür 300 Mio. € veranschlagt sind;
  • Verpflegungskosten für Kinder in Höhe von 25 Mio € als Beitrag zum Kampf gegen die Kinderarmut;
  • eine Anhebung der Zuwendungen für Wissenschaft und Forschung um 273 Mio. € (dies entspricht +6,7 %);
  • eine Anhebung der Zuwendungen für Forschungsprojekte um 85 Mio. € und für die Anstellung von Forschern um 39 Mio. €;
  • Ausgaben über 180 Mio. € für die Entwicklung eines Systems des bedingungslosen Grundeinkommens;
  • eine Anhebung der Lohnzuschüsse für ältere Arbeitnehmer durch die Absenkung des Anspruchsalters von 55 auf 52 Jahre (zusätzliche Ausgaben: 323 Mio. €);
  • eine Anhebung der Ausgaben, die durch die vorgesehene Ausdehnung des Elternurlaubs für Väter entstehen (zusätzliche Ausgaben: 300 Mrd. €);
  • Einführung eines Sozialbonus gegen die Energiearmut in Höhe von 50 Mio. €;
  • Förderung der Renovierung von Wohnungen für die Steigerung ihrer Energieeffizienz (zusätzliche Ausgaben: 400 Mio. €).

Diese Ausgaben sollen mit folgenden zusätzlichen Einnahmen finanziert werden:

  • eine Anhebung der Unternehmenssteuern (erwartete Mehreinnahmen: 1,7 Mrd. €);
  • eine Anhebung der Einkommenssteuer (erwartete Mehreinnahmen: 800 Mio. €);
  • eine Anhebung der Vermögenssteuer um 1 % (erwartete Mehreinnahmen: 600 Mio. €);
  • die Einführung einer Finanztransaktionssteuer für alle Banküberweisungen (erwartete Mehreinnahmen: 1 Mrd. €);
  • die Einführung einer Steuer für zu bestimmende digitale Leistungen (erwartete Mehreinnahmen: 1,2 Mrd. €);
  • Bekämpfung von Steuerbetrug (erwartete Mehreinnahmen: 900 Mio. €);
  • zusätzliche Einnahmen der Sozialversicherung infolge der Anhebung des Mindestlohns: 1,1 Mrd. €).

Als einzige Steuersenkung ist die Reduzierung des Mehrwertsteueranteils für Hygieneartikel von Frauen vorgesehen, wovon Mindereinnahmen über 60 Millionen Euro erwartet werden.

Neben dem Haushalt haben sich die Sozialistische Partei PSOE und Podemos noch auf eine Reihe weiterer Maßnahmen verständigt, die über den engeren Rahmen der Haushalts- und Fiskalpolitik hinausgehen, diese aber zum Teil auch berühren oder sogar mittelfristig nachhaltig beeinflussen werden.

Dazu gehört beispielsweise die rasche Verabschiedung des Gesetzes zur Angleichung der Bezahlung von Frauen und Männern, die vollständige Einbeziehung der Hausangestellten in die allgemeine Sozialversicherung bis 2021 oder die Bekämpfung einer Schein-Selbständigkeit von Arbeitnehmern, die nur für einen Arbeitgeber tätig sind, die dadurch eine Abgabenpflicht vermeiden.

Zu den neuen Vorhaben gehört auch eine Mietpreisbremse, die künftig von den Gemeinden erlassen werden kann, sowie weitere Einschränkungen der Rechte von Wohnungs- und Hausbesitzern und entsprechend eine Ausweitung der Mieterrechte.

Im Hinblick auf die politischen Absprachen ist insbesondere die nachhaltige Reform des von den linken und nationalistischen Parteien als "ley mordaza“ („Knebelgesetz“) geächteten „Gesetzes zur Sicherheit der Bürger (Ley de Seguridad Ciudadana) vorgesehen, das von der Regierung Rajoy 2015 im Alleingang durch das Parlament gebracht wurde und u.a. Einschränkungen beim Waffenbesitz sowie auch bei der Ausübung der Versammlungsfreiheit und der Meinungsfreiheit bestimmte. In seiner Bewerbungsrede vor dem Misstrauensvotum hatte Sánchez die Änderung dieses Gesetzes als dringend bezeichnet. Podemos und die nationalistischen Parteien werden sich sicherlich schnell auf eine Reform dieses Gesetzes verständigen und können dafür eventuell auch die Zustimmung der Ciudadanos-Partei erhalten, die Teile dieses Gesetzes ebenfalls wiederholt kritisierte.

Geändert werden soll auch das Gesetz über Majestätsbeleidigungen, die in Zukunft nicht mehr in bisheriger Härte geahndet werden sollen. Das ist eines der vielen Zugeständnisse von Sánchez an die Populisten von Podemos, die für die Abschaffung der Monarchie eintreten und den König – immerhin das Staatsoberhaupt - immer unverfrorener kritisieren und beleidigen. Am Nationalfeiertag des 12. Oktober hat der regionale Ableger von Podemos im Regionalparlament von Katalonien zusammen mit den dortigen Nationalisten einer Resolution zur Abschaffung der Monarchie zugestimmt. Die Sozialisten haben das kommentarlos hingenommen. Dadurch wird nicht zuletzt ein Klima zwischen den Parteien geschaffen, das der Zustimmung der Nationalisten zum Staatshaushalt förderlich ist.

Ein Haushaltskompromiss, der in die Krise führt

Gleich nach Bekanntwerden des Haushaltskompromisses zwischen Sánchez und Iglesias erhoben sich kritische Stimmen, die die bedenklichen Konsequenzen der Vereinbarung unterstrichen. Dass die konservativen Medien und die Volkspartei dem Ministerpräsidenten vorwerfen, er habe sich den Populisten ausgeliefert um seinen Hals zu retten, ist wenig verwunderlich. Auch dass der Unternehmerverband die Steuererhöhungen und die Anhebung des Mindestlohnes kritisiert, konnte erwartet werden. Zitiert sei hier aber ein Kommentar von Lorenzo Bernaldo de Quirós aus der Zeitung „El País“ vom 12. Oktober, weil diese Zeitung seit der Wahl von Sánchez die neue Regierung auffallend freundlich behandelt und selbst in der Plagiatsaffäre den Ministerpräsidenten verteidigte. „El Pais“ steht nicht im Verdacht, der Regierung schaden und die Opposition fördern zu wollen. Bernaldo de Quirós schreibt:

„Die Vereinbarung Regierung – Podemos bedeutet den Anfang vom Ende des expansiven Zyklus der spanischen Wirtschaft seit dem letzten Trimester 2013, verschärft den Abschwung und legt die Grundlage für eine neue Krise. Die Zusammensetzung der Haushaltspolitik durch eine Erhöhung der Steuern und der Ausgaben, hat niemals dazu geführt, das finanzielle Ungleichgewicht des öffentlichen Sektors zu reduzieren, sondern neue rezessive Phasen zu entfesseln.“

Dieser und andere Kommentatoren weisen darauf hin, dass die von der Regierung und Podemos vereinbarten Ausgabenerhöhungen sehr wahrscheinlich nicht durch zusätzliche Einnahmen in der in Aussicht gestellten Größenordnung gedeckt werden können. Die vorgesehenen opulenten zusätzlichen Einnahmen infolge der Steuererhöhungen sind reine Spekulation. Im Gegensatz dazu steht zu erwarten, dass die Haushaltsvereinbarungen nachhaltige negative Auswirkungen auf die Beschäftigung, die Einsparungen des öffentlichen Sektors und die Investitionen haben und entsprechend auch das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen werden. Auch die Vereinbarungen, die nicht unmittelbar oder nur teilweise die staatliche Ausgabenseite betreffen, werden negative Auswirkungen für die spanische Wirtschaft haben. Das gilt vor allem für die Anhebung des Mindestlohnes um 22%, die die Arbeit erheblich verteuert und vor allem die Arbeitsplätze und Arbeitsplatzchancen junger, ungenügend qualifizierter Arbeiter bedroht. Angesichts der ohnehin hohen Arbeitslosigkeit in Spanien von immer noch 15%, und der deutlich höheren Jugendarbeitslosigkeit, ist die Anhebung des Mindestlohns in Wirklichkeit ein Programm zum weiteren Abbau von Arbeitsplätzen. Die Rentenerhöhungen bedeuten eine zusätzliche Belastung der Sozialkosten, sodass schon bald die steuerlichen Zuschüsse für die Rentenkasse nur mit einer deutlich höheren Verschuldung zu finanzieren sein werden. Die Veränderungen im Mietrecht werden Neuinvestitionen eher stoppen als fördern und der wohnungsmarktpolitische Effekt wird zumindest verpuffen. Die Vereinbarungen zum Energiesektor werden wahrscheinlich einen Anstieg der Energiepreise zur Folge haben. Sind die Vorhaben der Regierung schon angesichts der nach wie vor schwierigen Situation in Spanien höchst problematisch, so gilt das erst recht mit Blick auf die verschiedenen Unwägbarkeiten des internationalen Umfelds. Insgesamt, hier noch einmal Bernaldo de Quirós, ist somit ''„die zwischen der Regierung und Podemos vereinbarte Strategie die schlechtest mögliche im ungünstigsten Moment.“''

Die Europäische Kommission muss diesen Haushaltsentwurf prüfen. Doch vor einigen Wochen hat die neue spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die bis zu ihrer Ernennung als Generaldirektorin für den EU-Haushalt in der Europäischen Kommission arbeitete, das Zugeständnis ihres vorherigen Arbeitgebers erhalten, dass Spanien das für 2018 vereinbarte Defizitziel von 2,2% des Sozialprodukts um einen halben Prozentpunkt überschreiten dürfe, sodass das Defizitziel auf 2,7% angehoben wurde. 2017 hatte Spanien mit 3,1% das höchste Defizit innerhalb der Europäischen Union. Aufgrund ihres Zugeständnisses bei der Anhebung der Defizitgrenze im laufenden Jahr und ihrer Flexibilität gegenüber den Haushaltsplanungen von Italien und Frankreich für 2019 wird die EU-Kommission nun kaum strengere Maßstäbe an Spanien anlegen können, zumal die spanische Regierung im Gegensatz zu Italien im Prinzip ihr Festhalten an der getroffenen Reduzierung des Staatsdefizits bekräftigt und die zusätzlichen Ausgaben nicht über Schulden, sondern über zusätzliche Steuereinnahmen finanzieren will. An der Absicht der Einführung neuer bzw. der Erhöhung bereits bestehender Steuern ist auch nicht zu zweifeln. Die Zweifel aber bestehen daran, ob sich die erwarteten Effekte tatsächlich einstellen werden. Doch die EU-Kommission wird die spanische Haushaltsplanung wohl kaum wegen vermeintlicher Luftnummern der Finanzplanung rundweg verwerfen können.

Ein Macht- und Koalitionsprojekt

Die Vereinbarung zwischen Pedro Sánchez und Pablo Iglesias geht über den Haushaltsplan für 2019 hinaus. Es handelt sich um ein Machtprojekt mit langfristiger Perspektive. Das hat zumindest Pablo Iglesias bereits klar gesagt, der auch in Aussicht stellte, dass Podemos nach den Wahlen eine formale Koalition mit den Sozialisten bilden wolle. Sánchez hält sich mit solchen Aussagen zwar zurück, doch muss ihm klar sein, dass er mit seiner Sozialistischen Partei selbst nach der Rückgewinnung einiger Parlamentsmandate auch in zwei Jahren weit davon entfernt sein wird, alleine oder allein mit Unterstützung der nationalistischen Parteien regieren zu können.

Vorerst brauchen beide die Stimmen der Nationalisten aus dem Baskenland und Katalonien für die Verabschiedung des Haushalts. Die Katalanen haben für ihre Zustimmung zwar sogleich Zugeständnisse bei der Behandlung der inhaftierten Separatisten und der Ermöglichung eines legalen Referendums über die Unabhängigkeit gefordert. Das wird der Regierung aus juristischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sein. Doch nachdem sie den Katalanen bereits in den vergangenen Monaten finanzielle Zugeständnisse machte, wird sie sicherlich einen Weg finden, die Katalanen von der Unterstützung des Haushaltsentwurfs zu überzeugen. Die Basken haben ihre Zustimmung bereits angedeutet – solange sie die schon mit Rajoy verhandelten Privilegien behalten dürfen.

Von den zusätzlichen Ausgaben ab 2019 werden viele Spanier profitieren, die in den vergangenen Jahren Einschränkungen erfahren haben. Die linken Parteien und insbesondere Podemos fordern schon seit einiger Zeit ein Ende der Sparpolitik. Sozialisten und Populisten werden sich als Wohltäter des Volkes präsentieren. Bis zu den Wahlen 2020 kann das halten, ihnen eine Stärkung im Parlament bescheren und damit zumindest mittelfristig die Macht dieser Koalition sichern. Das kann dann auch erhebliche Konsequenzen für die Staatsform und die Behandlung der Autonomen Gemeinschaften haben. Podemos kämpft seit eh und je für die Abschaffung der Monarchie und hat sich schon für die Ermöglichung eines legalen Plebiszit über die Autonomiefrage ausgesprochen. Das werden sicherlich Themen sein, die dann auf die Agenda kommen, sollte eine künftige Regierung von dem Wohlwollen von Podemos abhängen. Ministerpräsident Sánchez hat sich und seine Sozialistische Partei bei dem Entwurf für den Staatshaushalt de facto den Forderungen der Populisten unterworfen. Für ihn zählt vor allem der Verbleib im Amt. Der Sozial- und Finanzpopulismus, dem er jetzt zugestimmt hat, wird ein Strohfeuer entzünden. Die nächste Wirtschafts- und Finanzkrise wird das nicht aufhalten.

Den Anhang zum Länderbericht lesen Sie im pdf.

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