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Rentrée politique – Frankreichs Krise spitzt sich zu

von Dr. Norbert Wagner

Es drohen die Auflösung der Assemblée nationale und Neuwahlen

In diesen Tagen findet die rentrée politique statt und die Krise des Landes erfasst die Politiker nach der Sommerpause wieder mit voller Wucht. Die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit verharrt auf hohem Niveau, das Haushaltsdefizit liegt (2014) bei 4,4% und damit deutlich von den Zusagen entfernt, die gegenüber der EU-Kommission gemacht wurden. Finanzminister Sapin erklärte am 10. September 2014, dass nun das Defizitziel von 3% erst Ende 2017 erreicht werden wird. Nach einer (nicht repräsentativen) Umfrage des Figaro rechnen 96% nicht damit, dass diese Zusage eingehalten werden wird.

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Die überraschende Regierungsumbildung brachte nicht den erhofften Befreiungsschlag, sondern verschärfte die Spaltungen innerhalb des Regierungslagers. Ein am 25. August frisch ernannter Staatssekretär musste bereits am 3. September wieder zurücktreten, nachdem bekannt geworden war, dass er seit mehreren Jahren keine Steuern bezahlt hatte. Auch bei seiner Mietzahlung war er drei Jahre im Rückstand. Er erklärte diese Rückstände damit, daß er unter einer „phobie administrative“ leide (auch bei einer Reihe von Strafzetteln aus den Jahren 2008-2012 soll er rückständig sein). Er will im übrigen seinen Abgeordnetensitz behalten.

Zu einem wahrhaften Desaster für die Glaubwürdigkeit des Präsidenten wurde indes die Veröffentlichung des Buches von Valérie Trierweiler. François Hollande zeigte sich bei einer Pressekonferenz erkennbar ins Mark getroffen.

Hatte Präsident Hollande bereits vor der Sommerpause alle Rekorde des Vertrauensverlusts gebrochen, so setzt sich der Absturz weiter fort. So weit, dass sich die Frage geradezu aufdrängt, wie lange kann er noch durchhalten. Und offenbar kann sich auch sein Premierminister Manuel Valls diesem Abwärtsstrudel nicht entziehen.

François Hollande scheint seinem Kurs unbeirrt von all dem weiter folgen zu wollen. Gemäß der Verfassung der V. Republik kann ihn niemand zum vorzeitigen Rücktritt zwingen. Und gegenwärtig ist auch nicht mit seinem freiwilligen vorzeitigen Rücktritt zu rechnen. Allerdings kann man aus heutiger Sicht eine zweite Amtszeit von François Hollande (s.u.) ausschließen.

So fragen sich viele Beobachter, ob die Auflösung der Assemblée nationale und damit Neuwahlen den Befreiungsschlag bringen könnten, der bei der jüngsten Regierungsumbildung infolge der Begleitumstände verpufft ist.

Neuwahlen hätten zweifellos eine krachende Niederlage des PS zur Folge. Die UMP/UDI-Opposition würde trotz ihres gegenwärtig desolaten Zustands eine Regierungsmehrheit erringen. Und vermutlich würde auch eine beträchtliche Anzahl von FN-Abgeordneten in die Assemblée nationale einziehen. Neuwahlen hätten also eine Cohabitation zur Folge. Präsident Hollande würde eine neue UMP/UDI-Regierung ernennen, die sodann beweisen müsste, dass sie besser als die bisherige Regierung in der Lage ist, das Land aus der Krise zu führen. Präsident Hollande könnte darauf setzen, dass dies bis zu den Präsidentenwahlen 2017 nur schwer gelingen wird, was seine Chancen für eine zweite Amtszeit erhöhen könnte. - So weit die Spekulation.

Wesentlich wahrscheinlicher ist ein anderes Szenario: Premierminister Valls hat in diesem Jahr in der Assemblée nationale noch drei entscheidende Abstimmungen zu überstehen, die Vertrauensfrage (16. September) und die Abstimmungen über den Haushalt 2015 und den Haushalt der Sozialversicherung 2015 (Daten stehen noch nicht fest). Verlöre Premierminister Valls eine dieser Abstimmung wäre wohl die Auflösung der Assemblée nationale unvermeidlich.

Die Regierung verfügt in der Assemblée über eine eigene Mehrheit von 325 Stimmen (340 Stimmen inklusive Grüne, Kommunisten und Parti de Gauche). Die absolute Mehrheit beträgt 289 Stimmen. Bei der Vertrauensabstimmung über die Regierung Valls I am 8. April 2014 erhielt Valls 306 Stimmen von 340; 13 Abgeordnete stimmten gegen ihn, 21 enthielten sich. Bei der Abstimmung über das „Programme de stabilité“ fehlten ihm gar 73 Stimmen.

Die Vertrauensabstimmung am 16. September könnte für die Regierung Valls somit zu einer Stunde der Wahrheit werden. Die jüngste Regierungsumbildung hat dazu geführt, dass die Gräben zwischen den „Sozialdemokraten“ und den „Frondeurs“ (Linke innerhalb des PS) tiefer geworden sind. Die Anzahl derjenigen linken Abgeordneten, die sich enthalten oder gar mit nein stimmen werden, dürfte zunehmen. Ob sich aber eine entsprechend große Zahl zu einem „suizidären“ Stimmverhalten hinreißen lassen wird, ist offen. Doch politische Prozesse gewinnen mitunter auch eine eigene, unkontrollierbare Dynamik.

Sofern Manuel Valls diese erste Abstimmung überstehen sollte, stehen die beiden anderen (Haushalt, Sozialversicherung) an, bei denen die Divergenzen zwischen den verschiedenen Regierungs-Lagern noch deutlicher zutage treten dürften.

Warten auf Sarkozy

Leider wird in dieser schwierigen Situation die UMP ihrer Aufgabe als Opposition kaum gerecht, sondern beschäftigt sich schon seit 2012 weitgehend mit sich selbst. Erst der lange sich hinziehende Konflikt zwischen Jean-François Copé und François Fillon um die Führung der Partei. Dann der Rücktritt von Copé im Zusammenhang mit der Affäre Bygmalion.

Nun steht für Ende November und Anfang Dezember die Wahl des neuen UMP-Vorsitzenden an. Dann ist im Jahr 2016 auch noch der UMP-Kandidat für die Präsidentenwahlen 2017 zu wählen.

Ihre Kandidatur für den UMP-Vorsitz haben bereits erklärt: Bruno Le Maire, Xavier Bertrand, Hervé Mariton. Es wird allgemein erwartet, dass Nicolas Sarkozy in Kürze ebenfalls seine Kandidatur erklären wird.

Kandidaten bei den Vorwahlen für die Präsidentenwahlen sind: Alain Juppé, François Fillon, Bruno Le Maire, Laurent Wauquiez (wenn Sarkozy nicht antritt). Auch bei den Präsidentenwahlen ist mit einer Kandidatur von Nicolas Sarkozy zu rechen.

Man kann wohl fest davon ausgehen, dass Nicolas Sarkozy wieder in die Politik zurückkehren wird. Anders als Juppé und Fillon strebt er nicht nur das Präsidentenamt, sondern auch den Parteivorsitz an, weil er noch von den Wahlkämpfen 2007 und 2012 weiß, wie wichtig die Partei für den Wahlkampf 2017 sein wird. Er wird versuchen, die UMP neu zu „erfinden“, mit einem neuen Programm, neuen Statuten, einer neuen Führungsmannschaft, einem neuen Namen und Logo, so dass nur noch wenig an die „alte“ UMP erinnert.

Bruno Le Maire könnte bei der Wahl zum UMP-Vorsitzenden einen Achtungserfolg erzielen. Kein Zweifel aber, dass Nicolas Sarkozy die Wahl zum Parteivorsitzenden gewinnen wird, so er denn dazu antritt.

Bei dem Wettbewerb um die Kandidatur zu den Präsidentenwahlen gibt es zur Zeit nur zwei ernsthafte Konkurrenten: Nicolas Sarkozy und Alain Juppé. François Fillon würde bei einer parteiinternen Vorwahl deutlich abgeschlagen an dritter Stelle landen.

So läuft in den kommenden Monaten innerhalb der UMP alles auf eine Auseinandersetzung zwischen Nicolas Sarkozy und Alain Juppé hinaus.

Präsidentenwahlen 2017

Letztlich bringen sich beide politische Lager schon jetzt, nachdem erst die Hälfte der Amtszeit von Präsident Hollande verstrichen ist, für die Präsidentenwahlen 2017 in Stellung.

Im sozialistischen Lager würde wohl gegenwärtig niemand mehr auf einen Kandidaten François Hollande wetten. Größte Chance hätte wohl Premierminister Manuel Valls. Auch Arnaud Montebourg dürfte bei den Vorwahlen als Exponent der Linken innerhalb des PS antreten und ein gutes Ergebnis erzielen.

Und Marine Le Pen hat natürlich keine parteiinternen Konkurrenten.

Eine neue Umfrage von Ifop/Le Figaro (veröffentlicht am 6./7. 9. 2014) gibt die Wahlabsichten bei den Präsidentenwahlen im Falle unterschiedlicher UMP-Kandidaten.

Danach würde Marine Le Pen mit großer Sicherheit (28 - 32% je nach Kandidat der UMP) in die zweite Runde der Präsidentenwahlen einziehen. Das beste Ergebnis in der ersten Runde würde gegen sie noch Nicolas Sarkozy (25%) erzielen. Das schlechteste François Fillon (17%). François Hollande würde in allen drei Fällen abgeschlagen an dritter Stelle (16-17%) landen.

In der zweiten Runde könnte François Hollande nicht einmal gegen Marine Le Pen gewinnen. Dagegen würde Alain Juppé gegen Marine Le Pen das beste Ergebnis (64%) unter den drei möglichen UMP-Kandidaten erzielen.

Aber bis zu den nächsten Präsidentenwahlen in Frankreich sind eigentlich noch zweiundeinhalb Jahre zu überstehen. Angesichts der Ereignisse der ersten Hälfte der Amtszeit von Präsident Holland und der Zuspitzung der Lage des Landes ist nur schwer vorstellbar, wie das Tandem Valls/Hollande diese Zeit überstehen kann.

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