Country reports
Bezüglich der Parlamentswahlen zeichnet sich ebenfalls die Möglichkeit ab, dass keine der beiden großen Parteien die absolute Mehrheit der Mandate erreicht. Dagegen steht fest, dass Ghana in jedem Falle einen neuen Präsidenten erhält, da die Verfassung von 1992 dem Amtsinhaber Jerry John Rawlings keine dritte Amtszeit mehr erlaubt und er nach den Wahlen aus dem Amt scheiden wird. Als Parteiführer will er aber nach wie vor die entscheidende Machtfigur bleiben.
Die Nachfolge von Rawlings werden zwei Kandidaten unter sich ausmachen: Der jetzige Vizepräsident Prof. John Atta Mills, der für den regierenden National Democratic Congress (NDC) antritt, und John A. Kufuor von der größten Oppositionspartei New Patriotic Party (NPP), der bereits 1996 gegen Rawlings angetreten war und damals auch von der nkrumaistischen Convention Peoples' Party (CPP) unterstützt wurde und knapp 40% der Stimmen errang. Rawlings wurde damals mit fast 57% wiedergewählt, die restlichen Stimmen entfielen auf Edward Mahama, den Kandidaten der nkrumaistischen Splitterpartei People's National Convention (PNC). Die Verteilung der 200 Parlamentssitze fiel trotz eines prozentual fast identischen Ergebnisses wegen des Mehrheitwahlrechts etwas anders aus: NDC 133, NPP 61, CPP 5, PNC 1.
Regierungspartei NDC kämpft mit Problemen
Der regierende NDC hat dieses Mal vor allem mit drei Problemen zu kämpfen. Zum einen hat sich die wirtschaftliche Lage in Ghana in den letzten Monaten drastisch verschlechtert, was damit zusammenhängt, dass die Weltmarktpreise für die Hauptexportgüter Gold und Kakao stark gesunken und der Preis für Ölimporte enorm gestiegen sind.
Trotz der nun bereits 16 Jahre andauernden Weltbank- und IWF-finanzierten Strukturanpassungsprogramme unter den Militär- und Zivilregierungen Rawlings kam es praktisch zu keiner nennenswerten Exportdiversifizierung oder einem selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung. Allein in den letzten 12 Monaten hat sich der Außenwert der Landeswährung Cedi halbiert und ist die Inflation infolgedessen auf über 30% gestiegen.
Zum anderen hatte sich bereits 1998 eine innerparteiliche Reformgruppe vom NDC abgespalten und als National Reform Party (NRP) neu konstituiert. Die Anhänger dieser neuen Partei machen einen Großteil der sogenannten "Revolutionskader" aus, die seit dem Militärputsch Ende 1981 in lokalen und betrieblichen Verteidigungskommitees die Massenbasis des Militärregimes Rawlings und seit 1992 des NDC gebildet haben, und werfen der NDC-Führung vor, die Ideale der Revolution dem puren Machterhalt geopfert zu haben.
In Goosie Tanoh haben sie eine Rawlings an Charisma ebenbürtige Führungspersönlichkeit, der allerdings dem Verdacht ausgesetzt ist, nur deswegen abtrünnig geworden zu sein, weil er selbst nicht als (Vize)Präsidentschaftskandidat zum Zuge gekommen ist. Mehr als ihre Anzahl fällt dabei ins Gewicht, daß diese Kader bei den Wahlen 1992 und 1996 das Rückgrad der NDC-Wahlkampfmaschinerie gebildet haben und (nicht nur) von der Opposition als die identifiziert wurden, die die (angeblichen) Wahlfälschungen bei jenen Wahlen besonders in den ländlichen Gebieten trickreich durchgeführt haben.
Drittens ist ihr Kandidat Vizepräsident Mills, im Vergleich zu Rawlings eine eher blasse Persönlichkeit, die bei weitem nicht das Charisma des Amtsinhabers hat. Der Vizepräsidentschaftskandidat, der derzeitige stellvertretende Justizminister Martin Amidu, hat ebensowenig wie Mills selbst keine starke Hausmacht innerhalb der Partei und ist eher der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die verschiedenen Parteigrößen, die selber nicht auf das Ticket gekommen sind, einigen konnten. Er kommt aus dem Norden des Landes, der 1992 und 1996 ganz überwiegend für den NDC gestimmte hat. Allerdings entstammt er einer sehr kleinen Volksgruppe, so daß sein "Nordfaktor" eher gering sein dürfte.
Hinsichtlich der Parlamentswahlkreise leidet der NDC darunter, dass zahlreiche lokale Aspiranten, die nicht von der Partei aufgestellt wurden, anders als 1996 in der Reformpartei eine Alternative haben und für diese antreten. Dies könnte den NDC-Kandidaten in einer ganzen Reihe von umkämpften Wahlkreisen den Sieg zu Gunsten der NPP kosten. Es ist durchaus möglich, dass der NDC dadurch seine Parlamentsmehrheit verliert.
Nach wie vor sollte aber nicht übersehen werden, dass der NDC nach so vielen Regierungsjahren Rawlings über die mit Abstand größten finanziellen Ressourcen und die beste Wahlkampfmaschinerie verfügt und auch den Regierungsapparat bis über alle Maßen für den Wahlkampf einsetzt. Deswegen hat er nach wie vor die Chance, letztlich wieder als Sieger dazustehen.
Oppositionelle NPP mit Siegeschancen
Die NPP andererseits profitiert vom gestiegenen Bekanntheitsgrad ihres Kandidaten Kufuor, der in den vergangenen vier Jahren seine Hausaufgaben gemacht zu haben scheint und viele tausend Kilometer quer durchs ganze Land hinter sich gebracht hat. Dieses Mal geht die NPP auch, anders als 1996, mit einer starken Parlamentsfraktion in den Wahlkampf, und angesichts der Wirtschaftskrise und der Tatsache, dass sie mit Abstand die größte Oppositionspartei ist, ist sie für die meisten mit der jetzigen Regierung Unzufriedenen die offensichtliche Alternative zum NDC. Es ist durchaus zu erwarten, das zahlreiche Anhänger der kleineren Parteien auch diesmal für Kufuor und die NPP stimmen, obwohl es nicht wie 1996 eine formelle Allianz zwischen der NPP und der CPP gibt. Ferner war die Wahl des Running Mates ein geschickter Schachzug.
Aliu Mohammed kommt wie sein Gegenüber Martin Amidu aus dem Norden, ist aber Moslem. Dies ist insofern von Bedeutung, als die meisten Moslems entgegen der landläufigen Ansicht keinesfalls im Norden Ghanas leben, sondern in den Moslemvierteln (Zongos) der großen Städte des Südens. Bislang waren diese Zongos Hochburgen des NDC. Sollte es der NPP gelingen, in diese Hochburgen einzudringen, könnte dies den Wahlausgang entscheidend beeinflussen.
Das grösste Problem der NPP ist dabei nach wie vor ihr Ruf, eine von der Volksgruppe der Ashanti dominierte Partei zu sein. Die Ashantis haben vor der englischen Kolonialherrschaft weite Teile des heutigen Ghanas beherrscht und ausgebeutet und eine umstrittene Rolle während des Sklavenhandels gespielt. Dem NDC war es in den zurückliegenden Wahlen jeweils gelungen, die Ängste vor einer neuerlichen Ashanti-Dominanz in Ghana zu schüren und außerhalb der Ashanti-Region für sich nutzbar zu machen, vor allem im Norden, auf den die Ashantis angeblich herabgucken. Mit der Wahl Aliu Mohammeds als Vizepräsidentschaftskandidaten versucht die NPP, diese offene Flanke zu decken, was ihr zumindest teilweise zu gelingen scheint.
Wegen lokaler interner Probleme der NDC und dem Auftreten der Reformpartei dürfte die NPP eine ganze Reihe von Parlamentssitzen dazugewinnen. Ob es zu einer Mehrheit im Parlament reicht, ist nicht auszuschließen, aber doch eher unwahrscheinlich.
Die kleinen Parteien schaden eher der NDC
Neben den beiden großen Parteien NDC und NPP haben nur drei weitere Parteien die Chance, nennenswerte Stimmenanteile oder einige Parlamentssitze zu erringen. Keiner ihrer Präsidentschaftskandidaten aber hat Chancen, in einen etwaigen zweiten Urnengang zu kommen.
Die National Reform Party ist vor allem in den Hochburgen des NDC aktiv. Wohlwissend, dass sie bei diesen Wahlen keine echte Siegeschancen hat, strebt sie an, der Regierungspartei möglichst viele Stimmen abzunehmen, deren neuerlichen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen zu verhindern, sie um möglichst viele Parlamentssitze zu bringen und sich gleichzeitig eine gute (Ausgangs)-Basis für die nächsten Wahlen aufzubauen. Ihr Kalkül ist dabei, dass der NDC nach dem Ausscheiden Rawlings' als seiner zentralen Figur bei einem Machtverlust unweigerlich auseinanderbrechen werde und sie dann das Auffangbecken für viele derjenigen ist, die die Revolution von 1981 getragen haben.
Die nkrumaistische CPP verfolgt eine ähnliche Strategie und konzentriert sich auf den Gewinn möglichst vieler Parlamentssitze. Auch sie hofft darauf, bei einem etwaigen Auseinanderbrechen des NDC viele ihrer früheren Anhänger, die seit 1982 aus eher opportunistischen Gründen in Scharen ins Lager von Präsident Rawlings übergelaufen sind, zurückzugewinnen und dann 2004 gestärkt anzutreten. Deswegen tritt sie anders als 1996 alleine und nicht in einer Allianz mit der NPP an und hat in den meisten Wahlkreisen eigene Parlamentskandidaten aufgestellt.
Vor allem in den Hochburgen des NDC könnte sie mit dieser Strategie frühere Anhänger zurückgewinnen und einige Erfolge erzielen. In Wahlkreisen, wo die NPP und NDC Kandidaten gleichauf liegen, hat die CPP zum Teil auf die Aufstellung eigener Kandidaten zugunsten der NPP verzichtet, in anderen bleibt abzuwarten, welchem Kandidaten der großen Parteien sie mehr schaden. Ihr Präsidentschaftskandidat, Prof. George Hagan, ist ein zutiefst integerer, aber (deswegen) mittelloser Linkskatholik, der zwar hohes Ansehen genießt, dem aber nur wenige zutrauen, sich im harten politischen Geschäft durchzubeißen. Sein Running Mate ist das alte politische Schlachtroß Ibrahim Mahama aus Tamale, der Hauptstadt des Nordens. Seine Nominierung musste Hagan akzeptieren, um als Präsidentschaftskandidat gewählt zuwerden. Er ist insofern höchst umstritten, weil er als einer der Hauptverantwortlichen für den regionalen Bürgerkrieg im Nordosten Ghanas gilt, dem 1994/5 mehr als 10.000 Menschen zum Opfer fielen. Hagans Rechtfertigung diesbezüglich: Die meisten Friedensnobelpreisträger waren frühere Warlords. CPP Anhänger, die 1996 für Kufuor gestimmt haben, dürften dies zum großen Teil auch dieses Mal wieder tun.
Die PNC ist nur noch eine regionale Splitterpartei, die möglicherweise eine Hand voll Parlamentssitze gewinnen kann. Ihr Präsidentschaftskandidat Dr. Edward Mahama verfügt zwar über ein gewisses Charisma, die meisten Nkrumaisten aber, die bislang nicht zur NDC gegangen sind, haben sich in der CPP gesammelt. Bereits 1996 haben viele PNC Anhänger offenbar bei der Präsidentschaftswahl für Kufuor gestimmt, was sich dieses Mal wiederholen dürfte.
Bei einer Stichwahl um das Präsidentenamt ist damit zu rechnen, dass sich die meisten kleinen Oppositionsparteien gegen die NDC und damit für Kufuor aussprechen würden. Ob dies dann aber von denjenigen ihrer Anhängern, die bei der Präsidentenwahl nicht bereits für Kufuor gestimmt haben und die sie ja zum großen Teil von der NDC gewinnen wollen , befolgt wird, lässt sich schwer sagen.
Für Kufuor würde sicherlich wie im Senegal sprechen, dass der Mythos der Unbesiegbarkeit der Regierungspartei gebrochen wäre. Eine Rolle spielen wird natürlich auch das Ergebnis der Parlamentswahlen, da es für viele Wähler ohne starke Bindung an einen der Kandidaten sicherlich ein Argument sein wird, für den Kandidaten zu stimmen, dessen Partei im Parlament die stärkste Kraft ist.
Ein Gewinner steht allerdings schon jetzt fest: die Demokratie in Ghana.