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Die einflussreiche Tageszeitung "El Espectador" berichtete in ihrer Ausgabe vom 27. Februar zudem, von US-Truppen ausgebildete Einheiten des kolumbianischen Militärs seien bei der Vorbereitung eines im Jahre 1997 von Paramilitärs verübten Massakers beteiligt gewesen. Die Regierung reagierte auf die Vorwürfe mit der Ankündigung eines rigorosen Vorgehens gegen die paramilitärischen Gruppen, wies zugleich aber den Vorwurf zurück, es gebe institutionelle Verbindungen zwischen diesen und den kolumbianischen Streitkräften.
Die Rolle der Paramilitärs im kolumbianischen Konflikt
Neben den beiden großen linksgerichteten Guerrillaorganisationen FARC ("Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens") und ELN ("Nationales Befreiungsheer") bilden die sogenannten paramilitärischen Gruppen die dritte bewaffnete Gruppierung innerhalb des kolumbianischen Konflikts. Entstanden sind diese zu einem Großteil von Großgrundbesitzern und Viehzüchtern finanzierten "Selbstverteidigungsgruppen" überwiegend seit Anfang der 80er Jahre als Reaktion auf das Erstarken der Guerrilla und die auf eine Verhandlungslösung abzielende Politik der Regierung. Ebenso wie im Falle der Guerrilla kam es zu Verbindungen zwischen Teilen der Paramilitärs und dem Drogenhandel, die dazu beitrugen, dass diese sich zunehmend verselbständigten und radikalisierten. Auf die massive Bekämpfung der Drogenmafia Ende der 80er Jahre reagierten die paramilitärischen Gruppen mit massiven terroristischen Aktionen gegen Repräsentanten des Staates und mutmaßliche Sympathisanten der Guerrilla. Heute bilden sie die Konfliktpartei, der mit Abstand die schwersten Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt werden. In besonders hohem Maße sind die Paramilitärs an Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung beteiligt: So werden sie für den weitaus größten Teil der 39 Massaker verantwortlich gemacht, bei denen seit Beginn des Jahres 2000 insgesamt 271 Menschen den Tod fanden.
Ein Großteil der paramilitärischen Gruppen ist in der von Carlos Castaño geführten AUC ("Vereinigte Selbstverteidigungsgruppen Kolumbiens") zusammengeschlossen, die nach eigenen Angaben über ca. 6.000 Mitglieder und damit über eine ähnliche Stärke wie die zweitstärkste Guerrillagruppe ELN verfügt. Besonders stark ist die Präsenz der Paramilitärs in der Region Antioquia - wo lange Zeit enge Verbindungen zum Drogenkartell von Medellín bestanden - sowie im mittleren Madgalenatal und in den Kokaanbaugebieten im Osten des Landes.
Die Stärke der paramilitärischen Gruppen stellt ein ernst zunehmendes Hindernis für den kolumbianischen Friedensprozess dar. So wird von Seiten der Guerrilla die Einbeziehung der Paramilitärs in direkte Friedensgespräche kategorisch abgelehnt und statttdessen von der Regierung ein entschiedendes militärisches Vorgehen gegen diese Gruppen gefordert. Ähnlich wie die Guerrilla haben die Paramilitärs, u.a. durch ihre Einnahmen aus dem Drogenhandel, ihre Machtstellung inzwischen aber soweit ausgebaut, dass die Regierung kaum in der Lage sein dürfte, sie in absehbarer Zeit auf militärischem Wege unter Kontrolle zu bringen. Eine Verhandlungslösung scheint andererseits wegen des Widerstands der Guerrilla, wie auch wegen der Bedingungen wenig realistisch, die von Seiten der AUC selbst für Verhandlungen mit der Regierung genannt werden. Diese reichen von der Freilassung aller von der Guerrilla entführten Geiseln bis zu der Schaffung einer entmilitarisierten Zone und der Aufhebung sämtlicher Haftbefehle gegen Führer paramilitärischer Gruppen.
Konsequenzen für den Friedensprozess?
Die Veröffentlichung der jüngsten Menschenrechtsberichte v.a. durch "Human Rights Watch" hat die politische Debatte über den sogenannten "Plan Colombia", die von der Regierung Pastrana vorgelegte Strategie für einen umfassenden Friedensprozess, erneut angeheizt und in Kolumbien die Sorge laut werden lassen, nun könne die in Aussicht gestellte Hilfe der USA in Höhe von 1,6 Mrd.$ erneut in Frage gestellt werden. Zwar deutet bisher nichts darauf hin, dass das von der Regierung Clinton vorgelegte Hilfspaket vom US-Kongress abgelehnt werden könnte, doch ist denkbar, dass neue Bedingungen den militärischen Teil der Unterstützung wesentlich einschränken.
Den von Menschenrechtsorgansistionen wie "Human Rights Watch" vorgetragenen Bedenken ist die Regierung mit der Ankündigung entgegengetreten, künftig noch schärfer gegen die paramilitärischen Gruppen vorzugehen. In der Tat kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Paramilitärs von Teilen der Streitkräfte und der Polizei mit Wohlwollen betrachtet werden. Auch gibt es klare Hinweise darauf, dass terroristische Aktionen der Paramilitärs von einzelnen Offizieren nicht nur geduldet, sondern auch aktiv gefördert worden sind. Allerdings erscheinen diese Hinweise nicht ausreichend, um von einer instititutionellen Verflechtung zwischen Streitkräften und paramilitärischen Gruppen zu sprechen.
Seit Amtsantritt der Regierung Pastrana ist jedoch insgesamt ein entschiedeneres Vorgehen der staatlichen Institutionen gegen Sympathisanten der Paramilitärs in den Reihen der Streitkräfte erkennbar. Wie Verteidigungsminister Luis Fernando Ramírez erklärte, sollen künftig alle Militärs gegen die der Verdacht auf Verbindungen zu paramilitärischen Gruppen besteht, vom aktiven Dienst suspendiert werden, ohne dass hierfür eine eingehende Prüfung des Einzelfalls erforderlich ist.
Darüber hinaus soll eine besondere Kommission geschaffen werden, die die Einhaltung der bestehenden Vorschriften zur Verfolgung der Paramilitärs überwachen soll. Einen weiteren Fortschritt verspricht die von der Regierung geplante Militärreform, mit der Menschenrechtsverletzungen durch Angehörige der Streitkräfte in die Zuständigkeit der zivilen Strafgerichtsbarkeit fallen würden.
Ob diese Maßnahmen zu einer baldigen Schwächung der paramilitärischen Gruppen führen werden, muss angesichts deren militärischer Stärke fraglich erscheinen. Ein entschiedenes Vorgehen gegen Militärs, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind, bildet jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der staatlichen Institutionen in Kolumbien und damit auch für die Suche nach einer dauerhaften Friedensregelung.