Country reports
Die neue Regierung von Gloria Macapagal-Arroyo hat ein schweres Erbe übernommen. Insbesondere im wirtschaftlichen Bereich zeigen sich verschärft Probleme, die sich sicher nicht kurzfristig lösen lassen.
Die philippinische Wirtschaft zeigt seit Jahren gravierende strukturelle Probleme:
- Seit Jahren lahmt die Wirtschaftskraft: Die Wachstumsraten des Bruttosozialproduktes sind seit Jahren, im Vergleich zu den Nachbarländern, viel zu gering. Mit 3% Wachstum im Schnitt der letzten Jahre können gewaltige Infrastrukturdefizite nicht aufgeholt und die gravierende Armut nicht beseitigt werden.
- Die Investitionen sind zu gering: Nur rund 6% aller ausländischen Direktinvestitionen für ASEAN fließen in die Philippinen. Pro Kopf haben die Philippinen die geringsten Direktinvestitionen aller ASEAN-Staaten.
- Die Produktivität der Arbeitskräfte ist sehr gering, die Lohnkosten sind im asiatischen Vergleich relativ hoch. China, Thailand, Vietnam und Indonesien sind in der Lage, billiger zu produzieren.
- Die Sparquote ist in den Philippinen nur halb so hoch wie im Durchschnitt der ASEAN-Länder (20% verglichen mit 35% in ASEAN). Eine geringere Sparquote begrenzt Investitionen und Wirtschaftswachstum.
- Die Infrastruktur des Landes ist völlig veraltet, fehlende Strassen, fehlende Bahnverbindungen, fehlende Elektrizität, fehlende Telefonleitungen im ruralen Bereich, behindern die Kommunikation und erhöhen die Produktionskosten. Die Ausgaben für die Ausweitung der Infrastruktur sind in den Philippinen nur halb so hoch, wie in den anderen Ländern ASEAN'S.
- Rund 35% der Menschen leben in extremer Armut. Das ist nicht nur ein humanitäres und moralisches Problem. Rund 50% der Bevölkerung, vor allem im ländlichen Bereich, ist Eigenversorger und fällt als Nachfrager für Konsumartikel in der philippinischen Wirtschaft völlig aus.
- Der Agrarsektor (32% der Arbeitskräfte = 10 Mio. Menschen leben direkt von der Landwirtschaft, weitere rund 30 Mio. sind davon abhängig) ist völlig veraltet, unproduktiv und am Weltmarkt nicht wettbewerbsfähig. Vermutlich werden viele Menschen noch Jahre in Subsistenzwirtschaft und Armut in diesem Sektor leben müssen, weil alternative Arbeitsplätze fehlen.
- Das Bevölkerungswachstum beträgt 2,3% und liegt weit über dem Durchschnitt der Welt (1,7 %). 1,5 Mio. Filipinos müssen jährlich zusätzlich ernährt werden und brauchen Schulen und Arbeitsplätze.
Aber auch im gesellschaftlichen Bereich gibt es gravierende Defizite:
- Die in der Gesellschaft weit verbreitete Korruption bindet unproduktives Kapital und frisst große Teil der Steuereinnahmen und des Sozialproduktes und ist ein Verteilungsmechanismus von Unten nach Oben.
- Das unzureichende Bildungssystem mit überfüllten Klassen und schlecht ausgebildeten und schlecht bezahlten Lehrern führt dazu, dass 50% der Schüler die Schulen ohne Abschluss verlassen.
- Armut und Fehlernährung beeinflussen die Gesundheit der Bevölkerung, erzeugen Kosten im Gesundheitsbereich und beeinträchtigen die Produktivität der Arbeitskräfte.
- Das Rechtssystem ist veraltet und uneffizient. Es ist verbesserungs- und modernisierungsbedürftig.
- Das politische System wird von Eliten und Familienclans beherrscht, die eine Demokratisierung der Gesellschaft erschweren.
- Transparenz bei politischen Entscheidungen und Abläufen ist eher die Ausnahme. Wirtschaftliche Entscheidungen werden durch permanente Interventionen beeinflusst.
Die Skandale während der Regierungszeit von Präsident Estrada haben die prekäre wirtschaftliche Situation weiter verschärft. Insidergeschäfte an der philippinischen Börse haben im vergangenen Jahr zu einem gewaltigen Kursverfall geführt und eine Kapitalflucht ins Ausland ausgelöst. Die philippinische Börse hat in Asien die schlechteste Bilanz des Jahres 2000 ausgewiesen.
Ein Rückgang um über 60% der Neuinvestitionen wurde allein in diesem Jahr verzeichnet, es waren die geringsten Neuinvestitionen des Landes seit zwölf Jahren. Der von der Regierung mit verschuldete massive Konflikt in Süden des Landes, insbesondere im Südwesten von Mindanao hat enorme Summen für die Armee verschlugen und die Wirtschaftskraft weiter geschmälert. Der Peso verfiel alleine im Jahr 2000 um über 20 %.
Die neue Regierung von Gloria Macapagal-Arroyo steht nun mit leeren Kassen vor fast unlösbaren Aufgaben, denen sie mit dem Programm für die ersten hundert Tage, wenigstens als erste Weichenstellung begegnen will. Die neue Präsidentin legte in ihren ersten Tagen der Regierungszeit großen Wert auf die Stabilisierung der politischen Situation durch gute Beziehungen zu den Militärs, durch die Ankündigung von Friedensverhandlungen mit den Rebellen in Mindanao (MILF) und mit kommunistischen Untergrundbewegungen (NPA). Politische Gefangene wurden begnadigt.
Der entscheidende Punkt wird aber sein, ob im wirtschaftlichen Bereich Vertrauen geschaffen werden kann, um Investitionen zu ermöglichen, ein stärkeres Wachstum zu erreichen und dadurch die Grundlage zu schaffen verstärkt Steuereinkünfte zu erzielen, um das Budget zu stabilisieren. Wirtschaftliches Wachstum ist auch die Grundlage für Programme im Infrastrukturbereich und für eine effektive Sozialpolitik, um die gravierenden sozialen Probleme des Landes zu lösen.
Durch die Misswirtschaft von Estrada mussten die erwarteten Wachstumsraten für das Jahr 2001 von mäßigen 4% sogar auf unter 3% reduziert werden. Das ist im asiatischen Vergleich (Indonesien 4%, Korea 6%, Singapore 6,5%) ein hinterer Rang und bei einem Bevölkerungswachstum von über 3% wird dieses Wachstum völlig verpuffen.
Durch die wiedergewonnene politische Stabilität seit dem Amtsantritt der neuen Regierung, konnte der Wechselkurs des Peso, der Mitte Januar völlig eingebrochen war, von 1:52 gegenüber dem Dollar auf heute 1:47 stabilisiert werden. Es wird erwartet, dass sich der Peso weiter stabilisieren kann und sich bei 1:45 einpendeln wird. Auch die stark überhöhten Zinsraten von über 20% (die philippinische Bundesbank versuchte den Peso durch höhere Zinsen zu stabilisieren) konnten auf knappe 10% reduziert werden, was die Neuinvestitionen erheblich fördern dürfte.
Ein gewaltiges Problem ist das von der Vorgängerregierung übernommene Haushaltsdefizit. Bereits 1999 erreichte dieses durch die Misswirtschaft und das geringe Steueraufkommen ein Defizit von über 114 Milliarden Pesos. Im Jahr 2000 waren es bereits über 125 Milliarden Peso und derzeitige Schätzungen für das Jahr 2001 belaufen sich auf ein Defizit von 140 Milliarden Peso.
Gloria Macapagal-Arroyo ist sich der prekären Situation bewusst. Neben der Stabilisierung der Regierung ist die Ankurbelung der Wirtschaft oberstes Gebot. Sie hat deshalb ihr Programm der ersten hundert Tage an alle Wirtschaftskammern im Lande verschickt, und versucht nun mit in- und ausländischen Investoren ins Gespräch zu kommen, um schnell und tiefgreifend Wirtschaftswachstum zu erzeugen, um Arbeitsplätze zu schaffen und um Einkünfte für dringende benötigte Infrastrukturmaßnahmen zu erzielen. Die Weltbank hat bereits zugesichert, die neue Regierung zu unterstützen. Sie hat angekündigt durch die Finanzierung von Infrastrukturprojekte den Haushalt zu entlasten und das Budgetdefizit massiv zu reduzieren.
Die neue Regierung von Gloria Macapagl-Arroyo wird alle Unterstützung brauchen, um das stark angeschlagene Schiff der Philippinen wieder in sichere Gewässer zu bringen.