Country reports
In den sieben Wochen, die seitdem vergangen sind, haben sich in nahezu täglichem Abstand "neueste Entwicklungen der politischen Lage" ergeben, die tags zuvor noch in keiner Weise vorauszusehen waren.
Und auch jetzt weiß niemand in Peru, was die nächsten Stunden für das Land und seine Bevölkerung bringen werden.
Die Bandbreite lässt alles zu: vom sofortigen Rücktritt Präsident Fujimoris und der Bildung einer zivilen Übergangsregierung bis hin zu einem Militärputsch, der einen blutigen Flächenbrand im ganzen Land nach sich zieht: ALLES IST MÖGLICH!
Die ohnehin spannenden Zeitläufe erfuhren ihre heftigste Eskalation mit der Rückkehr Montesinos´ aus dem befristeten panamesischen Asyl am frühen Morgen des 22. Oktobers.
Ab diesem Zeitpunkt war für einige Tage die Gefahr der Machtübernahme durch montesinostreue Teile des Militärs fast körperlich greifbar, obwohl es in der Hauptstadt Lima wie auch in den Provinzen an äußerlichen Anzeichen dafür - verstärkte Armeepräsenz, Polizeikontrollen etc. - fehlte.
Unterdessen übten und üben sich die Peruaner in der Kunst, den Alltag zu bewältigen, als sei nichts geschehen, und beobachten das ganze politische Treiben eher mit der sportlichen Attitüde des unbeteiligten Interessierten.
Natürlich wird viel diskutiert, aber vor allem wird zugeschaut und abgewartet, welcher Akteur wohl als nächster die Initiative ergreift, um dem Spiel eine völlig neue Wendung zu geben.
Diese leicht lethargische Haltung reicht bis hinein in die höchsten politischen Kreise.
Großen Unmut in der peruanischen Opposition hat die Forderung Fujimoris ausgelöst, Grundbedingung zur Abhaltung von Neuwahlen sei eine umfassende Amnestie für Militär, Polizei und Geheimdienst, die sämtliche Menschenrechtsverbrechen bei der Terrorismusbekämpfung sowie die Verwicklung in den Drogenhandel beinhalten müsse.
Dieses sog. Amnestiegesetz steht nach wie vor als ungelöstes Problem im Raum. Unter Vermittlung der ständigen OAS-Demokratisierungsmission einigten sich am 26. Oktober Vertreter von Opposition und Regierung, den 8. April 2001 für die kommenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen festzusetzen und das Thema Amnestiegesetz zu verschieben.
Seitdem sollte allen politischen Akteuren klar sein, dass sämtliche Wahlvorbereitungen in der kurzen Zeitspanne von etwas mehr als fünf Monaten geleistet werden müssen.
Dennoch lässt sich keiner der ambitionierten Oppositionsführer dazu hinreißen, seine Deckung aufzugeben und den Dialog mit den anderen lÃderes (Anführern) zu suchen.
Von einer irgendwie gearteten (Wahl-) Allianz ist die Opposition heute um vieles weiter entfernt als zu irgendeinem Zeitpunkt während der Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2000.
Doch auch die bisher so einheitlich auftretende Regierungsallianz Perú 2000 zeigt - erstmals öffentlich - tiefgehende Risse und klare Auflösungserscheinungen.
Die alles umschließende Klammer Fujimori hat auch hier Kohäsionskraft verloren, so dass die seit langem schwelenden Gegensätze zwischen den Führern der drei Bewegungen Cambio 90 ("Wechsel 90"), Nueva MayorÃa ("Neue Mehrheit") und Vamos Vecino ("Auf geht´s Nachbar") deutlich zum Vorschein kommen.
Nicht zuletzt zur eigenen Positionierung für die kommenden Wahlen werden diese Führungskader, die in der ausgehenden Ära Fujimori eigentlich nichts mehr zu verlieren haben, auch vor einer möglichen Aufkündigung der Regierungsallianz nicht zurückschrecken.
Der Erste Vizepräsident des Landes, Francisco Tudela, hat das sinkende Regierungsschiff bereits verlassen, indem er unmittelbar nach der Rückkehr von Montesinos seinen Rücktritt vom zweithöchsten Staatsamt verkündete und damit allen Spekulationen über einen unmittelbar bevorstehenden Militärschlag Tür und Tor öffnete.
Auch das Abbröckeln innerhalb der Regierungsfraktion im Kongress geht unvermindert weiter.
Mehr als zehn Abgeordnete haben sich bereits von der Perú 2000 - Fraktion losgesagt, die bei den Kongresswahlen im April 2000 ihre absolute Mehrheit verloren und nur noch 52 von 120 Sitzen erhalten hatte, aber durch spektakuläre Übertritte von Oppositionsabgeordneten wie Alberto Kouri (der sich nach neueren Meldungen in die USA abgesetzt hat, um einer Strafverfolgung wegen Bestechlichkeit zu entgehen) auf über 65 Sitze anwachsen konnte.
Eine seriöse Prognose über die weiteren politischen Entwicklung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erstellbar, nicht einmal ansatzweise.
Zusammenfassend kann nur nochmals festgestellt werden, dass die Regierungs- wie auch die Oppositionsbewegungen in sich so tief zerstritten sind, dass mit dem systematischen Aufbau einer geschlossenen demokratischen Alternative mit auch nur ansatzweise demokratischen Parteistrukturen bis zu den im April 2001 anberaumten Präsidentschafts- und Kongresswahlen kaum zu rechnen ist.
Auch der wirtschaftliche Druck ist gestiegen: Dringend benötigte ausländische Investitionen werden zurückgehalten und bis zur Klärung der politischen Lage eingefroren, was wiederum negative Effekte auf die ohnehin schwächelnde Binnenkonjunktur hat.
Die von allen Demokraten positiv aufgenommene Ankündigung Fujimoris, im kommenden Jahr Neuwahlen durchzuführen, hat sich somit zu einem Quell stetig wachsender politischer wie wirtschaftlicher Instabilität entwickelt.