Country reports
Die Funde kommen zur rechten Zeit, da bei gleichbleibender Förderung die bisherigen Vorräte in wenigen Jahren erschöpft wären. Zusätzlich wird ein Geldregen in Form dringend benötigter Devisen erwartet.
Der Wert der Ölvorkommen beträgt nach Aussagen des Ministers auf der Grundlage heutiger Preise rund 164 Milliarden US-Dollar. Dem ägyptischen Staat gehören davon 90 Milliarden, den Rest teilen sich ausländische Partner. Die Erdgasreserven sind 240 Milliarden US-Dollar wert. Die neuen, riesigen Lagerstätten wurden vor der ägyptischen Mittelmeerküste gefunden. Sie sollen ab Mitte des nächsten Jahres erschlossen und abgebaut werden.
Die bisher bekannten Erdölreserven wurden auf 3,7 Milliarden Barrel (1 Barrel = 159 Liter) geschätzt. Dreidimensionale Vermessungen, auf deren Grundlage recht zuverlässig die vorhandenen Mengen berechnet werden können, beziffern die neu entdeckten Erdölfunde auf 4,5 Milliarden Barrel. Somit steigen die bekannten Erdölreserven auf 8,2 Milliarden Barrel. Vergleichbares gilt für das Erdgas. Bisher ging man in Ägypten davon aus, über 1033 Milliarden Kubikmeter Erdgas zu verfügen. Mit den neuen Funden von 665 Milliarden Kubikmetern steigt die gesamte mögliche Fördermenge an Erdgas auf 1698 Milliarden Kubikmeter.
Funde kommen zur rechten Zeit
Die Entdeckung neuer Öl- und Gasquellen kommt zu einem günstigen Zeitpunkt, da die Vorräte in vielen älteren Feldern langsam zur Neige gehen. Der Golf von Suez war bisher mit 75 Prozent das Hauptfördergebiet. Im November 1999 betrug die tägliche Fördermenge noch 748.000 Barrel, ein Jahr zuvor waren es 806.000 Barrel und im Jahr 1995 sogar rund 900.000 Barrel pro Tag.
Zusätzlich wurden vier kleinere Ölfelder entdeckt, deren Umfang mit 41,5 Millionen Barrel beziffert werden mit einer Tagesförderung von zusammen 5.240 Barrel. Eines davon liegt in der Westlichen Wüste und enthält Erdgasreserven von 226.629 Kubikmetern sowie Erdölreserven von 12 Millionen Barrel und einer möglichen Tagesförderung von 2.000 Barrel. Die drei übrigen kleineren Ölfelder liegen im Golf von Suez: das erste mit einer möglichen Tagesförderung von 1.240 Barrel bei 10,5 Millionen Barrel Reserven, zwei weitere mit einer möglichen Tagesleistung von je 1.000 Barrel und je 9.5 Millionen Barrel Reserven.
Neben den Suez-Kanal-Gebühren und dem Tourismus war der Export von Kohlenwasserstoffprodukten der wichtigste Devisenbringer Ägyptens. Im vergangenen Jahr fiel die Bilanz erstmals negativ aus. Verursacht wurde das Defizit von 80 Millionen US-Dollar durch sinkende Fördermengen bei gleichzeitig steigendem Binnenverbrauch. Bisher brachten Erdölprodukte einen Exporterlös von jährlich 1,5 Milliarden US-Dollar und machten damit zwei Drittel aller Ausfuhren aus. Zum Bruttosozialprodukt steuern sie rund 10 Prozent bei. Der Kohlenwasserstoffsektor hat sich zur wichtigsten Branche für ausländische Investitionen entwickelt. Das war nicht immer so, da noch vor einigen Jahren die ägyptische Regierung nur zögerlich ausländische Investoren in diesem "Schlüsselbereich" zuließ.
Die Zukunft liegt im Erdgas
In Ägypten geht man davon aus, daß die Zukunft dem Erdgas gehören und Erdöl an Bedeutung verlieren wird. Mit den Erdgasfunden kann Ägypten nicht nur den steigenden Energiebedarf einer rasch wachsenden Bevölkerung für die nächsten 100 Jahre decken, sondern in Zukunft auch Erdgas exportieren. Bereits heute beruht die Stromgewinnung zu 85 Prozent auf Erdgas. 1999 betrug die Erdgasproduktion 65,2 Millionen Kubikmeter pro Tag, 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Sie soll auf 99,2 Millionen Kubikmeter gesteigert werden, wenn die dem Nildelta vorgelagerten, neu entdeckten Erdgasfelder ab 2003 vollständig erschlossen sind.
Ein Konsortium unter britischer Federführung hat bereits mit der staatlichen Erdölgesellschaft einen Vertrag geschlossen für den Bau einer 500 Kilometer langen Pipeline von Kairo in das oberägyptische Asyut. Ab dem Jahre 2002 soll die neue Pipeline das Rückgrat für die Gaslieferungen an Industrie und Haushalte in den schwach entwickelten zentralen und südlichen Landesteilen werden. Auch internationale Konzerne räumen mittlerweile ein, daß Ägypten die Förderung für ausländische Firmen attraktiv gemacht habe.
Erdölminister Sameh Fahmi hält für den Export die flüssige Form von Erdgas für die beste Lösung. Im Laufe des Jahres 2000 soll deshalb eine Gasverflüssigungsanlage gebaut werden. In der Mittelmeerregion bestehe seiner Meinung nach eine große Nachfrage. Allerdings sieht sich Ägypten einer starken Konkurrenz ausgesetzt.
Nach dem Ende des Embargos gegen Libyen hat sich der westliche Nachbar Ägyptens wieder auf dem Kohlenwasserstoffmarkt zurückgemeldet. Die Erschließungs- und Produktionskosten sind dort weitaus niedriger. Libyen ist einer der Hauptlieferanten von Erdgas für Italien. Trotzdem schließt Minister Fahmi nicht aus, daß Ägypten in diesen hart umkämpften Markt einsteigen wird. In der Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich bestehe ein hoher Bedarf an Energieträgern. Auf der anderen Seite wird aber das Land nicht darum herum kommen, die Preise beim Binnenverbrauch anzuheben. Geht man von den bisher bekannten Vorräten aus, müßten bei ständig steigendem Verbrauch in den nächsten sechs Jahren Öl und Gas nach Ägypten importiert werden. Ein steigendes Haushaltsdefizit mit all seinen negativen Auswirkungen wäre die Folge.
"Friedenspipeline" nach Israel
Die Aussichten, Erdgas in absehbarer Zukunft in größerem Maßstab aus Ägypten in die östlichen Nachbarstaaten Israel, die Palästinensischen Autonomen Gebiete, Libanon, Jordanien und Syrien zu exportieren, stehen nicht schlecht. Am 3. Januar 2000 gab das Erdölministerium bekannt, sofort geeignete Maßnahmen zum Export von Erdgas zu ergreifen, sei es per Pipeline oder in flüssiger Form. Grundlage für diese forsche Ankündigung ist die am 23. Dezember 1999 aus der Umgebung des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak gekommene Äußerung, der ägyptische Botschafter in Israel, Mohammed Bassiouni, habe ihm mitgeteilt, daß die ägyptische Regierung dem Export von Erdgas an Israel offiziell zugestimmt habe.
Nach vierjährigen Verhandlungen wurde zwischen Israel und Ägypten ein Paket geschnürt, das vorsieht, ab dem Jahr 2002 über einen Zeitraum von 20 Jahren insgesamt 2,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Israel und in die Palästinensischen Autonomen Gebiete zu liefern. Die Pipeline soll vom ägyptischen Mittelmeerort El-Arisch nach Israel führen und zu einem späteren Zeitpunkt in den Libanon, nach Jordanien, Syrien und in die Türkei verlängert werden. Die Gasleitung soll von einem ägyptisch-israelischen Konsortium gebaut werden. Es heißt, daß das Klima der Friedensverhandlungen sich positiv auf die Geschäfte auswirke. Das Erdgas, das an Israel geliefert werden soll, kommt aus Feldern, die vom italienischen Energiekonzern AGIP betrieben werden.
Von israelischer Seite sei die Merhav-Gruppe federführend, die wiederum an einem Ölraffinerieprojekt der Middle East Oil Refinery MIDOR in Alexandria beteiligt ist. MIDOR ist die seit 40 Jahren erste private Raffinerie in Ägypten und wurde 1993 von der schweizerischen Firma MASAKA und der irischen MEDOR gegründet. Aus Finanzierungsgründen übernahm der 1956 gegründete staatliche ägyptische Energiekonzern Egyptian General Petroleum Corporation EGPC 40 Prozent der Anteile. Zum damaligen Zeitpunkt war der jetzt amtierende Erdölminister Sameh Fahmi stellvertretender Vorstandsvorsitzender der MIDOR und gleichzeitig Chef der für den Anlagenbau zuständigen Middle East Oil Tankages and Pipelines MIDTAP.
Auch Israel ist fieberhaft auf der Suche nach Erdöl und Erdgasvorkommen. British Gas fand 20 Meilen vor der israelischen Küste Gasvorkommen. Die Briten halten einen Anteil von 50 Prozent an einem Konsortium, das von der Isramco geführt wird. British Gas hat zudem als erste Ölgesellschaft Explorationsrechte im Gaza-Streifen erhalten. Einige israelische Experten sind deshalb schon der Meinung, daß Israel die ägyptischen Gaslieferungen nicht benötigen werde. Um seine Energieversorgung aber langfristig zu sichern, wird Israel an einer Diversifizierung seiner Lieferanten größtes Interesse zeigen. Am Beispiel des Kohlenwasserstoffsektors wird deutlich, daß die internationale Verflechtung auch im Nahen Osten bei großen Wirtschaftsprojekten eine unabdingbare Voraussetzung ist, da es um enorme Investitionen geht.