Country reports
Ein Land in der Krise
Immer weniger kann Präsident Mugabe gravierende Skandale, den rapiden Niedergang der Wirtschaft und Mißerfolge seiner Armee im Kongo-Kinshasa unter der Decke halten. Die großen Geldgeber haben ihn fallen gelassen, in der internationalen Politik hat er sich durch rüde Stellungnahmen selbst isoliert.
Der ungeheure Sogeffekt des Kongo-Krieges und eine Inflation von durchschnittlich 80% nehmen den Ministerien jeglichen Spielraum für notwendiges Handeln: so müssen Krankenhäuser und Schulen geschlossen werden. Ausländische Investitionen bleiben aus. In den Banken sind Dollarnoten kaum mehr erhältlich, weil sie privat gehortet werden. Preise für essentielle Bedürfnisse wie Lebensmittel oder öffentliche Transporte galoppieren davon, und die spürbar zunehmende Armut hat das Bild des einst freundlichen und an Kriminalität armen Landes binnen Jahresfrist gewandelt.
Seit Tagen gibt es im gesamten Land keinen Dieselkraftstoff mehr - die letzten Vorräte sind bei der Armee und werden in die Militärbasen im Kongo geflogen. Zum Jahreswechsel konnte eine internationale Blamage des Landes nur durch die Finanzspritze einiger barmherziger westlicher Geber abgewendet werden: Zahllose vorwiegend südafrikanische Ferienbesucher ohne Benzin in der Savanne – dies hätte das Image Simbabwes, das im wesentlichen durch den Tourismus geprägt ist, vollends beschädigt.
Dies alles zeichnet das Bild eines Landes, dessen altersstarrsinniger Präsident sich innenpolitisch nur noch durch Beschimpfungen gegenüber der weißen Minderheit hervortut, während er von einem Krisengipfel in der Region zum anderen jettet. Seine offenkundige Ignoranz gegenüber Problemen im eigenen Lande und sein Ruf als meistreisender afrikanischer Präsident wurden beim Treffen der Staatschefs in Durban von der internationalen Presse offen verhöhnt, indem er gefragt wurde, "wann er Simbabwe wieder einmal besuche". Dabei bezieht sich ein wesentlicher Teil seiner Reisetätigkeit auch auf die Beschaffung dringend benötigter Devisen. Nach seiner Erklärung, Simbabwe akzeptiere die Bedingungen des IWF nicht und komme auch ohne Hilfsgelder zurecht, kann Unterstützung nur noch von den "alten Kameraden" wie Libyen, Kuba und China erwartet werden.
Politische Alternativen in Sicht?
Die unabhängige Presse im Land hat somit reichlich Stoff für Attacken gegen das überlebte Regime - aber zu wessen Nutzen? Die parteiinterne Konkurrenz um die Nachfolge des 76jährigen ist entweder seit langem ausgeschaltet oder durch ein Netzwerk jahrelanger "Gefälligkeiten" eingebunden. Und die Opposition begibt sich goldener Chancen durch beharrliches Schweigen in der Öffentlichkeit.
Margaret Dongo's "Zimbabwe Union of Democrats" und Morgan Tsvangirai's "Mouvement for Democratic Change" hatten nach ihrer von der Presse gefeierten Parteigründung hinreichend Zeit und Unterstützung, um sich landesweit zu etablieren. Ihre publizistische Abstinenz kann nur durch die hierzulande nicht ungewöhnliche Selbstüberschätzung erklärt werden, daß sie einen Wahlsieg schon in der Tasche wähnen.
Sicher ist, daß selbst hartgesottene Anhänger der regierenden ZANU(PF) (Zimbabwe African National Union Patriotic Front) den politischen Verhältnissen absolut unzufrieden sind. Eine vom unabhängigen "Daily Mail" am 14. und 17. Januar veröffentlichte Meinungsumfrage zeigt eine Unterstützung von 37% für Morgan Tsvangirai's MDC (Movement for Democratic Change) und von 34 % für Margaret Dongo's ZUD (Zimbabwe Union of Democrats), dagegen nur von 11% für Präsident Mugabe's ZANU(PF). Trotz des Aufschreis im Regierungslager über diese "verfälschenden Zahlen" dürfte das Bild aber sehr täuschen: die tendentiell richtig konstatierte Unzufriedenheit bedeutet m.E. noch lange nicht, daß die Opposition tatsächlich mehr als eine Handvoll Sitze dazu gewinnen kann. Wie sollten ihre Kandidaten in den Provinzen mangels offensiver Strategien (und finanzieller Mittel!) Profil gegenüber den umfassend geförderten Kandidaten der Einheitspartei gewinnen?
Demokratie als Fassade
Diese Rahmenbedingungen machen es der Regierungspartei leicht, Wahltermine wie Schachfiguren hin- und herzuschieben. Das Referendum über die neue Verfassung war im Dezember noch auf Mitte Januar festgelegt worden, ein Termin, der wegen der dazwischen liegenden Weihnachtspause möglichen politischen Wiederstand verhinderte. Nun ist dieses Datum aus strategischen Gründen auf den 12./13. Februar festgesetzt worden. Nach Aussage des Justizministers hat das Finanzministerium aber bis heute selbst für diesen Zeitpunkt die erforderlichen 100 Mio. Z$ (20 Mio. DM) nicht bereitgestellt, auf deren Basis die Abhaltung des Referendums im ganzen Land dann administrativ vorzubereiten wäre.
Ähnlich ergeht es dem Termin für die Parlamentswahlen, die auf der Basis der neuen Verfassung nach dem Referendum abgehalten werden sollen. Nachdem der Justizminister Anfang Januar den Wahltermin von April auf Juni verschoben hatte, erklärte der Präsident tags darauf, die Wahlen fänden bereits im März statt. Dieser Termin ist schon wegen der wochenlangen Vorbereitungszeit für ein halbwegs stimmiges Wählerregister selbst nach Einschätzung von Stimmen aus dem Regierungslager "unrealistisch und überstürzt. Derartige Schiebereien machen es nicht nur internationalen Wahlbeobachtern unmöglich, einen Einsatz zu planen, sondern auch politischen Gegenspielern, die nur trotzig erklären können, sie seien zu jedem Termin bereit.
Eine derart umfassende politische Perspektivlosigkeit führt bei der unabhängigen Presse gelegentlich zu verständlicher Frustration. Sie will nicht von einer vermutlich im Amt bleibenden Regierung als der ewige Nörgler vorgeführt werden, wenn Oppositionspolitiker diese Bemühungen nicht durch Visionen und Alternativen begleiten. Ein unabhängiges Institut zur Medienbeobachtung im Lande (MMPZ) (Media Monitoring Project Zimbabwe) stellte in diesen Tagen denn auch fest, daß die Presse die Öffentlichkeit kaum über inhaltliche Optionen des Referendums informiere, sondern sich eher mit wechselseitiger Propaganda an der Oberfläche befasse. Die befördert das Argument der Regierung, daß ein Nein im Referendum ein Ja zur alten, von der Kolonialmacht diktierten Verfassung bedeute.
Alles in allem hat die von der Zivilgesellschaft erzwungene Erarbeitung einer neuen Verfassung im Vorfeld der Wahlen aber erhebliche positive Seiten gezeigt. Die Regierung hatte sich nach anfänglichem Zögern nach außen hin zu einer konstruktiven Linie entschlossen, zumal sie nach innen ohnehin die Fäden in der Hand behält. Die internationale Gemeinschaft konnte sehen, daß Emissäre im ganzen Land die Meinung der Bevölkerung erkundeten, daß der Präsident den Verfassungsprozeß vorantrieb und die staatlichen Medien stündlich mit Musikspots zu einem Ja zu "unserer neuen demokratischen Konstitution" auffordern.
Dies nimmt einer Kritik nationaler und internationaler Experten am Verfahren und an den letztlichen Inhalten jede Chance. Die Befragungen durch die vom Präsidenten eingesetzte Verfassungskommission und die Medienwerbung haben in der Bevölkerung aber einen erheblichen Bewußtseinswandel bezüglich politischer Partizipation und der Bedeutung verfassungsmäßiger Rechte bewirkt, der durch Bildungsmaßnahmen zur "voter education" vermutlich so nicht erreicht worden wäre. Es bleibt nun abzuwarten, ob sich die Anstrengungen der vergangenen Monate in einer spürbaren Wahlbeteiligung niederschlagen, oder ob sich die Bevölkerung mangels ernsthafter politischer Alternativen letztlich wieder auf ihre Sorgen um das tägliche Überleben zurückzieht