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Country reports

Thailands Parteien formieren sich neu

by Dr. Thomas Helfen
Gerade erst sind die ersten Wahlen zum thailändischen Senat durchgeführt, schon formieren sich die thailändischen Parteien im Hinblick auf die anstehenden Parlamentswahlen neu. Thaksin Shinawatra, Großunternehmer und einziger ernstzunehmender Herausforderer von Premierminister Chuan Leekpai, versammelt in seiner 1998 gegründeten Partei nicht nur neue Gesichter, sondern auch Vertreter des alten Parteienestablishments.

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Derweil muss die regierende Democrat Party den Vermögensskandal ihres Generalsekretärs, Innenminister Sanan Kachornprasart, verkraften. Viele Abgeordnete suchen nach den besten Startplätzen für ihre Wiederwahl und wechseln die Parteien. Kleine Parteien versuchen, durch Fusionen ihr Überleben zu sichern. Bei all dem geht es um die zukünftige Macht und schon jetzt um viel Geld.

Spätestens im November muss das thailändische Abgeordnetenhaus neu gewählt werden. Noch liegt Premierminister Chuan Leekpai, zugleich Vorsitzender der die Regierungskoalition anführenden Democrat Party, bei Umfragen gut im Rennen. Noch gilt er als persönlich integer und die Wirtschaft setzt ihren - wenn auch langsamen - Erholungskurs fort. Aber, ihm drohen die Abgeordneten wegzulaufen. Werden ihm auch die Wähler weglaufen?

Einen schweren Schlag hat die Democrat Party durch den Vermögensskandal ihres als "Power Player" bekannten Innen- und stellvertretenden Premierministers Sanan Kachornprasart erlitten. Die Nationale Anti-Korruptions-Behörde war am 28. März 2000 zu dem Schluss gekommen, dass Sanan Kachornprasart bei der Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse gefälschte Dokumente vorgelegt hat. Bereits am nächsten Tag gab er sein Abgeordnetenmandat auf und legte seine Ämter als Innenminister und stellvertretender Premierminister nieder.

Nur das einflussreiche Amt des Generalsekretärs der Democrat Party will er zumindest bis zur endgültigen Entscheidung des Verfassungsgerichts, die nicht vor Ende April erwartet wird, weiterhin ausüben. Bestätigt das Verfassungsgericht das Verdikt der Nationalen Anti-Korruptions-Behörde, so verliert der frühere Armeegeneral automatisch alle seine politischen Ämter und ist für fünf Jahre von neuen ausgeschlossen.

Der Skandal ist in zweifacher Hinsicht fatal für Premierminister Chuan Leekpai. Zum einen erleidet sein Image als "Saubermann" einen schweren Schlag durch den Vermögensskandal seines engen Vertrauten. Zum anderen verliert er mit Sanan Kachornprasart einen der einflussreichsten und versiertesten Politiker in seiner Mehrparteienkoalition. Dieser hatte sein Talent als geschickter Verhandler nicht zuletzt unter Beweis gestellt, als er Ende 1997 half, die alte Regierung unter Chavalit Yongchaiyudh noch in der laufenden Legislaturperiode durch das Schmieden einer neuen Regierungskoalition unter der Führung von Chuan Leekpai abzulösen.

Die Opposition nahm den Skandal zum Anlass, Premierminister Chuan Leekpai aufzufordern, das Parlament aufzulösen und unverzüglich Neuwahlen auszuschreiben. Der Wettstreit um die Macht im Lande wird härter. Mit Thaksin Shinawatra, einem in der Computer- und Telekommunikationsbranche reich gewordenen ehemaligen Polizeioffizier, steht der Herausforderer bereits fest.

Eindrucksvoll präsentierte er sich auf dem diesjährigen, im Stile amerikanischer Nominierungskongresse durchgeführten nationalen Parteitag der von ihm gegründeten Thai Rak Thai Party (etwa: Thais lieben Thais) am 26 März 2000. Circa 7.000 der rund einen Million Parteimitglieder konnten einer Multimedia-Präsentation und der Rede des Parteivorsitzenden in der angemieteten Sporthalle beiwohnen, während einige weitere Tausend die Veranstaltung auf Bildschirmen verfolgten. Zugleich wurden 44 der 55 Positionen des Exekutivkomitees der jüngsten und wohl auch reichsten Partei Thailands besetzt.

Thaksin, der schon einmal Vorsitzender einer anderen Partei, der Phalang Dharma Party, und Kabinettsmitglied war, sich dann aber wieder aus der Politik zurückzog, ist mit seiner von ihm vor knapp zwei Jahren gegründeten Partei angetreten, die jetzige Regierung abzulösen und endlich selbst Premierminister zu werden. Aber über die beeindruckende Medienshow auf dem Parteitag hinaus gibt es wenig, was Anlass zu der Annahme gibt, hier sei eine neue Politikära begründet worden. Dies zeigt sich nicht nur hinsichtlich des politischen Programms, sondern auch im Hinblick auf die vorgestellte Führungsmannschaft.

Die zahlenmächtige und chronisch überschuldete Landbevölkerung (insbesondere des Nordostens) versucht Thaksin mit dem Versprechen eines dreijährigen Zinsmoratoriums für sich zu gewinnen. Deckungen für seine großzügigen Förderprogramme werden nicht ausgewiesen. Sein wirtschaftspolitisches Konzept hat er auf die eingängige Formel gebracht: Förderung der Zukunftstechnologien, Absterben lassen der alten Wirtschaftsbranchen.

Dabei scheut er, harte Themen anzugehen, etwa wie er die vom Staat übernommenen Altschulden der zusammengebrochenen Finanzinstitute in Höhe von etwa 700 Milliarden DM begleichen will, würde er die Regierungsgeschäfte übernehmen. Zudem stellt sich die Frage, wie Thailand so einfach den Sprung ins Technologiezeitalter schaffen soll, um sich ein Absterben der alten Branchen leisten zu können. Vor allem liegen hier doch die akuten Probleme der thailändischen Wirtschaft. So verwundert es nicht, dass Thaksin Shinawatras Wirtschaftsprogramm nicht nur von der Regierung verrissen wurde, sondern auch in der Presse auf deutliche Skepsis gestoßen ist.

Thaksin war als Reformer der Parteienlandschaft angetreten. Er versprach, mit der Gründung seiner Thai Rak Thai Party mit dem alten Machtgeschacher Schluss zu machen, die alte "Politik durch Geld" endgültig zu beenden und eine neue Generation ehrlicher und korruptionsfreier Persönlichkeiten in die politische Arena zu führen. Entsprechend groß waren die Erwartungen, welche Mannschaft er um sich scharen würde. Aber auch in dieser Hinsicht war der Parteikongress eine Enttäuschung. Dafür hatte er zu viele Vertreter aus der alten Politikergarde um sich geschart.

Einige der auf dem Parteitag vorgestellten Exekutivkomiteemitglieder sind notorische Parteiwechsler, die immer kurz vor Wahlen versuchen, bei einer gerade populäreren oder finanziell schlagkräftigeren Partei Unterschlupf zu finden. Anderen werden Verbindungen mit der organisierten Kriminalität nachgesagt. Thaksin Shinawatra hat mit der jetzt vorgestellten Führungsmannschaft seinen Anspruch einer sauberen Alternative zur herkömmlichen Politik deutlich verspielt.

Schwer lastet der Vorwurf auf ihm, er nutze sein auf etwa 2,5 Milliarden DM geschätztes Vermögen, um Abgeordnete und Politiker anderer Parteien wie Unternehmen auf dem Markt "aufzukaufen". Seitens der Democrat Party wurde Thaksin vorgeworfen, er zahle den zu ihm wechselnden Abgeordneten monatliche Gehälter und stelle größere Summen für deren künftigen Wahlkampf unter dem Banner der Thai Rak Thai Party zur Verfügung.

Gemessen an den "alten" Maßstäben war er allerdings sehr erfolgreich. So ist es ihm gelungen, viele einflussreiche Politiker in sein Lager zu ziehen. Dass er elf Exekutivpositionen unbesetzt ließ, deutet darauf hin, dass er mit weiteren prominenten Zugängen rechnet. Unter den bisherigen Neuzugängen ist etwa Snoh Thienthong, Führer einer circa 40 - 50 Parlamentarier starken Abspaltung von der Oppositionspartei New Aspiration. Ein anderer prominenter Politiker, Surakiart Sathirathai, hat seinen politischen Ziehvater Banharn Silpaarcha und dessen Chat Thai Party verlassen und sich Thaksin Shinawatra angeschlossen. Ebenfalls zu Thai Rak Thai wechseln wird wohl der Vorsitzende der Social Action Party Suwit Khunkitti mit einem Teil seiner Gefolgsleute.

In der thailändischen Parteienlandschaft, die eine Ausdifferenzierung nach links oder rechts nicht kennt, hat ein Konzentrationsprozess eingesetzt. Kleinere Parteien wie etwa Rassadorn oder Seritham Party beginnen sich zusammenzuschließen. Vor allem Thai Rak Thai vergrößert ihre politische Machbasis durch Neuzugänge seitens bekannter Abgeordneter - nicht zuletzt auf Kosten der Democrat Party. Dabei drohen der Democrat Party wichtige Stimmenpotentiale, vor allem im Norden sowie in Zentralthailand wegzubrechen. Aber auch die Democrat Party gewinnt durch Parteiwechsel von Seiten kleinerer Parteien. Unterm Strich scheint es aber zu einer Nettoabwanderung bei den Democrats zu kommen. Was dies in Wählerstimmen bedeuten wird, ist noch nicht abzusehen. Die Nervosität in Chuan Leekpais Partei jedenfalls wächst.

Politiker und Parteien formieren sich zum Teil ganz neu, um sich die besten Startchancen für die nächsten Parlamentswahlen zu sichern. Die Hauptschlacht wird dabei zwischen Chuan Leekpai an der Spitze seiner Democrat Party und Thaksin Shinawatra mit seiner Thai Rak Thai Party geschlagen werden. Es wird eine erbitterte Schlacht werden, aber keine zwischen Gut und Böse, sind beide Lager doch zu sehr mit Skandalen und alten Garden belastet.

Immerhin: Dass die nationale Wahlkommission 78 der 200 Senatswahlsieger wegen Stimmenkaufs oder sonstiger Wahlverstöße nicht anerkannte und in 35 von 76 Provinzen Nachwahlen für den 29. April 2000 angesetzt hat, ist im Hinblick auf den demokratischen Reformprozess ebenso ermutigend wie das Urteil der Nationalen Anti-Korruptions-Behörde gegen Innenminister Sanan Kachornprasart, eine zentrale Machtfigur, die bislang als unangreifbar galt. Die demokratische Hoffnung richtet sich nun auf die Urteilskraft der Wähler.

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