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Die fortdauernde Legitimitätskrise in den Palästinensischen Gebieten

kohta Steven Höfner, Merit Ahmann
Der Beginn des Jahres hielt viele Debatten und internationale Reaktionen für die Palästinenser bereit. Die Veröffentlichung des Trump-Plans, regionale Konflikte und die Bekämpfung des Corona-Virus beanspruchten den Großteil der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dabei rücken jene Vorhaben in den Hintergrund, die eigentlich die Politik des Jahres bestimmen sollten: die Vorbereitungen von Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.

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Wahlen als Ausnahme
 

Dass die Möglichkeit von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bis zu Beginn des Jahres viel Aufsehen erregte, ist primär deren Ausnahmecharakter geschuldet. Nach der Etablierung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) im Rahmen der Oslo-Abkommen von 1993 fanden lediglich zwei Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Eine davon erfolgte im Jahr 1996 und resultierte in der Präsidentschaft von Yasser Arafat, dessen Partei Fatah zudem den Palestinian Legislative Council, das Parlament der PA im Westjordanland und Gaza, dominierte. Die auf Arafats Tod im Jahr 2005 folgenden Präsidentschaftswahlen entschied Mahmoud Abbas zu seinen Gunsten. Dessen Mandat hätte bereits im Jahr 2009 einer erneuten Legitimation bedurft, wurde jedoch im Zuge einer Neuinterpretation des Wahlgesetzes zunächst um ein Jahr und schließlich auf unbestimmte Zeit verlängert. Folglich regiert Mahmoud Abbas seit Ablauf seiner ursprünglich vierjährigen Amtszeit ohne entsprechende Legitimation der palästinensischen Bevölkerung durch Wahlen.

 

Die im Jahr 2006 zum zweiten Mal stattfindenden Parlamentswahlen, an denen auf Druck der US-Regierung auch die palästinensische Bevölkerung Ostjerusalems teilnehmen durfte, wurden von der islamistischen Hamas gewonnen. Der Wahlsieg der Bewegung, die von der EU als Terrororganisation eingestuft wird, wurde von der internationalen Staatengemeinschaft weitestgehend nicht anerkannt. Zudem zog das Ergebnis einen schwerwiegenden Konflikt zwischen Hamas und Fatah nach sich, der in der alleinigen Kontrolle Gazas durch die Hamas und dessen weitgehende internationale politische Isolation mündete.

 

Ringen um Wahlen
 

Die dargestellten Umstände, das anhaltende Fehlen einer Legitimation durch die palästinensische Bevölkerung sowie eine innenpolitische Uneinigkeit, haben dazu beigetragen, dass auf die palästinensische Führung sowohl der interne, als auch der externe Druck Wahlen abzuhalten, insbesondere von internationalen Geberstaaten, steigt. Hinzu kommt, dass Präsident Abbas dieses Jahr 85 Jahre alt wird und sein mögliches Ausscheiden aus dem Präsidentenamt ein Machtvakuum hinterlassen wird, dessen Beseitigung noch gänzlich unklar ist.

 

Vor diesen Hintergründen kündigte Abbas bereits im Dezember 2018 in Folge eines Urteil des palästinensischen Verfassungsgerichts die Auflösung des Parlaments sowie die Abhaltung von Parlamentswahlen innerhalb der nächsten sechs Monate an. Diese Frist verstrich ohne eine Einigung auf die Modalitäten von Wahlen. Im Oktober des Jahres 2019 beauftragte der Präsident erneut den Vorsitzenden des Zentralen Wahlausschusses, mit den Wahlvorbereitungen zu beginnen und Ende November gaben alle palästinensischen Fraktionen, einschließlich der Hamas, ihre Zustimmung zu Parlamentswahlen. Anschließend wurden Parlamentswahlen, gefolgt von Präsidentschaftswahlen, für die erste Jahreshälfte 2020 erwartet. Doch auch diese Erwartung hat sich nicht erfüllt; im März 2020 erscheinen Wahlen ebenso wenig in greifbarer Nähe wie im Jahr 2018.

 

Hindernisse auf dem Weg zu Wahlen
 

Zu diesem kontinuierlichen Aufschub tragen zahlreiche Faktoren bei, die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen verhindern und verkomplizieren. Zum einen ist fraglich, ob der nötige Wille der federführenden Akteure vorhanden ist. Präsident Abbas hat seine Macht innerhalb der PA, der PLO (Palestine Liberation Organization, die die Palästinenser in Verhandlungen und nach außen vertreten soll) und der Fatah seit seinem Amtsantritt im Jahr 2005 stetig konsolidiert. Dazu gehören die Einschränkung politischer Rivalen, die Monopolisierung verschiedener palästinensischer Entscheidungsprozesse und autoritär anmutende Maßnahmen, um Raum für Dissens und pluralistisch-demokratische Ideen zu begrenzen. Das bestehende Interesse an der Wahrung des Status quo ergibt sich somit als logische Konsequenz.

 

Zudem müsste für die Umsetzung eines Wahlerlasses Einigkeit zwischen Hamas und Fatah über organisatorische Aspekte und politische Implikationen hergestellt werden – und somit ein Teil der Spaltung der beiden Parteien überwunden werden. Um letzteres zu erreichen, verfolgen Fatah und Hamas unterschiedliche Herangehensweisen: Während für die Fatah die Durchführung von Wahlen schon eine Annäherung darstellt, setzt die Hamas einen zuvor errungenen Konsens für Wahlen voraus und stellt gewisse Bedingungen hinsichtlich der Integrität und der Respektierung des Wahlergebnisses. Die Notwendigkeit dieser Bedingungen wird von aktuellen Meinungsumfragen unterstrichen, denen zufolge 70 % der palästinensischen Bevölkerung die Auffassung teilt, dass die Fatah einen Wahlgewinn der Hamas nicht akzeptieren würde.

 

In den letzten Wochen hat sich die russische Regierung als Mediator angeboten und mehrere palästinensische Parteien und Bewegungen nach Moskau zu Gesprächen eingeladen. Aus palästinensischer Sicht ist die nationale Einheit eine Grundbedingung für internationale Friedensverhandlungen. Sollte Russland wiederum diese Einigkeit moderieren, wäre dessen Position bei internationalen Verhandlungen gestärkt. Besonders kritisch werden die russischen Bestrebungen von Ägypten beobachtet, dem traditionellen Vermittler im innerpalästinensischen Konflikt. Im Nachgang zu den Gesprächen in Moskau betonten die Parteien jedoch, dass es noch ein langer Weg zur Einigkeit sei. Das grundlegende Problem geht nämlich über mögliche Wahlen und Friedensverhandlungen hinaus: Es geht um die Akzeptanz der palästinensischen Institutionen. Die Hamas möchte insbesondere die Zusammensetzung der PLO zu ihren Gunsten ändern, indem weitere Fraktionen aufgenommen werden, wohingegen die Fatah an der jetzigen Verfassung festhält.

 

Ein weiteres zentrales Hindernis zur Durchführung von Wahlen ergibt sich aus der ungeklärten Wahlteilnahme der Bevölkerung Ostjerusalems. Israel beansprucht ganz Jerusalem für sich; die überwiegende Mehrheit der Palästinenser Ostjerusalems kann jedoch nicht an israelischen Nationalwahlen teilnehmen, da nach israelischem Recht nur israelische Bürger und Bürgerinnen ihre Stimme abgeben können. Die Palästinenser in Ostjerusalem besitzen größtenteils keine Staatsbürgerschaft, sondern lediglich einen ständigen Wohnsitz in der Stadt. Die Frage, ob sie demnach an palästinensischen Wahlen teilnehmen dürfen, ist unklar, da die PA bisher keine Zustimmung von israelischer Seite erhalten hat, Wahlen in Jerusalem überhaupt durchzuführen. Ostjerusalem zählt jedoch zum integralen Bestandteil eines palästinensischen Staatsverständnisses, weshalb aus Sicht der palästinensischen Öffentlichkeit die Entscheidung zur Wahlteilnahme nicht von Israel abhängen sollte. Aus diesem Grund hat sich die PA an die Europäische Union gewandt, um für eine Wahl in Ostjerusalem einzustehen. Die anhaltende Regierungskrise mit unklaren Wahlausgängen in Israel trägt allerdings nicht zu einer Klärung der Situation bei. Im Allgemeinen wird der EU eine Schlüsselfunktion dabei zugeschrieben, den Wahlprozess in die Tat umzusetzen und ihn als Mediator, der unparteiischer als die USA wahrgenommen wird, zu erleichtern.

 

Der Ausblick auf Wahlen
 

Die Aussicht möglicher Wahlen in den Palästinensischen Gebieten trifft auf unterschiedliche Resonanz in der palästinensischen Bevölkerung. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die traditionellen palästinensischen Regierungsstrukturen sinkt weiter und konfrontiert die palästinensischen Institutionen, Abbas' Präsidentschaft und die PA mit einer beispiellosen Legitimitätskrise. Diese Tendenz macht sich insbesondere unter Jugendlichen bemerkbar, die sich der palästinensischen Politik zunehmend entfremdet fühlen. In diesem Sinne sinkt der Optimismus hinsichtlich der Aussicht auf baldige Parlamentswahlen, wie eine aktuelle Meinungsumfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research ergeben hat: Lediglich 45 % der Bevölkerung glaubt daran, dass Wahlen in naher Zukunft überhaupt stattfinden. Hinsichtlich eines möglichen Wahlsieges erwarten 38 % der Befragten einen Gewinn der Fatah und 32 % einen Sieg der Hamas.

 

Ein Ausgang der Wahlen wäre somit schwer prognostizierbar. Bei einem für die Fatah ungünstigen Ergebnis wäre die Macht im Westjordanland und damit auch die Kontrolle über die Palästinensische Autonomiebehörde in Gefahr. Ob die Fatah und Präsident Abbas dieses Risiko in einer freien Wahl ernsthaft eingehen wollen, ist zumindest fragwürdig. Doch auch die Hamas könnte bei einer Wahl im Gaza-Streifen ihre Machtbasis verlieren. Trotz aller öffentlichen Bekenntnisse für Wahlen, bleibt ein Eindruck, dass diese immer weiter verzögert werden, um die jeweiligen Machtverhältnisse im Westjordanland und im Gaza-Streifen zu zementieren. Die politische Aufteilung von Westjordanland und Gaza-Streifen scheint den beiden stärksten Kräften derzeit auszureichen. So ist es bei aller Legitimitätskrise derzeit wahrscheinlicher, dass die Ankündigung von Wahlen ein rhetorisches Mittel bleibt, um guten Willen zu zeigen.

 

Zweifelsohne bieten Wahlen die Chance, das Vertrauen in die palästinensischen Institutionen wiederherzustellen, das Legitimitätsdefizit zu überwinden und demokratische Prinzipien zu stärken. Die mögliche Milderung der Spaltung zwischen Hamas und Fatah sowie eine erhöhte innenpolitische Kohärenz könnte sich nicht nur positiv auf die Atmosphäre innerhalb der palästinensischen Gesellschaft auswirken, sondern ebenso die Verhandlungsposition im Kontext des israelisch-palästinensischen Konfliktes stärken – hierzu bedarf es jedoch internationaler Unterstützung. Wann und ob Wahlen letztendlich stattfinden, bleibt weiter abzuwarten. Die internationalen Krisen sorgen jedenfalls dafür, dass der Druck zur Erneuerung der politischen Legitimationen sinkt und die angestrebten Wahlen wieder in Vergessenheit geraten. Spätestens mit der Nachfolgefrage von Präsident Abbas wird ein Hinauszögern von Wahlen jedoch kaum mehr möglich sein.

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Steven Höfner

Steven Höfner (2020)

Leiter Auslandsbüro Marokko (in Vorbereitung)

steven.hoefner@kas.de

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