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Die Ukraine in der heißen Phase

kohta Nico Lange
Nach einem ungewöhnlich ruhigen Beginn des Wahlkampfes steigt in der Ukraine dieser Tage die Anspannung. Die letzten Umfragen vor den Wahlen zeigen die Partei der Regionen weiterhin vorn, Julia Tymoschenko im Aufwind und Probleme für Nascha Ukraina. Neben einem schärferen Ton in den Kampagnen brechen auch die alten Konflikte zwischen Präsident Juschtschenko und Premier Janukowytsch wieder voll aus. Rigide juristische Auseinandersetzungen und erneute öffentliche Protestaktionen nach den Wahlen deuten sich bereits an. Die verschiedenen Szenarien für den weiteren Verlauf der Entwicklungen geben kaum Anlass zu Optimismus. Auch nach dem Wahltag am 30. September wird die politische Situation in Kiew auf absehbare Zeit durch neue Eskalationen der Dauerkrise bestimmt werden.

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Wahlkampagnen auf dem Höhepunkt

Die Wahlkampagnen für die vorgezogenen Neuwahlen am 30. September in der Ukraine befinden sich auf ihrem Höhepunkt. Präsident Viktor Juschtschenko griff in den letzten Tagen persönlich zugunsten des Blocks Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes (NU-NS) in die Kampagne ein. Damit provozierte er empörte Reaktionen und juristische Aktivitäten der Gegenseite, die ihm Amtsmissbrauch und die Nutzung administrativer Ressourcen vorwirft. Freilich werden nach Erkenntnissen von Wahlbeobachtern durch alle politischen Lager sämtliche greifbaren administrativen Ressourcen mobilisiert, um beim erwartbar extrem knappen Wahlausgang einen Vorteil zu erlangen.

Oppositionsführerin Julia Tymoschenko, die während der Parlamentskrise im Frühjahr vergleichsweise unauffällig agierte, läuft im Wahlkampf unterdessen zur Höchstform auf. Ihre populistische Kampagne kann dabei auch Erfolge in einigen östlichen Gebieten der Ukraine vorweisen, was bei der Partei der Regionen deutlich für Unruhe sorgt.

Der Ausgang der Wahlen ist absolut offen

In der vergangenen Woche wurden die letzten Umfrageergebnisse vor den Neuwahlen publiziert. Wie in der Ukraine üblich, weisen die Prognosen eine hohe Varianz auf und sind je nach offiziellen oder verdeckten Geldgebern des jeweiligen Instituts deutlich gefärbt. Nach der Umfrage der Stiftung für Demokratische Initiativen käme die Partei der Regionen auf 34,7 Prozent, der Block Julia Tymoschenko auf 26,7 Prozent, der Block Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes auf 11,9 Prozent. Block Lytwyn und Kommunistische Partei befänden sich demnach knapp an der Drei-Prozent-Hürde.

Auch wenn diese Ergebnisse nur begrenzt aussagekräftig sind, zeichnet sich die Tendenz zu einer „orangen“ Mehrheit ab, mit einer deutlich stärkeren Position Tymoschenkos gegenüber dem präsidententreuen Block Nascha Ukraina. Noch vor wenigen Wochen hatten beide Parteien gleichauf gelegen. Die hohe Anzahl der Unentschlossenen und die Unwägbarkeiten der letzten Kampagnenwoche halten den Ausgang der Wahlen jedoch absolut offen.

Altbekannte Grabenkämpfe und juristisches Geplänkel

Unterdessen geraten inhaltliche Kampagnen und Sachthemen in der heißen Phase des Wahlkampfes wieder in den Hintergrund. Nachdem die Partei der Regionen wegen des Engagements des Präsidenten und angeblicher Anweisungen zu Manipulationen in Wahlkommissionen noch vor wenigen Tagen mit einem vollständigen Boykott der Wahlen gedroht hatte, beschuldigen sich nunmehr bereits vor der Stimmabgabe alle Parteien gegenseitig der Wahlfälschung. Die programmatischen Wahlwerbespots der ersten Wochen des Wahlkampfes sind Negativkampagnen, persönlichen Angriffen und gegenseitigen Anschuldigungen über Verfassungs- und Gesetzesbrüche gewichen. Das Schema der juristischen Auseinandersetzungen ist bekannt: Man erwirkt ein Gerichtsurteil vor einem freundlich gesinnten bzw. mit eigenen Leuten besetzten Gericht, das dann in einer Berufungsinstanz von der Gegenseite wieder aufgehoben wird. In den letzten Tagen waren derartige Vorgänge sowohl in Bezug auf Innenminister Zuschko als auch auf Präsident Juschtschenko zu beobachten.

Mögliche Szenarien geben kaum Anlass zu Optimismus

Drei Szenarien sind für die Entwicklungen nach den Wahlen wahrscheinlich. Zum ersten könnte bei entsprechender Mehrheit die Partei der Regionen mit Lytwyn und/oder den Kommunisten eine Regierung bilden. Damit stünde die Ukraine vor einer ähnlichen Konstellation wie noch vor der Parlamentsauflösung im April. Man kann davon ausgehen, dass in diesem Fall die Präsidialadministration mit Referendumsinitiativen oder aggressiven Handlungen des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates versucht, ihre Position doch noch durchzusetzen. Die radikalen Kräfte im Lager des Präsidenten werden nach all den Wirren um die Erlasse Juschtschenkos und die Neuwahlen nicht mit leeren Händen dastehen wollen.

Im zweiten Fall würde bei einer „orangen“ Mehrheit aus Block Tymoschenko und Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes eine Regierung gebildet. Die Partei der Regionen wird sich mit einer Oppositionsrolle gegen eine Ministerpräsidentin Tymoschenko jedoch kaum abfinden. Schon jetzt verbreitet die Janukowytsch-Partei gezielt Informationen über angebliche Wahlfälschungen und rechtswidrige Nutzung administrativer Ressourcen, um die eigenen Mehrheiten in Zentraler Wahlkommission und Verfassungsgericht für eine Anfechtung des Wahlergebnisses zu mobilisieren. Auch der „blaue“ Maidan mit einer riesigen Bühne und bezahlten „Demonstrationsarbeitern“ zur dauerhaften Besetzung des Platzes wurde bereits in Stellung gebracht, um für den Fall einer Niederlage neue Massenproteste im Zentrum Kiews zu orchestrieren.

Der dritte Fall schließlich wäre die Situation ohne klare Mehrheit. Die Folge wären mit hoher Wahrscheinlichkeit langwierige Koalitionsdiskussionen und eine Zerreißprobe für den Block Nascha Ukraina – Selbstverteidigung des Volkes, an deren Ende eine große Koalition mit der Partei der Regionen stehen könnte. Auch wenn diese Lösung vielen Beobachtern als vernünftig erscheint, ergeben sich signifikante Hindernisse. Für Juschtschenko wäre die jetzige Koalition seines Wahlblocks mit Janukowytsch gleichbedeutend mit einer Präsidentschaftskandidatin Julia Tymoschenko in 2009. Eine deutliche Niederlage wäre abzusehen. Auch an der noch immer wenig an Kompromissen orientierten Wählerbasis von Nascha Ukraina und anderer Mitgliedsparteien des Blocks findet sich keinerlei Unterstützung für eine Koalition mit der Janukowytsch-Partei.

Parteien bereiten sich auf zähe Auseinandersetzungen vor

Vor dem geschilderten Hintergrund bereiten sich alle Parteien auf zähe Auseinandersetzungen vor. Akribisch werden Verstöße der Gegenseite gegen das Wahlgesetz gesammelt und bereits jetzt Klagen wegen angeblicher Nutzung administrativer Ressourcen oder regelwidrigem Wahlkampf eingereicht. Die Parteien streiten sich um die Nutzung öffentlicher Plätze in Kiew, Anhänger werden mobilisiert, Bühnen errichtet und Informationsmaterialien für die ausländischen Korrespondenten und Botschafter aufbereitet.

Politische Situation bleibt weiterhin sehr kritisch

Die politische Lage in Kiew bleibt weiterhin sehr kritisch und unübersichtlich. Allen Beteiligten ist im Grunde klar, dass eine zügige Regierungsbildung und die Reparatur der Verfassung zur Herstellung der Handlungsfähigkeit der politischen Institution vonnöten wären. Die Regierungsbildung wird jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit durch Nichtanerkennung des Wahlergebnisses, Gerichtsverfahren, Radikalforderungen in Koalitionsverhandlungen sowie Manipulationsvorwürfe, Blockaden und Massenproteste aufgehalten werden. In Bezug auf die Verfassung kursieren bestenfalls vage Ankündigungen sowie extreme und unausgereifte Vorstellungen für eine komplette Neuorganisation des politischen Systems. Die politischen Eliten aller Parteien der Ukraine stellen einmal mehr ihre Unreife, mangelnde Seriosität und Verantwortungslosigkeit unter Beweis. Ein tragfähiger Elitenkonsens zur Korrektur der institutionellen Arrangements und zum Handeln innerhalb der Regeln zeichnet sich nicht ab.

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Sankt Augustin Deutschland