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Fortschritt oder Stillstand? Zum Stand und zur Zukunft der europäisch-russischen Zusammenarbeit

Ergebnisse des 32. EU-Russland-Gipfels in Brüssel

Der bilaterale Dialog zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation findet traditionell mit jährlichen Gipfeltreffen zwischen den höchsten Vertretern beider Seiten statt. Als Ausdruck der strategisch wichtigen europäisch-russischen Partnerschaft kann ein Hauptaugenmerk auf die bilateralen Handelsvolumina und somit wechselseitige Interdependenzen gelegt werden.

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Im Jahr 2012 wurden europäische Handelsgüter im Wert von 123,4 Mrd. € in die Russische Föderation exportiert, mit russischen Importen im Wert von 215 Mrd. €, womit die Russische Föderation der drittwichtigste Handelspartner für die Europäische Union nach den USA und China ist. Deutschland hat mit 30% den größten Anteil am europäischen Export. Im Gegenzug macht allein der Energieimport aus Russland 80% am Gesamtvolumen aus. Neben dem Treffen im russischen Jekaterinburg war der zweite für Dezember 2013 angesetzte EU-Russland-Gipfel Ende des Jahres jedoch verschoben worden und fand somit am 28. Januar 2014 in Brüssel statt.

Das Gipfeltreffen selbst war auf Wunsch der EU auf einen Tag verkürzt und fand in Form eines mehrstündigen Treffens zwischen dem russischen Präsidenten Vladimir Putin sowie Außenminister Sergej Lawrow und dem EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Durão Barroso, der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton sowie EU-Präsident Herman Van Rompuy mit verkleinerten Delegationen statt. Im Vorfeld des Gipfeltreffens war bekannt geworden, dass es inhaltlich um die strategischen Aspekte der bilateralen Partnerschaft sowie deren zukünftiger Ausrichtung gehen würde, wobei ebenfalls die Themenbereiche bezüglich Streitigkeiten im Rahmen der Welthandelsorganisation, außenpolitische Themen bezüglich Iran und Syrien sowie der Antiterrorkampf, Energiepolitik sowie die potentielle Visafreiheit und Verhandlungen über einen neuen Grundlagenvertrag thematisiert werden sollten. Beherrschendes Gesprächsthema war jedoch zweifelsfrei die aktuelle Situation in der Ukraine und der mögliche Bedarf an trilateralen Gesprächen. Aufgrund des überschaubaren Zeitrahmens waren im Vorfeld des Treffens keine substantiellen Ergebnisse erwartet worden.

Das Verhältnis beider Seiten ist in der aktuellen Situation und schon seit geraumer Zeit von größeren Unstimmigkeiten gekennzeichnet. So wurde einerseits zu Beginn des Jahres 2013 in Moskau zwar die „Roadmap EU-Russia Energy Cooperation until 2050“ mit dem Ziel des Ausbaus der für beide Seiten essentiellen Energiepartnerschaft unterzeichnet, jedoch gab es auf dem Gipfel im russischen Jekaterinburg selbst keine substantiellen Fortschritte der Partnerschaft zu vermelden. Die Streitpunkte sind dabei seit der Unterzeichnung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA) 1997, welches 2007 auslief und seitdem neu verhandelt wird, gerade in Bezug auf die nicht realisierte Visafreiheit prinzipiell dieselben geblieben. Gründe für die aktuellen Unstimmigkeiten zwischen der EU und Russland liegen dabei in den weiterhin konträren Standpunkten zum Syrienkonflikt. Zudem haben Medienberichte über eine potentielle Stationierung russischer Iskander-Kurzstreckenraketen in Kaliningrad als Antwort auf den Aufbau des NATO-Raketenschirms ebenfalls nicht zu einem positiven Klima beigetragen. Neben alten Streitigkeiten über das Dritte Energiepaket gibt es neue Fragen bezüglich rechtlicher Grundlagen zum Pipelineprojekt „South Stream“ und den bilateralen Energieverträgen Russlands mit verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten, wobei ein Kartellverfahren gegen Gazprom mit potentiellen Strafgeldern in Höhe von 14 Mrd. $ eingeleitet wurde. Durch den Beitritt der Russischen Föderation zur WTO sind zudem neue Probleme im Rahmen von Handelskonflikten bezüglich gegenseitig angeprangerter protektionistischer Maßnahmen für europäische und russische Konzerne entstanden. Der am 15. Januar in Russland veröffentlichte Menschenrechtsbericht hatte mit seinen Aussagen zu angeblichen Missständen in Europa ebenfalls zu Entrüstung und scharfen Protesten in Brüssel geführt.

Zentral erscheint jedoch die mittlerweile acht Wochen andauernde Auseinandersetzung über Zukunft und Schicksal der Ukraine in einer angespannten Dreiecksbeziehung zwischen Brüssel, Kiew und Moskau. Die Assoziierungsvereinbarung mit einem Freihandelsabkommen im Rahmen der „Östlichen Partnerschaft“ zwischen der Europäischen Union und der Ukraine scheiterte im November 2013 direkt vor dem EU-Ostgipfel in Vilnius. Es war von ukrainischer Seite ausgesetzt worden, jedoch nicht gänzlich ohne russische Beteiligung. Die russische Regierung war dem ehemaligen „Bruderstaat“ nach ökonomischen Druck vor dem Ostgipfel schließlich mit finanziellen Soforthilfen sowie Preissenkungen für Energieimporte zur Seite gesprungen, was von europäischer Seite als geostrategische Aktion Russlands im postsowjetischen Raum bewertet wurde, in welchem Moskau noch immer sein natürliches Einflussgebiet sieht. Diese Handlungen hatten die aktuellen Proteste in der Ukraine ausgelöst. Moskau und Brüssel hatten sich in den letzten Wochen und Monaten gegenseitige Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine vorgeworfen, wobei die EU Sanktionen gegen Regimevertreter, etwa Einreiseverbote und das Einfrieren von Auslandskonten, als Reaktion auf die neuesten Ausschreitungen mit ersten Todesopfern bei den Protesten in den Raum gestellt hatte. Die Ukraine besitzt neben der Funktion als Handelspartner für beide Seiten ebenfalls den wichtigen Status als Transitland. Es steht aktuell nicht nur die innere Stabilität der Ukraine vor einer Zerreißprobe, auch die wirtschaftliche Zukunft des Landes steht ohne eine positive Lösung des Konflikts auf dem Spiel, sollte das Investitionsklima weiter geschädigt werden.

Das Treffen in Brüssel fiel somit in eine kritische Phase der Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation mit der Frage nach der zukünftigen strategischen Ausrichtung. Es handelte sich beim 32. EU-Russland-Gipfel somit um kein gewöhnliches Treffen.

Inhaltliche Ergebnisse und Ausblick auf die zukünftige Kooperation

Die wichtigste Entwicklung im Rahmen des 32. EU-Russland-Gipfels waren die Ergebnisse bezüglich der zukünftigen wirtschaftlichen Kooperation beider Seiten, bindende Vertragsdokumente sind jedoch nicht unterzeichnet worden. Die Russische Föderation und die Europäische Union werden bis zum nächsten Gipfeltreffen am 3. Juli 2014 in der russischen Olympiastadt Sotschi eine bilaterale Expertenkommission gebildet haben, welche nicht nur die wirtschaftlichen Folgen eines ukrainischen Beitritts zum europäischen Freihandelsabkommen für die Russische Föderation evaluieren wird, sondern ebenfalls die Möglichkeiten für eine gemeinsame Freihandelszone diskutieren soll, welche sowohl in den Worten von Barroso als auch Putin von Lissabon bis Wladiwostok reichen könnte. Details für eine Kombination beider Wirtschaftsräume müssten jedoch aufgrund von WTO-Regularien geklärt werden.

Substantielle Fortschritte im Rahmen von Menschenrechtsfragen oder der angestrebten Visafreiheit konnten, wie im Vorfeld des Gipfeltreffens erwartet, nicht erzielt werden, da von Brüssel geforderte Lösungen im Bereich der Migrationskontrolle kurzfristig gesehen nicht vor der Umsetzung stehen werden. Weiter wurde über technische Details und Streitigkeiten bezüglich der Implementierung des Dritten Energiepakets sowie WTO-bezogene Handelsstreitigkeiten über Importzölle und Einführverbote europäischer Waren diskutiert, wobei es zumindest im Rahmen der Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (OPAL) Fortschritte zu vermelden gab. Das russische Unternehmen Gazprom wird die auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland verlaufende Gaspipeline nun mit maximaler Kapazität im Vergleich zu den bisherigen 50% Auslastung nutzen können. Zudem wollen sowohl die Europäische Union als auch die Russische Föderation weiter über einen neuen Grundlagenvertrag zwischen Brüssel und Moskau verhandeln, der seit 2007 in Aussicht, aber noch nicht vor seiner Vollendung steht und den veralteten Grundlagenvertrag aus dem Jahr 1997 endlich ersetzen könnte. Beide Seiten verabschiedeten des Weiteren eine gemeinsame Erklärung im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

Bezüglich der Lage in der Ukraine bemühten sich beide Seiten um Deeskalation, zudem machte Putin deutlich, dass der russische Kredit in Höhe von 15 Mrd. $ nicht von der Besetzung der ukrainischen Regierung, sondern vielmehr von der wirtschaftlichen Ausrichtung und Strukturreformen der Ukraine abhängig ist und entsprechend bei einem Regierungswechsel in Kiew nicht zurückgenommen werden würde.

Ebenfalls werde sich sowohl bezüglich russischer Gaslieferungen als auch deren Preisen nichts verändern. Die Ukraine könnte langfristig gesehen ein Mitglied der Europäischen Union und ihrer Freihandelszone oder aber Teil der Zollunion von Weißrussland, Kasachstan und der Russischen Föderation werden. Eine potentielle Osterweiterung der EU sollte dabei mit Blick auf die von Putin geplante Eurasische Union, deren Gründungsvertrag im Frühjahr 2015 mit einer langfristigen Brückenfunktion zwischen Europa und Asien offiziell unterzeichnet werden soll und die eine Art politischer und wirtschaftlicher Gegenentwurf zur Europäischen Union darstellt, nicht zum Nachteil beider Seiten erfolgen. Potentielle Beitrittskandidaten sind neben der Ukraine auch Armenien, Tadschikistan und Kirgisistan, wobei es sich somit ausnahmslos um ehemalige Staaten der Sowjetunion handelt.

Es wird jedoch immer offensichtlicher, dass sich die Ukraine nur für eine der beiden Lösung entscheiden kann. In Russland sieht man eine Kombination des europäischen Freihandelsabkommens mit der russisch dominierten Zollunion weiterhin kritisch. Der aktuell schwelende Konflikt zwischen Regime und Oppositionsgruppen in der Ukraine ist zentral und wird womöglich auch über diese Frage entscheiden.

Grundsätzlich sind sowohl Brüssel als auch Moskau an der inneren Stabilität und wirtschaftlichen Perspektive in der Ukraine ohne weitere Ausschreitungen oder sogar einer etwaigen Spaltung des Landes bestrebt und an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Gerade die Situation in der Ukraine sollte dabei nicht als Nullsummenspiel betrachtet, sondern stattdessen gemeinsame Interessen und Standpunkte für eine Kooperation als Grundlage für weitere Schritte durch Kompromissbereitschaft der drei Parteien erörtert und definiert werden. Somit sind auf dem 32. EU-Russland-Gipfel in Brüssel erste Schritte für eine Neuausrichtung der strategischen Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation aufgezeigt worden.

Das Potential einer intensivierten Partnerschaft durch eine weitere Liberalisierung beider Wirtschaftsräume wird mit der Vision einer langfristigen eurasischen Integration, vor dem Hintergrund der essentiell wichtigen Handelsbeziehungen der Europäischen Union mit der Russischen Föderation und den Mitgliedern der Zollunion, für die zukünftigen Gipfeltreffen mit höherer Priorität diskutiert werden. Die Europäische Union könnte so langfristig von einer transatlantisch-eurasischen Freihandelszone profitieren.

Über die wirtschaftliche Interaktion können potentielle Spannungen entschärft und abgebaut sowie die Kooperation in anderen Interessenfeldern der bilateralen Partnerschaft neu überdacht werden. Der Dialog beider Seiten bleibt somit trotz Problemen und teils konträren Standpunkten im europäisch-russischen Verhältnis bei deren Lösung und beidseitiger Verständigung notwendig und zentral.

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Sankt Petersburg Russland