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Medien in der politischen Krise Venezuelas

Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Krise in Venezuela wird die Rolle der Medien und die Funktion der Journalisten heftig diskutiert. Die Debatte um die Aufgabe der Medien in einer demokratischen Gesellschaft hat sich seit der Staatskrise im April diesen Jahres in politischen und akademischen Kreisen stetig erweitert.

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In diesem Jahr gab es in den Tagen vom 11. bis zum 14. April eine Kette von Ereignissen, bei denen zunächst Präsident Chávez aus dem Amt schied, eine Übergangsregierung unter der Führung des Unternehmers Pedro Carmona Estanga, zu diesem Zeitpunkt Präsident des Unternehmerverbandes FEDECAMARAS, mit Hilfe der obersten Militärführung eingesetzt wurde und schließlich doch wieder Chávez an die Macht zurückkehrte. In der Zeit, als die Krise ihren Höhepunkt fand, hat sich die Mehrzahl der venezolanischen Medien, eine Phase des Schweigens auferlegt.

Nachdem die Medien anfangs eine äußerst umfangreiche Berichterstattung über den Machtverlust Präsident Chávez abgeliefert und sich klar zu der Seite der Opposition bekannt hatten, begann ein großer Teil der venezolanischen Medien, sich eine Art Selbstzensur aufzuerlegen. Äußerungen von Sprechern der scheinbar gestürzten Regierung wurden zensiert und zu den Ereignissen, die zur Rückkehr von Präsident Chávez führten, sogar ganz und gar geschwiegen.

Dieses Verhalten vor allem der Herausgeber und Eigentümer der Medien, die für eine solche Entscheidung verantwortlich waren, hat zu einem Aufruhr unter Journalisten, Journalistenschulen, Kommunikationswissenschaftlern und der Zivilgesellschaft geführt. Denn in dieser dramatischen Phase der politischen Entwicklungen in Venezuela gab es keinerlei Informationen über die Ereignisse im Land. Lediglich über internationale Sender wie CNN und BBC konnten diejenigen Informationen erhalten, die an ein Kabelnetz angeschlossen waren.

Das Geschehen vor und nach der Krise im April, insbesondere auch in den Tagen der nationalen Protestmärsche und des nationalen Ausstandes, hat gezeigt, dass die Medien bei ihrer Arbeit sehr deutlich Parteilichkeit für die eine oder andere politische Richtung zeigen. Die meisten Medien favorisieren eindeutig die Sprecher der Opposition, denen ein deutlich größerer Spielraum in der Berichterstattung eingeräumt wird als den Vertretern der Regierungsseite, des Oficialismo. Es fällt auch auf, dass Beiträge, die von der Opposition kommen, weniger kritisch beleuchtet, kommentiert und beurteilt werden als jene der Regierungsseite.

Der große Bruch in der venezolanischen Gesellschaft zwischen Regierungsanhängern und Opposition hat sich auch auf die Medien übertragen. Ein außenstehender Beobachter kann zu dem Eindruck kommen, es erfolge keine besonders ausgewogene und unabhängige Berichterstattung aus unterschiedlichen Quellen.

Auf der anderen Seite haben die Medien des Staates auch keine Rolle einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Institution, die der Information aller Bürger dient. Sie wirken vielmehr als offizielle Propagandaorgane der Regierungsseite und bieten der Opposition keinerlei Raum. Das heißt, wenn ein Bürger herausfinden möchte, wie sich die Opposition bei den fast täglich stattfindenden Demonstrationsmärschen verhält, muss er einen Privatsender anschalten, im staatlichen Fernsehen wird er darüber keinen Bericht finden. Der Journalist Tulio Hernandez von der Tageszeitung El Nacional hat dieses Phänomen als „mediatische Schizophrenie“ bezeichnet. Jede Seite informiert nur über ihre eigenen Interessensschwerpunkte und Sichtweisen und lässt den jeweils anderen überhaupt nicht oder nur sehr begrenzt in der Berichterstattung auftauchen.

Eine solche Situation ist auf lange Sicht untragbar und bedeutet einen enormen Glaubwürdigkeitsverlust für Medien und Journalisten, denn sie arbeiten für eine bestimmte Zeitung oder einen bestimmten Sender und werden mit diesem identifiziert und somit auch mit der politischen Richtung.

Wie die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer gemeinsamen Veranstaltungsserie mit dem internationalen Journalistenverband Instituto de Prensa y Sociedad (IPYS) und dem Marketing- und Politikberatungsunternehmen DATASTRATEGIA vor allem in den Journalistenschulen der Universitäten des Landes feststellen konnte, wird gerade diese Polarisierung der Medien von angehenden jungen Journalisten immer wieder in Frage gestellt. Die Studenten der Universitäten in 5 Städten Venezuelas, die an den Foren, Seminaren und Workshops teilgenommen haben, ließen mit ihren Fragen und Redebeiträgen keinen Zweifel aufkommen: Medien und Journalisten müssen professionell, unabhängig, ausgewogen die Gesellschaft informieren.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat in Zusammenarbeit mit IPYS und DATASTRATEGIA durch die Veranstaltungsreihe „Del periodismo que tenemos al periodismo que queremos“ einen Gedankenaustausch über das Thema gestartet, wie sich der Journalismus in Venezuela heutzutage darstellt und wie er eigentlich aussehen sollte. Berufsjournalisten, Eigentümer und Herausgeber von Medien, Wissenschaftler, Radio- und Fernsehreporter, Leser, Fernsehzuschauer sowie Vertreter von Menschenrechtsorganisationen haben gemeinsam mit den Studenten diskutiert und dargestellt, welche Art von Journalismus für das Land wünschenswert wäre. Dabei wurde der sich immer mehr in den Vordergrund drängende Sensationsjournalismus mit einer klaren Parteilichkeit für eine bestimmte Seite kritisiert. Die meisten Medienmacher stellen sich sozusagen „vor ihre eigenen Nachrichten“ und somit stehen nicht die Information selbst im Vordergrund.

Lange Zeit genossen die Medien und die Streitkräfte ein hohes Maß an Vertrauen und Ansehen in der venezolanischen Gesellschaft. Seit der Machtergreifung von Präsident Chávez sind die Medien und die Streitkräfte immer mehr neben ihren eigentlichen Rollen, als Informationsgaranten auf der einen und Friedenssicherer auf der anderen Seite, zu politischen Kräften geworden. Dieses Eintreten in die politische Arena hat dazu geführt, dass beide Institutionen einen Teil ihres positiven Ansehens verspielt haben. Sie erleiden in der öffentlichen Meinung einen ähnlichen Glaubwürdigkeitsverlust wie andere Akteure, vor allem politische Parteien.

Gewalt – die andere Seite des Problems

Der Workshop, der in der Veranstaltungsreihe den meisten Zulauf fand, war der mit dem Thema, wie man als Journalist möglichen gewalttätigen Angriffen begegnen kann. Fast alle Studenten, die auch bereits für Zeitungen, Fernsehen- und Rundfunkanstalten arbeiten, sahen sich bereits aus eigener Erfahrung mit dem Thema konfrontiert.

Als vor einigen Wochen beispielsweise der Sitz des Senders Unión Radio in Caracas mit einem Sprengsatz attackiert wurde, sagte der venezolanische Vizepräsident und ehemalige Journalist, José Vicente Rangel: „Ich verurteile diese Tat ganz energisch.“ Allerdings blieb es bei dieser verbalen Verurteilung. Es folgten keine Maßnahmen der Regierung, um dieses Attentat aufzuklären. In ähnlicher Form wurde auch bei Attentaten mit Sprengstoffsätzen gegen andere Tageszeitungen und Fernsehanstalten verfahren. Nach der verbalen Verurteilung folgten keinerlei Aufklärungsschritte, so dass ein solcher Satz als leere Hülse bestehen bleibt.

Die Gewalt gegen Journalisten hat vor allem in diesem Jahr 2002 erheblich zugenommen, wie Berichte von IPYS, der Menschenrechtsorganisation PROVEA und internationaler Journalistenvereinigungen zeigen. Zum allgemeinen Bild des Journalisten gehört heutzutage in Venezuela, dass er neben seiner Kamera und seinem Aufnahmegerät auch eine kugelsichere Weste und eine Gasmaske bei seiner Berichterstattung bei sich tragen muss.

Die Aggressionen gegen Medienmacher haben auch nach den verbalen Verurteilungen dieser Taten durch hohe Regierungsfunktionäre, wie z. B. Rangel, nicht aufgehört, denn sie sind wirkungslos, weil die Verantwortlichen nicht verfolgt oder gar bestraft werden. Die fehlende Strafe für gewalttätige Aktionen gegen Journalisten bietet immer wieder Nährboden für neue Angriffe, auch wenn natürlich von Seiten der Regierung immer wieder die Presse- und Informationsfreiheit in Venezuela hochgehalten wird.

Aktionsfelder der Konrad-Adenauer im Medienbereich

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat mit der Veranstaltungsserie „Del periodismo que tenemos al periodismo que queremos“ in erster Linie junge, angehende Journalisten erreichen wollen. Die Frage, wie der für Venezuela notwendige Journalismus aussehen soll, ist ein viel diskutiertes und aktuelles Thema. Das zeigte die Teilnahme von über 700 Studenten von Journalistenschulen staatlicher und privater Universitäten an den verschiedenen Veranstaltungen in Maracaibo, Merida, Barquisimeto, Puerto Ordaz und Caracas. Innerhalb der Reihe gab es zwei verschiedene Veranstaltungstypen: ein Diskussionsforum mit 4 –5 Referenten und anschließender Diskussion sowie eine Konferenz (1 Hauptredner und 3 – 4 Vertreter lokaler Zeitungen, Radio-/Fernsehstationen und Journalistenschulen) mit darauffolgenden Workshops zu den Themen:

  1. Wenn Ethik im Journalismus mehr ist als ein Wort
  2. Wie gehe ich mit Meinungsumfragen als Journalist um?
  3. Wie begegne ich als Journalist möglichen Aggressionen und Einschüchterungsversuchen?

In den Workshops wurde mit Videobeispielen und anderem Anschauungsmaterial gearbeitet, die den Studenten eine interaktive Teilnahme ermöglichten. Wie bereits erwähnt, traten als Referenten Berufsjournalisten der Printmedien, Fernseh- und Radioanstalten, Herausgeber und Eigentümer von Medien sowie Vertreter von Menschenrechtsorganisationen auf. Dabei wurde von den Veranstaltern darauf geachtet, dass jede politische Seite, d. h. Opposition und Oficialismo, ausgewogen vertreten war.

Die Veranstaltungsreihe hat nicht nur bei den Teilnehmern, sondern auch in der Presse ein positives Echo gefunden. Die Organisatoren haben aus der Erfahrung der einzelnen Veranstaltung, d.h. der Themen- und Referentenauswahl, aber auch des Feedbacks der Teilnehmer, zum einen die Schlussfolgerung gezogen, dass ein ungeheurer Bedarf an der Beschäftigung mit diesem Thema unter der Zielgruppe besteht, und zum anderen gemerkt, wo man bei einer Fortsetzung der Arbeit der Stiftung im Medienbereich anknüpfen kann und wo noch besonderer Schulungs- und Informationsbedarf bei angehenden Journalisten besteht.

Ergänzend zu der Veranstaltungsreihe wird die Konrad-Adenauer-Stiftung noch in diesem Jahr eine Publikation herausgeben, die eingehend die Entwicklung des Journalismus im Jahr 2002 in Venezuela beleuchtet, sowie auch die Einschätzung internationaler Organisationen zu diesem Thema wiedergibt.

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Henning Suhr

Henning Suhr bild

Leiter der Abteilung Inlandsprogramme

henning.suhr@kas.de +49 30 26996-1013
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