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Mexiko und USA: „Geteilte Verantwortung“ in der Drogenfrage

kohta Frank Priess
Sicherheitsfragen stehen derzeit in den bilateralen Beziehungen zwischen Mexiko und den USA ganz oben auf der Tagesordnung. Bei einem Besuch im Rahmen der Koordination der Merida-Initiative bekräftigte US-Außenministerin Hillary Clinton jetzt einmal mehr die gemeinsame Verantwortung und sprach speziell den ungebremsten Drogenkonsum in den USA und das Problem des Waffenschmuggels an. Die Menschen in Mexiko warten allerdings darauf, dass den Worten und Absichtserklärungen Taten folgen.

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„Normalerweise“ erregen Morde in der Grenzstadt Ciudad Juarez in Mexiko ja kaum noch Aufsehen – nun allerdings hat es Mitte März die Angehörige des US-Konsulats in der Stadt, Lesley A. Enriquez und ihren Ehemann getroffen, was in den USA wie eine Bombe einschlug und ein grelles Licht auf die Sicherheitslage an der Südgrenze warf. Gleich fünf Behörden des nördlichen Nachbarn Mexikos schalteten sich in die Untersuchungen ein, Präsident Felipe Calderón besuchte am 16. März die Stadt. Präsident Barack Obama drückte seine Bestürzung aus und stimmte dem Rückzug von Familienangehörigen von US-Angestellten aus sechs mexikanischen Grenzstädten zu.

Gleichzeitig allerdings gab es Dutzende von Morden – sowohl im Bundesstaat Chihuahua als auch in Sonora und Guerrero, speziell in der Hafen- und Touristenstadt Acapulco, wo am Wochenende des 13. und 14. März 33 Menschen gewaltsam ums Leben kamen – hier streiten nach dem Tod des Drogenbosses Arturo Beltrán Leyva zwei Gruppen innerhalb seines Kartells untereinander und mit dem Kartell La Familia um die Vorherrschaft.

Die Liste der Städte, in denen es zu Serienmorden kommt, wird dabei immer länger, da auch der Kampf um die lokalen Absatzmärkte zwischen den Kartellen immer härter wird. Dazu trägt bei, dass „Unterstützer“ meist nicht mit Bargeld, sondern mit Drogen bezahlt werden, die sie dann wiederum weiterverkaufen müssen.

Augenfällig, dass jüngst vor allem die Wirtschaftsmetropole Monterrey im Bundesstaat Nuevo Leon mit zahlreichen Morden Schlagzeilen machte – auch sperrten Killerkommandos der Kartelle stundenlang wichtige Straßen, um die Ohnmacht der Behörden zu dokumentieren und sich zudem mit offenem Raub schadlos zu halten. Unter Mitwirkung von Heer und Marine wurden in dem Bundesstaat in jüngster Zeit auch eine größere Zahl von Staatsbediensteten, und Polizisten festgenommen, denen Verbindungen zum Organisierten Verbrechen vorgeworfen werden. Zur Eindämmung der Gewalt hat dies nicht beigetragen.

Die Konsequenz: Ein Klima der Angst! Vor allem deshalb, weil nicht selten Unbeteiligte zwischen die Fronten geraten, wie gerade erst wieder zwei Kinder und zwei Studenten der Eliteuniversität Tecnológico de Monterrey. Dies bringt die Theorie der Behörden ins Wanken, das die Opfer des Anti-Drogenkampfes vor allem Angehörige der verschiedenen Kartelle seien. Kommunikativ machen Regierung und Militär dabei keine gute Figur: Nicht nur Angehörige sind erbost, wenn in ersten offiziellen Reaktionen „ihre“ Toten unmittelbar mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht und sie dann erst mühsam beweisen müssen, dass diese Verbindungen nicht existieren.

Intensive bilaterale Kontakte

Unmittelbar nach den Morden in Ciudad Juarez intensivierten sich die bilateralen Kontakte zwischen Mexiko und den USA. Am 23. März traf sich eine hochrangige Beratergruppe unter Führung der beiden Außenministerinnen in Mexiko-Stadt, um konkrete Aktionen zu beraten. Hillary Clinton erneuerte dabei die Bereitschaft der Regierung Obama, die Mittel aus der Merida Initiative aufzustocken und den Maßnahmenkatalog zu erweitern. Zu den vier Achsen der Kooperation, die vereinbart wurden, zählt die Schwächung der Strukturen des Organisierten Verbrechens, der gegenseitige Erfahrungs- und Informationsaustausch in Sachen Sicherheit und Justiz, die Entwicklung einer sicheren und „wettbewerbsfähigen“ Grenze für das 21. Jahrhundert sowie die Stärkung sozialer Strukturen zur Drogen- und Kriminalitätsprävention. Erste Konkretisierungen der Pläne könnte der Besuch von Präsident Calderón am 19. Mai im Weißen Haus bringen.

Schon in den vergangenen Monaten hat sich die Präsenz amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter in Mexiko deutlich erhöht. Von 54, verteilt über das ganze Land, ist inzwischen die Rede. Ein binationales „Aufklärungsbüro“ (OBI:Oficina bilateral de inteligencia) mit Sitz in der mexikanischen Hauptstadt wurde für die Koordinierung noch zwischen Obamas Vorgänger George W. Bush und Präsident Calderón verabredet. Ein Dokument der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA spricht davon, dass Mexiko nach den USA das Land mit den meisten DEA-Büros und Beamten sei, die zudem die Drogenszene in Zentralamerika beobachteten.

„Gefährlicher als Irak und Afghanistan“

Währenddessen bezeichnete Barry McCaffrey, ehemaliger oberster Drogenbekämpfer der USA, die Unterstützung seines Landes für den Anti-Drogen-Kampf als völlig unzureichend. Die USA befänden sich „in einem Krieg, der gefährlicher ist als die in Afghanistan und Irak“, so McCaffrey. Diese Äußerungen kamen unmittelbar nachdem das für innere Sicherheit zuständige Kabinettsmitglied der US-Regierung, Janet Napolitano, öffentlich den Sinn des Einsatzes der mexikanischen Streitkräfte im Anti-Drogenkampf bezweifelt hatte. Dies hatte heftige Reaktionen in Mexiko ausgelöst. Napolitano gehörte jetzt ebenso zur Clinton-Delegation wie Verteidigungsminister Robert M. Gates, der Chef des vereinigten Oberkommandos der US-Streitkräfte, Admiral Michael G. Mullen, Geheimdienstchef Dennis Blair und der Leiter der Drogenbekämpfungsbehörde DEA, Michelle Leonhart.

Schon diese Zusammensetzung zeigt, welchen Stellenwert die Sicherheitslage in Mexiko in Washington mittlerweile hat, zumal gerade die Grenzstädte auf der Seite der USA anfällig für ein Übergreifen der Gewalt zu sein scheinen. In El Paso etwa, Ciudad Juarez unmittelbar benachbart, sind 75 Prozent der Bürger mexikanischer Herkunft – mit engen Verbindungen in alle Teile der alten Heimat. Mehr als die Hälfte von ihnen sind jünger als 30 Jahre. Da nimmt es nicht Wunder, wenn auch in den USA und seitens ihrer Funktionäre immer mehr von einer „geteilten Verantwortung“ die Rede ist.

Kritik am bisher Erreichten kam jetzt von der Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Senats und ehemaligen Außenministerin Mexikos, Rosario Green (PRI). „Weder Mexiko noch die USA“, so die Politikerin, „haben eine Strategie im Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Die Merida Initiative ist ein Vehikel, ein Anfang, ein Akt der Kooperation und greift das Prinzip der geteilten Verantwortung auf, aber sie ist keine Strategie.“ Green forderte, vor allem beim Informationsaustausch besser zusammenzuarbeiten und auch die Straflosigkeit für Marihuana-Konsum ins Auge zu fassen. Zur Überraschung vieler fügte sie hinzu, die mexikanischen politischen Akteure sollten aufhören, sich zu erschrecken, wenn FBI und DEA im Lande ihre Ermittlungen durchführten.

Mehr Stimmen für Legalisierung

Der Forderung nach einer Legalisierung bestimmter Drogen haben sich längst auch die ehemaligen Präsidenten Ernesto Zedillo und Vicente Fox sowie der zweitreichste Mann Mexikos, der Besitzer der Medienkette TVAzteca, Ricardo Salinas Pliego angeschlossen. In verschiedenen Buchpublikationen – besonders medienwirksam die des ehemaligen Außenministers Jorge G. Castañeda gemeinsam mit Fox´ehemaligem Sprecher Ruben Aguilar – wird darin die einzige Möglichkeit gesehen, die Szene zumindest teilweise auszutrocknen und unter Kontrolle zu bekommen. Präsident Calderón allerdings äußerte, ohne eine entsprechende Maßnahme auch in den USA habe dies allein für Mexiko keinen Sinn.

Überraschend war parallel der einstimmige Beschluss der Konferenz der Gouverneure der mexikanischen Bundesstaaten CONAGO, die kommunalen Polizeikörperschaften aufzulösen und diese jeweils innerhalb der Staatspolizei unter ein einheitliches Kommando zu stellen. Den beiden Kammern des mexikanischen Parlaments wurde empfohlen, eine entsprechende Verfassungsänderung auf den Weg zu bringen. Die kommunale Polizei gilt wegen ihre mangelhaften Ausbildung, Bewaffnung und Rekrutierung sowie ihrer schlechten Bezahlung traditionell als besondere Schwachstelle des Sicherheitssystems Mexikos. Besonders die Korruptionsanfälligkeit ist hier extrem hoch, auch fehlt es an Koordination. Rund 400 Gemeinden verfügen überhaupt nicht über Polizeikräfte.

Auch in der Kooperation Mexikos mit der Europäischen Union könnte das Thema Sicherheit künftig eine größere Rolle spielen. Im Mai findet in Madrid der nächste gemeinsame Gipfel statt. Der stellvertretende Direktor der EU für die Zusammenarbeit mit Asien und Lateinamerika, Stefano Sannino, sagte jetzt bei einem Mexiko-Besuch, das Land bleibe für Investoren attraktiv und sei ein strategischer Partner, mit dem man vor allem auf den Gebieten der Wirtschaft, der Sicherheit, der Bildungspolitik, beim Klimawandel, Infrastruktur, Forschung und Wissenschaft sowie regionaler Integration zusammenarbeiten wolle.

Schwindende Reformchancen

40 Organisationen der Zivilgesellschaft haben jetzt versucht, gemeinsam Druck auf die Politik aufzubauen, um eine Verabschiedung politischer Reformen zu beschleunigen. Insbesondere unterstützen sie die direkte Wiederwahl von Abgeordneten und Bürgermeistern, die Zulassen unabhängiger Kandidaten, die Einführung von Bürgerbegehren und eine drastische Reduzierung der öffentlichen Finanzierung für politische Parteien. Dringend gelte es, die Transparenz auf allen politischen Ebenen zu verbessern.

Politische Akteure halten es derweil allerdings für fraglich, ob es tatsächlich in absehbarer Zukunft zu einer grundlegenden Reform des politischen Systems kommt, wie von Präsident Calderón vorgeschlagen. Die bisherigen Antworten auf seine Initiative lassen eher vermuten, dass Konsens nur bei sehr wenigen Punkten besteht – vor allem zwischen PRI und PAN.

Wenig erstaunlich ist dies angescihts von Meinungsumfragen, die die Präferenzen der Bevölkerung in Sachen Politikreform abbilden (Reforma, 14. März 2010): Breite Mehrheiten finden sich für eine Verkleinerung des Parlaments, für mehr direkte Demokratie und für den Vorschlag, das auch das Oberste Gericht Gesetzesinitiativen einbringen darf. Unabhängige Kandidaturen werden immerhin noch mehrheitlich gut geheißen. Kritischer wird es dann schon beim Vorschlag, die Zwei-Prozent-Klausel für die Erhaltung der Parteienregistrierung in eine Vier-Prozent-Klausel zu verhandeln. Deutschlich abgelehnt werden die direkten Wiederwahlmöglichkeiten für Bürgermeister und Abgeordnete sowie eine Zweite Wahlrunde bei Präsidentenwahlen (ballotage).

Gleiches könnte auch für die anderen aktuellen Reformideen – in den Bereichen Steuern und Arbeitsrecht – gelten. Die Dynamik des Wahljahrs hat Kompromisse sicher erschwert.

Die Arbeitsrechtsreform immerhin hat die PAN, in engem Schulterschluss mit dem Arbeitsminister, jetzt ins Parlament eingebracht wurde. Alle anderen Parteien – ebenfalls im engen Schulterschluss, allerdings mit den Gewerkschaften – äußerten sich negativ. Das Todschlagargument: der Reformvorschlag schränke Gewerkschaftsrechte massiv ein und schwäche die Arbeitnehmerbewegung. Die Initiative hat – neben der notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes – allerdings mehr zum Ziel, für größere Transparenz im Gewerkschaftssektor zu sorgen, alternative Gewerkschaften auf Betriebsebene zuzulassen und die kollektive Abführung von Gewerkschaftsbeiträgen durch die Unternehmen zu unterbinden. Dass die teils lebenslänglich ohne hinreichende demokratische Kontrolle in ihren Ämtern befindlichen Führungskader vieler Gewerkschaften dies als Angriff auf ihre Besitzstände sehen, ist allerdings verständlich.

Die Politik muss mit ihren Blockadepositionen allerdings vorsichtig sein: In der Bevölkerung steigt der Zorn, die Einstellung zur Politik und zu den Politikern werden immer negativer. Eine jüngste Umfrage der Zeitung Reforma vom 21. März enthüllt, das 52 Prozent der Befragten beim Gedanken an die Politiker Scham empfinden, 40 Prozent Gleichgültigkeit. Stolz auf ihre Führung sind nur drei Prozent der Mexikaner. 83 Prozent halten das Gebaren der Politiker für frivol, 86 Prozent unterstellen ihnen Lügenhaftigkeit. Zudem meinen 90 Prozent, die Politik verschwende öffentliche Gelder.

Wenig Freude über „Spitzenplatz“

Angesichts enormer sozialer Ungleichheit in Mexiko und den unvermittelt spürbaren Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise für weite Teile der Bevölkerung, löst ein anderes Datum in Mexiko nur begrenz Begeisterung aus: Carlos Slim hat den ersten Platz als reichster Mensch der Welt auf der neuen Liste des Wirtschaftsmagazins Forbes zurückerobert: mit einem geschätzten Vermögen von 53,5 Milliarden Dollar liegt er um eine halbe Milliarde vor Bill Gates und hat einen Großteil der Vermögensverluste des vergangenen Jahres wieder wettgemacht. Weitere acht Mexikaner werden auf dieser Liste mit einem Vermögen von mehr als einer Milliarde Dollar geführt, unter ihnen die beiden Medienzaren Salinas Pliego (TV Azteca, Platz 63 mit 10,1 Milliarden) und Azcárraga Jean (Televisa, Platz 655 mit 1,5 Milliarden Dollar).

In Kommentaren dazu heißt es immer wieder, diese Vermögensentwicklungen seien oft weniger auf unternehmerisch weitsichtiges Verhalten als vielmehr auf nach wie vor bestehende Monopol- und Oligopolstrukturen im Lande zurückzuführen – zum Reichtum der Beteiligten trügen alle Mexikaner meist durch die Zahlung entsprechend überhöhte Preise bei. Wirklichen Wettbewerb gebe es in Mexikos Wirtschaft viel zu wenig.

Derweil gehen die Erwartungen über das Wirtschaftswachstum Mexikos im Laufe des Jahres 2010 auseinander: Während das Finanzministerium nach wie vor von einem Plus von 3,9 Prozent ausgeht, ist die Nationalbank mit einer Prognose von plus fünf Prozent optimistischer. Der Internationale Währungsfonds erwartet vier Prozent mehr, ebenso wie die Deutsche Bank. Am oberen Ende der Erwartungen privater Analysten positioniert sich derzeit Morgan Stanley mit einer Wachstumserwartung von 5,2 Prozent, am entgegen gesetzten Ende befindet sich die Finanzgruppe Invex mit einer Prognose von plus 3,2 Prozent. All dies zeigt, dass sich die aktuellen Erholungsanzeichen noch nicht eindeutig einordnen lassen – absolut unklar ist, wann das Land die Wirtschaftsleistung wieder erreicht, die es vor der Wirtschafts- und Finanzkrise hatte. Als ein Zeichen für die anhaltende Schwäche der mexikanischen Wirtschaft werteten Beobachter auch die Tatsache, dass nach jetzt veröffentlichten Zahlen die Wirtschaftsleistung im Januar 2010 um 0,83 Prozent geringer war als im Dezember 2009. Am stärksten war die Landwirtschaft betroffen. Für Eduardo González von der Finanzgruppe Banamex hängen diese Zahlen speziell mit der Schwäche des Binnenmarktes zusammen, Entlastung komme derzeit lediglich von den Exporten.

Langfristig bleibt für Mexiko das Problem, dass ein Wachstum von mindestens fünf Prozent jährlich als unerlässlich dafür gilt, die Million junger Menschen integrieren zu können, die jährlich neu auf den Arbeitsmarkt drängt.

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