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Riikide raportid

Nach den Wahlen

kohta Gerd Dieter Bossen

Kenia vor einem neuen Anfang

Erstmals seit der Unabhängigkeit Kenias 1963 ist die seither ununterbrochen regierende ehemalige Einheitspartei KANU abgewählt worden. Nach 24jähriger Amtszeit hat Präsident Moi am 30. Dezember 2002 seine Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger, Präsident Kibaki, übergeben. Die Freude der Kenianer und Beobachter ist groß und berechtigt, die Erwartungen an den neuen Präsidenten und die neue Regierung sind ungeheuer – können sie erfüllt werden? Diese Frage stellt sich nicht nur im Hinblick auf Erfahrungen wie in Sambia, sie stellt sich auch deswegen, weil sich Kenia nach fast 40jähriger Regierungszeit der KANU in einem derart desolaten Zustand befindet, dass es fast unmöglich erscheint, das Land kurz- oder auch nur mittelfristig aus dieser Misere herauszuführen.

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Und dennoch ist ein gewisser Optimismus berechtigt. Die politische Basis für Präsident Kibaki und seine neue Regierung ist nach dem erdrutschartigen Sieg der Opposition breit genug, um Reformen – auch schmerzhafte – zu tragen. Nach dem vorläufigen Ergebnis hat Präsident Kibaki gut 3,6 Mio. Stimmen errungen, sein größter Widersacher, der Kandidat der KANU und des Altpräsidenten Moi, Uhuru Kenyatta (Sohn des ersten Präsidenten Kenias Jomo Kenyattahat dagegen lediglich gut 1,8 Mio. Stimmen, also etwa die Hälfte, auf sich vereinigen können. Die übrigen drei Kandidaten landeten weit abgeschlagen.

Bei den Ergebnissen der Parlamentswahlen sieht es ähnlich aus: Die bisherige Opposition unter Präsident Kibaki (National Rainbow Coalition – NARC) stellt im zukünftigen Parlament 125 Abgeordnete, die KANU 64, vier weitere Parteien zusammen 21 Abgeordnete. Hinzu kommen noch die Abgeordneten, die von den Parteien im Verhältnis ihrer Stärke im Parlament ernannt werden: NARC 7, die anderen Parteien insgesamt 5. Damit hat NARC 132 Abgeordnete und die absolute Mehrheit im zukünftigen Parlament.

Auf die Ergebnisse der gleichzeitig abgehaltenen Kommunalwahlen soll hier nicht eingegangen werden, aber auch hier hat die NARC einen eindrucksvollen Erfolg errungen.

Es ist interessant, den Werdegang dieser – zumindest in diesem Ausmaß – unerwarteten Erfolgsgeschichte nachzuvollziehen. Denn immerhin hatten Kibaki und sein designierter Vizepräsident Wamalwa auch schon 1992 und 1997 kandidiert – und waren gescheitert.

Wie schon 1992 und 1997 vereinigte sich die Opposition angesichts der herannahenden Wahlen. Unter der Führung von Kibakis Democratic Party (DP) gründeten im Februar 2002 sieben Parteien und Bewegungen die National Alliance for Change (NAC). 1992 und 1997 waren diese Vereinigungen der Opposition vor den Wahlen wieder zerbrochen, weil man sich nicht auf einen einheitlichen Präsidentschaftskandidaten einigen konnte. Die so zersplitterte Opposition wurde von der Regierungspartei KANU – auch mit Hilfe von Wahlmanipulation und -fälschung – geschlagen.

Auch diesmal drohte NAC, wieder auseinander zu fallen, und zwar aus den gleichen Gründen. Es bedurfte großer Anstrengungen (von innen und von außen), um die Bewegung zusammenzuhalten. Während dieser internen Auseinandersetzungen wuchs NAC auf 16 Mitgliedsparteien und -bewegungen an, ohne dass damit die Königsfrage (wer wird die/der einheitliche Präsidentschaftskandidat/in?) gelöst werden konnte. Es gab drei ernst zu nehmende Bewerber: Kibaki, Wamalwa und Charity Ngilu, die auch schon 1997 erfolglos kandidiert hatte.

Mitte des Jahres gelang es dann, die NAC in eine Partei, die National Alliance (Party) of Kenya (NAK), umzuformen. Mitglieder der neuen NAK waren die 16 Mitgliedsparteien und -bewegungen, die auch schon der NAC angehört hatten. Aber die NAK hatte nun eine gemeinsame Satzung, in der demokratische Regelungen für die Nominierung von Kandidaten festgeschrieben waren, und sie wurde als Partei registriert. Aber die Frage des Präsidentschaftskandidaten war immer noch nicht gelöst, und wenige glaubten daran, dass NAK bis zum Ende zusammenhalten würde.

Und dann gelang der Durchbruch. Nach weiteren intensiven Bemühungen (erneut von innen wie von außen) stellte NAK der Öffentlichkeit nicht nur einen einheitlichen Präsidentschaftskandidaten, sondern ein Team vor: Kibaki (Präsident), Wamalwa (Vizepräsident) und Ngilu (Ministerpräsidentin – nach dem neuen Verfassungsentwurf vorgesehen). Damit stand fest, dass NAK bis zu den Wahlen zusammenhalten und die Opposition mit einem gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten antreten würde. Die Opposition hatte damit erstmals seit der Unabhängigkeit Kenias realistische Chancen auf einen Wahlsieg.

In dieser Zeit war jedoch auch die Regierungspartei KANU nicht untätig. Im März 2002 vereinigte sich die KANU mit einer anderen relevanten Oppositionspartei, der National Democratic Party (NDP) unter Führung Raila Odingas, zur NEW KANU. Diese Vereinigung wurde in der Öffentlichkeit groß herausgestellt, und jedermann ging davon aus, dass KANU damit gestärkt war und noch bessere Chancen als bisher hatte, die Wahlen erneut zu gewinnen.

Niemand vermochte zu diesem Zeitpunkt zu ahnen, dass mit dieser Vereinigung der NEW KANU der Keim zur Selbstzerstörung gelegt war. Präsident Moi ließ sich von der Delegiertenversammlung der NEW KANU als Vorsitzender mit umfangreichen Vollmachten bestätigen, und es wurde per (manipulierter) Akklamation ein neuer Vorstand gewählt. Stellvertretende Vorsitzende wurden 4 Vertreter der sog. „jungen Türken“, nämlich Uhuru Kenyatta, Musaila Mudawadi, Kalonzo Musyoka und Katana

Ngala, Generalsekretär der neuen KANU wurde der bisherige Vorsitzende der NDP Odinga. Übergangen und gedemütigt wurden dabei der langjährige Vizepräsident Saitoti und der bisherige Generalsekretär der KANU, Kamotho. Das sollte sich rächen.

Die Unzufriedenheit innerhalb der KANU kam zum Ausbruch, als Präsident Moi, der sich schweren Herzens entschlossen hatte, entsprechend der Verfassung nicht wieder zu kandidieren, seinen Wunschnachfolger präsentierte, ohne dies zuvor mit der Partei oder auch nur der Parteiführung abgesprochen zu haben. Die Wahl Mois fiel auf Uhuru Kenyatta, den Sohn des Staatsgründers Jomo Kenyatta, ein bisher unerfahrener und erfolgloser Politiker, aber erfolgreicher Geschäftsmann von zweifelhaftem Ruf. Moi wollte offenbar einen Nachfolger, der sich von ihm auch als Präsident lenken ließ.

Die übrigen Führungspersönlichkeiten innerhalb der KANU, die sich Hoffnungen auf eine Nachfolge Mois gemacht hatten, fühlten sich brüskiert. Als deutlich wurde, dass Präsident Moi daran ging, Kenyatta als Nachfolger durchzusetzen, kam es zur offenen Revolte innerhalb der KANU. Die übrigen Prätendenten, allen voran Vizepräsident Saitoti und Generalsekretär Odinga, verlangten eine demokratische geheime Abstimmung der Delegierten über den zu wählenden Präsidentschaftskandidaten. Moi und seine Riege lehnten dies ab. Es sollte (und wurde dann auch) nach dem sogenannten „Queing system“ gewählt werden. Jeder Delegierte stellte sich in einer Schlange hinter dem Kandidaten auf, den er wählen wollte (oder sollte). So war sehr einfach zu kontrollieren, wer wen wählte.

Als sich dies abzeichnete, gründeten die Rebellen innerhalb der KANU die „Rainbow Coalition“. Für den Fall, dass über den Präsidentschaftskandidaten der KANU nicht demokratisch und geheim abgestimmt würde, kündigten sie ihren Austritt an. Dann überschlugen sich die Ereignisse: Vizepräsident Saitoti wurde entlassen, Odinga trat als Minister und Generalsekretär zurück, ihnen folgten die Minister und Stellvertretenden Vorsitzenden der KANU Musyoka und Mudawadi, sowie viele andere Führungspersönlichkeiten der Regierungspartei. Mudawadi machte dann einen Rückzieher, kehrte reumütig in die Reihen der KANU zurück und wurde dafür nach einigen Wochen mit dem Posten des Vizepräsidenten belohnt. KANU hatte sich damit in zwei fast gleich starke Gruppierungen gespalten.

Damit war in der Öffentlichkeit klar, dass KANU nicht mehr der geschlossene – und scheinbar unschlagbare – Block war. Die „winds of change“ begannen, stärker zu wehen. In dieser Zeit legte die Verfassungsreformkommission unter dem (hervorragenden) Vorsitzenden Prof. Ghai den Entwurf für die neue Verfassung vor. Die veröffentlichten Erläuterungen zu der vorgeschlagenen neuen Verfassung waren eine einzige vernichtende Kritik an der Regierung und der Politik der vergangenen Jahre.

Und dennoch wagte kaum jemand, daran zu glauben, dass KANU tatsächlich die Wahlen verlieren könnte. Zu wach war noch die Erinnerung an 1992 und 1997, an Einschüchterung, Gewalt und Tote vor den Wahlen, an eklatante Wahlmanipulation und -fälschung. Man befürchtete Ähnliches auch für diese Wahlen und damit einen erneuten Wahlsieg am Willen der Bevölkerung vorbei.

Es gab von Anfang an Kontakte und Gespräche zwischen der NAK-Führung und den führenden Rainbow-Leuten. Und diese nahmen in dem Maße zu, in dem deutlich wurde, dass NAK zusammenhalten würde. Es ist sehr zweifelhaft, ob die Palastrevolution innerhalb der KANU so stattgefunden hätte, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre. Denn mit NAK hatten die KANU-Rebellen einen alternativen Weg zur Macht. Und dass sie von NAK eingebunden würden, war klar – sie brachten Wähler mit, und sie schwächten KANU damit entscheidend.

Die Wechselstimmung war inzwischen so stark geworden, KANU so geschwächt, dass die befürchteten inszenierten gewaltsamen Ausschreitungen, und auch Wahlfälschung in größerem Ausmaß nicht mehr möglich waren. Die Wahlkommission wurde mutiger und stellte die Weichen erstmals auf faire Wahlen. Die Wahlleiter in den Wahllokalen wollten inzwischen entweder selbst den Wechsel oder trauten sich nicht mehr, den Wahlausgang wie in den Vorjahren zu manipulieren. Im Ergebnis wurde KANU regelrecht abgestraft. Nicht nur, dass Präsidentschaftskandidat Kenyatta scheiterte, etwa ein Dutzend Minister – darunter Vizepräsident Mudawadi und der bis dahin fast allmächtige Innenminister Sunkuli, eine der unangenehmsten Gestalten der alten Regierung – wurden nicht wieder gewählt.

Die zu bildende neue Regierung Kibaki steht nun vor der gigantischen Aufgabe, das Land aus der Misere herauszuführen. Kibaki hat bereits erklärt, dass absolute Priorität der Wiederbelebung der Wirtschaft zukommt. Und allein das scheint eine fast unlösbare Aufgabe. Die Kassen sind leer, die Schulden enorm, die Staatsunternehmen fast alle am Rande des Bankrotts, geleitet von schlechten und korrupten Managern, die ihren Job der KANU verdanken. Die Korruption hat erschreckende Ausmaße erreicht. Polizei und Sicherheitskräfte sind keine Ausnahme, dazu schlecht ausgebildet und ausgerüstet. Entsprechend prekär ist die Sicherheitslage. Ein Rechtsstaat und eine unabhängige Gerichtsbarkeit gibt es nicht einmal in Ansätzen. Die Infrastruktur ist zerfallen – man könnte die Liste der Probleme fast endlos fortsetzen.

Und dennoch – wenn Kenia den Weg zu Demokratie, Rechtsstaat und wirtschaftlicher Entwicklung finden und beschreiten soll, dann wird das nur mit dieser neuen Regierung möglich sein. NARC hat die Probleme richtig erkannt und in ihren Wahlprogrammen und -versprechen überwiegend die richtigen Lösungen vorgeschlagen bzw. versprochen. Das Problem wird – wie so oft – in der Umsetzung liegen. Und es wird nicht möglich sein, die zumeist inkompetente und korrupte Führung in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, kurz in allen Lebensbereichen, über Nacht auszuwechseln. Hier werden der Regierung noch viele Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Und mit den KANU-Rebellen hat die Regierung auch einige führende Politiker „übernehmen“ müssen, die alles andere als vorbelastet sind.

Die neue Regierung Kibaki verdient damit jede nur denkbare Unterstützung. Denn sonst besteht die Gefahr, dass auch Kenia in den Zustand verfällt, in dem sich leider schon viele afrikanische Staaten befinden – in Chaos und Gewalt, und in noch unerträglichere Armut der Mehrheit der Bevölkerung. Die Chancen, das zu verhindern, sind jetzt gegeben. Aber das hängt nicht nur von Präsident Kibaki und seiner neuen Regierung ab, sondern auch von der internationalen Unterstützung, wenn nötig unter Auflagen und Bedingungen.

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