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Neuer Rückschlag im kolumbianischen Friedensprozess

kohta Ulrich Laute
"Wir wollen, wie alle Kolumbianer, eine friedliche Verhandlungslösung, die uns endlich eine Zukunft in friedlichem Zusammenleben ermöglicht. Aber keinen Frieden um jeden Preis!" Mit diesen Worten und der Ankündigung, eine im Rahmen der Friedensverhandlungen mit den FARC für Juni geplante internationale Anhörung zu suspendieren, reagierte Kolumbiens Staatspräsident Andrés Pastrana auf die jüngsten Gewaltakte der Guerrilla, die eine friedliche Lösung des Konflikts erneut in weite Ferne gerückt haben. Konkreter Anlass war ein Mordanschlag in der Stadt Chinquinquirá nördlich der Hauptstadt Bogotá.

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Dabei war eine Frau von unbekannten Tätern gezwungen worden, ein mit Sprengstoff bestücktes, ferngesteuertes Halsband anzulegen. Bei dem Versuch, die Bombe zu entschärfen, kamen sowohl die Frau als auch ein Polizeibeamter ums Leben. Das Attentat, das - trotz des Fehlens eindeutiger Beweise - von Militär und Regierung den FARC zur Last gelegt wird, bildet durch seine besondere Brutalität einen neuen Höhepunkt in der Eskalation der Gewalt und hat den Ruf nach einer härteren Gangart der Regierung in den Friedensverhandlungen verstärkt.

Die Strategie der FARC: Anerkennung als "kriegführende Partei"

Die führenden Repräsentanten der FARC, die mit ca. 10.500 aktiven Kämpfern die mit Abstand größte Guerrillagruppe bilden, haben in den vergangenen Wochen auf den ersten Blick widersprüchliche Signale ausgesendet. Optimismus löste Ende April die Bereitschaft der Guerrilla aus, entgegen ihrer früheren Position nun doch über eine allgemeine Waffenruhe zu verhandeln.

Positiv wurde auch das Eingeständnis aufgenommen, die Rekrutierung Minderjähriger unter 15 Jahren, die nach Schätzungen von Beobachtern derzeit immerhin 1/3 des Kontingents der FARC stellen, sei ein "Fehler" gewesen, den man umgehend rückgängig machen werde. Einen ganz anderen Eindruck hinterließ dagegen die Erklärung des militärischen Führers der Organisation, Jorge Briceño, bekannt unter dem Decknamen "Mono Jojoy" ("Affe Jojoy"), wonach die Guerrilla ein "Gesetz 002" verabschiedet habe, das die Heranziehung aller natürlichen und juristischen Personen mit einem Vermögen von mehr als 1 Million $US zu einer "Kriegssteuer" vorsehe.

Wer der Aufforderung der FARC nicht folge, werde entführt und so lange gefangengehalten, bis die von der Guerrilla geforderte Summe bezahlt sei. In die gleiche Richtung ging die Ankündigung des "obersten Führers" der FARC, Manuel Marulanda, in 130 Gemeinden mit starker Guerrillapräsenz eine parallele Gerichtsbarkeit aufzubauen. Als groteskes Beispiel für diese Art von "Rechtsprechung" mutet das Verfahren der FARC gegen den Bruder des "Mono Jojoy" an, der Anfang Mai von dem Vorwurf freigesprochen wurde, im vergangenen Jahr an der Ermordung von drei US-amerikanischer Ethnologen in der Grenzregion zu Venezuela beteiligt gewesen zu sein.

Nach dem Eindruck der meisten Beobachter verfolgen die FARC gegenwärtig eine Doppelstrategie. Zum einen versuchen sie, ihre militärische Stärke nach Kräften auszubauen. Erkenntnissen des kolumbianischen Militärs zufolge hat die Guerrilla ihre Dominanz im Süden des Landes weit über das von der Regierung zugestandene Rückzugsgebiet ausgedehnt, so dass nunmehr in dieser Region eine Fläche von mehr als 96.000 km2 von den FARC kontrolliert werden. Auch die Einschüchterung der Bevölkerung durch Erpressung und gezielte Terrorakte - wie möglicherweise auch den Anschlag von Chiquinquirá - dienen dazu, die militärische Stärke der FARC unter Beweis zu stellen.

Zum anderen aber sind die Aktionen der Guerrilla in jüngster Zeit vor allem darauf gerichtet, als quasistaatliche Gewalt aufzutreten und damit dem Ziel einer Anerkennung als "kriegführende Partei" näher zu kommen. In diesem Zusammenhang ist auch die Anfang Mai erfolgte Gründung der "Bolivarianischen Bewegung" zu sehen, die - ähnlich wie Sinn Fein oder Herri Batasuna - als politischer Arm der FARC operieren soll.

Härtere Gangart der Regierung

Angesichts der mangelnden Kompromissbereitschaft der FARC hat die Regierung ihre Entschlossenheit erkennen lassen, künftig entschiedener gegenüber der Guerrilla aufzutreten und auch ein mögliches Scheitern der Friedensverhandlungen in Kauf zu nehmen. Staatspräsident Pastrana warf den FARC vor, die Ankündigungen des "Gesetzes 002" und der parallelen Gerichtsbarkeit seien eine "blutige Verhöhnung des Landes", die nicht hingenommen werden könne. Man wolle den Friedensprozess zwar fortsetzen, doch müssten von der Guerrilla jetzt eindeutige Signale für eine echte Friedensbereitschaft ausgehen.

Auf mögliche Veränderungen in der Verhandlungsstrategie der Regierung deutet auch die Ablösung des Hohen Kommissars für dien Friedensverhandlungen, Victor G. Ricardo hin, der im Zuge der jüngsten Regierungsumbildung durch Pastranas bisherigen Privatsekretär Camilo Gómez ersetzt wurde. Wie kein anderer stand Ricardo für den bisherigen Kurs der Regierung und sah sich daher zunehmend mit dem Vorwurf konfrontiert, der Guerrilla durch einseitige Zugeständnisse zu weit entgegen gekommen zu sein. Auch unter dem neuen Friedenskommissar ist zwar keine Abkehr von der bisherigen Politik zu erwarten, doch ist - u.a. mit der vorläufigen Aussetzung der geplanten internationalen Anhörung - deutlich geworden, dass die Kompromissbereitschaft der Regierung an ihre Grenzen stößt.

Verhandlungen mit der ELN

Im Verhältnis zu der zweitstärksten Guerrillaorganisation, dem "Nationalen Befreiungsheer" (ELN) zeichnet sich zumindest die Möglichkeit einer Aufnahme von Friedensverhandlungen ab. Ende April konnte nach eineinhalbjährigen Gesprächen eine Einigung über die Schaffung einer entmilitarisierten Zone in der Grenzregion der Departaments Antioquia und Bolívar erzielt werden. Wichtige Zugeständnisser machte die ELN dabei u.a. in der Frage der internationalen Kontrolle und der Präsenz staatlicher Ordnungskräfte in dem geplanten Rückzugsgebiet, in dem ein "nationaler Kongress" der ELN unter Einschluss von Organisationen der Zivilgesellschaft stattfinden soll, der die Aufnahme formeller Friedensverhandlungen vorbereiten soll.

Die Umsetzung der Übereinkunft stößt jedoch auf den massiven Widerstand der betroffenen Gemeinden wie auch der in dieser Region einflussreichen paramilitärischen Gruppen, der zu umfangreichen Protestaktionen einschließlich der Blockade der Verkehrsverbindungen zur Atlantikküste geführt hat. Rasche Fortschritte sind auch in den Gesprächen mit der ELN derzeit daher nicht absehbar.

Ungewisse Aussichten des Friedensprozesses

Mit den jüngsten Entwicklungen sind die Chancen für rasche Fortschritte in den Friedensverhandlungen weiter gesunken. Zumindest im Falle der FARC scheinen substantielle Zugeständnisse von Seiten der Guerrilla nur im Falle einer grundlegenden Verschiebung des militärischen Kräfteverhältnisses zugunsten der Streitkräfte vorstellbar. In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des US-Kongresses über den von Präsident Clinton beantragten Hilfsplan für Kolumbien von wesentlicher Bedeutung, da eine entscheidende Bekämpfung des Drogenhandels im Süden Kolumbiens auch die Position der FARC empfindlich schwächen würde.

Die jüngsten Entscheidungen des Senats lassen allerdings erwarten, dass sich die US-amerikanische Hilfe weiter verzögern und zudem deutlich geringer ausfallen wird als ursprünglich geplant, so dass die kolumbianische Regierung auch von dieser Seite zumindest kurzfristig nicht die erhoffte Unterstützung erhalten dürfte.

Die Bedingungen für eine Verhandlungslösung mit der ELN scheinen aufgrund der erheblich schwächeren militärischen Position dieser Gruppierung insgesamt günstiger. Dies haben bereits die im Vergleich zu den FARC weiter reichenden Zugeständnisse der ELN in der Frage der entmilitarisierten Zone deutlich gemacht.

Auch gibt es Anzeichen, dass bei der ELN, deren ursprüngliche Wurzeln im intellektuellen, v.a. linkskatholisch geprägten Milieu der städtischen Ballungsräume liegen, der ideologische Hintergrund möglicherweise noch mehr im Vordergrund steht als bei den FARC, die inzwischen vorwiegend machtpolitische Ziele verfolgen. Auch die ELN hat bisher jedoch keine Bereitschaft erkennen lassen, ihre terroristischen Aktionen erkennbar zu reduzieren. So befinden sich noch immer einige vor mehr als einem Jahr bei der Flugzeuentführung einer AVIANCA-Maschine in Bucaramanga entführte Personen in Geiselhaft.

Zusätzlich erschwert wird der Friedensprozess durch den geringen Rückhalt der Regierung im Kongress und in der öffentlichen Meinung. Die Konfrontation mit der Opposition über das von Staatspräsident Pastrana angekündigte Referendum zur Reform der politischen Institutionen hat den massiven Widerstand der oppositionellen Liberalen auf den Plan gerufen und zum Verlust der knappen Parlamentsmehrheit der Regierung geführt. Gleichzeitig ist die Zustimmung zu der Politik des Präsidenten, v.a. aufgrund der anhaltenden Wirtschaftskrise und der spürbaren Verschlechterung der Sicherheitslage, nach allen Meinungsumfragen nach wie vor gering.

Vor diesem Hintergrund bemüht sich die Regierung derzeit, durch eine umfassende Übereinkunft mit den oppositionellen Liberalen politischen Spielraum zurückzugewinnen. Auch in die Friedensverhandlungen sollen die Liberalen künftig stärker eingebunden werden, was u.a. in der Berufung des bisherigen Botschafters in Venezuela, Luis Guillermo Giraldo, in die Verhandlungskommission mit den FARC zum Ausdruck kommt. Es bleibt zu hoffen, dass ein solcher Konsens mit der Opposition, sollte er erreicht werden, auch die Rahmenbedingungen für Fortschritte bei dem Friedensprozess verbessern wird.

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