Varade publitseerija

Riikide raportid

Parlamentswahlen in der Mongolei

kohta Peter Gluchowski †

Schwere Wahlniederlage der demokratischen Koalitionsregierung

Die mongolische Parlamentswahl vom 2. Juli 2000 markiert eine deutliche Abkehr der Wähler von den Parteien der amtierenden Koalitionsregierung, die sie vor vier Jahren mit überwältigender Mehrheit gewählt hatten. Die oppositionelle Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) gewann 72 der 76 Sitze im Großen Staatshural. Sie hat damit im neuen Parlament eine verfassungsändernde Mehrheit und ist die einzige Partei mit Fraktionsstatus.

Varade publitseerija

Der wiederholte Machtwechsel

Die Partei, die die Mongolei in der sozialistischen Periode seit 1924 lenkte und auch nach dem demokratischen Wechsel nach 1990 zunächst an der Macht blieb, war 1996 vom Wahlbündnis der "Demokratischen Union" in die Oppositionsrolle verwiesen worden. Die Kommunisten gerieten mit 25 von 76 Sitzen in die Minderheit; der Demokratischen Union fehlte mit 50 Sitzen nur ein Sitz zur Zweidrittelmehrheit, die die Beschlußfähigkeit des Parlaments garantiert.

Nun vollzogen die Wähler auf demokratischem Wege die zweite gravierende politische Veränderung seit der demokratischen Wende. Die Parteien der Demokratischen Union , die diesmal getrennt zur Wahl antraten, erlitten ein Wahldesaster. Die Nationale Demokratische Partei (MNDP) konnte nur einen Kandidaten (ihren früheren Ministerpräsidenten Narantsatsralt), die Sozialdemokratische Partei (MSDP) gar keinen Kandidaten mehr durchbringen.

Mit jeweils einem Abgeordneten sind zwei neue Parteien im Parlament vertreten: Die Mongolische Neue Sozialistische Partei (MNSDP) entsendet ihren Vorsitzenden Erdenebat, die Partei der Zivilcourage (PCC) ihre Vorsitzende Oyun. Darüber hinaus gelangte mit dem Unternehmer Gundalai noch ein unabhängiger Kandidat ins Parlament.

Mit diesen vier Kandidaten, die außerdem noch aus verschiedenen politischen Richtungen kommen, ist im künftigen Parlament eine Opposition praktisch kaum existent.

Politische und strategische Ursachen

Die Ursachen für die schwere Niederlage sind von den Abgeordneten der Demokratischen Union weitgehend selbst verschuldet. Die Niederlage hat politische und strategische Gründe:

Drei Regierungswechsel seit 1996 und die Verurteilung von drei MNDP-Abgeordneten wegen Korruption haben das öffentliche Ansehen der Koalition schwer beschädigt. Mangelnde Einigkeit im Parlament und wechselnde Abstimmungsergebnisse führten in der Vergangenheit dazu, daß häufig ein Bild der Handlungsunfähigkeit und politischen Inkompetenz entstand. Der MRVP-Opposition wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, die Regierung in entscheidenden Fragen in der Öffentlichkeit zu kritisieren. Sie tat dies erfolgreich vor allem mit dem Thema der anhaltenden Armut. Trotz aller ökonomischer Reformen und sich positiv entwickelnder Wirtschaftsindikatoren war es der Regierung in den letzten vier Jahren nicht gelungen, entscheidende Fortschritte in der Armutsbekämpfung zu erzielen .Politisch ist die Wahl deshalb weniger als ein Vertrauensvotum für die Ex-Kommunisten zu werten, sondern vorrangig als ein Mißtrauensvotum gegen die amtierende Regierung.

Als schwerer strategischer Fehler erwies sich die Zersplitterung der Demokratiebewegung im Vorfeld der Wahl. Die Union konnte sich im Hinblick auf ihr Auftreten bei der Parlamentswahl nicht einigen. Wenige Monate vor der Wahl lösten sich aus der MNDP mehrere Politiker, die als Abspaltungen zwei neue Parteien, die Partei der Zivilcourage (PCC) und die Demokratische Partei (MoDP) gründeten und zur Wahl anmeldeten. Von der MSDP spaltete sich die Neue Sozialdemokratische Partei (MNSDP) ab. Aber noch schwerwiegender war es, daß es nicht gelang, eine Neuauflage des Wahlbündnisses der Demokratischen Union zu erreichen und MNDP und MSDP gegeneinander antraten. Da die Wahl nach dem Verfahren der einfachen Mehrheitswahl durchgeführt wurde, machten sich die verschiedenen Strömungen der Demokratiebewegung gegenseitig ihre Wahlchancen zunichte und begünstigten die Kandidaten der MRVP.

Charakteristika des Wahlergebnisses

Wahlberechtigt waren 1.247.033 mongolische Staatsbürger, von denen 1.027.985 ihre Stimme abgaben. Die daraus resultierende Wahlbeteiligungsrate von 82,4 Prozent liegt um 9,7 Prozentpunkte unter der von 1996. Auch dies ist ein Hinweis auf den Charakter der Wahl als Protestwahl gegen die Regierung.

Prozentual betrachtet stellt sich das Wahlergebnis etwas weniger drastisch dar als der Vergleich der Parlamentssitze, weist aber dennoch die Reformkommunisten als sehr klare Gewinner aus.

Die MRVP gewann 51,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Mit großem Abstand folgen die übrigen Parteien.

/documents/252038/253255/wahlmongolei350_263.jpg/3837dbc9-9e4d-18a4-3c25-4dc1e9d62bdb

Zweitstärkste Kraft ist mit 13.4 Prozent das Wahlbündnis DU aus MNDP und religiöser Partei, drittstärkste mit 11,0 Prozent die Mongolische Demokratische Neue Sozialistische Partei (MDNSP) des Unternehmers Erdenebat und viertstärkste mit 9,1 Prozent die MSDP. An Fünfter Stelle liegt die Mongolische Republikanische Partei (MRP) des Unternehmers Jargalsaikhan, die 4,2 Prozent erzielte und an sechster die Partei des Bürgerwillens (PCC) mit 3,6 Prozent. Alle übrigen Parteien erzielten weniger als 2 Prozent der Stimmen. Auf unabhängige Kandidaten entfielen insgesamt 2,9 Prozent der Stimmen.

Erste Analysen des Wahlergebnisses zeigen, wie nachteilig sich die Zersplitterung des DU-Wahlbündnisses von 1996 ausgewirkt hat:

  • Zählt man die absoluten Zahlen der fünf Parteien: MNDP, MSDP, PCC, MoDP und MNSDP zusammen, so hätten sie bei Einigkeit unter den Bedingungen des geltenden Mehrheitswahlrechts 9 Parlamentssitze gewonnen und damit Fraktionsstatus erzielt.
  • Hätten nur MNDP und MSDP ihre Zusammenarbeit fortgesetzt, so hätten sie immerhin noch 4 Mandate erreicht.
  • Wäre die Demokratiebewegung auf den Vorschlag der Sozialdemokraten eingegangen, das Verhältniswahlrecht einzuführen, so hätten die fünf Parteien zusammen 21 Sitze erreicht. MNDP und MSDP hätten bei Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit immerhin noch 17 Sitze erzielt.

Mögliche verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei der künftigen Regierungsbildung

Das Prozedere bis zur Regierungsbildung ist in der Mongolei wie folgt geregelt:

Das Wahlkomitee legt das endgültige Wahlergebnis innerhalb von 15 Tagen nach der Wahl, also bis spätestens 17. Juli dem mongolischen Staatspräsidenten zur Feststellung und Unterschrift vor. Dieser verkündigt danach den Tag der ersten Parlamentssitzung. Die Regierungsbildung wird für Mitte August erwartet. Größter Favorit für das Amt des Premierministers ist der MRVP-Vorsitzende Enkhbayar. Er repräsentiert den modernen reformerischen Flügel der Partei.

Die Regierungsbildung wird von einem unklaren Rechtsstatus überschattet: Nach der bisher gültigen Auslegung der Verfassung dürfen Regierungsmitglieder nicht dem Parlament angehören. Außerdem müssen diese vom Parlament im Einvernehmen mit dem mongolischen Staatspräsidenten gewählt werden, was in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten mit dem Präsidenten und damit zur Verzögerung der Regierungsbildung führte.

Im November letzten Jahres hatte das Parlament daraus die Konsequenzen gezogen und mit nur einer Gegenstimme Ergänzungen der Verfassung verabschiedet, die die Rolle des Parlaments erheblich stärken: Sie sehen vor, daß Parlamentsmitglieder Regierungsämter bekleiden dürfen und schränken das Mitspracherecht des Staatspräsidenten bei der Regierungsbildung deutlich ein. Diese Ergänzungen wurden aber in einem Gutachten des mongolischen Verfassungsgerichts als nicht rechtswirksam erachtet. Das neue Parlament hat darüber jetzt erneut abzustimmen.

Wiederholt sich das Abstimmungsergebnis und wird die Regierung nach den neuen verfassungsrechtlichen Bestimmungen gebildet, so kann das Verfassungsgericht danach durch einen erneuten Spruch diese Bestimmungen für ungültig erklären und damit der künftigen Regierung die Legitimation entziehen. Findet die Regierungsbildung dagegen nach der geltenden Regelung statt, so muß die Regierung außerhalb des Parlaments gebildet werden oder gewählte Abgeordnete, die Regierungsämter bekleiden wollen, müssen ihr Mandat niederlegen, was zu Neuwahlen in den entsprechenden Wahlkreisen führt.

Einzelne Kurskorrekturen, aber kein gravierender Richtungswechsel in der Politik der Mongolei zu erwarten

In der neuen Regierung will die MRVP sich vorrangig vor allem der Lösung sozialpolitischer Probleme zuwenden. An erster Stelle steht dabei die Verringerung der Armut. Die Partei hat sich nach dem Systemwechsel seit 1990 stark gewandelt. Sie sieht sich heute selbst mehrheitlich nicht mehr als eine kommunistische, sondern eher als eine sozialdemokratische Mitte-Links Partei nach dem Muster der britischen Labour-Party unter Tony Blair, zu der sie gute Kontakte hat.

Seit November letzen Jahres ist sie der Sozialistischen Internationale beibetreten. Die letzten vier Oppositionsjahre hat sie dazu benutzt, sich umzugruppieren und programmatisch zu erneuern. Sie rekrutierte viele junge reformorientierte Mitglieder und übernahm marktwirtschaftliche Positionen. Ihre Spitzenpolitiker unterstützen ausländische Investitionen und die Privatisierung der Wirtschaft. Sie sprechen sich für Religions- und Pressefreiheit und die Stärkung der Menschenrechte aus. Insbesondere der Vorsitzende Ekhbayar versichert immer wieder, daß die Partei die politische und wirtschaftliche Transformation der Mongolei fortführen wird. Außenpolitisch strebt die MRVP gute Beziehungen zu den beiden Nachbarländern China und Rußland an und will die Öffnung gegenüber westlichen Ländern noch vertiefen. Grobe Richtungsänderungen sind deshalb nach dem Regierungswechsel kaum zu erwarten.

Allerdings hat die MRVP immer noch einen orthodoxen kommunistisch orientierten Flügel, der um Einfluß in der Partei und vor allem in der künftigen Regierung kämpft. Er wird durch ältere Politiker, wie z.B. die ehemaligen Premierminister Gungaadorj und Jasrai und das langjährige Parlamentsmitglied Zenee repräsentiert. Auch der Staatspräsident Bagabandi, steht diesem Flügel nahe. In Anbetracht der großen Parlamentsmehrheit und der kaum existierenden Opposition sind Konflikte zwischen beiden Flügeln der Partei vorprogrammiert.

Varade publitseerija

Kontaktisikud

Johann C. Fuhrmann

Johann C

Leiter des Auslandsbüros China - Peking

johann.fuhrmann@kas.de +86 10 6462-2207; 2208 +86 10 6462-2209

comment-portlet

Varade publitseerija

Varade publitseerija

selle seeria kohta

Konrad Adenaueri Fondil on esindus umbes 70 riigis viiel erineval kontinendil. Neis tegevad asukohariigi kaastöötajad võivad rääkida asukohariigi päevakajalistest sündmustest ja pikaajalistest arengutest. "Riikide raportite" all pakuvad nad Konrad Adenaueri Fondi kodulehe lugejatele asjakohaseid analüüse, taustainfot ja hinnanguid.

tellimisinfo

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland