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Präsident Santos auf Europatour

kohta Dr. Hubert Gehring

Werben um politische und finanzielle Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien

Der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos reist vom 3. bis 7. November in europäische Hauptstädte, um internationale Unterstützung für den Friedensprozess mit der FARC-Guerilla zu suchen, den seine Regierung versucht voranzutreiben. Santos wird außer Spanien, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Portugal am 5. November auch Deutschland besuchen und mit Bundeskanzlerin Merkel sprechen.

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Ein eventuelles Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC wäre ein erster wichtiger Schritt, neben zahlreichen weiteren notwendigen Schritten, auf einem mühsamen Weg zu einem stabilen und dauerhaften Frieden in Kolumbien. Jedoch lohnt es sich ohne Zweifel, diese Initiative politisch sowie finanziell zu unterstützen, vor allem auch von Seiten Europas. Eines muss man dabei jedoch ganz realistisch sehen: In Kolumbien müssen noch viele andere strukturelle Probleme angegangen werden, bevor es zu einer wirklichen Konsolidierung des Friedens kommen kann.

Es ist nichts vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist

Als die kolumbianische Regierung im August 2012 öffentlich bestätigte, dass vorbereitende Friedensgespräche mit der FARC geführt würden, beeilte sich Präsident Santos, ein Zieldatum für die Unterzeichnung eines Friedensabkommens zu benennen. Es wurde auf November 2013 festgesetzt. Ein Jahr später war dieser Termin nicht nur verstrichen, ohne dass es zu einer Unterzeichnung gekommen wäre, sondern ein bedeutender Teil der Bevölkerung war mit der Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden, nicht einverstanden und es wurden kritische Stimmen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen und Schichten laut.

Als die Friedensgespräche offiziell aufgenommen wurden, hatten die Regierung und die FARC ein gemeinsames Kommuniqué herausgegeben, in dem die Marschroute für die Dialoge mit dieser Guerilla-Gruppe festgelegt wurde. Dabei sollte das Prinzip gelten: „Es ist nichts vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist“. Es wurden 5 Hauptpunkte aufgestellt, über die in Havanna verhandelt und auf deren Basis eine „Beendigung des Konflikts“ erreicht werden sollten.

Die Punkte der Verhandlungsagenda sind: 1) ländliche Entwicklung; 2) die Ermöglichung einer aktiven Beteiligung der ehemaligen Guerilla an der Politik; 3) die Lösung des Problems des illegalen Drogenhandels; 4) die Beendigung des bewaffneten Konflikts – Demobilisierung, Wiedereingliederung und Justiz; 5) Anerkennung der Opfer und Wiedergutmachung. Für die ersten drei Punkte wurden noch vor der Präsidentschaftswahl 2014 entsprechende Vereinbarungen veröffentlicht, wobei es sich jedoch meist um sehr allgemeine Punkte bzw. Formulierungen handelt, von denen die meisten bereits in der Verfassung verankert sind. Wichtig ist, dass ein mögliches Friedensabkommen noch der Zustimmung des kolumbianischen Volkes in Form eines Referendums bedarf.

Vor diesem Hintergrund sind der Präsidentschaftswahlkampf 2014 und die Wahlen selbst zu sehen. Sie fanden in einer für Kolumbien eigenartigen Stimmung statt und waren geprägt von heftigen Auseinandersetzungen der „Freunde“ und „Feinde“ des von Santos geführten Friedensprozesses.

Auf der einen Seite standen diejenigen, die Santos und seine Strategie der Friedensgespräche unterstützten. Auf der anderen Seite befand sich der Kandidat des ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe, Oscar Iván Zuluaga, der von denjenigen Bürgern unterstützt wurde, die ernsthafte Bedenken gegenüber den Friedensverhandlungen haben und der FARC mehr Bedingungen auferlegen wollen. Im Ergebnis wurde Santos mit knapp 51% bei einer Wahlbeteiligung von 47,89 Prozent wiedergewählt.

Ein langer und schwieriger Weg - die gesamte Bevölkerung sollte integriert werden

Bei einer derart starken Polarisierung ist es keine Überraschung, dass der Friedensprozess heutzutage von nicht mehr als knapp 53% der Bevölkerung unterstützt wird. Mehr noch, was die Glaubhaftigkeit der Verhandlungen anbetrifft, glauben lediglich 6% der Kolumbianer, dass der aktuelle Prozess zu einer definitiven Demobilisierung der FARC führen kann.

Offensichtlich setzt Santos im Rahmen des Friedensprozesses auf die Karte „alles oder nichts“. Aber dieser Einsatz ist mit Schwierigkeiten verbunden. Da Santos mit dem Auftrag gewählt wurde, den Frieden zu erreichen – sogar mit Unterstützung der Linken im Kongress, die eigentlich immer zur Opposition gehörten und noch gehören –, ist sein politischer Spielraum eingeschränkt und er ist gezwungen, der FARC Zugeständnisse zu machen, um den Prozess fortsetzen zu können. Auf der anderen Seite hat die zweite Hälfte der Bevölkerung für den Gegenkandidaten gestimmt, der unter dem Motto „Ja zum Frieden, aber unter gewissen Bedingungen“ angetreten war. So hat zum Beispiel eine Umfrage während des Wahlkampfs ergeben, dass über die Hälfte der Befragten Gefängnisstrafen von mehr als 8 Jahren für die Guerillakämpfer verlangt, die schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Viele Menschen fordern außerdem Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer als Voraussetzung für eine wirkliche Versöhnung.

Es ist also kein Zufall, dass die beiden letzten Punkte der Verhandlungsagenda gerade die kompliziertesten sind: die Demobilisierung und der strafrechtliche Prozess für die Guerilleros, die sich wieder in das zivile Leben eingliedern wollen, sowie die Anerkennung und Wiedergutmachungszahlungen an die Opfer.

Falls es im Ergebnis zu der Unterzeichnung eines Abkommens kommen sollte, würde dieses Dokument auch nicht unbedingt schon die Erlangung des langersehnten Friedens bedeuten und erst recht hätte es nicht das Ende aller Probleme zur Folge, unter denen das Land seit Jahren zu leiden hat. Ein Abkommen wäre jedoch ein notwendiger Beginn eines langen und komplizierten Prozesses hin zum Aufbau eines stabilen und dauerhaften Friedens in Kolumbien. Zunächst müssten die Vereinbarungen in konkrete politische Maßnahmen umgesetzt werden - dies wäre die erste große Herausforderung. Aber darüber hinaus und parallel dazu benötigt Kolumbien strukturelle Reformen in fundamentalen Fragen, nicht nur für den Frieden, sondern auch zur Entwicklung des Landes.

Vom Friedensprozess zum Aufbau eines Landes

Oft wird der bewaffnete Konflikt in Kolumbien als Hauptgrund für den größten Teil der Probleme des Landes genannt. Fehlende Infrastruktur, Defizite in der Justiz und Bildung und sogar das ein oder andere Problem der Demokratie an sich werden oft als Auswirkungen des Konflikts bezeichnet. In diesem Sinne könnte man glauben, dass die Unterzeichnung eines Friedensabkommens mit den illegalen Gruppierungen und somit ein Ende des bewaffneten Konflikts alle diese Probleme überwinden helfen würde.

Aber der bewaffnete Konflikt ist nur eines von vielen Problemen der Regierbarkeit, die in ihrer Gesamtheit angegangen werden müssen, wenn ein nachhaltiger Frieden erlangt werden soll. Die Antworten und Lösungen, die dazu vorgeschlagen werden, können nur dann effizient sein, wenn ein Schlüsselproblem gelöst wird: Es bedarf einer fortschreitenden Dezentralisierung, begleitet von einer Stärkung des Staates und einer wirklichen Einbindung der Regionen in die Regierung des Landes. So sind viele Aspekte, die ursprünglich den bewaffneten Konflikt verursacht und verschärft haben und die folglich auch zu seiner Lösung beitragen können eng mit einer Dezentralisierung der staatlichen Macht verknüpft.

Die Kluft der Lebensbedingungen in den verschiedenen Regionen in Kolumbien ist tief und wenn dieses Problem nicht gelöst wird, werden die sozialen Unterschiede zwischen dem Zentrum und den Randgebieten des Landes sich zunehmend verschärfen. Zur Verdeutlichung: Die 10 größten Städte Kolumbiens erfreuen sich eines stetigen Wirtschaftswachstums und konsolidieren sich somit als Entwicklungszentren, während in 70% der übrigen Gemeinden mehr als 66% der Bevölkerung in Armut leben. Und gerade viele dieser Gemeinden sind vom Konflikt besonders betroffen und verfügen nicht über die notwendigen finanziellen Mittel oder die erforderliche administrative Effizienz.

Daher nimmt heute - angesichts der zu erwartenden Umsetzung der Friedensvereinbarungen auf kurze, mittlere und lange Sicht - die Problematik der ländlichen Regionen eine Schlüsselstellung in der öffentlichen Diskussion ein. Das Abkommen wird zwar in Havanna verhandelt und ggf. in der Hauptstadt Bogota unterzeichnet werden, aber der Erfolg oder Misserfolg der Friedensvereinbarung wird sich in den Regionen Kolumbiens entscheiden.

Der Moment für den Frieden

Im Ergebnis kann zusammengefasst werden, dass Kolumbien zurzeit zweifellos einen historischen Moment erlebt. Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass dies „der Moment“ für den Frieden ist. Die internationale Gemeinschaft kann und sollte mitarbeiten, um das Land in diesem Friedensprozess und der anschließenden Umsetzung der Vereinbarungen zu unterstützen. Aber dies sollte unter realistischen Gesichtspunkten geschehen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in Kolumbien zahlreiche Probleme gleichzeitig und parallel zu den in der Verhandlungsagenda genannten Punkten angegangen werden müssen. Mehr noch: Die internationale Gemeinschaft sollte sich besonders um eine gut koordinierte und effiziente Unterstützung der sogenannten Postkonfliktphase, also den Entwicklungen in der Zeit nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens bemühen. Ein Punkt, bei dem die EU, die USA und Deutschland besonders helfen könnten, ist gleichzeitig ein Schlüsselthema für Kolumbien: In jeder Demokratie werden Probleme streitig diskutiert, aber in Themen, die für die Zukunft einer Nation grundlegend sind – und der Frieden ist für Kolumbien eines dieser Themen –, ist es notwendig, auch zwischen politischen Konkurrenten zu einem Ausgleich bzw. Kompromiss zu kommen. Sowohl Präsident Santos als auch Ex-Präsident Uribe und ihre Anhänger, jeweils in etwa die Hälfte der kolumbianischen Gesellschaft, tun sich diesbezüglich noch schwer. Hier könnte ein verstärkter internationaler politischer Austausch vielleicht helfen – zum Wohle aller Kolumbianer und der gesamten Region.

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