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Regionalwahlen in Frankreich

kohta Dr. Norbert Wagner

Erster Test für die Regierung Raffarin

Im Jahr 2004 finden in Frankreich drei wichtige Wahlen statt: die Regionalwahlen im März (zusammen mit Kantonalwahlen), die Europawahlen am 13. Juni und die Sénatswahlen im September (ein Drittel der Senatoren wird gewählt).

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Die innenpolitisch wichtigsten Wahlen sind ohne Zweifel die Regionalwahlen. Denn es handelt sich um den ersten Popularitätstest der Regierung Raffarin seit den Präsidenten- und Parlamentswahlen im Frühjahr 2002. Außerdem handelt es sich um eine Wahl, deren Ergebnis ausschließlich durch innenpolitische Faktoren bestimmt sein dürfte. Die Wähler werden ihre Wahlentscheidung auch zu einem Verdikt über die bisherige Reformpolitik der Regierung Raffarin, aber auch der übrigen innenpolitischen Ereignisse (z. B. Gerichtsurteil gegen Juppé, Auseinandersetzung Chirac - Sarkozy) nutzen.

Wahlmodus

Die Regionalwahlen finden in zwei Wahlgängen am 21. und 28. März nach einem von der Regierung Raffarin (im Jahr 2003) teilweise geänderten Wahlmodus statt. Gewählt wird in den 22 Regionen Frankreichs nach dem Verhältniswahlrecht anhand von Partei-Listen. Diese Listen sind nach Départements getrennt. Abwechselnd müssen je eine Kandidatin und ein Kandidat aufgeführt sein. Andernfalls werden die Listen nicht zur Wahl zugelassen.

Sofern im ersten Wahlgang keine Liste eine absolute Mehrheit erzielt, findet ein zweiter Wahlgang statt. In den zweiten Wahlgang gelangen nur jene Listen, die mindestens 10% der abgegebenen Stimmen erhalten haben. Diese hohe Hürde wurde von der Regierung Raffarin bewußt festgelegt, um es kleineren Parteien zu erschweren, in die Regionalparlamente zu gelangen. Gegen diese Regelung sind verständlicherweise die kleineren Parteien Sturm gelaufen – bis hin zum Conseil d‘Etat, konnten aber nur eine geringfügige Modifizierung erreichen.

Listen, die zwischen 5 und 10% der Stimmen erhalten haben, dürfen mit Listen fusionieren, die am zweiten Wahlgang teilnehmen dürfen. Erhält eine Liste im ersten Wahlgang weniger als 5%, scheidet sie aus.

Im zweiten Wahlgang wird wiederum nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Um sicherzustellen, daß die Wahl einen klaren Sieger zum Ergebnis hat, erhält die Liste, welche die meisten Stimmen erzielt, eine „Prämie“ von 25% der insgesamt zur Wahl stehenden Sitze. Die Anzahl der zu vergebenden Sitze ist abhängig von der Bevölkerungszahl der jeweiligen Region (zwischen 43 im Limousin und 209 in der Region Ile-de-France). Die verbleibenden Sitze werden gemäß dem Wahlergebnis proportional auf alle Listen aufgeteilt, die mindestens 5% der abgegebenen Stimmen gewonnen haben.

Wahlaussichten

Bei den letzten Regionalwahlen im Jahr 1998 gewannen die damaligen bürgerlichen Parteien (RPR, UDF, DL) in 14 der 22 Regionen die Mehrheit, die restlichen acht Regionen wurden von der Linken gewonnen. Nach der Katastrophe anläßlich der vorgezogenen Auflösung der Assemblée Nationale im Jahr 1997 schöpfte die bürgerliche Opposition aus diesem Ergebnis wieder Hoffnung und neuen Schwung. Jetzt droht das bürgerliche Lager sich selbst um die Früchte ihres damaligen Sieges zu bringen.

Ausschlaggebend für das Abschneiden des bürgerlichen Lagers bei den anstehenden Regionalwahlen sind drei Schlüsselfaktoren:

  • Popularität der Politik der Regierung Raffarin
  • Geschlossenheit des bürgerlichen Lagers
  • Abschneiden des extremistischen Parteien, insbesondere des Front National (FN)
Die Popularität der Regierung Raffarin ist zur Zeit nicht auf dem höchsten Stand seit ihrem Amtsantritt. Anfang Februar hatten rund 40% der Bevölkerung eine positive Meinung von der Politik der Regierung Raffarin, und 47% eine negative. Es war allerdings auch kaum zu erwarten, daß die hohen Popularitätswerte, vor allem für Premierminister Raffarin während des ersten Regierungsjahres, anhalten würden. Denn viele der in Angriff genommenen Reformen stoßen und stießen in Teilen der Bevölkerung auf massive Ablehnung. Allerdings konnte sich Premierminister Raffarin wieder aus dem Stimmungstief Ende des letzten Jahres befreien und an Popularität zulegen. Insgesamt dürfte die Politik der Regierung die Wahlaussichten wohl nicht beflügeln, aber auch nicht nachhaltig beeinträchtigen.

Schädlicher sind indes die erneut aufgebrochenen Spannungen innerhalb des bürgerlichen Lagers. Enfant terrible ist wieder einmal François Bayrou. Schon seit Herbst 2003 versucht er, durch gezielte Provokationen der UMP-Mehrheit in der Assemblée Nationale neues Profil zu gewinnen. Zum Beispiel durch Enthaltung seiner UDF-Fraktion (29 Abgeordnete) bei der Abstimmung über den Haushalt 2004, teils sogar durch Ablehnung einzelner Haushaltstitel.

Diese Strategie hat er im Vorfeld der Regionalwahlen konsequent fortgesetzt. Zentraler Streitpunkt ist dabei die Frage, ob UMP und UDF beim ersten Wahlgang mit gemeinsamen Listen antreten oder nicht. Im Falle getrennter Listen ist die Gefahr groß, daß die bürgerlichen Listen im ersten Wahlgang nur auf dem zweiten, dritten oder gar vierten Platz landen und dadurch einen beträchtlichen Imageschaden erleiden. Außerdem ist es bei getrennten Listen kaum zu vermeiden, daß die Wahlkampfauseinander-setzung auch zwischen UMP und UDF geführt wird. Im zweiten Wahlgang ist es dann nur schwer möglich, den Wählern zu vermitteln, daß nun beide Listen gemeinsam antreten. Die negativen Erfahrungen bei den Kommunalwahlen in Lyon im Jahr 2001 sollten eigentlich eine Lehre gewesen sein. Denn hier war es im zweiten Wahlgang nicht mehr gelungen, die rechnerische Mehrheit in einen Wahlsieg umzumünzen.

Angesichts der Bedeutung der Regionalwahlen wirft die Regierung Raffarin ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale. Von den 38 Ministern des Kabinetts Raffarin kandidieren 19 bei in den verschiedenen Regionen. Davon führen sechs sogar eine der Liste an:

  • Jean-François Copé, Regierungssprecher, in der Region der Ile-de-France,
  • François Fillon, Arbeitsminister, in der Region Pays-de-la-Loire,
  • Renaud Muselier, Staatssekretär im Außenministerium, in der Region Provence-Alpes-Côtes-d’Azur,
  • Xavier Darcos, Minister für schulische Bildung, in der Region Aquitaine,
  • Gilles de Robien, Transportminister, in der Region Picardie, und
  • Jean-Paul Delevoye, Minister für öffentliche Verwaltung, in der Region Nord-Pas-de-Calais.
In sechs der insgesamt 22 Regionen Frankreichs treten UMP und UDF mit gemeinsamen Listen an:

  • Elsaß. Dort sind nahezu alle der führenden UDF-Politiker der UMP beigetreten. Eine separate UDF-Liste wäre chancenlos bzw. Bayrou könnte wohl kaum die notwendige Zahl an Kandidaten finden.
  • Auvergne. Dort tritt Valéry Giscard d’Estaing (trotz seiner nunmehr 78 Jahre) erneut als Spitzenkandiat der UMP an. Bayrou hat deshalb entschieden, keine Konkurrenz-Liste ins Rennen zu schicken.
  • Picardie. Gilles de Robien (UDF) ist hier Spitzenkandidat der gemeinsamen UMP-UDF-Liste.
  • Poitou-Charentes. In der Region von Premierminister Raffarin stellte Bayrou keine UDF-Liste auf. Dies wäre wohl als Kriegerklärung an die UMP verstanden worden.
  • Rhône-Alpes. In dieser Region ist die UDF vergleichsweise stark. Sie stellten bisher die Präsidentin der Region und hofft nun mit Hilfe der UMP auf einen erneuten Sieg.
  • Provence-Alpes-Côtes-d’Azur. Ohne eine gemeinsame UMP-UDF-Liste wäre eventuell sogar ein Sieg des FN möglich gewesen. Die Verantwortung hierfür wollte Bayrou wohl nicht riskieren.
Dagegen haben UMP und UDF in den übrigen 16 Regionen getrennte Liste aufgestellt und konkurrieren demnach im ersten Wahlgang. Dabei weckt die Auseinandersetzung in zwei Regionen besonderes Interesse. In der Region Ile-de-France liegt der Kandidat der UMP, Jean-François Copé, zur Zeit leicht vor seinem UDF-Konkurrenten, André Santini. Ob beide aber im zweiten Wahlgang gemeinsam den Kandidaten des PS schlagen können, ist völlig offen.

Fast dramatische Züge nimmt der Wahlkampf in der Region Aquitaine an. Denn dort versucht François Bayrou als Spitzenkandidat einer separaten UDF-Liste den sozialistischen Amtsinhaber zu stürzen. Daneben führt Xavier Dracos, Minister für schulische Bildung, eine eigene UMP-Liste. Man gewinnt den Eindruck, die Auseinandersetzung finde ausschließlich zwischen Darcos und Bayrou statt. Der sozialistische Kandidat kann sicher sein, daß sich die beiden bürgerlichen Kandidaten derart beschädigen, daß sie im zweiten Wahlgang gegen ihn kaum eine Chance haben werden.

Das gleiche Drama spielt sich nun auch in der Region Nord-Pas-de-Calais zwischen Rufenacht (UMP) und Morin (UDF) ab.

Aber auch die Linke geht keineswegs geeint ins Rennen. Im Gegenteil: Nur in acht der 22 Regionen konnte sie sich auf eine gemeinsame Liste PS-PC-Grüne einigen. Um die Verwirrung zu vervollständigen, tritt die PS in sechs anderen Regionen gemeinsam mit der PC an, und in fünf weiteren Regionen mit den Grünen. Schließlich präsentiert in drei Regionen jede der drei Parteien eine eigene Liste.

Dagegen haben sich die beiden Parteien der extremen Linken (Ligue Ouvrière (LO) und Ligue Communiste et Révolutionnaire (LCR) darauf geeinigt, gemeinsam anzutreten.

Die politische Landkarte bei den anstehenden Regionalwahlen gleicht also einem Flickenteppich.

Extremistische Parteien erzielen in Frankreich häufig vergleichsweise hohe Prozentsätze bei Wahlen. Bei den Präsidentenwahlen im Frühjahr 2002 gelangte der Kandidat des FN, Jean-Marie Le Pen, mit knapp 17% in die zweite Runde, die Kandidaten der beiden extrem linken Parteien LCR und LO erzielten zusammen rund 10% der Stimmen. Auch bei den anstehenden Regionalwahlen ist ein gutes Abschneiden der extremistischen Parteien zu befürchten. Die extreme Linke geht vergleichsweise geeint ins Rennen. Die extreme Rechte besteht praktisch nur noch aus dem Front National. Das Mouvement National Républicain (MNR) von Bruno Mégret ist bedeutungslos.

Es ist aber nicht nur mit einer ganzen Reihe von Mitgliedern extremistischer Parteien in den neuen Regionalräten zu rechnen. Schwerwiegender ist die Gefahr, daß im ersten Wahlgang in einigen Regionen vor allem der FN so gut anschneidet, daß mit sog. Triangulaires zu rechnen ist. D.h. es kommt im zweiten Wahlgang zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Listen der bürgerlichen Parteien, der Linken und des Front National. Wollen die bürgerlichen Parteien und die Linke einen drohenden Sieg des FN (wie etwa in der Region Provence-Alpes-Côtes-d’Azur, PACA) verhindern, müssen sie vor dem zweiten Wahlgang zu einer Übereinkunft kommen.

Umfrageergebnisse

Glaubt man den Umfragen, so sind die Aussichten der bürgerlichen Parteien bei den Regionalwahlen keineswegs schlecht, sogar etwas günstiger als das Ergebnis des Jahres 1998. Die Aussichten der linken Parteien liegen in auf dem Niveau des Ergebnisses vor sechs Jahren. Der Wahlausgang ist allerdings noch völlig offen: 42% der Wähler wünschen einen Sieg der Regierung, 40% einen Sieg der Opposition

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Sehr gute Wahlaussichten besitzt erneut der FN. Ebenso die extrem linken Parteien LO/LCR. Bei beiden ist zu berücksichtigen, daß die Umfragewerte dieser Parteien meist niedriger liegen als die endgültigen Wahlergebnisse, weil potentielle Wähler dieser extremistischen Parteien oft nicht zugeben, diese Parteien wählen zu wollen. Daß Jean-Marie Le Pen in der Region PACA nicht zur Wahl zugelassen wurde, dürfte den Wahlchancen des FN eher nutzen als schaden. Beim FN kündigt sich zudem ein Generationswechsel an. Le Pens Tochter führt die FN-Liste in der Region Ile-de-France an.

Konsequenzen für die Regierung Raffarin

Wie auch immer die Wahlen am 28. März ausgehen werden, schon jetzt ist offenkundig, daß Präsident Jacques Chirac und Premierminister Jean-Pierre Raffarin das Ergebnis der Wahlen für einen Neuanfang nutzen werden.

Während noch Ende des vergangen Jahres über einen möglichen Wechsel des Premierministers spekuliert wurde, ist diese Spekulation mittlerweile vom Tisch. Die Verurteilung von Alain Juppé und das ständige Drängen von Nicolas Sarkozy haben den Handlungsspielraum von Präsident Chirac stark eingeengt.

Allgemein erwartet wird indes eine Kabinettsumbildung. Einige Ministerien dürften gestrichen oder zusammengelegt werden und damit die Zahl der Ministerien insgesamt sinken. Manche Minister, die jetzt bei den Regionalwahlen als Listenführer kandidieren, müßten ihr Amt aufgeben, falls sie das Amt des Präsidenten einer Region annehmen. Schließlich dürften einige Minister ihr Amt verlieren, weil sie die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt haben. Genannt werden beispielsweise Nicole Fontaine, Ministerin für Industrie, Noëlle Lenoir, Europaministerin, Jean-François Mattei, Gesundheitsminister. Jacques Barrot würde wohl gerne sein Amt als UMP-Fraktionsvorsitzender aufgeben und Minister werden.

Wie auch immer die Wahlen ausgehen werden, Jean-Pierre Raffarin kann wohl kaum mehr als Sündenbock in die Wüste geschickt werden. Seine Stellung dürfte vielmehr gestärkt werden. Präsident Chirac braucht ihn, weil er keinen anderen geeigneten Kandidaten für das Amt des Premierministers hat. Und er braucht Raffarin, um die Ambitionen von Nicolas Sarkozy in Schach zu halten. Zumindest aus heutiger Sicht deutet alles darauf hin, daß Raffarin Nachfolger von Alain Juppé als UMP-Vorsitzender werden wird. Bei jedem anderen Kandidaten würde Chirac riskieren, daß Sarkozy ebenfalls seinen Hut in den Ring wirft und – angesichts seiner Popularität in der Bevölkerung und der UMP – gewinnt. Schon deutet alles darauf hin, daß Raffarin und Sarkozy eine mehr oder minder offene Allianz eingehen und sich die Macht, in Partei und Regierung, teilen werden.

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