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Thailand vor den Wahlen. Der Anfang vom politischen Ende Thaksin Shinawatras?

Das Königreich auf der Suche nach Stabilität

Nur wenige Tage vor den seit langem mit Spannung erwarteten Wahlen zum thailändischen Repräsentantenhaus am 06. Januar 2001 hat sich das wahlkampfbedingt ohnehin aufgeheizte innenpolitische Klima einem kritischen Siedepunkt genähert. Grund dafür ist das Urteil der Nationalen Anti-Korruptions-Kommission (NCCC), die den bisher aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Premierministers, Telekommunikations-Milliardär Dr. Thaksin Shinawatra, vorsätzlicher Falschangaben bei der Deklaration seines Vermögens für schuldig befunden hat.

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Diesem Spruch wird eine Überprüfung des Sachverhalts durch das Verfassungsgericht Thailands folgen, das, sofern die Richter das Ergebnis der NCCC-Ermittlungen bestätigen, ein bis zu fünfjähriges Verbot der Übernahme politischer Ämter für den Vorsitzenden der "Thai Rak Thai" (TRT)-Partei nach sich ziehen kann. Zu einem Zeitpunkt, wo Thailand mehr als alles andere stabile Mehrheiten im Parlament, eine überzeugende Persönlichkeit als Regierungschef und klare Rahmenbedingungen in nahezu allen Politikbereichen benötigte, drohen dem Königreich stattdessen nach dem 06. Januar nun weitreiche politische Ungewissheit und ein Machtvakuum ungeahnten Ausmaßes.

Die Affäre um nicht deklarierte Vermögenswerte hat den Spitzenkandidaten und Gründer der "Thais lieben Thais"-Partei seit Monaten belastet. Die Reformverfassung von 1997 schreibt vor, dass aus dem Amt scheidende bzw. neu ernannte Kabinettsmitglieder binnen Monatsfrist nach Amtsaufgabe bzw. -übernahme ihre persönlichen Vermögenswerte gegenüber der NCCC offenzulegen haben.

Thaksin war bis Ende 1997 einer der stellvertretenden Premierminister im Kabinett Chavalit Yongchaiyudhs, des während des Ausbruchs der Asienkrise amtierenden Regierungschefs. Der Selfmade-Unternehmer legte der NCCC davor und danach auch diese vorgeschriebenen Vermögensdeklarationen vor, die laut im Jahr 2000 aufgekommenen Vorwürfen allerdings nicht vollständig waren, weil sie keine Angaben über persönliches Vermögen Thaksins im Wert von 3,9 Milliarden Baht (umgerechnet ca. 210 Millionen DM) enthielt. Ein Jahr nach Amtsaufgabe legte er der NCCC eine weitere Erklärung seines Gesamtvermögens vor, die nach heutigem Ermittlungsstand jedoch keine Angaben über persönliches Vermögen des Tycoons im Wert von rund 650 Milliarden Baht (ca. 35 Milliarden DM) enthielt.

Thaksins schwerste Verfehlung sieht die NCCC in der Tatsache, dass er Teile des Aktienbesitzes an seinen Unternehmen pro forma an Mitglieder seiner Familie sowie Angestellte seines Haushalts übertragen ließ, um vermutlich auf diese Weise Verfassungsbestimmungen zu umgehen, wonach Regierungsmitglieder nur einen sehr begrenzten Eigentumsanteil an Unternehmen haben dürfen. Dieses Vorgehen legt ebenfalls den Verdacht der gezielten Steuerhinterziehung sowie Verstöße gegen das thailändische Börsengesetz nahe.

Die Beratungen der NCCC zogen in den vergangenen Wochen ein erhebliches Medienecho auf sich, das zeitweise von den politischen Auseinandersetzungen des Wahlkampfes ablenkte. Thaksin versuchte von Anfang an, die Bedeutung der Kommissionsermittlungen herunterzuspielen, indem er die Lücken der seinerzeitigen Vermögensoffenlegung als bloßes Versäumnis und Folge unvollständiger Kenntnis der entsprechenden Rechtsbestimmungen erklärte sowie darauf hinwies, dass er den weit überwiegenden Teil seines Vermögens korrekt deklariert habe und seine Vermögensverhältnisse als vermutlich wohlhabendster Thailänder allgemein bekannt und überprüfbar seien.

Gleichwohl erweckte er in den Öffentlichkeit nicht immer den Eindruck der Kooperationsbereitschaft mit der NCCC, ließ sich Zeit bei der Vorlage der von der Kommission geforderten Unterlagen und wollte mit Hinweis auf seine Wahlkampfverpflichtungen zunächst auch nicht zu dem von der NCCC festgesetzten Vorladungstermin erscheinen, vermied jedoch offensichtlich aufgrund des Drucks seiner politischen Berater schließlich doch eine solche Brüskierung.

Überzeugend im Sinne seiner Unschuld wirkte dies alles weder auf die Öffentlichkeit noch auf die NCCC, und die Kommission machte auch deutlich, dass bei ihrer Untersuchung die Frage der vorsätzlichen Fehldeklaration durch Thaksin im Mittelpunkt stand, unabhängig von der Höhe des fraglichen Betrages. Zudem stellte sich heraus, dass enge Mitarbeiter des Unternehmers sehr wohl Akten über die versteckten Vermögenswerte geführt hatten, deren bloßes Übersehen also kaum glaubwürdig erschien.

Der Spruch der NCCC in der letzten Dezember-Woche fiel mit 8:1 Stimmen der neun Kommissionsmitglieder überraschend deutlich aus und sorgte sogleich für eine Welle der Spekulation in den thailändischen Medien sowie unter politischen Beobachtern. Im Kern der Diskussion stehen die Fragen nach der politischen Zukunft Thaksins und dem Namen des nächsten Premierministers. Und obwohl ohne die weltpolitischen Implikationen von "Bush vs. Gore" in den USA, so könnte doch auch in Thailand letztendlich ein Gericht entscheiden, wer dem amtierenden Premierminister nachfolgt.

Wenige Tage vor der Unterhauswahl sieht das politische Szenario folgendermaßen aus: Das Verfassungsgericht wird in Kürze über die Details einer Verhandlung über die NCCC-Ermittlungsergebnisse im Fall Thaksin entscheiden. Allgemein wird angenommen, dass sich die Beratungen des Gerichts bis zu drei Monaten hinziehen könnten. Geht man von dem im Sommer 2000 verhandelten Verfahren gegen Sanan Kachornprasert, den früheren Innenminister und Generalsekretär der regierenden Demokratischen Partei aus, der ebenfalls wegen Vermögensverschleierung angeklagt, verurteilt und für fünf Jahre aus der Politik verbannt wurde, erscheint ähnliches bezogen auf Thaksin nicht mehr ausgeschlossen.

In diesem Fall käme es zu einer möglichen zeitlichen Koinzidenz eines Gerichtsurteils mit dem Abschluss der Arbeit der Nationalen Wahlkommission, die aufgrund der auch diesmal wieder festzustellenden Stimmenkäufe und anderen Wahlmanipulationen durch Parlamentskandidaten wahrscheinlich mehr als die ihr von der Verfassung zugestandenen 30 Tage benötigen wird, um alle 500 neu gewählten Mitglieder des Repräsentantenhauses zu bestätigen. Theoretisch könnte TRT also einen durchaus überzeugenden Wahlsieg erringen - wofür alle bisherigen demoskopischen Untersuchungen sprechen - ohne dass jedoch der Parteivorsitzende und Spitzenkandidat das ersehnte Ziel des Premierministers erreichte.

Ebenso könnte Thaksin einer der kurzlebigsten Regierungschefs in der neueren Geschichte Thailands werden, bevor ihn das Verfassungsgericht aus dem Amt entfernt. Angesichts der von Thaksin auch nach der NCCC-Entscheidung nach außen hin beteuerten Unschuld und seiner Entschlossenheit, den Wahlkampf fortzusetzen und weiterhin Premierminister werden zu wollen, fragen sich kritische Beobachter jedoch bereits, ob dieser Mann ein für ihn ungünstiges Urteil des Verfassungsgerichts überhaupt akzeptieren würde, sofern er erst einmal im Amt ist.

Es ist in der politischen Szene des Landes ein offenes Geheimnis, dass der Medienunternehmer beträchtliche Geldbeträge investiert hat, um seine langgehegten politischen Ambitionen Realität werden zu lassen - ob es hier zu Überschreitungen von Wahlkampfkostenobergrenzen gekommen ist, wird noch zu untersuchen sein, bestimmt jedoch von einer der zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen des Landes zum Thema gemacht werden, sollte Thaksin tatsächlich Premierminister werden. Diese Gruppen engagieren sich im gegenwärtigen Wahlkampf wie kaum jemals zuvor als "watchdogs" gegen Wahlmanipulationen aller Art.

Die thailändischen Medien, insbesondere die englischsprachige Presse, haben unmittelbar nach dem NCCC-Spruch dem TRT-Vorsitzenden, zumindest bis zur Verkündung eines Urteils des Verfassungsgerichts, den vorläufigen Rückzug aus der Politik nahegelegt und ihre Forderung mit Meinungsumfragen untermauert, wonach das Vertrauen der Bevölkerung in Thaksin und seine Partei nach der Entscheidung der Anti-Korruptionsbehörde angeblich gesunken sei. Dies ist zwar möglich, jedoch müssen generell alle Umfragen solchen Inhalts in Thailand mit größter Zurückhaltung bewertet werden.

Unbestreitbar ist und bleibt, dass ein Großteil der Bevölkerung, insbesondere in den benachteiligten Landgebieten, in Thaksin Shinawatra weiterhin die lange erhoffte Alternative zu Premierminister Chuan Leekpai sieht: Vom Amtsinhaber ist man nach drei Jahren wirtschafts- und sozialpolitisch entweder ausgebliebener oder halbherziger Entscheidungen enttäuscht und reagiert gelangweilt auf seine Person; der Herausforderer hingegen pflegt das Image des neuen, unverbrauchten Mannes mit eingängig formulierten Politikzielen in wichtigen Fragen und für große Bevölkerungsgruppen - Schuldenmoratorium für Bauern, Investitionsfonds für alle Dörfer, Steuererleichterungen für Unternehmer usw.

Dass insbesondere Thaksins Versprechungen teuer und kaum finanzierbar sein werden, haben viele Thais durchaus verstanden, und nicht wenige haben Vorbehalte gegen den allzu glatten Medienunternehmer - aber ihr Verdruss über Premierminister Chuan ist in vielen Fällen so groß, dass sie mehrheitlich geneigt sein dürften, dem ehrgeizigen Thaksin eine Chance zu geben. Gilt er ihnen doch als Beispiel einer beruflichen Erfolgsgeschichte in der Wirtschaft, von der sie sich in ihrem eigenen Interesse wünschen, dass er sie in der Politik wiederholen kann.

Solche hohen Hoffnungen kontrastieren stark mit den Überlegungen politischer Auguren, ob und wie es mit TRT weitergeht, sollte Thaksin vom Verfassungsgericht aus der Politik entfernt werden. Obwohl die Partei offiziell solche Spekulationen zurückweist, halten sich hartnäckige Gerüchte, dass in diesem Fall Uthai Pimchaichon an die Spitze der Regierung gelangen könnte.

Der frühere Vorsitzende der Verfassunggebenden Versammlung gilt als politischer Saubermann, genießt Vertrauen in vielen Lagern und nimmt auf der landesweiten Parteiliste von TRT einen der vorderen Plätze ein. Ob er oder ein anderer TRT-Spitzenpolitiker zur "Ersatzlösung" werden und ob sie in diesem Fall tatsächlich unabhängig von dem mit hoher Wahrscheinlichkeit im Hintergrund Einfluss ausübenden Thaksin regieren könnten, ist aus heutiger Sicht noch nicht schlüssig zu beantworten.

Klar ist aber, dass wenige Tage vor einer der wichtigsten Wahlen seit Verabschiedung der Reformverfassung 1997 niemand Antworten auf keine der zentralen Zukunftsfragen Thailands hat. Dabei ist aber allen politischen Kräften bewusst, dass insbesondere ausländische Investoren mit wachsender Ungeduld auf stabile politische Verhältnisse, d.h. die rasche Bildung einer entscheidungsfreudigen Regierung mit überzeugender Parlamentsmehrheit und ebensolchen politischen Vorstellungen, warten.

In einer wirklichen wirtschaftlichen Erholung liegt der Schlüssel zur Lösung zahlreicher weiterer Probleme der thailändischen Politik. Dass momentan diese Lösungen weiter entfernt sind denn je, macht die Situation um so besorgniserregender. Schon spricht der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates (NSC) von einem "Chaos am Horizont", von sich verschärfenden sozialen Konflikten nach der Wahl, ausgelöst v.a. durch die Tatsache, "dass bestimmte Gruppen von Leuten nicht nach den Regeln spielen". Und auch der Oberkommandierende der Streitkräfte bemerkte in der letzten Dezemberwoche in einer Ansprache vor Militärs, das Land befinde sich "in einem großen Durcheinander".

Wenn auch Reformkräfte darauf hinweisen, dass die Verfassung ausreichende Instrumente zur Lösung vieler zentraler Probleme bereitstelle und per se ein Schutz vor dem Rückfall in Zeiten ohne rechtsstaatliche Garantien sei, so ist nicht zu übersehen, dass der Wunsch vieler gesellschaftlicher Gruppen nach erfahrbarer Stabilität mit Händen zu greifen ist. Ob und wie diese Stabilität zustande kommt und wie sie gestaltet sein wird, hängt maßgeblich vom Verlauf der Wahl am 06. Januar sowie den nachfolgenden Wochen ab: Thailand befindet sich am Scheideweg.

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Georg Gafron

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