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Tschechien und der Irak-Konflikt

kohta Frank Spengler, Anneke Müller
Tschechien hat Position zu einem eventuellen Militärschlag unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika gegen den Irak bezogen. Das Parlament beschloss Ende Januar 2003, seine derzeit im Rahmen des Kampfes gegen den Terrorismus in Kuwait stationierte Spezialeinheit zur Bekämpfung chemischer und biologischer Kampfmittel auf der Grundlage einer weiteren UN-Resolution zur Verfügung zu stellen.

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Wenige Tage später unterschrieb der scheidende Staatspräsident Havel den offenen Brief europäischer Regierungs- und Staatschefs („Brief der Acht“) zur Solidarität mit den USA. Havel tat dies aber nicht in Übereinstimmung mit der Regierung in Prag. Zwei Wochen später rügte der französische Präsident Chirac auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel besonders das Vorgehen der Länder, die eine Einladung zur Mitgliedschaft in die EU bekommen haben. Die Reaktionen der tschechischen Presse darauf waren unterschiedlich. In der Bevölkerung ist die Haltung zu einem Angriff auf den Irak eher ablehnend. Für das Land könnte es der erste Krieg mit tschechischer Beteiligung seit dem Nato-Beitritt im Jahre 1999 bedeuten.

Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts STEM lehnten Anfang Februar 2003 rund 67% der tschechischen Bevölkerung einen Militärschlag gegen den Irak ab. Gegen eine militärische Aktion ohne UN-Mandat sprachen sich 76% aus. Auch stimmten 62% gegen eine Stationierung amerikanischer Truppen auf tschechischem Territorium.

Zu großen Demonstrationen ist es aber nicht gekommen. Mitte Februar 2003 versammelten sich auf dem Prager Wenzelsplatz nach Aufrufen zu Protesten – vor allen von in tschechischen lebenden Ausländern und den tschechischen Kommunisten (KSCM) - nur rund 1000 Demonstranten. Kleinere Gruppen demonstrierten auch noch in Brünn und Ostrava.

Ein Krieg würde auch die Wirtschaft Tschechiens negativ beeinträchtigen. Experten befürchten, dass vor allem durch eine mögliche Verteuerung des Erdöls in Verbindung mit einer Rezession in Deutschland die Wirtschaft erheblich Schaden nehmen könnte.

Die Tourismusbranche würde sicherlich besonders davon betroffen sein. Sie trägt immerhin mit 4,4% zum Bruttosozialpodukt des Landes bei. Mehr als eine halbe Million Beschäftigte sind in diesem Sektor tätig. Sollten aus Angst vor Anschlägen die Touristen ausbleiben, werden die Deviseneinnahmen des Landes, die im Jahr 2002 bereits um 7,8% sanken, noch weiter zurück gehen.

Verstärkte Sicherheitsvorkehrungen

Seit dem Angriff am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York wird das Gebäude von Radio Free Europe (RFE) im Prager Stadtzentrum von Sicherheitskräften mit Panzern rund um die Uhr bewacht. Nun bereitet sich Tschechien durch eine Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen auf mögliche denkbare Terroraktionen vor. Gleichzeitig versucht die Regierung, die Bevölkerung zu beruhigen. Laut Presseberichten werden strategisch wichtige Objekte wie Flughäfen, die Atomkraftwerke Temelín und Dukovany, Chemie-Fabriken und militärische Einrichtungen von der tschechischen Armee intensiv überwacht.

Die historischen Stätten der jüdischen Gemeinde in der tschechischen Hauptstadt werden jedes Jahr von Tausenden von Touristen aus Israel besucht. Die tschechische Regierung schützt Synagogen wie auch Touristengruppen.

Seit Mitte Februar 2003 patrouillieren entlang der Grenze zwischen dem Bundesland Sachsen und der Tschechischen Republik erstmals Grenzschützer beider Länder gemeinsam.

Tschechische ABC-Abwehreinheit für den Irak-Konflikt

Das tschechische Abgeordnetenhaus, wie zuvor der Senat, genehmigte nach längeren Debatten Mitte Januar 2003 den Einsatz von Kampftruppen gegen den Irak. Im Abgeordnetenhaus stimmten von den 194 Anwesenden, bei sieben Enthaltungen, 144 für und 44 – u.a. der Ehrenvorsitzende der ODS, Václav Klaus, - gegen den Antrag.

Die derzeit in Kuwait stationierte 250-Mann starke Spezialeinheit zur Bekämpfung chemischer und biologischer Kampfmittel kann aber erst formell nach einer weiteren UN-Resolution zum Einsatz kommen. Sie dürfte nur dann ohne UN-Mandat eingreifen, wenn der Irak Massenvernichtungsmittel einsetzen würde. Da aber diese Spezialeinheit ohnehin nur gegen Massenvernichtungsmittel eingesetzt werden kann, steht sie praktisch somit auch ohne UN-Mandat zur Verfügung.

Unmittelbar nach der Parlamentsentscheidung reiste der tschechische Verteidigungsminister Tvrdík nach Kuwait. Presseberichten zu Folge beklagten sich einige der dort stationierten Soldaten über Stress und äußerten Befürchtungen wegen des Krieges. Wer den Mindestaufenthalt von vier Monaten absolviert hat, konnte auf Angebot Tvrdíks ein Gesuch zur Heimreise einreichen. Davon machten 27 Soldaten gebrauch.

Die Vorbereitungen für einen Einsatz gegen den Irak haben auch zur einer verstärkten militärischen Zusammenarbeit zwischen der Slowakei und Tschechien geführt. Zurzeit wird eine gemeinsame ABC-Abwehreinheit für einen möglichen Irak Einsatz zusammengestellt. Die Verteidigungsminister beider Länder prüfen angesichts ihrer beschränkten Ressourcen die Möglichkeit eines gemeinsamen Schutzes ihres Luftraumes („Common Skies“).

Havels Unterschrift unter den „Brief der Acht“

Ende Januar 2003 unterzeichnete Staatspräsident Václav Havel mit weiteren sieben europäischen Staatsmännern eine gemeinsame Erklärung zur transatlantischen Solidarität. Diese letzte Amtshandlung Havels löste in Tschechien unterschiedliche Reaktionen aus.

Ministerpräsident Vladimír Spidla war zuvor das Dokument zur Unterschrift angeboten worden. Dieser lehnte jedoch ab. Havels Unterschrift wollte Spidla allerdings kein sonderliches Gewicht beimessen, die Position Tschechiens zur Irak-Krise würde „einzig das Parlament“ bestimmen.

Außenminister Cyril Svoboda (KDU-CSL) äußerte sich dazu diplomatischer. Gegenüber der linken Tageszeitung „Právo“ (31.1.2003) sagte er, dass Havel seine Partnerschaft zu den Vereinigten Staaten, Großbritannien und weiteren Ländern bestätigen wollte, die Unterschrift müsse in diesem Zusammenhang als politische Schlussfolgerung aus einer so verstandenen Partnerschaft beurteilt werden.

Alexandr Vondra, stellvertretender Außenminister und ehemaliger tschechischer Botschafter in Washington, erklärte gegenüber der Tageszeitung „Mladá Fronta Dnes“ (31.1.2003), dass er Havel den Rat gegeben habe, den Brief zu unterschreiben. „Der höchste Vertreter Tschechiens sollte mit seiner Unterschrift unter diesem Dokument der acht Staaten nicht fehlen“, begründete Vondra seinen Ratschlag.

Reaktionen auf den EU-Sondergipfel in Brüssel

Die Wirtschaftszeitung „Hospodárské Noviny“ (18.2.2003) beklagt in einem Kommentar die Schwäche der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Sie sei „unfähig“ in außenpolitischen Krisen, wie derzeit im Irak-Konflikt, eine gemeinsame Position zu finden.

Auf die jüngsten Äußerungen von Staatspräsident Chirac in Brüssel, dass die EU-Kandidaten „eine gute Gelegenheit zum Schweigen“ verpasst hätten, reagierte Ministerpräsident Spidla gelassen. Den scharfen Äußerungen will er keine Bedeutung für die künftigen Beziehungen in der EU beimessen. „Die Äußerungen fielen in einem bestimmten Kontext und mit diesem gehören sie schon der Vergangenheit an“, wiegelte der Sozialdemokrat aufgeregte Reaktionen ab.

Vor dem Hintergrund des anstehenden EU-Referendums im Juni 2003 in Tschechien ist der Regierung natürlich daran gelegen, den Euroskeptikern keine zusätzlichen Argumente in die Hand zu legen. Gerade das Argument in Tschechien gegen eine EU-Mitgliedschaft „zweiter Klasse“ muss sehr ernst genommen werden. Das gerade ein ehemaliges „Satellitenland der UdSSR“ auf solche „Ratschläge“ zur internationalen Solidarität mit Protest reagiert, versteht sich daher von selbst.

Tschechiens Presse zeigte sich dagegen empört. Die Tageszeitung „Mladá Fronta Dnes“ (18.2.2003) titelte auf der ersten Seite: „Chirac greift Tschechien für seine Haltung zum Irak an“. Die auflagenstärkste tschechische Zeitung beklagt, dass Chirac die „diplomatische Etikette“ beiseite gelassen und die EU-Kandidaten „ausgeschimpft“ habe. Er bezeichnete sie als „ungezogen, gefährlich und dumm“, weil sie sich erlaubt hätten, ihren eigenen Willen zu demonstrieren. Mit diesen Äußerungen habe Chirac, der zuvor von einer überwundenen „europäischen Irak-Krise“ gesprochen habe, diese erst heraufbeschworen, so der Kommentator.

In einem Kommentar der „Lidové Noviny“ (18.2.2003) verlangt der Autor, dass es den EU-Kandidatenländern in solchen Situationen möglich sein müsse, sich zur politischen Lage zu äußern. Er beklagt, dass der „pazifistische Kern der EU“ sich an den Kandidatenländern für ihre „pro-amerikanische Haltung“ räche und „Rache mit Sicherheit nicht in das Repertoire eines demokratischen Europas“ gehöre.

Politische Beobachter bezeichneten den „Gipfel nach dem Gipfel“ in Brüssel und die Äußerungen von Staatspräsident Chirac als eine unnötige Provokation und unangemessene Bevormundung. Die langfristigen außenpolitischen Folgen des letzten EU-Sondergipfels sind heute noch nicht abzusehen.

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