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Venezuela und der Vatikan

kohta Dr. Georg Eickhoff

Präsident Chávez im Konflikt mit dem Kardinal von Caracas

In einem Sonntagsinterview mit dem bekannten Journalisten Roberto Giusti für die Tageszeitung El Universal (27. Juni 2010) hatte der Kardinal von Caracas Erzbischof Jorge Urosa Savino gesagt: „Wir sind auf dem Weg in die Diktatur.“ Er kritisierte den „marxistischen Totalitarismus“, der die Regierung Chávez inspiriere. Beim Staatsakt zum Nationalfeiertag am 5. Juli, der auf sämtlichen Radio- und TV Kanälen übertragen wurde, antwortete Präsident Hugo Chávez.

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Er wendete sich dabei ausdrücklich an den Dekan des diplomatischen Corps, den Päpstlichen Nuntius Erzbischof Pietro Parolin, der auf den Rängen des Parlamentes Platz genommen hatte. Kardinal Urosa sei seines hohen Amtes „unwürdig“, er sei ein „Troglodyt“, also ein „Höhlenmensch“ (spanisch troglodita, von griechisch τρωγλοδύτες ). Chávez hatte zugleich einen Personalvorschlag für den Papst. Der geeignete Kardinal für Venezuela sei der Bischof von San Cristóbal Mario Moronta, dem nachgesagt wird, ein Freund der sozialistischen Revolution zu sein.

Zum Zeitpunkt des ersten Angriffes gegen den Kardinal hielt dieser sich in Rom auf. Von dort gab er eine Erklärung ab, in der er seine Kritik an der Regierung Chávez wiederholte und die Beleidigungen zurückwies. Bei seiner Rückkehr nach Venezuela wurde Erzbischof Urosa am Flughafen von einer begeisterten Menge empfangen. Die Bischofskonferenz hatte ihm uneingeschränkte Solidarität erklärt, und auch Bischof Mario Moronta distanzierte sich von den Aussagen des Revolutionsführers.

Die "Majestät" des Präsidenten

Inzwischen haben sich dagegen zahlreiche Parlamentarier, die Generalstaatsanwältin, die Ombudsfrau und das Oberste Gericht, das auch die Funktion des Verfassungsgerichtes erfüllt, der Meinung des Staatschefs angeschlossen. Bei der Parlamentsdebatte am 13. Juli forderte die sozialistische Abgeordnete Iris Varela, dass der Papst den Kardinal abberufen solle. Auch seien die diplomatischen Beziehungen Venezuelas zum Vatikan zu überprüfen. Die Parlamentspräsidentin Cilia Flores forderte den Kardinal auf, im Parlament zu erscheinen und Rechenschaft abzulegen. Am 9. Juli hatte sie erklärt, die Angriffe des Kardinals gegen die "Majestät des Präsidenten" seien nichts Neues. Er folge den Anweisungen des Oppositionsbündnisses "Mesa de Unidad".

Am 14. Juli wiederholte Präsident Chávez seine Beleidigung des Kardinals und nannte auch die anderen Bischöfe "Troglodyten". Dieses Mal erläuterte er den Begriff. Dies seien Menschen, die noch in den Höhlen lebten: "cavernícolas". Er nannte den Kardinal außerdem einen "Faschisten" und "Oligarchen". Seinen Außenminister Nicolás Maduro forderte er auf, den Vertrag mit dem Heiligen Stuhl aus dem Jahr 1964 zu überprüfen. Die darin enthaltene Bevorzugung der Katholischen Kirche sei verfassungswidrig. Papst Benedikt XVI. sei "kein Botschafter Christi auf Erden. Christus braucht keinen Botschafter. Christus ist im Volk und in denen, die wir für die Befreiung der Armen kämpfen", sagte Chávez in Anspielung auf seine eigene Person.

Kein T-Shirt vom Papst

Als Präsident Chávez auf dem Iberoamerika-Gipfel am 10. November 2007 in Santiago de Chile den ehemaligen spanischen Regierungschef José María Aznar als "Faschisten" bezeichnete, verlor König Juan Carlos I. bekanntlich die Geduld und rief Chávez zu: "¿Porqué no te callas? – Warum hältst du nicht den Mund?" Am 25. Juli 2008 kam es dann zu einem Versöhnungstreffen im Palacio de Marivent auf Mallorca, der Sommerresidenz des spanischen Königs. Chávez witzelte: "Warum gehen wir nicht an den Strand? - ¿Porqué no vamos a la playa?" Und der König schenkte ihm ein T-Shirt, auf dem der inzwischen weltberühmte Ausruf der Ungeduld prangte. Bisher erscheint es hingegen unwahrscheinlich, dass Präsident Chávez den Papst an den Strand einladen oder von diesem ein T-Shirt geschenkt bekommen könnte.

Die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz erklärte am 10. Juli, Kardinal Urosa beleidige den Staat. Der Präsident habe allerdings keine andere Wahl, als den Kardinal in seinem Amte anzuerkennen und zu dulden. Dieser juristischen Meinung konnte sich allerdings das Oberste Gericht des Landes nicht anschließen. In einer öffentlichen Erklärung (El Universal, 11. Juli 2010, S. 1-9), die vielleicht den bisherigen Höhepunkt der Affäre Chávez-Urosa bildet, begründeten die Gerichtspräsidentin Luisa Estella Morales Lamuño und fünf weitere Richter im Namen des Tribunal Supremo de Justicia, warum Präsident Chávez das Recht habe, den Kardinal „unwürdig“ zu nennen, und dass dies im Zusammenhang des Vertrages des venezolanischen Staates mit dem Vatikan zu sehen sei, der auch die Bischofsernennungen regelt.

Das Oberste Gericht legt das Konzil aus

Zunächst interpretiert das Oberste Gericht Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in ihrer Versammlung von Aparecida (Brasilien, 2007), wonach die Kirche kein politisches Subjekt sei, sondern einem von der politischen Gemeinschaft abgesonderten Bereich zugehöre. Anschließend legen die obersten venezolanischen Richter das Kirchenrecht aus.

Im Rechtsbuch der Katholischen Kirche, dem Codex Iuris Canonici, heißt es im Kapitel "De Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalibus", die vom Papst frei auszuwählenden Kardinäle, hätten durch Lehre, Sitten, Frömmigkeit und praktische Klugheit hervorzutreten. ("Qui Cardinales promoveantur, libere a Romano Pontifice seliguntur viri, saltem in ordine presbyteratus constituti, doctrina, moribus, pietate necnon rerum agendarum prudentia egregie praestantes". Canon 351.1) In seiner Erklärung vom 11. Juli 2010 begründet das Oberste Gericht Venezuelas, inwiefern Kardinal Urosa gegen diese kirchenrechtlichen Bestimmungen verstoße. Er verfüge nicht über die erforderliche Bildung oder Lehre, da er die zitierten Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Lateinamerikanischen Bischofkonferenz missachte. Er besitze nicht die erforderlichen mores, da er den venezolanischen Staat beleidige und destabilisiere. Ihm gebreche es außerdem an Frömmigkeit, "da er der persönlichen und institutionellen Beleidigung sowie dem voreiligen und unbegründeten Urteilen abhold sein müsse", was sichtlich nicht der Fall sei. Schließlich bewiesen seine wiederholten Angriffe auf die Institutionen des Staates, dass es ihm an Klugheit fehle.

Ein "legitimer juristischer Akt"

Das Oberste Gericht kommt deshalb in seiner öffentlichen Erklärung, die offensichtlich einer Verhandlung und einem Urteil vorgreift, zu dem Schluss, dass Präsident Chávez im Sinne des Vertrages zwischen der Republik Venezuela und dem Heiligen Stuhl gehandelt habe, als er den Kardinal am 5. Juli "unwürdig" nannte. Die Feststellung sei ein "legitimer juristischer Akt", denn der Vertrag sehe vor, dass der Präsident der Republik vor der Ernennung von Bischöfen und Erzbischöfen zu beteiligen sei. Das Oberste Gericht leitet aus der staatskirchenrechtlichen Vereinbarung ab, dass der Staatspräsident auch nach der Ernennung der kirchlichen Würdenträger deren Person und Amtsführung zu bewerten habe. Es beachtet nicht, dass die Kardinalswürde – die rein innerkirchlichen Charakter hat und für deren Verleihung der Papst nicht einmal eine innerkirchliche Konsultation durchführen muss – vom Vertrag mit dem Heiligen Stuhl nicht erfasst wird. Außerdem verzichtet das Gericht auf die staatskirchenrechtliche Würdigung des Begriffes "Troglodyt".

Auch die "Defensoría del Pueblo", das Verfassungsorgan des Ombudsmannes, erfüllte die Pflicht des Kniefalls vor dem Führer und schloss sich dessen Kritik an der Kirche in einer öffentlichen Erklärung an (Últimas Noticias, 13. Juli 2010). In auffallender Zurückhaltung wurde jedoch weder der Kardinal namentlich erwähnt noch unterzeichnete die Amtsinhaberin Gabriela Ramírez mit ihrem Namen.

In ihrem gemeinsamen Hirtenbrief vom 12. Juli unterstrich die Katholische Bischofskonferenz Venezuelas noch einmal ihre Solidarität mit dem Kardinal aus ihrer Mitte. Die Bischöfe betonen, dass die große Mehrheit der Venezolaner sich ein Land wünsche, das dem "gemeinsamen Haus" gleiche, von dem die Gründer der Republik träumten: "großzügig, gastfreundlich, tolerant, friedlich und brüderlich". Die Bischofkonferenz schließt sich außerdem den Kernaussagen von Kardinal Urosa an: "Das Volk will in Demokratie leben, in einem Rechtsstaat mit wirklicher Teilhabe aller, in einem Klima sozialer Gerechtigkeit und Freiheit. So hat es das im Referendum vom 2. Dezember 2007 entschieden. Deshalb ist die Aufzwingung eines ´sozialistischen Staates´, der vom kommunistischen Regime Kubas inspiriert und der in letzter Zeit durch Gesetze und Tatsachen konkretisiert worden ist, die dem Volkswillen und der gültigen Verfassung widersprechen, absolut inakzeptabel." Schließlich fordern die Bischöfe ihre Mitbürger auf, bei der Parlamentswahl am 26. September von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Es handele sich um eine "ernste Pflicht des Christen und Staatsbürgers".

Kuba geht derzeit einen anderen Weg

Während in Venezuela dieser Kampf zwischen Regierung und Kirche tobt, ist es dem kubanischen Kardinal Erzbischof Jaime Lucas Ortega mit Unterstützung der spanischen Regierung gelungen - vielleicht nach deutsch-deutschem Vorbild - einige politische Gefangene aus Kuba auszulösen, um sie ins spanische Exil zu schicken. Dagegen will Präsident Chávez offenbar verhindern, dass die venezolanische Kirche in den Augen seiner Mitbürger zur Brückenbauerin und Wegbereiterin einer friedlichen Revolution wird. Im Vorfeld der Parlamentswahl stellt er die Venezolaner wieder vor die Alternative, sich für ihn oder den Bürgerkrieg zu entscheiden. Damit dies glaubhaft erscheint, versucht er das Ansehen der Kirche als Friedensstifterin zu zerstören.

Szenen einer Wahlkampfschlacht

Die Affäre Chávez-Urosa, deren Ausgang noch ungewiss erscheint, begann drei Monate vor der Parlamentswahl und ist wohl als Teil der Wahlkampfschlacht zu verstehen. Während die Opposition Optimismus ausstrahlt, muss sich Präsident Chávez über schlechte Umfragewerte Sorgen machen.

Auch im Wahlkampf des Jahres 2008 hatte Revolutionsführer Chávez die Karte eines diplomatischen Konfliktes gespielt. Im Rahmen einer Parteiveranstaltung auf einem öffentlichen Platz verfügte er damals die Ausweisung des US-Botschafters. Seine Anweisung, den Vertrag mit dem Vatikan zu überprüfen, gab er am 14. Juli 2010 ebenfalls auf einer Wahlkampfveranstaltung.

Das Parteienbündnis "Mesa de Unidad" (Tisch der Einheit), das so gut wie alle relevanten Oppositionsparteien umfasst, präsentiert eine vollständige Einheitsliste für die Parlamentswahl und hat nach Ansicht einiger Beobachter die Chance eine Stimmenmehrheit zu gewinnen. Der Koordinator des Bündnisses und ehemalige Parlamentspräsident Ramón Guillermo Aveledo wies die Beleidigungen des Staatspräsidenten gegen die Katholische Kirche zurück: "Es ist das venezolanische Selbstwertgefühl, das der Präsident mit seinen Grobheiten beleidigt (ofende). Er pflegt eine provozierende Sprache zu benutzen, die mit seinem Amt verbundene Tribüne zu missbrauchen, jedermann zu beleidigen (insultar) und mit der Beleidigung (agravio) anderer die Mängel in der Erfüllung seiner eigenen Regierungspflichten zu ersetzen. Diese Mängel haben die höchste Inflation in Lateinamerika zur Folge, die tägliche Gefährdung durch Gewaltkriminalität und dazu Skandale wie die Tausenden Tonnen verdorbener Lebensmittel des Staatskonzerns PDVAL." (Die mit dem Ehrbegriff des Barock angereicherte spanische Sprache kennt für das Bedeutungsfeld "Beleidigung" eine ungewöhnliche Vielzahl von Begriffen, die gelegentlich voll ausgeschöpft wird.)

Zwischen "Sünde" und "Pflicht"

Zahlreiche Beobachter deuten die von der Regierung mit Aufwand inszenierte Affäre Chávez-Urosa als Ablenkungsmanöver im Rahmen des Wahlkampfes. In den letzten Wochen hatte ein Lebensmittelskandal die Mängel der sozialistischen Planwirtschaft schlaglichtartig deutlich gemacht. Rund 150.000 Tonnen Lebensmittel sind in den Lagern der staatlichen Handelskette PDVAL verrottet aufgefunden worden. Der von Fliegen umgebene Schiffscontainer ist deshalb in wenigen Tagen zum politischen Symbol geworden. Die Bischofskonferenz hatte dazu erklärt: "Lebensmittel verschwenden ist eine Sünde." Die Werbeleute der Mesa de Unidad verbreiten ihren Slogan als Wortspiel mit den Verben "botar" und "votar", die auf einem knallroten Container prangen: "Botar comida es pecado, votar es un deber - Essen wegwerfen ist Sünde, wählen gehen ist Pflicht".

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Sankt Augustin Deutschland