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Zum Parteitag der Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP)

kohta Josef Gruber
Im Mittelpunkt des 44. Parteitags der oppositionellen Bulgarischen Sozialistischen Partei (BSP) stand eine Neuformulierung ihrer bisher ambivalenten Position zur NATO sowie die Wahl neuer Leitungsgremien. Erwartungsgemäß wurde die Haltung in Richtung eines eindeutigeren Bekenntnisses zugunsten einer bulgarischen Mitgliedschaft in der Nordatlantischen Allianz modifiziert sowie die alte gemäßigte Parteiführung im Amt bestätigt.

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Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP)1 als größte Oppositionskraft führte am 6. und. 7. Mai in Sofia ihren 44. Parteitag durch2. Von diesem Forum wurde vor allem eine klarere Formulierung der Position der Sozialisten bezüglich einer Mitgliedschaft in der NATO erwartet.

Der Parteivorsitzende Georgi Parwanov nahm in seinem Rechenschaftsbericht zunächst eine Analyse der Kommunalwahlen vom Herbst 1999 vor, die der Partei eine gute Repräsentanz auf kommunaler Ebene verschafft hätten. Beunruhigend sei allerdings der Rückgang bei den für die BSP abgegebenen Stimmen gegenüber den Parlamentswahlen 1997. Die Kommunalwahlen hätten den Bestrebungen der regierenden UDK, nach der Legislative, Exekutive und Justiz auch die kommunalen Selbstverwaltungsorgane zu erobern, einen Riegel vorgeschoben.

Seitdem sei die Krise in den Regierungsparteien unverkennbar. Die UDK sei bei der Umsetzung des Programms 2001 gescheitert, inzwischen hätten sich die innerparteilichen Spannungen in der Union verstärkt. Die Wahrscheinlichkeit vorgezogener Parlamentswahlen sei dennoch als gering einzuschätzen. Die BSP sei zwar bereit für eine Regierungsbeteiligung nach dem Wahlen 2001, die große Frage ist aber, ob auch die Bevölkerung bereit sei, eine Regierungsbeteiligung der BSP zu akzeptieren.

Denn insbesondere nach den zwei Amtsjahren von Jean Widenov 1995-96 seien die Ressentiments gegen die Sozialistische Partei noch immer sehr stark. Bei Abstimmungen im Parlament seien die Sozialisten häufig die einzige Oppositionskraft. Die Mobilisierung des linken Wählerpotentials könne indes nur bei Zusammenarbeit aller Linkskräfte in Bulgarien erfolgen.

Die Formel der künftigen Regierung ist nach Parwanov eine breite sozialliberale Koalition mit der BSP und der Bewegung für Rechte und Freiheiten (BRF) als Kern. Die BSP befindet sich keineswegs in einer ideellen und programmatischen Krise, wie die erarbeiteten Papiere - die Programmdeklaration und die Strategie - zeigten. Eine Mitgliedschaft Bulgariens in der NATO sei die beste Garantie für die nationale Sicherheit. Insofern habe sich die Position der Partei weiterentwickelt. Man sei nach wie vor für ein Referendum über den Beitritt, befürworte jedoch prinzipiell eine Mitgliedschaft.

Er skizzierte des weiteren kurz die Eckpfeiler des neuen Wirtschaftsprogramms der BSP. Dazu gehören: 1. Verzicht auf das bisherige Transformationsmodell der UDK und auf die restriktive Finanzpolitik. 2. Wirtschaftswachstum. 3. Stärkung des Vertrauens zum finanziellen und wirtschaftlichen System Bulgariens. Die Partei sei für die Marktwirtschaft, aber gegen eine Marktgesellschaft und werde auf die Überprüfung von Privatisierungsgeschäften drängen, bei denen ernstzunehmende Hinweise für Gesetzesbrüche vorliegen.

Die Debatten entzündeten sich erwartungsgemäß an der Haltung zur NATO. Man kann grundsätzlich davon ausgehen, daß innerhalb der BSP nicht so sehr ein Konflikt zwischen "Reformern" (um die gegenwärtige Parteiführung) und "Konservativen (Dogmatikern)" um die Initiative "Offenes Forum" des Krassimir Premjanov, die Marxistische Alternative bzw. den Anhängern des Ex-Parteivorsitzenden Jean Widenov besteht, wie vielmehr zwischen realistischer eingestellten Mitgliedern und "Fundamentalisten", die in Verkennung der Wirklichkeit nostalgischen Vorstellungen nachhängen.

Erstere sind im Herzen der freiheitlichen Demokratie, der Marktwirtschaft sowie der Mitgliedschaft in der NATO möglicherweise nicht sehr viel mehr als letztere zugetan (Georgi Parwanov sagte z. B. in einem Rundfunkinterview, daß er emotionell kein Fan der NATO sei, aber rational für eine gemäßigte Position plädiere), sind sich aber verstandesmäßig darüber im klaren, daß diese Optionen alternativlos sind.

In seiner Aussage griff Jean Widenov die amtierende Parteiführung scharf an. Der Parteitag sei manipuliert, es gehe nicht an, zuerst den Parteivorsitzenden zu wählen und dann die Programmdokumente zu verabschieden. Er habe zu den künftigen Koalitionspartnern der BSP kein Vertrauen. Mit ihrem Verhalten zeige ihm die Führung eindeutig, daß er in der Partei nicht erwünscht sei. Widenov zog seine Kandidatur für den Parteivorsitz zurück.

Gegen die Position Parwanovs zur NATO erklärten sich der Parteistratege Alexander Lilov3, Krassimir Premjanov und einer der Kandidaten für den Vorsitz, Iwan Genov. Lilov meinte, daß das Thema NATO nicht auf dem Parteitag erörtert werden sollte. Seines Erachtens sei die Alternative für Bulgarien nicht eine sozialliberale, sondern eine Mitte-Links-Koalition. Der Lilov nahestehende Janaki Stoilov, ein Anwärter auf den Parteivorsitz, nahm keine Stellung zum leidigen Thema der Haltung zur Nordatlantischen Allianz. Seiner Ansicht nach sind die Menschen keineswegs überzeugt, daß die BSP eine Alternative anbieten kann. Er teile die Meinung nicht, daß die Partei sich an der Schwelle zur Macht befinde und sie nur zu überschreiten brauche, um in ihren Besitz zu gelangen.

Letztlich wurde mit 412 Stimmen ohne Gegenstimmen und Enthaltungen als Kompromiß ein Text verabschiedet, in dem es heißt, daß "die BSP für ein eine aktive Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Nordatlantischen Allianz ist. Die europäische und euro-atlantische Integration werden auch in Zukunft eine Priorität darstellen." Gleichzeitig spricht sich die Partei für eine Volksbefragung für oder wider den Beitritt zur Nordatlantischen Allianz aus.

Der Ökonom und Ex-Finanzminister Stojan Alexandrov warnte, daß die Versprechungen im wirtschaftlichen Teil des Programms der BSP überzogen seien. Eine Steigerung der Einkommen bei gleichzeitiger Senkung der Steuern sei unmöglich, sehr gefährlich sei auch die Illusion, Bulgarien könne ohne den IWF und die Weltbank auskommen.

Georgi Parwanov wurde mit 552 von 723 abgegebenen Stimmen (bei 14 ungültigen) oder 77% in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt. Weit abgeschlagen mit 117 bzw. 38 Stimmen landeten seine Widersacher Janaki Stoilov und Iwan Genov auf Platz zwei und drei. Die meisten Stimmen bei der Wahl des neuen Obersten Parteirates (=Parteivorstand) erhielten Alexander Lilov, der mit 638 Voten sogar Georgi Parwanov, der auf 617 kam, überflügelte, gefolgt von Janaki Stoilov mit 595, Ljuben Kornesov mit 591 u.a. Aufnahme in das von den "Moderaten" dominierte Leitungsgremium fand auch Krassimir Premjanov vom Offenen Forum.

Grußworte an den Parteitag richteten der Vorsitzende der Bewegung für Rechte und Freiheiten (BRF), Achmed Dogan, der Vorsitzende der Eurolinken, Alexander Tomov, der Vorsitzende des Vereinten Blocks der Arbeit (VBA), der ehemalige Gewerkschaftsführer Krastjo Petkov, der Ehrenvorsitzende der Bulgarischen Sozialdemokratischen Partei (BSDP), der inzwischen 84-jährige Dr. Petar Dertliev u.a. Sie alle bekundeten ihre Bereitschaft, in einer Koalition mit den Sozialisten die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Auf das besondere Interesse der Delegierten stießen die Worte von Achmed Dogan, der eine sozialliberale Koalition (die BRF definiert sich neuerdings als liberal, nachdem sie sich in der Vergangenheit als mitte-rechts, dann links usw. ausgab) befürwortete, allerdings nur unter bestimmten Auflagen, die er in vier Punkten zusammenfaßte, darunter an erster Stelle ein Konsens über die europäische und euro-atlantische Intergration des Landes.

Auf dem Parteitag hat sich die Linie der gemäßigten Parteiführung um Georgi Parwanov erwartungsgemäß durchgesetzt. Wenn es allerdings einen Reformprozeß in der Partei gibt, so verläuft er weiterhin sehr schleppend und schwankend. Die Kontroversen um die Haltung zur NATO hielten sich in Grenzen. Anzumerken wäre allerdings, daß die Zusammensetzung der Delegierten nicht unbedingt repräsentativ für die Stimmung an der Basis sein dürfte.

Es gibt Anhaltspunkte dafür, daß die "Reformer" um Parwanov auf dem Forum überrepräsentiert waren. Die einzelnen Fraktionen und Strömungen haben ihre Widersprüche erneut bis zu einem gewissen Grade übertünchen können, zusammengeschweißt vor allem durch die Aussichten, an der Spitze einer "breiten Koalition" wieder in die Regierungsverantwortung zu gelangen. Ob diese Aussichten so realistisch sind, mag allerdings aus einer Reihe von Gründen (Meinungsumfragen, Wahlanalysen, Statistik usw.) bezweifelt werden. Der eventuelle Koalitionspartner BRF hat sich übrigens in der Vergangenheit wiederholt als nicht sehr zuverlässig herausgestellt. Man kann zwar davon ausgehen, daß Dogans Sympathien in der Tat seit jeher viel mehr in Richtung Sozialistische Partei denn UDK gehen, als berechnender Politiker, der um die Risiken einer Vielparteienregierung unter Führung der BSP weiß, wird er sich jedoch nicht ohne weiteres zum zweiten Mal nach 1992-94 den Sozialisten in die Arme werfen.4

Problematisch für die BRF-Führung ist darüber hinaus, daß ihre Wähler stramm antikommunistisch eingestellt sind (und daher natürliche Koalitionspartner der UDK verkörpern.) Dogan hat nach eigenem Bekunden zudem nicht alle Türen für einen Dialog mit der UDK zugeschlagen.

Ebensowenig läßt sich vorhersagen, wie Ex-Parteichef Jean Widenov und seine dogmatischen Anhänger, die den Kongreß für völlig manipuliert und sinnlos erklärten, in den nächsten Tagen und Wochen reagieren werden.

Für bedenklich muß man bestimmte Abschnitte des Wirtschaftsprogramms der BSP halten. So ist nicht klar, ob die Lockerung der Finanzdisziplin einen Ausstieg aus dem Währungsrat, bei dem der Lew in festem Wechselverhältnis an die DM angekoppelt ist, bedeutet. Das könnte einer neuen Inflationsspirale wie 1996/97 Vorschub leisten. Ebenso fragwürdig ist die Revision der Privatisierung, weil dadurch der Willkür Tür und Tor geöffnet werden könnten usw.

Die Formulierung zur NATO ist (ebenfalls erwartungsgemäß) nicht sehr überzeugend ausgefallen. Sie scheint in der Tat mehr erzwungen, um eventuelle Koalitionspartner im linken Spektrum nicht zu verprellen. Übrigens orientiert sich die BSP als traditionell "russophile" Formation bei ihren Formulierungen in bezug auf die NATO vor allem auch an den Vorgaben aus Moskau. Deshalb darf man auf die Reaktionen Rußlands auf die neue Position gespannt sein.

Hervorzuheben ist schließlich - trotz der vielen akkreditierten Journalisten - die überraschend dürftige Berichterstattung der Medien über das Forum der Sozialisten. (Hingegen ist die Nationalkonferenz der UDK im Februar, auf der es vergleichsweise ruhig zuging, noch heute Objekt von ausführlichen Kommentaren und Analysen in den Medien). Gewiß, die BSP ist nur eine Oppositionspartei, die große Mehrzahl der bulgarischen Printmedien beispielsweise ist jedoch traditionell eher links einzustufen. Sofern der Parteitag überhaupt Erwähnung findet, so vor allem in Verbindung mit Achmed Dogans Aussagen oder der Reaktion darauf seitens der UDK. Zeitweilig könnte man fast den Eindruck gewinnen, nicht die BSP, sondern die UDK habe einen Kongreß durchgeführt. Das gilt selbst für das Parteiblatt Duma, in dem die Reportagen und Kommentare ziemlich vage und flüchtig sind. Es ist (noch) nicht klar, ob eine Absicht dahintersteckt oder ob es sich um tatsächliche Gleichgültigkeit handelt.

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1Die BSP hat nach eigenen Angaben 225 000 Mitglieder. Auch wenn bezweifelt werden darf, ob diese Zahl ganz zutrifft, steht außer Frage, daß sie weiterhin die weitaus mitgliederstärkste Partei in Bulgarien ist. Das sind über 2% der Gesamtbevölkerung. Eine vergleichbare Partei in Deutschland müßte ca. 2,2 Mio. Parteibuchinhaber aufweisen. Der Mitgliedsstand der regierenden Union Demokratischer Kräfte (UDK) liegt bei rund 80 000.

2Die BSP sieht sich als Nachfolgepartei der Bulgarischen Kommunistischen Partei (BKP) bzw. ihrer Vorgängerorganisationen - Bulgarische Arbeiterpartei (Kommunisten) usw. -, so daß die Zählung ihrer Parteitage weit in die Vergangenheit zurückreicht. Daher die hohe Zahl 44.

3Alexander Lilov, geb. 1933, ist als einziges ehemaliges Politbüromitglied der BKP noch in der großen Politik aktiv. Er leitet ein Zentrum für strategische Studien und beschäftigt sich mit der Ausarbeitung der Ideologie und des Programms der Partei.

4Nach Öffnung der Archive der ehemaligen Staatssicherheit DS wurde Achmed Dogan als IM enttarnt. Das liefert zumindest einen Teil der Erklärung für seine seltsamen Pirouetten in der Politik, insbesondere 1992, als er die Koalition mit der UDK aufkündigte und sich der BSP anschloß.

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Thorsten Geißler

Thorsten Geißler

Leiter des Auslandsbüros Bulgarien

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