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„Wir müssen kommunizieren“

Birgit Bublinski-Westhof und Geert Mackenroth in der Reihe „PEGIDA hinterfragen“ über die deutsche Asylpolitik.

Mehrere tausend Menschen gehen in Dresden und anderen deutschen Städten allwöchentlich unter dem Namen PEGIDA auf die Straße. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ sprechen sich u.a. für eine strengere Auslegung des Asylrechts aus, fordern eine „Pflicht zur Integration“ von Menschen mit Migrationshintergrund und wünschen sich mehr direktdemokratische Elemente im politischen Prozess.

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Das Bildungsforum Sachsen der Konrad-Adenauer-Stiftung setzt sich mit den Thesen der PEGIDA-Bewegung auseinander. Die Dresdner Themenreihe „PEGIDA hinterfragen“ beleuchtet die Kernbegriffe und Forderungen der Proteste. Ziel ist es, eine sachliche Diskussion und gegenseitiges Zuhören zu ermöglichen.

Am 4. März 2015 kamen etwa 160 Menschen in den Festsaal der Dreikönigskirche Dresden, um darüber zu diskutieren, wie die Asylpolitik in Deutschland gestaltet wird.

Wie läuft das Asylverfahren ab?

„Das Thema Asyl lässt sich nicht nur technisch betrachten, sondern ist politisch brisant“, verdeutlichte der Moderator Joachim Klose, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sachsen. Schließlich spielten nicht nur die reinen Flüchtlingszahlen eine Rolle, sondern unterschwellig auch die Frage, „wen wir aufnehmen wollen“, so Klose.

Die Asylpolitik wäre in erster Linie eine humanitäre Leistung, zu der sich Deutschland in zahlreichen internationalen Verträgen verpflichtet hätte, betonte Birgit Bublinski-Westhof in ihrem Beitrag. Bublinski-Westhof leitet die Außenstelle Chemnitz des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und betrachtete in ihrem Vortrag vor allem die technischen Grundlagen des Asylverfahrens.

Die Genfer Flüchtlingskonvention und zusätzliche europäische Abkommen definierten den Flüchtlingsstatus recht präzise. Politisch Verfolgte genössen Recht auf Asyl. Eine Verfolgung läge vor, wenn in Leib, Leben oder Freiheit des Einzelnen in seinem Herkunftsland erheblich eingegriffen würde. Nicht nur die Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion oder Gruppenzugehörigkeit käme als Asylgrund in Betracht, sondern auch eine drohende konkrete Gefahr von Folter, Misshandlung oder der Todesstrafe. Indem sich das Asylrecht auf politisch Verfolgte beschränke, so Bublinski-Westhof, hätten Asylanträge aus anderen Beweggründen nur äußerst geringe Aussicht auf Erfolg.

Asylbewerber in Deutschland durchliefen einen standardisierten Prozess: Zunächst würden die Menschen in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht. Danach stellten sie den Antrag auf Asyl. In diesem Zuge würden auch die Fingerabdrücke der Bewerber mit europäischen Datenbanken abgeglichen. „Es gilt: In Europa darf nur ein Asylantrag gestellt werden“, so Bublinski-Westhof. Entsprechend dieser „Dublin-Regelung“ würden viele Asylanträge in Deutschland gar nicht erst inhaltlich geprüft, sondern an die Erstaufnahmeländer zurückverwiesen.

Das „zentrale Element“ des Asylverfahrens wäre die Anhörung. Darin schilderten die Asylbewerber persönlich ihre Verfolgungssituation. So genannte Entscheider des Bundesamtes beurteilten, ob die vorgebrachte Situation einen Asylstatus rechtfertigten oder die Antragsteller in ihr Heimatland zurückreisen müssten. Gegen die erfolgte Entscheidung könnten die Asylbewerber später Rechtsmittel einlegen.

Wie entwickeln sich die Asylbewerberzahlen?

2014 wären in Deutschland insgesamt etwa 200.000 Erst- und Folgeanträge auf Asyl gestellt worden, so Bublinski-Westhof. Gegenüber 2013 hätte das einen Anstieg um etwa die Hälfte bedeutet. „Wir sind nicht zeitnah in der Lage gewesen, diesem Anstieg zu begegnen“, kritisierte Bublinski-Westhof. Für 2015 wären aber bereits 300 neue Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bewilligt worden, mehr wären in Aussicht. Ziel wäre es, die Asylverfahren auf durchschnittlich drei Monate zu verkürzen. Heute dauerten sie in der Regel mehr als fünf Monate.

Betrachtete man die zehn zahlenmäßig stärksten Herkunftsländer, läge die Schutzquote – also der Anteil bewilligter Asylanträge – bei etwa 37%. Zwischen einzelnen Ländern gäbe es aber enorme Unterschiede: Während beinahe 90% aller syrischen Asylanträge positiv beschieden würde, kämen Länder des westlichen Balkans nur auf Schutzquoten von unter 2%. Zudem würden in der Statistik nur die tatsächlich inhaltlich geprüften Anträge berücksichtigt. Ohne die Rückverweisungen im Dublin-Verfahren läge die Quote bei etwa 48%.

Eine Entspannung der Lage erwartete Bublinski-Westhof nicht. Für 2015 prognostizierte sie etwa 300.000 Anträge in Deutschland. Damit dürfte Deutschland aber angesichts seiner Größe und Leistungsfähigkeit nicht überfordert sein. 86% aller Geflüchteten weltweit hätten Schutz in Entwicklungsländern gesucht. Allein etwa 860.000 Flüchtlinge lebten im Libanon – ein Land, halb so groß wie Sachsen.

Wie leben Asylbewerber in Sachsen?

Seit Herbst 2014 ist Geert Mackenroth Sächsischer Ausländerbeauftragter. Wie Mackenroth in seinem Vortrag betonte, hätten sich selbst in dieser überschaubaren bisherigen Amtszeit die Umstände für die Asylarbeit stets verändert. Die Zahl der Asylbewerber in Sachsen wäre deutlich angestiegen (2014 etwa 13.700), und auch die Hauptherkunftsländer wechselten: Etwa ein Viertel der Asylbewerber 2014 wäre aus Syrien gekommen; im Januar 2015 wäre aber der Anteil von Asylanträgen aus dem Kosovo um mehr als 50% gestiegen. Das machte eine detaillierte Planung der Unterkünfte schwierig: „Wir können den Gemeinden nicht sagen, wer kommt, weil sich die Weltlage ständig ändert“, so Mackenroth.

Sachsen wäre verpflichtet, etwa 5% aller Asylbewerber in Deutschland aufzunehmen. Innerhalb Sachsens wäre es an den Gemeinden, die Menschen unterzubringen. Nicht jede Gemeinde käme dieser Pflicht aber im gleichen Maße nach, kritisierte Mackenroth, teils herrschten untragbare Zustände.

Mackenroth plädierte dafür, die Verfahren zur Unterbringung von Flüchtlingen in Sachsen zu verbessern. „Wir müssen kommunizieren“, mahnte er an. Dazu zählte – neben den Dialogkanälen zwischen den Behörden – besonders auch, die Bevölkerung vor Ort einzubinden. Bei Gesprächen vor Ort hätte Mackenroth oft beobachtet, wie anfänglicher Protest später in Hilfsbereitschaft gegenüber den Flüchtlingen umgeschlagen wäre. Geflüchtete Familien sollten nach Möglichkeit dezentral untergebracht werden. Alleinreisende junge Männer hingegen könnten in zentralen Gemeinschaftsunterkünften besser überwacht werden.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Geflüchtete hätten sich in den letzten Jahren verbessert. So wäre es den Menschen nun bereits nach 15 Monaten erlaubt, eine Arbeit aufzunehmen – nicht erst nach vier Jahren, wie früher vorgegeben. Mackenroth wünschte sich vor allem, durch mehr Sprachkurse die Flüchtlinge besser in die Gesellschaft einbinden zu können: „Ohne Deutschkenntnisse gibt es keine Integration.“

Asylpolitik wäre, entgegen mancher Eindrücke, von der Mehrheit der Bevölkerung getragen: „Der gesellschaftliche Konsens ist wesentlich breiter als der Dissens.“ Wenn die Asylverfahren verbessert und Missbrauch verhindert würde, könnte die Akzeptanz der Asylpolitik in der deutschen Bevölkerung aufrechterhalten werden.

Mackenroth verwies auf die vergleichsweise geringen Zuwendungskosten von etwa 7600 Euro pro Mensch und Jahr. Es wäre die Pflicht und Schuldigkeit jedes Einzelnen, den Menschen zu helfen, die in Not und Verfolgung geraten wären. Deutschland hätte sich zu dieser Humanität stets bekannt. Und er fügte an: „Wir können stolz sein auf diese kulturelle Leistung.“

Den Vortrag und den detaillierten Diskussionsverlauf können Sie im Audio-Mitschnitt nachhören.

Autor: Friedemann Brause

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