Tartalom megjelenítő

Adobe Stock / Vitalii Vodolazskyi

Interviews

Die saudische Reaktion auf die Entwicklungen in Israel und den Palästinensischen Gebieten

Interview mit Philipp Dienstbier, unserem Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten

Das Interview mit unserem Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten thematisiert den Blick Saudi-Arabiens auf die gegenwärtigen Entwicklungen in Israel und im Gazastreifen, die Frage nach den Schritten, die Saudi-Arabien als Reaktion eingeleitet hat sowie die Auswirkungen auf die laufenden Verhandlungen über eine Normalisierung mit Israel. Eingeordnet wird ebenfalls, welche regionalen Implikationen ein Konflikt im Gazastreifen auf die Golf-Staaten und Iran haben könnte.

Tartalom megjelenítő

Megosztás

1. Wie blickt man in Saudi-Arabien auf die gegenwärtigen Entwicklungen in Israel und im Gazastreifen?

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel und die Kämpfe in Gaza bringen Saudi-Arabien in eine verzwickte Lage. Riad sieht sich als muslimische Führungsmacht und steht traditionell den Palästinensern sehr nahe. Saudi-Arabien hat zuletzt aber eben auch Verhandlungen über eine Normalisierung mit Israel geführt. Wenn man sich offizielle Stellungnahmen genau ansieht, dann kann man zwischen den Zeilen lesen, wie beide Erwägungen eine Rolle spielen. Anders als bei anderen arabischen Ländern, die Israel die Schuld für die Angriffe der Hamas zuschreiben, wird in saudischen Erklärungen nur darauf hingewiesen, Riad habe immer wieder davor gewarnt hat, dass die „andauernde Besatzung“ die Situation in den palästinensischen Gebieten überkochen lässt. Und tatsächlich gab es immer wieder solche Warnungen von Saudi-Arabien – wie auch von Jordanien und anderen. Für die nächsten Wochen ist man in Riad jetzt vor allem besorgt über die Auswirkungen, die eine Großoffensive auf Gaza für die Palästinenser haben wird.


2. Welche Schritte hat Saudi-Arabien als Reaktion eingeleitet?

Saudi-Arabien sucht wie andere auch nach einer diplomatischen Lösung. Dazu haben der saudische Kronprinz und Außenminister in den vergangenen Tagen intensiv mit ihren Amtskollegen in der Region, vor allem dem jordanischen König und ägyptischen Präsidenten, aber auch internationalen Partnern in Europa und den USA gesprochen. Öffentlich wurde die Unterstützung für die Palästinenser und Sorge vor einer Eskalation zum Ausdruck gebracht und daher alle Parteien zur Mäßigung aufgerufen. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Riad eine Friedenskonferenz anberaumen wird – das würde zu den letzten Monaten passen, in denen sich Saudi-Arabien als Dialogplattform, beispielsweise mit seiner Ukraine-Friedenskonferenz in Dschidda, ins Spiel gebracht hat. Das Königreich hat jüngst auch einen Botschafter für die palästinensischen Gebiete benannt. Man muss aber sagen, dass Riad wohl nicht in der ersten Reihe der Zwischenhändler stehen kann. Das Königreich hat schlechte Beziehungen und daher keinen Draht zur Hamas, anders als andere Nachbarn wie Katar, die eher für eine Vermittlerrolle prädestiniert sind.


3. Wie wird sich dies auf die laufenden Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und den USA über eine Normalisierung mit Israel auswirken?

Es wird den Prozess verlangsamen und verkomplizieren. Die USA wollen wohl trotz der Eskalation die Gespräche fortführen, mein Eindruck ist aber, dass Saudi-Arabien die Verhandlungen jetzt erst einmal auf Eis legt. Während Teile der Eliten an einer Normalisierung mit Israel interessiert sind, steht die Bevölkerung am Golf Israel und der Besatzung der palästinensischen Gebiete sehr kritisch gegenüber – die Bilder, die ein Krieg in Gaza produzieren wird, werden dies noch verschlimmern. Und es gibt auch politische Stimmen in Riad, die bislang schon Vorbehalte gegenüber einer Normalisierung hatten und sich nun bestätigt fühlen. Inmitten dieser Gemengelage ist es schwer vorstellbar, wie eine Einigung der ohnehin schon hochkomplexen Verhandlungen zustande kommen soll. Einer der Knackpunkte war in den letzten Monaten, dass Saudi-Arabien eine Lösungsfindung im Nahostkonflikt forderte, für die es bereits 2002 einen eigenen Plan vorgelegt hatte. Nach den Terrorangriffen vom Samstag sind aber Zugeständnisse von Israel an die Palästinenser in weite Ferne gerückt.


4. Welche regionalen Implikationen könnte ein Konflikt im Gazastreifen auf die Golf-Staaten und Iran haben?

Der Konflikt ist eine Zäsur in den Entwicklungen der letzten Monate und Jahre, in der viele Länder – vor allem die Golf-Staaten – verstärkt auf regionale Annäherung gesetzt und wirtschaftliche Interessen priorisiert haben. Saudi-Arabien hat etwa den Konflikt mit Katar beigelegt oder diplomatische Beziehungen mit Iran aufgenommen. Dieser fragile Prozess der Verständigung wird nun infrage gestellt. Es gibt etwa Drohungen von schiitischen Milizen aus dem Irak und den Huthis aus dem Jemen, beim Eingriff der USA auf Seiten Israels amerikanische Ziele in der Region anzugreifen – und US-Basen liegen eben auch in den Golf-Staaten. Und die große Frage bleibt, ob Iran, der Hauptunterstützer der Hamas, bei einer Vernichtung der Terrorgruppe still zusieht oder seinerseits eskaliert. Riad, Abu Dhabi und andere werden alles tun, um einen regionalen Flächenbrand vor der eigenen Haustür zu verhindern. Man sieht etwa, wie auch in den Golf-Staaten vehement darauf hingewiesen wird, es bestünden keine Beweise dafür, dass Iran die Hamas-Angriffe direkt angewiesen habe. Dahinter erkenne ich den Versuch, ein Ausgreifen auf Iran und den Golf zu verhindern.

Tartalom megjelenítő

Munkatársaink

Philipp Dienstbier

Philipp Dienstbier

Leiter des Regionalprogramms Golf-Staaten

philipp.dienstbier@kas.de +962 6 59 24 150
Interviews
IMAGO / imagebroker
2023. október 20.
Elolvasom

comment-portlet

Tartalom megjelenítő