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Herausforderungen annehmen, Probleme lösen

Politischer Salon der KAS Brandenburg in Cadenabbia – Tag 1

Wie steht es 24 Jahre nach dem Mauerfall um die deutsche Einheit? Wo steht Deutschland kurz vor der Bundestagswahl? Eint oder spaltet der Euro Europa? Hat konservative Politik heute noch eine Chance? All diesen Fragen widmete sich ein dreitägiger Politischer Salon unter dem Titel "Schwarz - Rot - Gold" in Cadenabbia am Sommersitz Konrad Adenauers mit Dieter Dombrowski MdL (Fraktionsvorsitzender der CDU Brandenburg) Prof. Dr. Georg Milbradt (sächsischer Ministerpräsident a.D.) und Jörg Schönbohm (Minister und General a.D.). Die Berichte zu den einzelnen Tagen finden Sie in der rechten Spalte.

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Zum Stand der deutschen Einheit – Zwei Geschichten, ein Vaterland, drei Perspektiven

Eine positiv-kritische Bilanz ergab die Diskussion zum Stand der deutschen Einheit. Für die deutsche Wiedervereinigung habe es keinen Plan gegeben, erinnerte Dieter Dombrowski. Dennoch: „Die Einheit ist auf einem guten Weg und was uns heute noch belastet, wird sich mit der Zeit auswachsen, weil die Jugend mit anderen Augen auf die Welt blickt." Zwar seien die Menschen in ihren je eigenen Lebenswegen gefangen, keiner wolle jedoch die Einheit missen. Die Wiedervereinigung sei heute bei den Menschen besser verankert, als das politische Establishment uns oftmals glauben mache, so der Fraktionsvorsitzende der CDU Brandenburg. „Keiner möchte die DDR wiederhaben“, pflichtete Jörg Schönbohm bei, „aber viele wünschen sich etwas zwischen der alten DDR und der heutigen Bundesrepublik“, so der General und Minister a.D. Diese Sehnsuchtslücke werde leider im Osten Deutschlands oftmals von der Linkspartei gefüllt.

Politischer versus Wirtschaftlicher Erfolg

Politisch sei die Einheit zwar ein voller Erfolg gewesen, wirtschaftlich jedoch nicht, diagnostizierte der Finanzwissenschaftler und Politiker Prof. Dr. Georg Milbradt. „Die heute nach wie vor bestehenden deutlichen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost und West werden sich durch die demografische Entwicklung weiter verschärfen“, so Sachsens Ministerpräsident a.D. Viele Kommunen würden weiter schrumpfen und die Altersstruktur sich weiter verschlechtern, denn die Jungen und die, die es sich leisten könnten, würden wegziehen. Zudem drohe eine Altersarmut im Osten. Die wirtschaftliche Lage der DDR sei vom Westen völlig falsch eingeschätzt worden, stimmte Dombrowski zu. „Man ist mit viel gutem Willem, aber wenig Ortskenntnissen an die Arbeit gegangen.“ In den ersten sechs, sieben Jahren nach der Wiedervereinigung hätten die Neuen Bundesländer wirtschaftlich aufgeholt, seitdem herrsche jedoch Stillstand und es sei bereits ein Erfolg, wenn das jetzige Niveau gehalten werden könne, erklärte Milbradt. „Ein Hauptproblem liegt darin, dass man vor allem auf die Wirkung von Transferleistungen gesetzt hat, anstatt durch geeignete eigene Rahmenbedingungen die Möglichkeiten für Wachstum vor Ort zu ermöglichen.“ Letztendlich habe man die neue Herausforderung nicht richtig angenommen, keine wirklich neuen Strukturen geschaffen, sondern "nur" den Osten an den Westen angepasst. Statt Aufbau-Mentalität mit entsprechenden Reformanstrengungen herrsche in Deutschland ein Status Quo Denken vor, dass vor allem Besitzstände sichern wolle. Leider seien die gemachten Fehler jetzt irreversibel. Dombrowski warb um Verständnis für die Menschen im Osten. Klar hätten sie vor der Wende gewusst, dass ihre Produkte keinen Bestand haben würden, „aber sie konnten nicht wissen, welche immensen Auswirkungen das für den Einzelnen haben würde“.

Aufarbeitung der Vergangenheit

Neben den wirtschaftlichen Schwierigkeiten sei auch die Aufarbeitung der Vergangenheit noch eine große Herausforderung, gerade in Brandenburg, „denn politisch gab es keinen Resonanzboden für eine Aufarbeitung in den ersten Jahren“, erklärte Dombrowski. Das hätte auch die CDU in Brandenburg betroffen, die heute noch zu gut einem Drittel aus Altparteimitgliedern aus der Zeit der DDR bestehe und nach der friedlichen Revolution auch die Bauernpartei-Funkionäre übernommen hätte. Insgesamt hinke Brandenburg, so Dombrowski, im Denken der Menschen hinsichtlich der DDR-Aufarbeitung deshalb bis heute hinterher. Wozu etwa die Stasi in der Lage war, das könnten viele bis heute nicht wirklich verstehen, meinte Dombrowski, der als Republikflüchtling in Cottbus inhaftiert war. Gerade in Brandenburg mit den vielen Altkadern des SED-Regimes habe sich tatsächlich soetwas wie eine "kleine DDR" halten können, sagte Jörg Schönbohm. Eine gründliche Aufarbeitung der Diktatur habe hier nicht stattgefunden. Georg Milbradt bemängelte, alles in allem habe man zu sehr auf die Stasi geblickt. Sie sei zwar Schild und Schwert der Partei gewesen und als Sündebock vom Hof gejagt worden, „doch viele andere Mitschuldige gingen dadurch gereinigt aus diesem Prozess hervor, wodurch eine grundlegende Systemdiskussion bis heute verhindert wurde“. Bestimmte Mentalitätsprobleme durch die jahrzehntelange Erfahrung der Diktatur würden noch viel länger als gedacht nachwirken. Insbesondere im Kampf um die Köpfe in den Medien, Schulen und Universitäten habe man nur teilweise Erfolg gehabt.

Eine Umfrage unter den Teilnehmern ergab übrigens, dass der Verlauf des Einheitsprozesses in Deutschland als Erfolg gesehen wird. Dass noch große Herausforderungen zu bewältigen seien, meinten nur einige wenige. In Bezug auf das geplante Auslaufen des Solidaritätszuschlages 2019 schieden sich die Geister: während die Mehrheit dafür stimmte, war ein Drittel dagegen, also für den Fortbestand des Soli.

Deutschlands Zukunft, Deutschland vor der Wahl – Wähler, Parteien, Koalitionen in Bewegung

Wie ist die Mitglieder-Schwäche der Volksparteien im Osten, gerade in Brandenburg, zu erklären? „Die Bereitschaft ist nicht mehr so groß, sich in Parteien zu organisieren wie früher und die Mitgliedszahlen gehen bundesweit zurück, auch weil die Feindbilder aus Zeiten des Kalten Krieges wegbrechen“, antwortete Dombrowski. In Brandenburg wirke zudem die SED-Zwangsmitgliedschaft nach und resultiere oftmals in einem Reflex à la „einmal Partei reicht mir“. Die Zeit klassischer Volksparteien sei generell vorbei, glaubt Milbradt. „Im Zeitalter von Facebook und Co. müssen wir neue Strukturen finden, um politisch Interessierte zusammenzutrommeln.“

Mit Blick auf Deutschlands Zukunft kritisiert Milbradt die mangelnde Bereitschaft, die wirklich großen Herausforderungen anzugehen. „Wir verhalten uns heute wie ein Erbe, der es sich gut gehen lässt, aber so lösen wir keine Probleme.“ Im Gegenteil, neue Probleme würden wie etwa mit der plötzlichen "Energiewende" geschaffen. Der Generationenvertrag laufe aus dem Ruder und im Augenblick werde die Zukunft belastet, auch um für die Vergangenheit Gerechtigkeit zu schaffen, wie zum Beispiel bei der Mütterrente. Bei einer Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Paar halbiere sich Deutschland alle zwei Generationen. „Diese Katastrophe wird in Ostdeutschland in zehn bis fünfzehn Jahren bereits einsetzen, doch die Auswirkungen werden nicht diskutiert." Deshalb sieht Milbradt nach der Bundestagswahl die Zeit für neue Reformanstrengungen gekommen. Die neue Wahlinitiative "Alternative für Deutschland" hält er dagegen für eine Totgeburt. Er setzte nach einem Erfolg bei den kommenden Wahlen auf den Diskussionsprozess innerhalb der Christdemokratie, der durch das Gewicht der Probleme ausgelöst werde.

Politische Korrektheit – Zur politischen Kultur in Deutschland, Brandenburg, Sachsen

„Politiker erscheinen gerne in den Medien, die ihrerseits nach Schlagzeilen dürsten“, erklärte Dombrowski. So komme es hin und wieder zu Äußerungen, die nicht politisch korrekt seien. Angela Merkel sei bei den Menschen auch deswegen so geschätzt, weil sich nicht marktschreierisch sei. „Politisch korrekt bedeutet für mich, dem Wunsch der Medien zu widerstehen und die bürgerliche Etikette hochzuhalten."

Ein grundsätzliches Problem der politischen Korrektheit sei es, dass je klarer eine Aussage sei, desto angreifbarer werde sie, so Milbradt. „Es ist jedoch normal, ab und zu in Fettnäpfchen zu treten, wenn man offen und ehrlich mit den Bürgern spricht.“ Für ihn bestehe ein grundsätzliches Problem darin, dass die Gesellschaft heute quasi nur noch aus den verschiedensten Minderheiten und Lobby-Gruppen bestehe, deren vermeintlicher Diskriminierung man vorbeugen oder begegnen wolle. „In der Summe sind die Minderheiten dann dominanter als die Mehrheit, die sich eigentlich durchsetzen sollte.“ Das könne nicht richtig sein, so der ehemalige Ministerpräsident. Anhand von verschiedenen Beispielen der Familien- und Gesellschaftspolitik wurden die Schranken diskutiert, die die oftmals linken oder liberalen Sittenwächter aufstellen, sei es bei der sogenannten "Homo-Ehe", der Einführung eines Elterngeldes, der Herkunftsbenennung von Straftätern oder einer geschlechtergerechten Sprache etc.

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