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Einzeltitel

„Kommt, Geister“

di Prof. Dr. Michael Braun

Neuerscheinungen der Literaturpreisträger der KAS 2015 auf der Leipziger Buchmesse

In diesen Tagen sind die Hallen der Leipziger Messe voller Bücher und Menschen: Lesern also, die das Denken den Daten vorziehen und, statt auf die Wissenstaschenrechner wie Wikipedia & Co., auf die Autorität des gedruckten Wortes setzen.

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Auch Literaturpreisträger der Konrad-Adenauer-Stiftung haben mit ihren Neuerscheinungen an dem traditionellen Frühlings-Buchfestival teil, darunter Tuvia Rübners erweiterte Autobiographie (mit einem dankbaren Kapitel über die Preisverleihung der Stiftung in Weimar 2012) und das essayistisch-erzählende Lebensbuch von Marica Bodrožić, die am 31. Mai 2015 mit dem Literaturpreis der Stiftung ausgezeichnet wird. Uwe Tellkamp (Literaturpreis der KAS 2009) hielt bei der Eröffnungsfeier im Gewandhaus eine fulminante Rede über den Wert der geistigen Freiheit und erinnerte an die Schikanen, die den Künstlern in den osteuropäischen Diktaturen widerfuhren.

 

Für politische Leser. „Die Freiheit macht gedankenlos“. Auch so ein nachdenkenswerter Satz von Herta Müller (Literaturpreisträgerin 2004). Dass es sich lohnt, über den schwierigen Weg der Freiheit in Europa nachzudenken, ist das Resümee aus fast vier Lebens- und Leidensjahrzehnten in der Ceauşescu-Diktatur. Dort wurde Herta Müller von oben – von der Securitate – schikaniert und von unten – auch von den Banatdeutschen – diskriminiert. Einsamkeit wurde damals, paradox genug, zu ihrem stärksten Schreibimpuls. Was sie über ihren Kampf gegen die Angst in der Diktatur schreibt, ist eine Lektion für die europäische Demokratie. Freiheit bedarf der moralischen Standfestigkeit und eines Gewissens, das sich auch von schlimmen Drohungen nicht einschüchtern lässt. Nachlesen kann man diese exemplarische Geschichte vom Widerstand in den Gesprächen, die Angelika Klammer mit der Nobelpreisträgerin geführt und unter dem Titel „Mein Vaterland war ein Apfelkern“ im Hanser Verlag veröffentlicht hat. Sehr lesenswert.

 

Für Leser mit Humor. Julian hat sich von Judith getrennt. Das tut ihm leid – und er tut sich leid. Was als klassische Coming-of-age-Geschichte aus der Generation der Noch-nicht-Dreißigjährigen beginnt, entpuppt sich alsbald als heitere Parabel auf jugendliche Lebenskunst. Julian verdingt sich bei einem exzentrischen Professor, um ein Zwergflusspferd zu pflegen, und entdeckt dabei ganz neue Denk- und Handlungsqualitäten. Arno Geiger (Preisträger 2011) gelingt es in seinem neuen Roman, vom Innenleben der „Generation y“ scharfsinnig, einfühlsam und mit „Ironie, ohne Unschuld“ (so Umberto Ecos Definition von postmodernem Erzählen) zu erzählen. Mit leichter Hand führt er seinen mittleren Helden durch die Freizeittrainingslager der Multioptionsgesellschaft. Und lässt ihn dort nicht ganz allein. Wie aber, das lohnt sich zu entdecken. Das Porträt eines postmodernen Artisten als junger Mann.

 

Für wissbegierige Leser. Daniel Kehlmann (Preisträger der KAS 2006) gehört seit der „Vermessung der Welt“ zu den Autoren der Gegenwartsliteratur, die etwas zu sagen haben. Nun hat er die Frankfurter Poetikvorlesungen gehalten – veröffentlicht unter dem shakespearisierenden Titel „Kommt, Geister“ – und diese renommierte Adresse mit einem Feuerwerk von Einfällen ausgeleuchtet. Nur einem Autor wie ihm kann es gelingen, Verbindungen zu ziehen zwischen Peter Alexanders nostalgischen Filmschnulzen, den Vorbereitungen der Auschwitzprozesse durch den jüdischen Juristen Fritz Bauer, Ingeborg Bachmanns Devise, dass die Wahrheit „dem Menschen zumutbar“ ist, und der von ehemaligen Wehrmachtsoldaten dominierten „Gruppe 47“. Der rote Faden ist die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, der Umgang mit der Erblast des Nationalsozialismus in den späten 1950er Jahren. Kehlmann bekennt, dass für ihn Ästhetik und Moral zusammengehören. Literatur, sagt er, ist immer „Einübung in Empathie“. Ein kleines literarisches Geschichtsbuch.

 

Und für Freunde des Gesellschaftsromans mit Thrill. Louis Begley (Literaturpreisträger der KAS 2000) hat im Genre des Kriminalromans debütiert. Und dafür in der deutschen Kritik nicht gerade Lob eingesteckt. Was aber, wenn „Zeig dich, Mörder“ gar kein, oder nur oberflächlich ein handfester Krimi ist, vielmehr ein weiterer, diesmal greller Roman über die schlechten Seiten der guten Gesellschaft? Dafür spricht die Erzählkunst Begleys, mit der er seinen Helden in die politischen und moralischen Abgründe der amerikanischen Eliten führt. Jack Dana, hadernder Afghanistan- und Irak-Veteran, Frauenversteher und Schriftsteller, glaubt nicht an den ‚Selbstmord’ seines Lieblingsonkels. Er kommt – dank eines iPhones mit gespeicherten Sprachnachrichten – einem Komplott auf die Spur. Dazu gehören ein texanischer Politiker und ein serbischer Bösewicht. Ein unberechenbares Ende zeichnet sich ab. Spannend und abgründig zugleich.

 

Und noch eine Empfehlung für sportliche Leser. John von Düffel hat über Schwimmen und Schreiben geschrieben. Matthias Politycki hängt sich beim Laufen ein. „42,195“ heißt sein neues Buch (Hamburg: Hoffmann & Campe). Alles klar? Hier beschreibt ein Marathonläufer, was der Sport für ihn und sein eigenes Schreiben bedeutet. Was herauskommt, ist keine Lauffibel, keine Werbebroschüre (dafür gibt es hier und da Enthusiasmusdämpfer zwischen den Zeilen). Aber eine Phänomenologie dieses Breitensports, der die Schönheit der Event-Orte ebenso einbezieht wie die verschiedenen Läufertypen und die Kunst, ab Kilometer 30 die anaerobe Schwelle zu überwinden. Er lebe nicht, um zu laufen, sagt Politycki. Aber er läuft, um, wenigstens etwas, glücklicher zu leben. Viel Vergnügen!

 

 

Literatur:

 

 

Louis Begley: Zeig dich, Mörder. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Christa Krüger. Berlin: Suhrkamp.

 

Marica Bodrožić: Mein weißer Frieden. München: Luchterhand.

 

Arno Geiger: Selbstporträt mit Flusspferd. Roman. München: Hanser.

 

Daniel Kehlmann: Kommt, Geister. Frankfurter Poetikvorlesungen. Berlin: Rowohlt.

 

3Sat: Gespräch mit Daniel Kehlmann

 

 

Herta Müller: Mein Vaterland war ein Apfelkern. Hrsg. von Angelika Klammer. München: Hanser.

 

Tuvia Rübner: Ein langes kurzes Leben. Von Preßburg nach Merchavia. Erweiterte und illustrierte Ausgabe. Aachen: Rimbaud.

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editore

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland