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Stella von Saldern

Interviews

"Der Pandemievertrag sollte als Chance begriffen werden"

Hermann Gröhe im Gespräch über die WHO-Verhandlungen zu einem Pandemievertrag

Anlässlich der aktuellen Verhandlungen zu einem Pandemievertrag in der Weltgesundheitsorganisation haben wir mit unserem stellvertretenden Vorsitzenden Hermann Gröhe MdB (stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) ein Gespräch über Inhalt und Chancen einer solchen Vereinbarung gesprochen.

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KAS: Lieber Herr Gröhe, am 20. September fand ein hochrangiges Treffen von Staats- und Regierungschefs bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York zu Pandemieprävention, - vorsorge und -reaktion statt. Die Weltgesundheitsorganisation sprach danach von einem «historischen Versprechen». Worum geht es dabei?

Zunächst einmal war dies das erste Mal, dass ein solches Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs stattfand. Die verabschiedete gemeinsame Erklärung stellt u.a. Massnahmen gegen Fehlinformationen und für die Stärkung der medizinischen Erstversorgung und der nationalen Gesundheitssysteme insgesamt in Aussicht.  Alle Länder sollen in die Lage versetzt werden, im gesamten Verlauf einer Pandemie handlungsfähig zu sein und zu bleiben. Der sicherlich wichtigste Punkt der Erklärung ist jedoch das klare politische Signal der Unterstützung für die in diesen Monaten in Genf laufenden Verhandlungen über einen Pandemievertrag.

KAS: Wozu braucht die Weltgemeinschaft solch einen Pandemievertrag?

Bei Regierungen, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft reifte schon während der Pandemie sehr schnell die Erkenntnis, dass die internationale Gemeinschaft nicht gut auf diese Krise vorbereitet war. Einige Beispiele: Es gab keine klaren Kriterien für die Ausrufung einer Pandemie, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte weder die nötigen finanziellen Mittel noch den nötigen politischen Spielraum, um auf die Krise zu antworten. So hatte sie beispielsweise keinen Zugang zu den ersten Covid-19-Ausbruchsgebieten in China. Die Maßnahmen der Länder gegen die Pandemie waren oft nicht gut abgestimmt. Die unzureichende Solidarität bei der Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen war kein Ruhmesblatt und kostete zahlreiche Menschenleben. Zwar gibt es die Internationalen Gesundheitsvorschriften zur Verhütung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Ausbreitung von Krankheiten. Aber die bestehenden Regeln waren entweder nicht ausreichend oder wurden nicht umgesetzt.  Deshalb beschlossen die Mitgliedstaaten der WHO, Ende 2021 zum einen die Internationalen Gesundheitsvorschriften zu überarbeiten - und zum anderen erstmals über einen Pandemievertrag zu verhandeln.

KAS: Warum braucht man überhaupt ein weiteres Instrument; reichen nicht die Internationalen Gesundheitsvorschriften aus?

Die Überarbeitung der internationalen Gesundheitsvorschriften ist wichtig – auch weil sie schneller umsetzbar ist. Aber viele Staaten wollen hier nur einzelne inhaltliche Anpassungen. Das allein reicht nicht aus, da die Internationalen Gesundheitsvorschriften auch nicht alle für eine Pandemie wichtigen Bereiche abdecken, insbesondere wenn es um Fragen der gerechteren Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen geht. Deshalb sprach sich im März 2021 ein breites Bündnis von Ländern aller Kontinente, darunter Deutschland, für die zügige Erarbeitung eines Pandemievertrags aus.

KAS: Was würde Inhalt eines solchen Vertrags sein? Was kristallisiert sich in den Verhandlungen in Genf bereits heraus?

Der Pandemievertrag sollte als Chance begriffen werden, zum Nutzen aller die Schwachstellen in der Pandemiebekämpfung entschlossen anzugehen. In den Verhandlungen werden derzeit viele Bereiche diskutiert: unter anderem die Voraussetzungen für die Ausrufung einer „pandemischen Lage“, Anreize für Mitgliedstaaten zu einem besseren Informationsaustausch über Krankheitserreger, ein schnellerer WHO-Zugang zu Ausbruchsgebieten, Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung sowie Maßnahmen für eine gerechtere Verteilung von Medikamenten und Impfstoffen. Ziel ist es zugleich, die Handlungsfähigkeit der WHO in einer Pandemie zu stärken. Der WHO würde durch einen Pandemievertrag sicherlich – und zu Recht - eine wichtigere Rolle zukommen.

KAS: Es gibt – auch von Stimmen in Deutschland – Kritik an der Stärkung der Rolle der WHO und am Pandemievertrag an sich. Diese Stimmen fürchten beispielsweise die Aushöhlung nationaler Zuständigkeiten und sehen einen Versuch, die WHO in eine Art weltweite Gesundheitspolizei umzuwandeln, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger beschränken könnte.

Solche Stimmungsmache gegen einen Pandemievertrag ist völlig unangemessen und falsch. Sie geht auch an den Verhandlungsinhalten vollständig vorbei. Die Befugnisse der WHO soll zwar gestärkt werden. An der zentralen Rolle der Mitgliedstaaten aber würde sich nichts ändern. Auch die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern bleiben selbstverständlich gewahrt. Der Verhandlungsentwurf mahnt gleich zu Beginn die Achtung von Grundfreiheiten und Menschenrechten an. Zudem soll die Umsetzung des Vertrags ausdrücklich im Einklang mit den nationalen Gesundheitspolitiken der Mitgliedstaaten erfolgen. Andererseits darf der Vertrag nicht zu unverbindlich sein. Denn viele – vor allem autoritäre - Staaten haben wenig Interesse daran, im Falle von Ausbrüchen frühzeitig der WHO die nötigen Zugänge zu gewähren.

Manche Forderung, die jetzt erhoben wird, halte aber auch ich für nicht zielführend. Ein streitig diskutierter Vorschlag, den ich kritisch sehe, wäre etwa die Abschwächung des Patenschutzes für Impfstoffe und Medikamente. Ein solcher Schritt würde mangels der erforderlichen Fähigkeiten in vielen Ländern weder zu einer schnelleren Herstellung noch zu einer gerechteren Verteilung führen. Er wäre aber ein falsches Signal für die Forschungsanstrengungen der Unternehmen.

Grundsätzlich enthält der Entwurf aber viele zielführende Bausteine.

KAS: Wie kann es gelingen diesen Pandemievertragsprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen? Wie sollte sich Deutschland positionieren?

Deutschlands hat unter Führung von Angela Merkel im Bereich Globale Gesundheit eine Führungsrolle in der Welt eingenommen. Deutschlands Stimme hat in Genf Gewicht. Man sollte dies nutzen, um für einen wirkungsvollen Pandemievertrag einzutreten. Drei Punkte wären hierbei wichtig:

Erstens muss es ein ausgewogener Vertrag sein, der die Gefahren und die Entwicklung einer Pandemie insgesamt in den Blick nimmt. Dazu gehören nicht zuletzt Anstrengungen zur Vorbeugung von Pandemien. Er sollte zudem Massnahmen für einen schnelleren Informationsaustausch und schnelleren Zugangs zu Ausbruchsgebieten beinhalten. Aber auch wirksamere und verbindliche Maßnahmen für eine gerechtere Verteilung von diagnostischen Tests, Medikamenten und Impfstoffen müssen Teil des Pakets sein.

Zweitens sollte der Pandemievertrag möglichst viele verbindliche Regelungen enthalten. Das erklärte Ziel, noch bis Mai nächsten Jahres eine Einigung zu erzielen, ist sicher sehr ehrgeizig. Ob das gelingt, ist noch offen. Aber man sollte sich nicht zu viel Zeit lassen. Denn bekanntermassen sind Gelegenheitsfenster für Reformen nach Krisen nur sehr kurz.

Drittens ist es wichtig, dass der Vertrag nicht nur zwischen den Verhandlungsführern in Genf besprochen wird. Vielmehr muss jetzt eine breite öffentliche Diskussion über die Ziele und sich abzeichnenden Inhalte des Pandemievertrags beginnen – unter Einbezug von Wissenschaft und Wirtschaft, von Zivilgesellschaft und Parlamenten – auch um Fehlinformationen und Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung wird sich kraftvoll an einer solchen Diskussion beteiligen.

Gewiss kann ein Pandemievertrag nicht alle Probleme lösen. Er kann den Ländern nicht ihre eigenen Hausaufgaben zur Verbesserung der Pandemievorsorge abnehmen. Ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen bietet aber eine Möglichkeit, die Welt besser für künftige Pandemien zu rüsten. Diese Chance dürfen wir nicht ungenutzt verstreichen lassen! 

KAS: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

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Leiter des Multinationalen Entwicklungsdialogs Brüssel

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Hermann Gröhe

Mitglied des Deutschen Bundestages, Stellv. Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung

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