Politische Ausgangslage
Der Kontext der Internationalen Messe von Thessaloniki 2025 verdeutlicht eine Neuordnung der politischen Kräfte in Griechenland. Die ND-Regierung von Kyriakos Mitsotakis, seit über sechs Jahren im Amt, bemüht sich, in Zeiten wirtschaftlicher Belastungen und demografischer Herausforderungen ein Bild von Stabilität und vorausschauender Politik zu vermitteln. Die in Thessaloniki vorgestellten Maßnahmen richten sich vor allem an die Mittelschicht und die Jugend – Wählergruppen, die für die politische Zukunft besonders entscheidend sind. Gleichzeitig befindet sich die Opposition im Wandel: Die sozialistische PASOK hat sich zur zweitstärksten Kraft entwickelt, während SYRIZA durch innere Konflikte und Abspaltungen geschwächt wird. So entsteht eine politische Landschaft im Umbruch, in der die Regierung ihre Dominanz festigen will und die Opposition nach glaubwürdigen Alternativen sucht.
Demografisches Profil Griechenlands
Das demografische Profil Griechenlands zeigt eine Gesellschaft im Schrumpfen und in Überalterung. Die Bevölkerung umfasste 2025 rund 10,4 Millionen Menschen, wobei die natürliche Bevölkerungsentwicklung negativ ist: Es werden weniger Kinder geboren als Menschen sterben. Der Gesamtzuwachs beträgt lediglich +0,13 %. Die Fertilitätsrate ist mit 1,43 deutlich unter dem Reproduktionsniveau von 2,1, wenn gleich im europäischen Mittel. Gleichzeitig sind bereits etwa 24 % der Bevölkerung älter als 65 Jahre. Diese demografische Alterung stellt erhebliche Belastungen für das Renten- und Gesundheitssystem dar. Hinzu kommt die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Arbeitskräfte ins Ausland, was den Fachkräftemangel verschärft. Sichtbar wird die Entwicklung auch im Bildungssektor: Seit drei Jahrzehnten wurden mehr als 750 Schulen aufgrund sinkender Schülerzahlen geschlossen, weitere 15 allein zu Beginn des Schuljahres 2025/2026. Die Kombination aus niedrigen Geburtenraten, alternde Bevölkerung und „Brain Drain“ stellt Griechenland vor eine strukturelle Herausforderung, die langfristig sowohl die wirtschaftliche Dynamik als auch den sozialen Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit des Landes gefährdet.
Drei politische Ziele
Das demografische Problem stand im Mittelpunkt der Ankündigungen des Premierministers auf der Internationalen Messe Thessaloniki und wurde als eine der größten nationalen Herausforderungen mit langfristigen sozialen und politischen Auswirkungen präsentiert. Kyriakos Mitsotakis stellte ein Maßnahmenpaket vor, das einerseits die jungen Menschen in Griechenland halten und ihnen bessere Perspektiven eröffnen, andererseits Familien mit Kindern gezielt unterstützen soll, um der niedrigen Geburtenrate und der Abwanderung von Fachkräften entgegenzuwirken. Konkret umfasst das Programm eine vollständige Steuerbefreiung für junge Erwachsene bis 25 Jahre mit einem Einkommen bis zu 20.000 Euro p.a.sowie deutliche Steuervergünstigungen für Familien, die sich je nach Kinderzahl staffeln. Für kinderreiche Familien kann die Steuerlast sogar vollständig entfallen. Ergänzend dazu wurde ein neues Wohnungsbauprogramm angekündigt: Auf ehemaligen Militärgeländen sollen 2.000 Wohnungen entstehen, von denen 75 % an Familien ohne eigenes Haus vergeben werden, während 25 % für Angehörige der Streitkräfte reserviert sind. Auch die Regionen profitieren, etwa durch die vollständige Abschaffung oder Halbierung der Grundsteuer (ENFIA) in Dörfern und die Senkung der Mehrwertsteuer auf kleinen Inseln. Strategisch verfolgen diese Maßnahmen einen doppelten Zweck: Sie sollen einerseits das Einkommen und die Lebensbedingungen der Haushalte verbessern, andererseits das Bild einer Regierung prägen, die „an die Zukunft denkt“ und aktiv an der Sicherung der Bevölkerungsentwicklung arbeitet. Das Demografie-Thema wird so nicht nur als soziales Problem behandelt, sondern zum zentralen politischen Narrativ, dass Wirtschaft, gesellschaftlichen Zusammenhalt und nationale Strategie miteinander verknüpft.
Wirtschaftspolitik und Mittelschicht
Die Wirtschaftspolitik mit Schwerpunkt auf der Mittelschicht bildete den zweiten zentralen Teil der Ankündigungen des Premierministers. Ziel der Maßnahmen ist es, die Kaufkraft zu stärken und die Haushalte angesichts der anhaltenden Preissteigerungen zu entlasten. Mitsotakis kündigte eine Senkung der Einkommenssteuersätze um zwei Prozentpunkte für die meisten Einkommensgruppen an, ergänzt durch zusätzliche Abzüge, die sich nach der jeweiligen Familiensituation richten. Damit soll die Mittelschicht gestützt werden – jene gesellschaftliche Gruppe, die historisch die wichtigste Wählerbasis der Regierungspartei darstellt, gleichzeitig jedoch in den letzten Jahren durch Pandemie, Energiekrise und Inflation besonders stark belastet wurde. Ein spezielles Augenmerk liegt zudem auf den jüngeren Erwerbstätigen: Für die Altersgruppe der 26- bis 30 -jährigen soll der Steuersatz künftig nur noch 9 % betragen (statt bisher 22 %). Dies dient nicht nur der finanziellen Entlastung, sondern soll auch eine neue positive Bindung zwischen der jungen Generation und dem politischen System schaffen. Politisch verfolgt die Regierung damit das Ziel, auf die soziale Ermüdung durch Preissteigerungen und wachsende Ungleichheiten zu reagieren und sich als Kraft der „Stabilität mit sozialer Verantwortung“ zu präsentieren. Die Steuerreformen haben somit eine doppelte Funktion: Einerseits wirken sie als wirtschaftliches Instrument zur Stärkung der Kaufkraft, andererseits als politisches Signal, dass die Regierung den Alltag der Mittelschicht ernst nimmt. In der Logik des Wahlkampfs soll damit das Vertrauen jener Wähler gesichert werden, die traditionell über Wahlergebnisse entscheiden.
Reformen und europäische Dimension
Die Reformen und die europäische Dimension standen als drittes Kernthema im Mittelpunkt der Ankündigungen von Premierminister Mitsotakis auf der Internationalen Messe Thessaloniki. Dabei ging es nicht um kurzfristige Maßnahmen, sondern um einen Modernisierungsplan mit Zeithorizont bis zum Jahr 2030. Genannt wurden vier zentrale Projekte: die Einführung eines nationalen Abschlusszeugnisses im Sekundarbereich, die Vollendung eines neuen nationalen Gesundheitssystems, die Fertigstellung der Raumordnung und des Katasters sowie die Entwicklung einer neuen Energie-Landkarte mit dem Ziel größerer Autonomie und bezahlbarer Energiepreise. Diese Initiativen sollen nicht als isolierte Eingriffe verstanden werden, sondern als Teil einer breiten Reformagenda, die Griechenland strukturell erneuern und alte Schwächen des öffentlichen Sektors überwinden soll. Politisch verfolgt die Regierung damit das Ziel, das Bild eines ineffizienten Staates hinter sich zu lassen und sowohl in der Gesellschaft als auch bei den internationalen Partnern Vertrauen aufzubauen. Die Botschaft lautet: Griechenland ist ein Land der Stabilität, Vorhersehbarkeit und Reformbereitschaft. Auf europäischer Ebene haben die Ankündigungen auch eine klare Signalwirkung. Athen möchte zeigen, dass es ein verlässlicher Partner ist, der in der Lage ist, EU-Mittel effektiv zu nutzen, bei Energie- und Klimaprojekten mitzuarbeiten und Investitionen anzuziehen. Damit dienen die Reformen nicht nur der innenpolitischen Legitimation, sondern auch als diplomatisches Instrument, das die Position Griechenlands innerhalb der Europäischen Union stärkt und gleichzeitig neue Kooperationschancen – insbesondere mit Berlin und Brüssel – eröffnet.
Fazit
Die Ankündigungen des Premierministers auf der Internationalen Messe Thessaloniki 2025 zeichnen eine ambitionierte Strategie, die kurzfristige Entlastungen mit einer langfristigen Reformagenda verbindet. Der Fokus auf dem demografischen Problem und der Mittelschicht zeigt, dass die Regierung die sozialen und wirtschaftlichen Bruchlinien erkannt hat, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Gleichzeitig sollen Reformen im Gesundheitswesen, in der Bildung und im Energiesektor das Bild eines stabileren und verlässlicheren Griechenlands auf europäischer Ebene vermitteln. Dennoch bleiben offene Fragen hinsichtlich der Umsetzung: Ob Steuererleichterungen und neue Programme finanziell nachhaltig sind und ob sie tatsächlich in der Lage sein werden, tief verwurzelte Trends wie niedrige Geburtenraten oder Abwanderung umzukehren, ist ungewiss. Insgesamt vermittelt die Regierung Optimismus und Zukunftsorientierung, doch der Erfolg wird sich daran messen, ob die Ankündigungen in konkrete und wirksame Ergebnisse umgesetzt werden können. Bis zur nächsten Wahl bleiben noch gute 1,5 Jahre – genug Zeit, um wieder Vertrauen für eine 3. Amtszeit für Mitsotakis zu erlangen.
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