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Der Damm des Anstoßes: Der Konflikt um die Insel Tusla:

de Ralf Wachsmuth †, Dr. Juri Silvestrow

Nur ein Sturm im Wasserglas oder eine ernste Krise in den ukrainisch-russischen Beziehungen?

Der Konflikt um die Insel Tusla beherrschte im Oktober die Schlagzeilen der ukrainischen Medien. Nur knapp zwei Wochen, nachdem die Staatschefs von Russland, der Ukraine, Kasachstan und Weißrussland in Jalta anläßlich der Unterzeichnung des Abkommens über einen einheitlichen Wirtschaftsraum ein Bild der Eintracht und Freundschaft abgegeben hatten, gibt es bereits erste Risse im ukrainisch-russischen Verhältnis.

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Durch den Bau eines Dammes sind die beiden Länder aneinander geraten. „Die russische Provokation habe zum kritischsten Punkt in der zwölfjährigen Unabhängigkeit geführt,“ meint Kiew. „Russland wird die Meerenge von Kertsch niemals aufgeben,“ erklärt der vor einigen Tagen von Präsident Putin entlassene Stabschef, Alexandr Woloschin, in Moskau.

Der Streit um Tusla: Entwicklung einer Auseinandersetzung

Die Krise nahm am 29. September 2003 ihren Anfang mit dem Beginn des Baus eines Dammes von der Halbinsel Taman (Russische Föderation) in Richtung auf die Insel Tusla, mitten in der Meerenge von Kertsch gelegen. Tusla war bis 1925 der westlichste Teil der Halbinsel Taman gewesen. Allerdings hatten Unwetter und Sturmfluten dafür gesorgt, dass ein etwa vier Kilometer langer Streifen der Halbinsel überflutet und Tusla zu einer zirka sieben Kilometer langen und 600 Meter breiten Insel wurde, die von etwa 30 Personen bewohnt wird.

Die Ukraine betrachtet Tusla als ukrainisches Staatsgebiet. Die Insel wurde 1941 der „Autonomen Sowjetrepublik Krim“ angegliedert, die 1954 wiederum der „Ukrainischen Sowjetrepublik“ zugeschrieben wurde. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion blieb Tusla im Besitz der Ukraine, und die Grenze zwischen den beiden Staaten, die immer noch nicht delimitiert ist, verläuft etwa 150 Meter östlich der Insel.

Gleich nach Beginn der Baumaßnahmen auf russischer Seite hatten die Ukrainer Alarm geschlagen und die Befürchtung geäußert, Russland beabsichtige, Tusla mit seinem Festland zu verbinden, den Zustand von 1925 künstlich wieder herzustellen und auf diese Weise die Seegrenze in Richtung Westen zu verschieben. Tatsächlich war es den russischen Arbeitern in einem atemberaubenden Tempo gelungen, seit dem 29. September 2003 pro Tag etwa 100 Meter Damm aufzuschütten, so dass die „Vereinigung“ in knapp vier Wochen vollzogen worden wäre.

Die Ukraine jedenfalls sah ihre territoriale Integrität bedroht und verwies unter anderem auf Abkommen aus den Jahren 1990, 1991, 1992 und 1997, in denen die GUS-Staaten die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen gegenseitig anerkennen. Doch der russische Außenminister Iwanov konterte mit der Behauptung, dass der Bau des Dammes nicht gegen bestehende Verträge zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine verstoße, sondern „ausschließlich von wirtschaftlichen und ökologischen Gründen diktiert würde und nichts mit den Verhandlungen über den Status der Meerenge von Kertsch zu tun hätte“ und beteuerte, dass er nicht von Moskau angeordnet worden war. Es handelte sich vielmehr um eine Initiative der Regionalbehörden von Krasnodar, die dem ökologischen Ziel diene, die Erosion des russischen Küstenstreifens zu stoppen. Jedes Jahr würden hunderttausende von Kubikmetern des Ufers weggespült und es seien mittlerweile mehrere Kindersanatorien den Fluten zum Opfer gefallen.

Die Ukrainer halten diese Argumentation für vorgeschoben und nicht stichhaltig und führen ihrerseits ökologische und wasserwirtschaftliche Gründe ins Feld, die gegen den Bau sprechen. Nach Meinung ukrainischer Wissenschaftler wird der Bau unvorhersehbare negative Folgen für die gesamte Meerenge mit sich bringen. Ausgeschlossen wird auch nicht, dass der Damm das Schicksal der Halbinsel von 1925 teilt und im Herbst und Winter weggeschwemmt wird, womit der alte Zustand vor dem 29. September dieses Jahres auf natürliche Weise wieder hergestellt wäre.

Die Hoheit über Tusla bedeutet die Kontrolle über eine wichtige Meerenge

Die Ukrainer glauben nicht an die ökologische Begründung für den ohne Absprache mit der Ukraine erfolgten Dammbau und wittern statt dessen den Versuch Russlands, durch die Wiederherstellung der Verbindung zwischen Tusla und dem russischen Festland die Insel unter seine Herrschaft zu bringen, den Verlauf der Seegrenze zu eigenen Gunsten zu verschieben und die Ukraine zu zwingen, gemeinsam mit Russland die Straße von Kertsch zu kontrollieren. Die Meerenge zwischen Tusla und Taman ist wegen zu geringer Wassertiefe nicht beschiffbar, und die einzige Fahrrinne verläuft westlich von der Insel Tusla in nordsüdlicher Richtung in ukrainischen Hoheitsgewässern. Kurz gesagt: wer im Besitz von Tusla ist, kontrolliert die Enge, die das Schwarze Meer und das Asowsche Meer verbindet und im Jahre 2002 von knapp 20.000 Schiffen befahren wird.

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Die Hoheit über die Meerenge spült jährlich einen mehrstelligen Millionenbetrag an Durchfahrtgebühren in die öffentlichen Kassen und stellt eine sichere und lukrative Einnahmequelle dar, an der auch Russland interessiert sein dürfte. Neben der Kontrolle über den Schiffsverkehr ist der Besitz der Insel auch von großer Bedeutung für das Recht zur Ausbeutung von Bodenschätzen, die in der Straße von Kertsch vermutet werden und für das Fischereigewerbe. Darüber hinaus, so der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für internationale Angelegenheiten, Dmitrij Rogosin, hegt Russland den Verdacht, dass die Ukraine im Rahmen der NATO-Beitrittsverhandlungen den ungehinderten Zugang von NATO-Einheiten ins Asowsche Meer quasi als „Mitgift“ einbringt.

Atempause im Konflikt

Beide Seiten hatten im Laufe des Konflikts ihre Positionen bezogen. Die Werchowna Rada hat einen Appell an die Staats-Duma der Russischen Föderation verabschiedet, in dem das Recht der Ukraine betont wurde, alle internationalen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Integrität der Ukraine und die Unantastbarkeit ihrer Grenzen zu sichern. Die Duma hat dieses Schreiben als „destabilisierenden Faktor in den Beziehungen beider Länder“ bezeichnet. Aus dem ukrainischen Außenministerium kam die Warnung, die Verantwortung für negative Folgen müßte die russische Seite tragen. Die Antwort aus Russland bestand in dem dringenden Appell an die Ukraine, doch endlich die Dokumente vorzulegen, auf deren Grundlage die Ukraine Besitzansprüche auf Tusla erhebt. Dafür sah die Ukraine wiederum keine Veranlassung.

Nachdem Präsident Kutschma am 23. Oktober 2003 vorzeitig von seinem Staatsbesuch in Lateinamerika zurückgekehrt war, um sich selbst vor Ort ein Bild von der Lage zu verschaffen und mit Präsident Putin auf höchster Ebene zu telefonieren, wurde der eskalierende Konflikt vorerst entschärft, indem Putin das Ende der Bauarbeiten kurz vor Erreichen der ukrainischen Grenze anordnete. Am 24.10.03 verständigten sich die Ministerpräsidenten der beiden Länder auf eine vorläufige Einstellung der Dammarbeiten, die Erstellung eines gemeinsamen ökologischen Gutachtens und die baldige Erarbeitung eines Abkommens über den Status des Asowschen Meeres und der Meerenge von Kertsch.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich Russland und die Ukraine nicht über eine Seegrenze einigen können. Im Gegensatz zu Russland, das die Grenze nur auf dem Meeresboden ziehen und das Meer selbst als Binnenmeer beider Staaten nutzen will, besteht in Ukraine auf der Festsetzung einer Seegrenze, die auf der Oberfläche gelten soll.

Interessant sind auch die internationalen Reaktionen auf den schwelenden Konflikt. Weder die USA, noch die NATO oder die EU haben sich auf die Unterstützung einer der Parteien festgelegt. Der scheidende NATO-Generalsekretär Robertson, der während der Krise Russland und die Ukraine besuchte, sagte lediglich, „die entstandene Situation sei eine Angelegenheit der bilateralen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine.

Jan Marius Wiersma, Vorsitzender der Delegation der parlamentarischen Ausschüsse für die Zusammenarbeit EU-Ukraine des Europäischen Parlaments, rief beide Seiten zu einer Verhandlungslösung auf und warnte vor einer Eskalation des Konflikts. Und der amerikanische Botschafter in Kiew, John Herbst, forderte im Anschluß an ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des ukrainischen Parlaments, Stanlislav Staschewsky, ebenfalls Russland und die Ukraine auf, eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden. Am 30. Oktober 2003 trafen sich die Außenminister der Konfliktparteien in Kiew, um die Lage zu erörtern und zu entspannen. Beide Seiten tauschten Dokumente aus, die den Besitzanspruch des jeweiligen Landes dokumentieren sollten. Beide erklärten, die Verhandlungen am 05. November 2003 auf Außenministerebene fortzusetzen.

Bewertung und Ausblick

Es drängt sich der Eindruck auf, dass der von Russland provozierte Konflikt den vorläufigen Höhepunkt in einer Serie von Versuchen im Vorfeld der ukrainischen (Oktober 2004) und russischen (März 2004) Präsidentschaftswahlen darstellt, die Belastbarkeit der russisch-ukrainischen Beziehungen zu testen und die Grenze der ukrainischen Leidensfähigkeit zu ermitteln.

Erst im September hatte die stellvertretende russische Außenministerin Eleonora Mitrofana Russlands Absicht unterstrichen, die ehemals sowjetischen Staaten dazu zu bewegen, Russisch als offizielle Sprache in ihren Ländern anzuerkennen. Danach folgte auf dem Höhepunkt der Diskussion um die Unterzeichnung des Abkommens über den Einheitlichen Wirtschaftsraum (EWR) der Vorschlag des russischen Vizepremierministers Christenko, die Einführung einer gemeinsamen Währung in Russland, Kasachstan, Weißrussland und der Ukraine als krönenden Abschluß der Wirtschaftsvereinigung in Erwägung zu ziehen. Und nun der Bau eines Dammes, mit dem Russland Fakten schafft, um sich bei den anstehenden Verhandlungen in eine bessere Position zu bringen. Bisher hat Russland in der ukrainischen Öffentlichkeit nur erreicht, dass das Ansehen des Landes Schaden genommen hat und die Ukraine, wie Präsident Kutschma korrekt feststellte, „durch den Damm näher an Europa gerückt ist“. Außerdem dürfte die Bereitschaft der Ukraine, das EWR-Abkommen zu ratifizieren, gesunken sein.

Vielleicht hat der Militärexperte James Sherr, Professor an der Oxford University nicht Unrecht, wenn er meint, dass der Westen die russische Politik gegenüber der Ukraine zum Anlaß für eine Überprüfung der Beziehungen zum Russland des Präsidenten Putin nehmen solle. Gleichzeitig ist auch der Zeitpunkt gekommen, der Ukraine und ihren Bestrebungen um Annäherung an die EU mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Ukraine zwischen einer Europäischen Union, die der Ukraine keine konkreten Perspektiven aufzeigt - obwohl sich die Bevölkerung mehrheitlich für eine Politik mit dem Ziel eines Beitritts ausspricht - und einem Russland, das seine imperialen Ambitionen ohne eine enge Verbindung mit der Ukraine nicht verwirklichen kann und dementsprechend wirtschaftlichen und politischen Druck ausübt, zerrieben wird.

Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine werden fortgesetzt. Beide Seiten haben nahezu unvereinbare Positionen eingenommen. Die Tatsache, dass nicht nur politische, wirtschaftliche, ökologische und rechtliche Aspekte sich vermischen, sondern auch höchst emotionale historische Gesichtspunkte eine Rolle spielen, machen eine beide Seiten zufriedenstellende Konfliktlösung nicht einfacher.

Möglicherweise hat der Konflikt aber auch eine ganz andere Seite, wie einige Beobachter meinen: der Konflikt sei eine Inszenierung von zwei großen Regisseuren Kutschma und Putin, die sich nach einer friedlichen Lösung im jeweiligen Land als „Friedensengel“ feiern lassen.

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Leiterin des Projekts Nordische Länder

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