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Herausforderungen für Deutsche und Europäische Sicherheitspolitik

ของ Dr. Wolfgang Schäuble

Vortrag anlässlich einer KAS-Konferenz mit Kommandeuren der Bundeswehr vom 3. 2. 2004 in Eichholz

"Ein zentrales strategisches Ziel europäischer und atlantischer Sicherheitspolitik muss das Bemühen um eine wirksame Abschreckung gegen neuartige Gefahren sein. Eine „neue Abschreckung“ wird allerdings nur gelingen bei gleichzeitig glaubwürdigem Engagement zugunsten der nicht-westlichen Welt."

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1.

Sicherheitspolitik genießt in Deutschland einen viel zu geringen Stellenwert. In der öffentlichen Diskussion spürt man immer noch viel Wunschdenken und Sorglosigkeit. Auch der 11. September und seine Folgen, die neue europäische Sicherheitsstrategie, oder jüngst die Warnungen des Leiters der IAEO, El Baradei, vor der gefährlichen Nähe eines Atomkriegs bringen uns eigentlich nicht wirklich aus der Ruhe – so finden auch die alle paar Monate neu präsentierten Reformenpläne für die Bundeswehr ihren Widerhall mehr in der Frage ihrer Auswirkungen auf die Wohlfahrtsverbände oder auf bedrohte Standorte, denn in der Sorge um das Grundsätzliche, die zukünftige Sicherheit unseres Landes.

Alle, die in diesem Bereich Verantwortung tragen, müssen dazu beitragen, dass Sicherheitspolitik wieder zu einem der ganz zentralen Themen auch in unserer öffentlichen Diskussion wird – natürlich mit dem gebotenen Augenmaß, also weder Über-, noch Untertreibungen. Die CDU/CSU- Fraktion hat hierzu bereits im Februar 2002 mit einem Grundsatzpapier ihren – für eine Opposition beachtlichen – Beitrag geleistet.

Im Grundsatz sind sich Regierung und Opposition durchaus einig: Der Schutz unseres Landes und unserer Bevölkerung bedarf einer neuen Qualität, aus zwei wesentlichen Gründen: Zum einen hat sich die Bedrohungs- und Gefahrenlage im letzten Jahrzehnt substanziell verändert. Unsere Nachbarn im Osten und Südosten sind „von Konsumenten zu Produzenten von Sicherheit“ (Robertson) geworden. Gleichzeitig bedrohen uns Terror, Failing States, Massenvernichtungswaffen und manches mehr auch aus großer Ferne unmittelbar. Zum anderen wurden in der Atlantischen Allianz und in der Europäischen Union bedeutende Schritte zur weiteren Integration und Harmonisierung der Streitkräfte und der Sicherheitspolitik unternommen.

Dies definiert die Grundprinzipien unserer Sicherheitspolitik: Das Bekenntnis zur Stärkung der Atlantischen Allianz und der Europäischen Union als partnerschaftlicher Rahmen zum Schutz unseres Landes und unserer Bündnispartner, und, angesichts der Unteilbarkeit von Sicherheit, das vitale Interesse unseres Landes an globaler Stabilität. .

Bei der Frage, welche Schlüsse aus all dem zu ziehen sind, kommen wir zu teilweise ganz unterschiedlichen Ergebnissen, als der Verteidigungsminister:

2.

Sprunghafte Sicherheitspolitik ist schlechte Sicherheitspolitik. Verantwortungsvolle Sicherheitspolitik taugt, zumal in Zeiten einer derartigen Dichte gleichzeitiger Konflikte und Spannungen, weder für Wahlkampftricks, noch zum Sparen. Sicherheitspolitik basiert zum ganz großen Teil auf Vertrauen, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit, auch Entschlossenheit und Mut. Erfolgreiche Sicherheitspolitik ist Daseinsvorsorge im besten Sinne, eine ganz wesentliche Bedingung auch für wirtschaftliche Prosperität. Und so muss Sicherheitspolitik auch dargestellt werden.

Dies verlangt vor allen anderen Modernisierungsschritten nach einem umfassenden Sicherheitskonzept, ausgerichtet an den wesentlichen Interessen unseres Landes, an möglichen, oder besser: nicht ausschließbaren Bedrohungsszenarien, wie auch der immer weniger logische Trennung zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit, sowie an unserer Beteiligung an immer stärker arbeitsteiligen und weiter integrierten atlantischen und europäischen Streitkräfte- und Rüstungsstrukturen.

Der Rahmen ist damit abgesteckt, die Koordinaten sind genannt. Dass die Regierung sich seit Langem weigert, ihn mit einem Gesamtkonzept zu füllen, liegt vermutlich daran, dass derzeit koalitionsintern, trotz aller Zustimmung zu konkreten Einsatzentscheidungen oder Standortstilllegungen, kein Bekenntnis im Grundsätzlichen zu Wehrhaftigkeit neuer Qualität auf Basis engster atlantischer und europäischer Partnerschaft möglich ist.

So beschränkt sich der Verteidigungsminister auf die Ankündigung von einzelnen Kürzungs-, Reduktions- und auch Modernisierungsschritten und entsprechende Weisungen an sein Haus, vermeidet aber ganz offensichtlich die parlamentarische Debatte, obwohl jedermann einsichtig ist, dass sich nur auf Basis eines umfassenden Sicherheitskonzepts, das belastbar ist und parlamentarischen Rückhalt genießt, verlässliche planerische Konsequenzen ergeben können. Diese Logik ist nicht umkehrbar.

Die derzeitige Linie der Bundesregierung läuft darauf hinaus, eine verkleinerte Bundeswehr auf die Erledigung von Auslandseinsätzen verschiedener Art, vorzugsweise friedenserhaltenden, zuzuschneiden. Dies soll überdies wenig kosten und wohl auch tendenziell die Wehrpflicht obsolet machen.

Unserer Ansicht nach kommt verantwortungsvoller Sicherheitspolitik aber weiterhin eine doppelte Aufgabe zu: Die Aufrechterhaltung der Sicherheit unseres Landes durch zeitgemäßen Heimatschutz und durch die partnerschaftliche Krisen- und Konfliktbewältigung und -Prävention in Europa, in unseren Nachbarregionen und prinzipiell auch überall dort auf der Welt, von wo unter den Bedingungen der Globalisierung unsere Sicherheit bedroht sein kann.

3.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind evident: Gleichzeitigkeit vieler akuter Konflikte und Krisen, die unter den Bedingungen der Globalisierung alle eine ganz unmittelbare Gefahr für uns darstellen: Irak, Afghanistan, Israel/Palästina, Indische Halbinsel, Kaukasus, Zentrales Afrika, Ostasien, Atomprogramme Irans, Lybiens und Nordkoreas und möglicherweise weiterer wenig vertrauenswürdiger Regime.

Ebenso fordern uns langfristige Probleme: neben dem Umgang mit Terrorismus, Massenvernichtungswaffen, Failing States, und asymmetrischer Kriegsführung, auch globale Umweltproblematik, Hunger und Armut (Afrikaner verlangen zurecht neben Krieg gegen Terror auch „Krieg gegen Hunger und Armut“), Verfügbarkeit von Waffen und waffenfähigem Material aller Art bei Proliferationsdruck ärmster Staaten auch infolge abgeschotteter Absatzmärkte für legale Exportprodukte; Drogenproblematik (vor nur wenigen Jahren führte US-Regierung „Krieg gegen Drogen“), Seuchen, Energieversorgung, Zugang zu Ressourcen (Wasser), demographische Entwicklung; drohende Migrationswellen.

In der globalisierten Welt, die gleichermaßen Chancen wie Risiken intensiviert, müssen wir unseren Sicherheitsbegriff entsprechend anpassen und auch der Öffentlichkeit den neuen Zuschnitt unserer sicherheitspolitischen Verantwortlichkeiten und Aufgaben bewusst machen: Die Zukunft Europas wird vor allem anderen abhängen von der Rolle und den Aufgaben, die Europa in der Welt zu übernehmen bereit ist und von der Art, wie wir unser Verhältnis zur nicht-westlichen Welt gestalten.

4.

Die Vielzahl der Krisen und Probleme ist weder von Amerika, noch von Europa alleine kontrollierbar, geschweige denn steuerbar. Die Verdichtung der Bedrohungen und Herausforderungen wird tendenziell nicht abnehmen, eher steigen. Dies verlangt danach, dass sich die stets etwas skeptischeren Europäer und die neuerdings etwas ernüchterten Amerikaner wieder aufeinander zu bewegen, mit dem Ziel eines geschlossenen und abgestimmten, womöglich arbeitsteiligen Vorgehens.

Für uns ist die Schussfolgerung hieraus klar: Europäische und Atlantische Sicherheit Hand in Hand, keinesfalls gegeneinander. Aus dieser Logik heraus sind wir gegen Bestrebungen europäische Sicherheitspartnerschaft in einer Weise zu artikulieren und zu forcieren, dass dies für die Allianz provozierend wirkt. Ohne den Brüsseler Pralinengipfel mit seinem verheerenden Timing als Beispiel zu nennen, steht außer Frage, dass derartige Manöver Europa im Endeffekt mehr spalten, denn einen, und in unserem Verhältnis zu Washington die gegenseitige Skepsis mehr schüren, denn abbauen. Dass wir uns damit den Amerikanern gegenüber selbst die Chance nehmen, ihre sicherheitspolitischen Vorgehensweisen dort, wo dies angebracht ist, wirkungsvoll in Frage zu stellen – und solch einen wohlmeinenden Partner und Freund brauchen die USA - kommt erschwerend hinzu.

Ich halte es für geradezu fahrlässig, europäische und atlantische Sicherheitsstrukturen gegeneinander auszuspielen und innenpolitisch zu instrumentalisieren. Und genauso falsch ist es, in Fragen der Sicherheitspolitik von steigender Eigenständigkeit und einem Mehr an Selbstbewusstsein zu sprechen. Beides dient nicht unseren Interessen.

Deutsche Sicherheitspolitik findet ihre Stärke in der Tragkraft der Partnerschaften. Deutsche Sicherheitspolitik ist heute immer auch Europäische und immer auch Atlantische, umgesetzt durch die verstärkte und arbeitsteilige Integration unserer Streitkräfte in Nato und ESVP.

So sehe ich zwischen deutschem und europäischem sicherheitspolitischem Interesse gar keinen gravierenden Unterschied, was für die anderen Europäer im Prinzip auch gelten sollte. Bedenklich stimmt da das jüngste Weißbuch der britischen Verteidigungspolitik, in dem die Tendenz zur „Priorität Amerika“ schon arg deutlich wird – für uns eine Aufgabe, unsere Partner weiter von der Bedeutung europäischer Sicherheitsstrukturen zu überzeugen, wie wir auch nicht nachlassen sollten, auf Paris einzuwirken, neuerlich den Gedanken einer vollen Integration in die militärischen Strukturen der Nato aufzugreifen. Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik darf keine Zweifel aufkommen lassen: Sie dient der Stärkung Atlantischer Partnerschaft, nichts anderem. Wenn sie es eines Tages schaffen sollte, zu einem wirklich schlagkräftigen und auch eigenständig voll einsetzbaren Pfeiler der Atlantischen Allianz zu werden, hätten beide, Europäer und Amerikaner nur gewonnen.

5.

Mir scheinen in der öffentlichen Diskussion der besondere Charakter und die Bedeutung der Nato ungenügend verankert. Weit mehr als ein nur militärisches Bündnis, macht sie ihr eminent politischer Anspruch zum Fundament Atlantischer Sicherheitspolitik und wir sollten großes Interesse daran haben, dieses politische Gremium zu stärken, indem die zentralen sicherheitspolitischen Probleme hier diskutiert werden. Während der Irak-Krise wurde dies versäumt, ja die Nato ließ sich politisch spalten, mit fatalen Konsequenzen.

Gelegenheiten zur Reparatur gibt es freilich genug, beispielsweise wenn es gilt, die amerikanische und die europäische Sicherheitsstrategie, beide entworfen immerhin von Nato-Partnern, in Kongruenz zu bringen – zwei Strategien, die im Grunde gar nicht so weit voneinander entfernt sind, wie gerne betont wird. Dem Vernehmen nach war im Kreis der Europäer der Begriff „Preemption“ für alle bis auf die Bundesregierung akzeptabel, und beide Strategien betonen die Nutzung aller Instrumente vorbeugender Politik, d.h. diplomatischer, geheimdienstlicher, entwicklungspolitischer, handelspolitischer und als ultima ratio eben auch militärischer.

Dass die Nato neben der gewaltigen Aufgabe, die sie in Afghanistan nicht nur kurz-, sondern sicherlich auch mittelfristig übernommen hat, mit dem Irak möglicherweise eine weitere enorme Herausforderung zu schultern haben wird, halte ich für immer wahrscheinlicher. Was eine Beteiligung der Bundeswehr anbelangt, sollte sich diese, wenn es ein Nato-Mandat gibt, allein nach unseren Möglichkeiten und anderweitigen Präsenzen und Verpflichtungen richten und nicht am gewundenen Festhalten längst entlarvter Wahlkampfparolen.

Dass auch über eine zukünftig denkbare Präsenz der Nato in Israel/Palästina immer wieder spekuliert wird, spricht für das Ansehen der Allianz.

All dies verlangt eine optimale Umsetzung der Prager Beschlüsse zur Modernisierung der Allianz. Nagelprobe ist der Aufbau der Nato Response Force. Ihre Entwicklung zu einem schlagkräftigen Instrument sollte eine der obersten Prioritäten Europäischer Verteidigungspolitik sein. Gelingt dies, wird die Nato auch als das multilaterale Forum der wichtigsten westlichen Demokratien an Attraktivität gewinnen – auch für die USA.

6.

Die Glaubwürdigkeit europäischer Verteidigungspolitik hängt an der Handlungsbereitschaft und an den Fähigkeiten. Die mittlerweile beigelegten Aufregungen über die Hauptquartier-Fragen waren fast lächerlich beim Blick auf die Verteidigungsausgaben Deutschlands, Belgiens und Luxemburgs (2002 BIP-Anteil in %: D 1,5; BEL 1,3; LUX 0,8; im Vergleich USA 3,3; F 2,5; GB 2,4; Nato gesamt 2,7).

Dass besonders der technologische Graben zu den USA eine Gefährdung unserer Partnerfähigkeit darstellt, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Dass angesichts dessen der deutsche Wehretat bereits jetzt mit de facto-Kürzungen abgespeist wird und die Bundeswehr nach den jüngsten Plänen des Verteidigungsministers mittelfristig ein ganzes Jahresbudget (24 Mrd Euro) einsparen soll, ist schwer nachvollziehbar. Einzig die Unterwerfung unserer Sicherheitspolitik unter das Primat des Fiskalischen wäre eine Erklärung, die aber Sinn und Logik einer verantwortungsbewussten Sicherheitspolitik entgegenläuft. Eine Zwickmühle zwischen wachsenden Anforderungen und begrenzten Mitteln also, in der die Regierung steckt und die sich ohne baldige Kurskorrektur nur weiter verkomplizieren wird. Als Ausweg sehe ich einzig eine stärkere Prioritätensetzung auf Auswärtige Belange im Bundeshaushalt (verstanden als Budgets für Auswärtiges, Verteidigung und Wirtschaftliche Zusammenarbeit), kombiniert mit einer ganz wesentlich verstärkten Arbeitsteilung, Spezialisierung und Harmonisierung im Verbund mit unseren europäischen und atlantischen Partnern, sowohl was Beschaffung und Rüstung anbelangt, wie auch auf dem Gebiet der militärtechnologischen Forschung.

Was unsere wehrtechnische Industrie und Forschung anbelangt, möchte ich der Regierung dringend raten, sie wieder aus dem ideologisch verordneten politischen Abseits zu holen und ihren Beitrag zu innovativer deutscher Forschung und Entwicklung – die ja neuerlich groß propagiert wird – und ihre Exportmöglichkeiten nach Kräften zu fördern. Das heute noch weltweit führende Niveau der deutschen Wehrtechnik wird sich nur halten können, wenn gemeinsame europäische Rüstung, Forschung, Entwicklung und Beschaffung vorangetrieben werden, und finanzieller Handlungsspielraum geschaffen wird, um unsere Unternehmen und Institute an der zunehmenden Vernetzung moderner militärischer Kommunikation zu beteiligen.

Die europäischen Beschlüsse vom Jahresende zeigen Ansätze in die richtige Richtung. Gerade deshalb aber wäre es angebracht gewesen, vor der jüngsten Ankündigung tiefgreifender nationaler Maßnahmen detailliert darzulegen, welche Konsequenzen sich aus den bereits getroffenen und beabsichtigten europäischen Entscheidungen zu stärkerer Arbeitsteilung ergeben.

7.

Neben der „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ halten wir es für unabdingbar, auch an der Ausrichtung unserer Streitkräfte auf einen zeitgemäßen Heimatschutz festzuhalten und dies auch in der Darstellung der Aufgabenpalette der Bundeswehr zum Ausdruck zu bringen – eine Selbstverständlichkeit für amerikanische, britische oder franzö sische Sicherheitspolitik, und eigentlich ebenso für unser Land.

Dabei begründet sich ein moderner Heimatschutz in den neuartigen Gefahren und Bedrohungen die uns auch unmittelbar in Deutschland treffen können, ebenso wie mit dem sicherheitspolitischen Imperativ, Gefahren mitzubedenken, die sich nicht ausschließen lassen, wenn es zu negativen politischen Entwicklungen in unseren Nachbarregionen kommen sollte.

Aus einem zeitgemäßen Heimatschutz heraus – und wohl nur aus diesem - begründet sich wiederum die Aufrechterhaltung und wehrgerechte Weiterentwicklung der Wehrpflicht. Der Versuch des Ministers, mit finanziellen Erwägungen zu argumentieren, ist letztlich nicht haltbar und würde in der Konsequenz trotz aller seiner gegenteiligen Beteuerungen zur Abschaffung des Wehrdienstes führen.

Deutsche Sicherheitspolitik ist gehalten, aus beidem, Einsatzfähigkeit im Ausland und Heimatschutz, Konsequenzen für Personalstärke und -Struktur und die Ausrüstungserfordernisse unserer Streitkräfte zu ziehen, und ohne falsche Vorbehalte für einen zeitgemäßen rechtlichen Rahmen von Einsätzen der Bundeswehr im Ausland, wie auch im Inneren zu sorgen.

Die Notwendigkeit eines Parlamentsbeteiligungsgesetzes für Auslandseinsätze haben nach längerer Blockade nunmehr auch Rot-Grün eingesehen. Ist es der Bundesregierung mit der Europäischen Verteidigungspolitik ernst, muss sie zu entsprechenden Regelungen bereit sein. Zentraler Punkt ist der rasche Einsatz integrierter Verbände mit deutscher Beteiligung. Es wäre geradezu absurd, würde Deutschland in einer akuten Situation im Nato-Rat oder Europäischen Rat einer sofortigen Entsendung integrierter Eingreif-Verbände zustimmen (Einstimmigkeit), der tatsächliche Einsatz aber wegen ausschließlich deutschem Parlamentsvorbehalt verzögert oder sogar in Frage gestellt.

Selbstverständlich haben Einsätze im Ausland und die Teilnahme an diversen Missionen auch ihre Grenzen. Derzeit wird anlässlich jeder neuerlichen Einsatz- oder Verlängerungsentscheidung im Bundestag betont, die Bundeswehr sei bereits gegenwärtig in ihren Möglichkeiten überstrapaziert. Ohne Konkretisierungen des prinzipiell weltweiten Einsatzgebiets wird es nicht gehen, ein umfassendes Sicherheitskonzept muss auch in diesem Punkt Aussagen zu unseren Interessen und zu den Grenzen der Belastbarkeit enthalten. Dass die Bundesregierung über jeden Zweifel erhaben sein muss, die in den Einsatz gesandten Soldaten erhielten nicht eine optimale Ausrüstung, sei es in Kabul oder auf dem Balkan, ist selbstverständlich. Dies gebietet die Fürsorgepflicht gegenüber unseren Soldaten und das Vertrauen, das wir Abgeordnete bei Einsatzentscheidungen den Zusicherungen der Regierung entgegenbringen.

Für die innere Sicherheit Deutschlands ist eine optimale Vorsorge nur gewährleistet, wenn in genau definierten Fällen auch die Bundeswehr eingesetzt werden kann. Hierzu ist die zivil-militärische Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in dem Maße zu stärken, wie dies bei der immer engeren Verschränkung äußerer und innerer Sicherheit zum Schutz unserer Bürger unerlässlich ist. Die Bundeswehr muss gewisse Aufgaben, die sie im Ausland problemlos wahrnehmen kann, beispielsweise im Katastrophenschutz sowie bei der Abwehr und Bewältigung terroristischer Gefahren (ABC-Schutz), auch im Inland wahrnehmen können. Um in besonderen Gefährdungslagen den Einsatz der Bundeswehr mit diesen spezifischen Fähigkeiten, ergänzend zu Polizei und Bundesgrenzschutz zu ermöglichen, sind Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten anzupassen.

8.

Ein zentrales strategisches Ziel europäischer und atlantischer Sicherheitspolitik muss das Bemühen um eine wirksame Abschreckung gegen neuartige Gefahren sein. Eine „neue Abschreckung“ wird allerdings nur gelingen bei gleichzeitig glaubwürdigem Engagement zugunsten der nicht-westlichen Welt. Abschreckung muss überzeugen, dass Ziele eines Aggressors oder seiner Helfer mit der Anwendung von Gewalt nicht durchsetzbar sind. Überlegene militärische Mittel sollten gerade dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu ihrem Einsatz kommen muss. Es geht nicht um das Recht des Stärkeren, sondern darum, dem Recht durch Stärke zur Durchsetzung zu helfen.

Das Gelingen dieser neuen Art von Abschreckung hängt also ab von beidem: Von Entschlossenheit, Terror mit allen, notfalls auch militärischen Mitteln zu bekämpfen und vom respektvollen Umgang mit der nicht-westlichen Welt. Ein solcher doppelter Ansatz begründet die politische, moralische und völkerrechtliche Legitimität einer neuen Abschreckung. Damit kommt Politikbereichen wie der Entwicklungshilfe oder der Auswärtigen Kulturpolitik eine tendenziell immer bedeutendere sicherheitspolitische Ausrichtung zu, was wiederum mit den Prinzipien der amerikanischen und europäischen Sicherheitsstrategien übereinstimmt und seinen Niederschlag, auf Deutschland bezogen, in einer engeren Verzahnung der diversen sicherheitspolitischen Verantwortlichkeiten finden sollte.

Dies führt auch zur Notwendigkeit einer behutsamen Weiterentwicklung des Völkerrechts, eine Forderung, die, wie so manch andere, nur mühsam von Rot-Grün verinnerlicht werden konnte. Ein prinzipielles Unbehagen am Thema darf aber kein Grund sein, die Debatte zu scheuen.

Staatliche Souveränität und Interventionsverbot reichen als Grundlage für die Ordnung des Völkerrechts nicht mehr aus. Über die Legitimität humanitärer Interventionen herrscht seit dem Kosovo-Einsatz doch bereits weitgehend Konsens. Die Weltgemeinschaft darf angesichts der Kenntnis massivster innerstaatlicher Menschenrechtsverbrechen nicht untätig bleiben, auch wenn sich der Weltsicherheitsrat aufgrund von Partikulkarinteressen oder Blockaden als entscheidungsunfähig erweist.

Dabei bleibt die Legitimation militärischen Eingreifens durch rechtlich geordnete multilaterale Entscheidungsstrukturen unverzichtbar. Wichtig wäre es, den Vereinten Nationen eine Handhabe zu geben, Staaten, die nicht willens oder nicht fähig sind, einen menschenwürdigen Rechtszustand einzuhalten, die Souveränität zu entziehen oder einzuschränken.

Damit der nötige Druck funktioniert, bleibt auch die Drohung mit der ultima, oder „ultissima“ ratio militärischen Eingreifens unverzichtbar. Will man Abschreckung, und jeder für die Sicherheit seines Landes Verantwortliche muss sie wollen, muss man bereit sein, seine Drohung auch zu realisieren.

Dabei geht es ausdrücklich nicht um eine „Erstschlagsdoktrin“ – sondern um eine multilateral legitimierte Abschreckung. Die Grenzen unilateralen Handelns und der Geringschätzung der Vereinten Nationen sind heute deutlich aufgezeigt. Dies kann ein „Window of opportunity“ sein: Geschlossenheit des Wesens kann die UN stärken und handlungsfähig machen.

9.

Deutsche und Europäische Sicherheitspolitik werden gut daran tun, unser Bewusstsein zu schärfen, dass wir als Westen einer Schicksalsgemeinschaft angehören. Mit Amerika teilen wir Werte vom Leben und menschlichen Zusammenleben, von Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit, auch von der prinzipiellen Notwendigkeit der Legitimität militärischen Handelns. Die großen Herausforderungen der Zukunft betreffen uns gleichermaßen und meistern werden wir sie nur, wenn wir unsere Talente und Fähigkeiten zusammenhalten und uns nicht spalten lassen. Diese Sicht scheint mir trotz aller Differenzen der letzten Monate in Paris ebenso gegeben, wie in London, Warschau und auch in Washington. Auch der kürzliche programmatische Artikel des amerikanischen Außenministers stellt dies nicht in Frage, wirft aber ein Licht auf die gegenwärtige Partnerschaftsfähigkeit Europas.

Um die Herausforderungen zu meistern, brauchen beide, Amerika und Europa, hard power und soft power. Amerikanische Sicherheitspolitik muss partnerschaftliche Entscheidungsfindung und die Verrechtlichung der Internationalen Beziehungen respektieren und vor allem: Sie muss auf die politische Überzeugungskraft ihrer Demokratie setzen. Europäer müssen ihre militärischen Fähigkeiten verbessern und auch aus diesem Grund reformbereit sein und für Wachstum sorgen.

Damit zurück zum von mir am Anfang eingeforderten höheren Stellenwert von Sicherheitspolitik: Talleyrand mahnte einmal Napoleon mit einem alten spanischen Sprichwort: „Auf Baillonetten sitzt man nicht bequem, Sir!“ Ich möchte hinzufügen, dass es sich wohl dann am bequemsten und entspanntesten sitzen lässt, wenn gut funktionierende Baillonette zumindest in Reichweite bleiben.

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Sankt Augustin Deutschland